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Nimm meine Hand

Der Weg aus der Einsamkeit
von

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Der Weg aus der Einsamkeit

Ein Nebel hatte sich in den Straßen von Kirigakure gelegt. Er war ungewöhnlich dick um diese Jahreszeit und erschwerte mir deutlich das Atmen. Vorsichtig tastete ich mich die Wände entlang, da man nicht einmal die Hand vor der Nase erkennen konnte.
 

Etwas an diesem Nebel war merkwürdig. Er wirkte unnatürlich und schmeckte süßlich.

Ich hätte nicht in die Stadt gehen sollen, der Kauf von Soja-Soße hätte auch morgen erledigt werden können. Doch wie so oft, wollte ich alles sofort gemacht haben.
 

Erschrocken fuhr ich zusammen, als eine starke Windböe durch die Gasse zog und den Nebel verwehte. Verwundert blieb ich stehen und sah mich um. Es war keine Menschenseele auf der Straße vorzufinden.
 

Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus und meine Nackenhaare stellten sich auf. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht. Mein Herz schlug fest gegen die Brust. Ich sollte hier unbedingt schnell weg. Mit geschärften Sinnen schlich ich langsam in die Richtung, die mich aus der Stadt führen würde.
 

Meine Schritte hallten durch die Straße und die Wände warfen ein viel zu lautes Echo zurück. Normalerweise war die Stadt um diese Uhrzeit noch sehr lebendig. Doch nun waren nicht einmal Vögel auf der Straße zu sehen, die am Boden irgendwelche Reste aufsammelten.
 

Ängstlich sah ich hoch zum Himmel, der wie eine pechschwarze Decke über mir hing. Ich konnte keinen einzigen Stern am Himmel entdecken. Alles hier schrie nach Gefahr.

Ich beschleunigte meine Schritte.

Irgendwann setzte ich zum Laufen an.
 

Plötzlich hörte man von irgendwo her den markerschütternden Schrei einer Frau. Entsetzt blieb ich stehen und sah mich um. Verwirrt drehte ich mich im Kreis. Der Schrei schien durch das Echo von überall herzukommen. Gerade als ich einen Schritt in die Richtung machen wollte, aus der ich den Schrei vermutete, tauchten Shinobi auf den Dächern über mir auf.
 

Das Klirren von aufeinander treffenden Klingen erfüllte die Luft. Ein Mann wurde getroffen und fiel auf unnatürliche Weise vom Dach. Sein Kopf landete zuerst auf dem gepflasterten Weg, was mir einen erstickenden Laut entlockte, ehe ich mir die Hände vor den Mund schlug. Zum einen aus Angst, die Shinobi könnten mich bemerken, zum anderen wollte ich dem Bedürfnis mich zu übergeben entgegenwirken. Meine Sicht verschwamm plötzlich und als ich blinzelte, spürte ich eine Träne meiner Wange herunter bahnen.
 

„Kommen Sie. Sie müssen hier weg!“ befahl mir eine Frau, doch ich konnte den Befehl nur verzerrt wahrnehmen. Alles um mich herum schien sich zu drehen.
 

Das hier war alles nur ein schlimmer Traum. Gleich würde ich aufwachen und in meiner normalen, heilen Welt sein. Wo ein Tag voller Alltagsprobleme, Freude und Wut auf mich wartete.

Das hier durfte nicht real sein. Konnte es nicht!
 

Plötzlich flogen Kunai an meinem Kopf vorbei und ich erstarrte aus Angst. Meine Hände fingen an viel zu stark zu zitterten und auch mein Atem ging viel zu schnell. Ich war kurz davor zu hyperventilieren. Wie paralysiert starrte ich immer noch den toten Shinobi vor mir an.
 

Wie konnten Menschen sich so etwas nur gegenseitig antun? Mit welchem Recht nahmen sie das Leben eines anderen?

Das Bild vor meinen Augen veränderte sich plötzlich und alles was ich sah, war die Farbe braun. Überrascht ging ich einen Schritt zurück und prallte gegen eine Wand. Als ich erkannte, dass die Farbe zu einer Shinobi-Weste gehörte, hob ich meinen Blick und sah auf das Stirnband.
 

Iwagakure.
 

Der Mann, welcher mir gegenüber stand, grinste mich schelmisch an.
 

„Bitte nicht“, flüsterte ich unter Tränen. „Lasst mich in Ruhe. Bitte.“
 

Doch der Mann lächelte nur. Er war dem Blutrausch verfallen und beleckte sich die Zähne. Er genoss die Macht, einem Menschen das Leben zu nehmen.

Ich verschloss meine Augen vor dem Grauen. Darauf hoffend, dass dies nur ein böser Traum sei und ich bald aufwachen würde.
 

„Yuki!“
 

Panisch riss ich die Augen auf, denn diese Stimme wollte ich an diesem Ort nicht hören. Innerlich schrie ich ihn an, dass er weglaufen solle, sofort! Doch als ich ihn ansah, lächelte er mir aufmunternd zu.
 

„Renn weg Kleines. Hier ist es zu gefährlich. Du musst leben, hörst du! Für mich … für sie!“
 

Verwirrt sah ich ihn an. Warum redete er mit mir, als wäre das unser Abschied.

Noch bevor ich zu einer Antwort ansetzten konnte, fiel er plötzlich auf die Knie und spuckte eine beängstigende Menge an Blut auf den Boden.
 

„Oh Gott.. Nein. Oh Gott. Bitte nicht.“ Ich ging in die Hocke und versuchte die Ursache für diese Menge an Blut auszumachen. Aber es war aussichtslos. Selbst ich wusste, dass diese Menge an ausgetretenem Blut zu viel war. Viel zu viel.
 

„Yukiko. Lauf! Hörst du! Passt auf euch auf. Ich liebe d …“ Seine Augen starrten mich in diesem Moment entsetzt an und ich erkannte ein weiteres Kunai, dass plötzlich in seinem Hinterkopf steckte.

„Nein. Nein. Nein. … Bitte nicht.“
 

Vorsichtig fing ich meinen Retter auf, bevor er auf den Boden fiel und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Ich liebe dich auch, hörst du. Ich … liebe dich.“ Meine Schultern fingen an zu beben und in diesem Moment verabscheute ich alle. Diese kranke Welt. Menschen, die sich aus Habgier gegenseitig umbrachten.
 

Und am meisten diese Marionetten dieser Verbrecher. Wie konnte jemand, der bei Sinnen war, freiwillig ein Shinobi werden.

Doch dann sah ich zu dem Mann auf meinen Knien. Ich durfte nicht so denken. Nicht jeder war so. Manche taten es aus Liebe für ihre Mitmenschen.
 

Sein Tod sollte nicht umsonst gewesen sein. Vorsichtig löste ich sein Stirnband und nahm es als Andenken an mich, ehe ich ihm einen letzten Kuss auf die Lippen drückte und um mein Leben rannte.
 

Bei einer alten Hütte am Waldrand hielt ich inne und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Noch nie hatte ich so viel rennen müssen. Verwirrt blieb ich stehen, als ich die offene Tür sah. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. Ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, stürmte ich hinein und sah mich in dem kleinen Zimmer um.
 

„Arisu? Arisu wo bist du? Wir müssen von hier weg. Sofort!“ Hektisch rannte ich in dem kleinen Zimmer herum und packte kleine Andenken an diese Zeit hier in den erstbesten Rucksack, den ich finden konnte.
 

Als noch immer keine Antwort von Arisu kam, ging ich mit zittrigen Knien zum Schlafzimmer. Etwas stimmte hier ganz offensichtlich nicht. Oder war Arisu in den Wald geflohen? Ich hoffte, dass es letzteres war. Doch als ich die Tür öffnete und ich mir der Situation klar wurde, gaben meine Knie nach.
 

Fassungslos riss ich die Augen auf und sah zu der alten Frau auf dem Boden. Eine riesige Blutlache umrandete sie und das kleine Bündel, welches ebenfalls am Boden lag.
 

„Bitte nicht. Arisu?“ Wimmernd kroch ich zu ihnen und nahm das kleine Bündel in die Arme. „Nein. Nein. Kleines. Nein.“

Ein hysterischer Schrei gefolgt von einem Schluchzen brach aus mir heraus, als ich in die blauen Augen des kleinen Babys sah.
 

Leere blaue Augen …
 


 

Das Licht kitzelte sie an der Nase, weshalb sie diese genervt kraus zog, ehe sie anfing zu blinzeln. Yukiko war zu müde, um schon aufzustehen, Dennoch richtete sie sich auf und rieb sich die Augen wach. Noch immer im Halbschlaf sah sie sich prüfend um. Sie hatte im Wald übernachten müssen, da sie in der Nähe keine Herberge gefunden hatte. Wahrscheinlich war das Dorf, in welches sie wollte, schon in der Nähe.
 

Bei der Aussicht bald anzukommen, zog sich ihr Magen zusammen. Sie war so nervös davor. Was wenn alles schief laufen würde? Was wenn es einem Außenseiter nicht gewährt war, dort zu leben? Erst recht nach den Anschlägen.

Nachdenklich biss sie sich in ihre Unterlippe und stand auf. Ihre Gelenke protestierten mit einem lauten Knacksen, weshalb sie genervt die Augen verdrehte. Die Nächte wurden kühler und nach dem gestrigen langen Marsch wurde ihr Körper immer träger.
 

Gähnend holte sie ihre Trinkflasche aus dem Rucksack und nippte daran, während sie an den Traum zurück dachte. Es war nichts Neues für sie, von den Geschehnissen zu träumen. Nichts Neues aus dieser Verzweiflung aufzuwachen und von der Einsamkeit umarmt zu werden. Jeden Tag aufs Neue musste sie versuchen mit dem Verlust zu leben. Sie hatte keine Familie, die sie trösten konnte. Keinen Beruf, dem sie nachgehen konnte und ihren Schmerz im Alltagsstress zu vergessen. Nichts davon hatte sie, um wieder in ein normales Leben zurückkehren zu können.
 

Jeden Tag musste sie ihr Herz auf ein Neues zusammenfügen und darauf hoffen, dass es die Nacht überstand. Vergeblich. Denn wenn sie aus diesem Albtraum erwachte, mit dem Wissen, dass es nicht nur ein schlimmer Traum, sondern die bittere Realität war, zerbrach es auf ein Neues.
 

Ob sie jemals damit zu leben lernen würde?
 

Nachdenklich sah sie zum Himmel, welcher ihr einen weiteren Stich ins Herz versetzte. Heute würde ein warmer Tag werden, denn er hatte dieses hell strahlende Blau, dass sie in ihren Träumen verfolgte. Die leeren blauen Augen.

Müde von ihren Gedanken schüttelte sie den Kopf und machte sich auf den Weg nach Konohagakure.

Willkommen

Willkommen zu Hause
 

Mit offenem Mund starrte sie das riesige Tor, das vor ihr emporragte, an. Nun wunderte es sie überhaupt nicht mehr, warum sie vorhin das Gefühl hatte, nie hier anzukommen. Denn schon vor einer Stunde hatte Yukiko das Tor am Horizont sehen können und sich kurzzeitig gefragt, ob sie nicht in einem Gen-Jutsu gefangen war, da es so gewirkt hatte, als ob sie nicht vom Fleck kam.

Oben auf den Mauern standen einige Shinobi. Manche sahen in den Wald hinaus, andere redeten und lachten miteinander. Durch das Tor hindurch konnte sie einen Berg entdecken, auf welchem Köpfe eingemeißelt waren. Davon hatte ihr Tsunade erzählt. Es soll alle Hokage abbilden, um den Bewohnern deutlich zu machen, dass man sie immer beschützen würde. Dass man über sie wachte. Rechts neben den vier Gesichtern befand sich ein Gerüst. Wahrscheinlich würde man bald Tsunades Gesicht dort sehen. Ein stolzes Lächeln umspielte ihre Lippen bei diesem Gedanken. Schon jetzt machte das Dorf einen lieblichen Eindruck.
 

Erschöpft wischte sich Yukiko den Schweiß von der Stirn ab. Es war zwar Ende September, doch die Sonne schien noch ein letztes Mal alles von sich geben zu wollen, bevor der Herbst einbrach. Sie sah hoch zum strahlend blauen Himmel. Nicht einmal eine einzige Wolke war zu sehen. Sehr zu ihrem Nachteil, denn sie hatte einen Mantel an und schleppte einen vollgepackten Rucksack mit sich, was bei dieser prallen Sonne noch anstrengender war als sonst.
 

Während sie die letzten hundert Meter zum Tor überbrückte, holte sie ihre Trinkflasche heraus und nippte immer wieder daran. Kurz vor dem Eingang zog ein Trampeln hinter ihr ihre Aufmerksamkeit auf sich. Prüfend blickte sie zurück und sah eine Staubwolke, die in einer enormen Geschwindigkeit auf das Dorf zuraste. Ängstlich ging sie ein paar Schritte zur Seite, um nicht in der Schusslinie vor - was immer das auch war - zu sein. Doch noch bevor sie überhaupt zum zweiten Schritt ansetzen konnte, spürte sie einen starken Luftzug. Erschrocken kniff sie ihre Augen zu und hielt ihr Kopftuch fest, damit es nicht wegflog. Ihr Glöckchen was am Kopftuch runterhängte, gab ein helles Läuten von sich.
 

Ein brüllendes Lachen drang zu ihr durch, weshalb sie neugierig zu der Lärmquelle schielte.

Es war ein Mann in einem grünen Ganzkörperanzug und ein Junge mit der gleichen Aufmachung.
 

„Erster! Du musst härter trainieren, Lee!“, lachte der ältere und streckte einen Daumen in die Höhe.
 

„Da haben Sie Recht Sensei. Ich werde gleich damit anfangen. Ich sollte gleich eine Runde extra um das Dorf laufen“, rief der Junge, dessen Name Lee zu sein schien, begeistert.
 

Verwirrte beobachtete Yukiko die Szene. Noch nie war ihr ein solch hyperaktiver Mann über den Weg gelaufen. Fassungslos musterte sie die zwei und war überrascht zu sehen, dass es sich bei ihnen um Shinobi handelte. Schmunzelnd schüttelte sie den Kopf, denn diese Berufung hätte sie von ihnen nicht erwartet. Waren Ninja nicht normalerweise leise und darauf bedacht nicht aufzufallen? Die zwei wirkten auf sie, als ob in einer eigenen Welt zu leben schienen.
 

„Mach gleich zwei daraus Lee. Eine Runde ist nämlich keine!“, korrigierte ihn der Ältere. Yukiko spürte, wie sich ihre Mundwinkel immer höher zogen. Waren alle Shinobi aus Konoha derart hyperaktiv?
 

„Sensei! Das ist eine prima Idee. Ich schreib mir das sofort auf, damit ich es nicht vergesse“, in Windeseile fischte der Junge, Lee, ein kleines Notizbuch aus seinem Rucksack und schrieb allen erstes etwas auf.
 

Yukiko senkte ihren Kopf und legte ihre Hand über den Mund, um das breite Grinsen, dass ihr Gesicht zierte zu verstecken. Sie wollte nicht unhöflich sein, oder die zwei verletzen, aber ihre ganze Art war einfach nur komisch.
 

„Sie fangen schon wieder damit an“, murmelte ein Mädchen neben ihr und hielt sich die Hand an die Stirn. Der Junge an den sie sich gewendet hatte, musterte Yukiko streng, ehe er seinen Blick abwandte und zu einer Antwort ansetzte. „Kleinkinder!“, kommentierte er die Szene.
 

Yukiko hob ihre Augenbrauen an. Dass dies auf Dauer anstrengend werden könnte, verstand sie. Dennoch fand sie nicht, dass es nur Kleinkinder vorbehalten war, sich so zu verhalten. Sie mochte exzentrische Gefühlsausbrüche. Diese hatten etwas Ehrliches an sich, deshalb war es oft nur bei Kindern zu beobachten. Kinder wussten noch nichts von dieser grausamen Welt und waren noch nicht von all den Lügen und der Missgunst verdorben.
 

Sie seufzte leise und schüttelte den Kopf. Yukiko wollte im Moment nicht über das Leben philosophieren. Nicht, wenn sie gerade dabei war, einen Neustart zu wagen. Langsam machte sie sich wieder auf den Weg. Wo die Hokage sich aufhalten mag? Wen konnte sie am besten fragen? Ihr Magen zog sich nervös zusammen, bei der Aussicht ihre Freunde wieder zu sehen. Es war so lange her, dass sie miteinander Gesprochen hatte. Sie fehlten ihr. Voller Vorfreude sah sie erneut zu dem Berg und grinste. Ja bald würde sie endlich wieder bei ihren Freundinnen sein.
 

Plötzlich rannte sie gegen etwas, was sie nach hinten stolpern und auf den Allerwertesten fallen ließ. Verwirrt sah sie nach oben, denn sie konnte sich an kein Hindernis auf der Straße erinnern. Ein Mann mit einem struppigen Ziegenbart stand vor ihr und funkelte sie an.
 

„Wo wollen Sie hin?“ Der Ton in seiner Stimme machte einem deutlich, sich besser nicht unaufgefordert zu bewegen oder auf die Idee zu kommen, zu lügen.

Yukiko versuchte den aufkommenden Frosch im Hals hinunterzuschlucken.
 

„Zu Tsunade“, ihre Stimme klang nicht wie gewollt fest. Eher verängstigt. Vorsichtig richtete sie sich auf, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Sie hatte unheimliche Angst vor diesem Mann. Soviel zu dem herzlichen Eindruck, den sie vorhin noch gehabt hatte.
 

„Können Sie sich denn ausweisen?“ Er hatte skeptisch die Augenbrauen zusammengezogen und deutete ihr mit dem Blick, dass sie sich zu einer Hütte direkt beim Eingang begeben soll. Diese war ihr vorhin gar nicht aufgefallen.

Yukiko folgte seiner stummen Anforderung und schüttelte mit dem Kopf.
 

„Leider nicht.“ Woher denn auch?
 

„Dann darf ich sie nicht ins Dorf lassen. Tut mir Leid.“ Es tat ihm nicht Leid, dass konnte Yukiko sofort erkennen. Sie erinnerte sich, dass ihr Tsunade einmal erzählt hatte, dass jeder ein Recht auf einen Besucherpass hätte. Dieser galt zwar nur für ein paar Stunden, aber das reichte, um zu der Hokage zu gelangen.
 

„Kann ich denn keinen Besucherpass beantragen?“ Einen Versuch war es Wert danach zu fragen.
 

„Nein. Kein Ausweis, kein Besucherpass“, er starrte sie mit einem solch kalten Ausdruck an, dass sich ihr die Nackenhaare aufstellten.
 

„Bitte. Ich kenne Tsunade persönlich. Und Shizune! Wir waren vier Jahre lang beisammen. Ich war sogar ihre Schülerin. Können Sie sie nicht nach mir fragen? Tsunade kann das bestimmt bestätigen!“ Wild gestikulierte Yukiko herum, während sie versuchte ihn zu überreden.
 

„Wir müssen uns täglich solchen Schwachsinn anhören“, schüttelte er den Kopf.
 

Sein Kollege, der ihr überhaupt nicht aufgefallen war, fing an zu kichern. Verdutzt starrte Yukiko ihn an. Sie fand das ganze überhaupt nicht witzig, immerhin hatte sie einen langen Weg hinter sich. Außerdem wollte sie hier bleiben. Sich hier ein Zuhause aufbauen. Und es sollte jetzt an diesem Mann scheitern?
 

Genervt warf sie ihren Rucksack zu Boden und fing an darin nach etwas zu suchen.

„Was tun Sie da?“, fragte der zuvor noch belustigte Ninja alarmiert.
 

„Beweise suchen“, knurrte sie ihn genervt an.
 

Einerseits verstand sie ja, dass alles seine Vorschriften haben musste, aber sie hätte niemals etwas Böses im Schilde geführt. Außerdem fand sie, dass ein Shinobi kein Recht darauf hatte, sich so scheinheilig zu verhalten. Als würden die sich an Regeln halten. Sie kamen und gingen, wie es ihnen passte und hinterließen das pure Chaos.

Als sie endlich gefunden hatte, was sie suchte, stellte sie es mit einem lauten Knall vor dem Ziegenbart Shinobi. „Hier. Reicht das als Beweis?“
 

Es war ein Bilderrahmen mit einem Foto von den Dreien. Sie hatten es auf einem Sommerfest in einem kleinen Dorf vor drei Jahren schießen lassen. Als Erinnerung hatte jede von ihnen sich eines genommen. Damals hatte sie noch lange Haare gehabt. Hoffentlich störte es den Shinobi nicht, denn diese würden lange brauchen bis sie nachwuchsen.
 

Verwirrt sah er abwechselnd vom Bild zu ihr und nickte dann. Plötzlich holte er ein Formular raus und fing an es auszufüllen. „Ich werde Sie zur Sicherheit zu der Hokage begleiten. Nur so als Vorwarnung. Wie heißen Sie?“
 

„Yukiko“, grinste sie ihn erfreut an. Das waren gute Nachrichten. Hätte sie ihm doch gleich das Foto vor die Nase gedrückt.
 

„Familienname?“ Verwirrt sah Yukiko ihn an. Nun sie hatte zwar einen vor langer Zeit gehabt, nur konnte sie diesen nicht mehr verwenden. „Mizu“ Innerlich schlug sie sich auf die Stirn. Was für ein bescheuerter Name das war. Den konnte er ihr nicht abkaufen, oder?

Doch er nickte nur.
 

„Geburtsdatum?“ Yukiko versuchte gegen den Drang anzukämpfen die Augen zu verdrehen. Er hätte wenigstens einmal Bitte sagen können. Doch sie wagte es nicht, seine Unhöflichkeit zur Sprache zu bringen. Immerhin saß sie gerade am kürzeren Hebel.
 

„Der 22. Februar 19xx.“ Verblüfft sah er zu ihr auf. „Sie sehen gar nicht aus wie 25.“
 

Yukiko wusste nicht, ob sie das als Kompliment oder Beleidigung auffassen sollte. Sie mochte es selbst nicht, dass sie gerade mal so über die 160 Zentimeter Marke reichte. Viele dachten deshalb, dass sie noch sehr jung war, da auch ihr Körper nicht gerade mit üppigen weiblichen Kurven beschenkt worden war.
 

Sie nickte ihm zu. „Danke.“
 

Er beachtete sie gar nicht, weshalb sie sich den Dank auch hätte sparen können. Nun konnte sie nicht mehr dagegen ankämpfen und verdrehte die Augen.

Sein Kollege schien es zu bemerken, weshalb er wieder zu kichern anfing. Verwirrt sah sie zu ihm. Er lag mit dem Oberkörper auf dem Tisch und hatte den Kopf auf seinen gekreuzten Unterarmen gebettet. Seine dunklen Haare standen kreuz und Queer in der Luft, als hätte er sich gar keine Mühe gemacht, sie nach dem Aufstehen durchzukämmen. Seine dunklen Iriden durchbohrten ihre regelrecht, als sich ihre Blicke trafen. Peinlich berührt sah Yukiko wieder schnell weg.
 

„Kotetsu, mach dich doch auch mal nützlich. Bring mir die Chakra-Blocker!“
 

Neugierig schielte ich noch einmal zu ihm und sah, wie er nickend aufstand und etwas, das wie Handschellen aussah, aus einer Kiste holte.
 

Reflexartig verschränkte ich meine Arme hinter dem Rücken und trat einen Schritt zurück. „Wozu sind die denn nötig?“
 

„Sie blocken deinen Chakra-Fluss so ab, dass du keines konzentrieren kannst. Es ist unmöglich damit ein Jutsu durchzuführen. Wir können dich leider ohne diese nicht zu der Hokage lassen“, erklärte ihr dieser Kotetsu.
 

Yukiko war nicht entgangen, dass er sie duzte. Er schien es nicht so mit Formalitäten zu haben und auch sonst wirkte er nicht begeistert von seiner Arbeit, denn er ließ sich sofort wieder in seine Ausgangsposition nieder, als der andere Ninja ihm die Handschellen abnahm und zu Yukiko ging.
 

„Das kann ein bisschen unangenehm sein“, warnte dieser sie vor.
 

Sie nickte, schulterte ihren Rucksack wieder und hielt die Hände vor sich hin. Sobald die Handschellen angelegt worden waren, spürte sie, wie sie ermüdete. Plötzlich fühlte sie sich ganz schwach und sogar ihre Sicht war leicht verzerrt.
 

„Kommst du alleine klar, Kotetsu?“, wand sich der Shinobi an seinen Kollegen.
 

„Klar. Izumo müsste sowieso bald kommen. Deine Schicht endet jetzt, oder?“
 

„Ja. Danke für deine Hilfe vorhin!“
 

Yukiko spürte, wie der Ninja sie am Ellenbogen packte und mitzerrte. Wenigstens musste sie jetzt niemanden mehr nach dem Weg fragen.

Sie mochte dieses Gefühl nicht. Eigentlich wollte sie sich ihren ersten Eindruck vom Dorf gut einprägen, alles auf sich wirken lassen. Doch nun konnte sie sich auf nichts wirklich konzentrieren.
 

Nach nur kürzester Zeit stand Yukiko vor einer Tür und hörte eine bekannte Stimme brüllen.

„Gut gemacht Gai. Ich möchte den offiziellen Bericht heute noch auf meinem Schreibtisch sehen. Und Kakashi …“

Der Shinobi klopfte an die Tür ohne Rücksicht auf das Gespräch, das stattfand.
 

„Herein!“
 

Nun war es soweit. Jetzt erst realisierte sie, dass sie nach einem Jahr endlich wieder ihre Freundin sehen würde. Ob sie sich sehr verändert hatte? Wahrscheinlich nicht, nach dem Gebrüll von vorhin zu urteilen.
 

Die Tür öffnete sich und im selben Augenblick tauchte eine Rauchwolke auf und der Mann mit dem Ganzkörperanzug verschwand. Ein anderer mit grauen zu Berge stehenden Haaren stand vor dem Schreibtisch und sah unbeeindruckt über die Schulter zu ihr. Als Yukiko hineintrat und er ihre Handschellen erkannte, verspannte er sich. Sein dunkles Auge fixierte sie, als wollte er keine einzige Mikrobewegung auf ihrem Gesicht übersehen wollen. Sie war ein Feind. Das zeigte ihr seine Körpersprache nur zu deutlich. Eine Gänsehaut breitete sich auf ihrem Körper aus, weshalb sie sich von ihm abwandte und den Blick zu ihrer Freundin wendete. Tsunades Augen weiteten sich, als sie Yukiko sofort erkannte. Doch es war nicht Tsunade die sprach, sondern Shizune.
 

„Yukiko? Bist du das?“ Überrascht sah die Angesprochene nach rechts, wo Shizune mit Ton-Ton auf den Armen stand.
 

Sie nickte nur.
 

„Das ist Yukiko Mizu. Sie ist heute um 12:43 am Haupteingang eingetroffen und hat behauptet die Hokage zu kennen. Nachdem sie sich nicht ausweisen konnte und nur ein altes Foto bei sich trug, entschied ich, sie unter erhöhten Sicherheitsmaßnahmen zu Ihnen zu führen.“

Beschämt senkte Yukiko den Kopf, als ihr Begleiter ihren Namen erwähnte und die Umstände ihrer Festnahme erzählte.
 

„Ich kenne sie. Nimm ihr die Handschellen herunter. Du kannst gehen Iwashi.“
 

Dankbar sah sie zu Tsunade und streckte Iwashi ihre Hände entgegen. Sie konnte es kaum erwarten die blöden Teile endlich loszuwerden. Sobald er sie heruntergenommen hatte, verbeugte er sich und verschwand ebenfalls in einer Rauchwolke. Verwirrt wedelte sie mit der Hand vor ihrem Gesicht und sah sich nun mit besseren Sinnen um. Der vermummte Ninja stand noch immer dort und musterte sie ausgiebig. Seine ganze Präsenz überforderte sie, weshalb sie sich peinlich berührt die Handgelenke massierte und zu ihren schwarzen Stiefel sah. Wahrscheinlich kamen solche Situationen nicht oft vor. Innerlich schüttelte sie nur den Kopf. Das Ganze hier war ihr einfach nur peinlich.
 

„Tsunade. Shizune. Ton-Ton. Lang ist es her, nicht wahr?“, murmelte Yukiko verlegen und kratzte sich am Hinterkopf. Shizune ließ Ton-Ton zu Boden und im nächsten Moment stand sie dicht bei ihr. Überrascht ging Yukiko einen Schritt zurück, da sie den wütenden Ausdruck von Shizune noch nie gesehen hatte.
 

„Wie konntest du nur? Wir haben jeden Tag auf ein Lebenszeichen von dir gewartet!“ Erschrocken starrte sie ihre Freundin an, als diese mit der Hand ausholte. Doch anstatt sie zu ohrfeigen, drückte Shizune sie ganz fest gegen ihre Brust.
 

„Kakashi, du kannst gehen. Ich möchte aber, dass du in Bereitschaft bist. Ich brauche dich nachher!“, durchbrach Tsunade die Stille und erinnerte Yukiko daran, dass sie nicht alleine waren.
 

Shizune ließ sie aus der Umarmung los und sah peinlich berührt zum Boden. Wahrscheinlich hatte sie ebenso vergessen, dass dieser Kakashi noch hier war.

Er hingegen sah zu Tsunade und nickte ihr kurz zu, ehe er ebenso in einer Rauchwolke verschwand.
 

„Sag mal. Machen das hier alle Shinobi? Dass sie sich in Rauch auflösen, meine ich.“ Lachend umarmte sie Tsunade, die aufgestanden war.
 

„Nur ab und zu“, lächelte ihr Tsunade zu und stupste liebevoll das Glöckchen, das auf ihrem Kopftuch angebracht war, an. „Soso. Yukiko Mizu also, ja?“, fragte ihre blonde Freundin belustigt.
 

„Nun ja … Ich kann ja schlecht meinen alten Familiennamen benutzen.“ Verlegen spielte sie mit ihren Fingern. „Kein Problem. Wir werden uns um neue Dokumente für dich kümmern. Mach dir darüber keine Sorgen“, beruhigte sie Tsunade.
 

„Wo warst du so lange? Du wolltest doch nur kurz zurückgehen etwas erledigen, und dann uns aufsuchen“, fragte Shizune, während sie wieder zu ihrem Tisch ging.
 

„Naja, als ich gehört habe, dass Tsunade Hokage geworden ist, da war ich mir anfangs nicht sicher, ob ich euch folgen sollte.“
 

Shizune nickte bei ihrer Erklärung. „Jetzt bist du dir aber sicher, oder? Ich mein, du musst wissen, dass Konoha vor nicht allzu langer Zeit angegriffen wurde.“
 

Nachdenklich sah Yukiko zu ihren Stiefeln und überlegte, wie sie ihre Gefühle am besten ausdrücken sollte.
 

„Naja … du, Shizune, und auch du, Tsunade. Ihr seid meine einzige Familie, ich habe sonst Niemanden. Es macht mir nichts aus, nur sterbt bitte nicht vor mir, ja?“ Kurz zitterte ihr Unterkiefer und Yukiko hatte schon Angst, dass sie zu weinen anfangen würde. „Außerdem … Tsunade du bist doch jetzt Hokage. Du lebst den Traum deiner Liebsten. Ich möchte das auch tun. Ich bin mir sicher, dass sie gewollt hätten, dass ich glücklich werde.“
 

Ein Lächeln bildete sich auf Tsunades Lippen und was sie darauf sagte, würde Yukiko niemals vergessen. Niemals.
 

„Willkommen zu Hause, Kleine.“
 

***
 

Nachdem Tsunade noch einiges um die Ohren hatte, schlug sie Shizune vor, das Zimmer in ihrer Wohnung mit Yukiko zu teilen, da sie ja sowieso die meiste Zeit hier bei Tsunade übernachtete. Mit einem Lächeln im Gesicht lehnte sich Tsunade in ihrem Sessel zurück und sah aus dem Fenster. Endlich hatte sie all ihre Schützlinge wieder bei sich.
 

Mit einem Seufzen auf den Lippen sah sie nach rechts und verdrehte die Augen. „Kakashi, du kannst jetzt rauskommen.“ Dieser Junge war wirklich viel zu neugierig. Er sollte sich endlich mal mit Familienplanung auseinander setzten, stand anderen hinterher zu spionieren. Kinder würden diesem Kerl sicherlich auf Trab halten.
 

Ohne den leisesten Hauch von Beschämung trat er durchs Fenster und sah Tsunade schweigend an, als erwarte er, dass sie jeden Moment explodierte. Hätte sie wahrscheinlich auch, aber sie war momentan viel zu glücklich, um sich über ihn zu ärgern.
 

„Da du so viel Zeit hast, kann ich dich auch auf eine Mission schicken. Nützlicher wärst du jedenfalls.“ Ohne eine Reaktion auf ihre Beleidigung wartete der Shinobi auf weitere Anweisungen. „Bring diese Schriftrollen nach Sunagakure und warte dort auf eine Antwort. Es ist äußerst wichtig. Ich brauche hier Verstärkung, das heißt, du wirst mit einigen Shinobi zurückkommen. Hast du mich verstanden?“
 

„Verstanden, dann bin in ungefähr einer Woche wieder hier“, nickte er ihr zu.
 

„Wenn‘s geht ein bisschen schneller!“, befahl sie ihm.
 

Ohne eine weitere Antwort verschwand Kakashi und mit ihm auch ihre anfänglichen Kopfschmerzen. Lächelnd sah sie zum blauen Himmel hoch. Kakashi würde sie noch in den Wahnsinn treiben, soviel stand fest.
 

„Haa … Was für ein Tag. Ich könnte jetzt einen Drink gut gebrauchen“, kicherte sie in sich hinein.

Überraschender Gast

Mit einem Seufzer ließ sich Yukiko auf die Couch fallen. Die Wohnung war in einem schlimmeren Zustand gewesen, als sie anfangs vermutet hatte. Es war nicht zu übersehen, dass Shizune in der Wohnung kaum Zeit verbrachte. Nachdenklich sah sie zur Decke und beobachtete die tanzenden Staubpartikel in der Luft. Vielleicht sollte sie sich an die Zubereitung des Abendessens machen? Sie verwarf die Idee sofort wieder, da sie nicht wusste, wann Shizune nach Hause kam und ob diese überhaupt Hunger hatte.
 

Ihr Blick huschte durch die Wohnung, während sie den heutigen Tag Revue passieren ließ. So Vieles war vorgefallen und eigentlich hatte sie geglaubt, dafür bereit zu sein.

Doch jetzt, wo sie hier in ihrem neuen Heim war, überkam sie das Gefühl von Unsicherheit. Würde sie es wirklich schaffen, hier glücklich zu werden? Ihr Blick blieb an der gelb gestrichenen Wand hängen. Shizune hatte dort viele Bilder angebracht. Es waren verschiedene Menschen darauf abgebildet, die Yukiko nicht kannte. Sie alle wirkten auf den Fotos glücklich. Es hatte etwas Liebliches an sich. Ob an sie eines Tages auch in den Kreis dieser Leute aufgenommen werden würde?
 

Die Einrichtung in der Wohnung sorgte für eine angenehme Atmosphäre, in der sich Yukiko wohl fühlte. Die Möbel passten nicht wirklich zusammen, Shizune hatte sie wohl nach und nach einzeln zusammengekauft. Deshalb passte auch kein Stuhl zum anderen und das Sofa auf dem sie lag, war sicherlich nicht der letzte Schrei. Das geschnörkelte braune Muster fand Yukiko grauenhaft.
 

Und obwohl hier nichts aufeinander abgestimmt war, passte es auf eine paradoxe Art doch gut zusammen. Vielleicht sollte sie das als ein Zeichen annehmen, denn sie unterschied sich ebenfalls von anderen in diesem Dorf. Yukiko war hier neu und vielleicht würde sie hier ihren Platz finden. Bei diesem Gedanken verdrehte sie die Augen. Jetzt versuchte sie in solchen Dingen eine Botschaft oder ein Zeichen zu finden. Yukiko sollte ihre Entscheidung nicht anzweifeln. Sie war nun hier und wollte das Beste daraus machen.
 

Stöhnend streckte sie sich auf der Couch aus und rieb sich die Augen. Erst jetzt bemerkte sie, wie erschöpft sie von ihrer Reise war. Lange war sie durch die Dörfer gezogen ohne ein vernünftiges Heim zu haben. Oft hatte sie in einem Schlafsack irgendwo im Wald geschlafen, wobei sie nie wirklich in einem Tiefschlaf gewesen war. Viel zu groß war ihre Angst gewesen, überfallen zu werden.

Und nun wo sie hier auf der kleinen Couch in der Wohnküche lag und ihr keine Gefahr drohte, überkam sie die ganze aufgestaute Müdigkeit. Plötzlich hatte sie das Gefühl, dass das ganze Gewicht der Welt auf ihr lastete und sie erdrückte. Eine Träne stahl sich aus dem Augenwinkel und bahnte sich über ihr Gesicht. Weshalb sie weinte, wusste sie selbst nicht.
 

Vielleicht vor Erleichterung …
 


 

Das Läuten der Türklingel ließ sie aus ihrem traumlosen Schlaf aufschrecken. Verwirrt rieb sie sich über die Augen und ging zur Tür. Shizune müsste eigentlich einen Schlüssel für die Wohnung haben, warum läutete sie dann an?

Nachdenklich sah sie die Tür an. Es gab keinen Türspion, also musste sie wohl oder übel die Tür aufmachen, um zu sehen wer dahinter stand.
 

Als sie in das Gesicht des jungen Mannes sah, klappte ihr ungläubig der Mund auf. Er hatte ein markantes Gesicht, mandelförmige braune Augen und ebenso lange Haare wie Yukiko selbst, nur das seine braun waren. Doch was sie völlig aus der Bahn warf, war nicht seine Schönheit, sondern die Ähnlichkeit, die er mit Ihm hatte.

Der junge Mann hatte eine Wurfnadel zwischen den Zähnen und seine Augen wirkten anfangs warm, doch als sie auf ihre trafen eher distanziert.

Er selbst schien überrascht zu sein, sie anzutreffen, denn er hob eine seiner Augenbrauen an und musterte sie ausgiebig.

Yukiko sah kurz zum Boden, um sich vom Schock zu erholen. Vergeblich. Kurz schielte sie wieder zu ihm. Nein. Sie träumte nicht. Er stand wirklich vor ihrer Tür. Ihre Hände fingen an zu zittern, weshalb sie ihre Arme vor ihrer Brust verschränkte. Das konnte nicht real sein. Dai war damals gestorben, um sie zu retten.
 

Alle sind damals gestorben.
 

"Hallo, du musst Yukiko sein?" Seine tiefe Stimme versetzte ihr einen Stich ins Herz. Wie konnte ein Mensch ihm nur so ähnlich sein?
 

"Alles in Ordnung?", fragte er besorgt. Zaghaft nickte sie und sah ihn an.
 

Wer war dieser Mann und was wollte er hier? Von wo kannte er sie? Und warum sah er Dai so ähnlich? Das sollte wohl ein schlechter Scherz sein, den sich das Schicksal mal wieder ausgedacht hatte.
 

"Du bist nicht sehr gesprächig, was? Ist Shizune noch nicht da? Dabei hatte sie mir gesagt, dass sie heute um Acht nach Hause kommen würde", begann er seinen Monolog.
 

Eigentlich war Yukiko sehr gesprächig. Zumindest wenn es um belanglose Dinge ging, konnte sie jedem das Ohr abquasseln. Doch seine Anwesenheit und die Ähnlichkeit mit ihrem verstorbenen Geliebten verschlugen ihr die Sprache.
 

„Shizune? Nein.“, antwortete sie ihm und trat einen Schritt zur Seite. Wenn er wegen ihr hier war, dann konnte er in der Wohnung auf sie warten.
 

Sie wollte nicht bei ihrem allerersten Gast einen schlechten Eindruck hinterlassen.

Er ging an ihr vorbei und zog sich seine Stiefel achtlos aus, ehe er in die Wohnküche ging.

Yukiko stellte seine Schuhe ordentlich hin und lief rot an, als sie sah, wie er sie angrinste.
 

„Tut … Tut mir Leid. Tick … ehm … ich meine. Es ist so ein Tick … bei mir. Ordentlichkeit.“ Peinlich berührt kratzte sie sich am Hinterkopf.
 

"Naja, auf jeden Fall…“ Sie stieß die unbemerkt angehaltene Luft aus. Ihr war dieser zwanghafte Drang zur Sauberkeit und Ordentlichkeit peinlich. Sie hatte sich dadurch schon oftmals in unangenehme Situationen gebracht.

Wobei sie nicht mehr sagen konnte, wann diese Zwangsneurose angefangen hatte. Früher hatte sie Arisu, die Frau bei der sie aufgewachsen war, damit genervt, dass alles sauber sein musste.
 

“Hörst du mir überhaupt zu?" Erschrocken sah sie zu ihm auf, als sie seinen empörten Gesichtsausdruck erkannte.
 

Yukiko lief erneut rot an und nickte ganz schnell. "Ja … ich … ja", versuchte sie ihm zu antworten. Ihr Gestotter schien ihn zu belustigen, denn er grinste sie erneut frech an.
 

"Ich weiß, dass ich gut aussehe, aber ich bin leider schon vergeben. Und ich denke unter Freundinnen den Freund ausspannen ist sowieso tabu, nicht?", meinte er selbstgefällig und spielte mit der Wurfnadel zwischen den Lippen.
 

Verwirrt blinzelte Yukiko und versuchte seine Worte zu verarbeiten. Ja er sah gut aus, keine Frage. Aber niemals hätte sie Dai durch einen Menschen ersetzt, der ihm ähnlich sah.

Doch was sie mehr überraschte war die Tatsache, dass er mit einer ihrer Freundinnen zusammen war. Gewiss nicht mit Tsunade, diese war wahrscheinlich doppelt so alt wie er. Oder gefiel ihm so etwas?

Andererseits war er hier zu Shizune hergekommen, aber bis jetzt hatte diese nie Andeutungen gemacht, dass sie sich für Männer interessierte. Shizune war immer nur die Arbeit wichtig gewesen.
 

"Shizune hat mir vor lange Zeit die Ohren vollgejammert, weil du dich nie gemeldet hast. Aber deine weißen Haare sind ein deutliches Wiedererkennungsmerkmal. Ich wusste gleich, dass du es bist. Wann bist du hergekommen? Weiß sie überhaupt, dass du hier bist? Ehrlich, Shizune hat immer erzählt, was für ein kleiner Quälgeist du sein kannst und dass man dir manchmal echt den Mund zukleben wollte, wenn du wieder wie ein Wasserfall zu reden begonnen hattest. Irgendwie kann ich mir das an dir nicht vorstellen."
 

Wut staute sich in ihr auf. Das stimmte doch alles nicht. Zumindest nicht in solchen Extremen.
 

"Gar nicht wahr! Wie kann sie es wagen? Die kann sich nachher was anhören!"
 

"Hast deine Stimme endlich wiedergefunden?", lachte er. "War ein Scherz. Klar hat sie dich erwähnt, als ich mir die Bilder angesehen habe", er deutete auf die Wand voller Fotos, "Aber sie hatte wirklich nie abfällig von dir gesprochen. Ich dachte mir nur, dass ich dich so zum Reden bringe. Sonst komm ich mir verrückt vor. Ich hab's nämlich nicht so mit Selbstgesprächen."
 

Yukiko musste darüber kurz kichern. Die Hitze der aufkommenden Wut hatte sie auf alle Fälle aus der Starre befreit.
 

Ein Seufzer entwich ihr abermals, was er schmunzelnd kommentierte. Kurz sah sie zu ihm und ihr Herz zog sich bei seinem Anblick wieder zusammen. Um nicht wieder in Gedanken zu versinken, schüttelte sie leicht den Kopf.
 

"Möchtest du was trinken? Ich hab heute ziemlich viel Zeug eingekauft. Shizune hatte nichts mehr zu Hause. Wie wär's mit Bier?"
 

Er nickte ihr mit einem Lächeln zu. "Klar, danke."
 

Gelassen ließ er sich verkehrt herum auf einen der Stühle fallen und bettete seinen Kopf auf seinem Unterarm. "Sag mal, wie heißt du?", fragte Yukiko ihn, als sie ihm die Flasche reichte.
 

"Genma. Genma Shiranui." Seine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. Er nahm seine Wurfnadel aus dem Mund und legte sie auf den Tisch, ehe er einen Schluck zu sich nahm.
 

"Hast du Hunger? Ich könnte uns Yakisoba machen", schlug sie vor. Er schüttelte nur den Kopf.
 

"Danke, hab vorhin gegessen. Ist sonst nicht üblich, dass Shizune kocht. Wobei, wenn ich so darüber nachdenke … Ich hab sie noch nie kochen gesehen. Kann sie das überhaupt?"
 

Yukiko konnte nicht anders und prustete los. "Ein kleines bisschen, ja."
 

Mit einer Tasse Tee setzte sie sich kurze Zeit später zu ihm und rührte mit dem Löffel darin herum.

"Bist du etwa erkältet? Deine Stimme klingt heiser, brauchst du vielleicht etwas Medizin? Shizune hat so was nicht zu Hause … glaub ich." Beunruhigt rutschte er auf seinem Stuhl umher. Er war anscheinend überfordert mit der Situation, oder er hatte Angst selbst krank zu werden. Yukiko musste darüber lachen.
 

"Nein. Meine Stimme klingt immer so."
 

Erleichtert seufzte er und nippte an seinem Bier. "Gut. Ich hasse es, krank zu werden. Es gibt wirklich nichts Schlimmeres."
 

"Naja, ich kenne niemanden, der gerne krank ist." Genma war eine angenehme Gesellschaft. Ohne viel Mühe fühlte man sich bei ihm wohl. Er schien ein Guter zu sein, was sie für Shizune freute.
 

"Sag mal, wie hast du Shizune um den Finger wickeln können? Ich hätte nicht gedacht, dass die mal einen Freund haben wird." Yukiko nippte an ihrem Tee und wartete auf seine Antwort.
 

"Nun …", setzte er an.
 

Plötzlich wurde die Tür polternd aufgerissen und Shizune stand außer Atem da.
 

„Yukiko. Genma!" rief sie bestürzt, was Genma mit einem verwirrten Blick kommentierte.
 

"Was ist denn mit dir los?", stellte Yukiko die Frage, die Genmas Gesichtsausdruck nach zu urteilen, auch ihm durch den Kopf ging.
 

"Ich … ich habe mich an die Verabredung erinnert. Hab mich beeilt, so gut ich konnte."
 

"Wie süß, du hast dir Sorgen um mich gemacht", lachte Yukiko.
 

Shizune sah sie verwirrt an, ehe sie den Kopf schüttelte. "Nicht um dich, sondern wegen dir. Du bist der Grund für meine Besorgnis. Wenn du mal ins Plappern kommst, ist das gefährlich."
 

Beleidigt verschränkte Yukiko die Arme vor der Brust und verzog schmollend ihre Unterlippe.

Genma hingegen fing an zu lachen. Fast hätte er sich nicht mehr eingekriegt, doch dann hauchte ihm Shizune einen Kuss auf die Lippen.

Darüber musste Yukiko wie ein kleines Kind kichern, was ihrer Freundin die Röte ins Gesicht trieb.
 

"W .. Was?", wandte sich Shizune überrumpelt an ihre Freundin.
 

"Ich lass euch mal alleine", zwinkerte diese, während sie aufstand und die Tasse in die Spüle stellte.
 


 

Die kühle Luft draußen war erfrischend. Genüsslich atmete Yukiko sie ein und entspannte sich sofort.

Yukiko wusste nicht, was sie tun sollte, also schlenderte sie durch das Dorf und beobachtete die Leute.

Sie wirkten alle glücklich und reagierten nicht abweisend auf die Shinobi, die sich ebenfalls unter ihnen befanden. So etwas hätte es in Kirigakure zu ihrer Zeit nicht gegeben.
 

Ihre Augen blieben bei einem Schaufenster von einer Konditorei hängen. Verschiedenste Gebäcke und Torten waren dort ausgestellt. Jedes davon sah so köstlich aus, dass ihr das Wasser im Mund zusammen lief. Ohne lange darüber nachzudenken, trat sie ein und wurde vom warmen, süßlichen Duft umhüllt.
 

Sie bestellte sich einen Apfelkuchen und war überrascht, als sie davon probierte. Er schmeckte haargenau wie der Kuchen von Arisu. Es gab so viele Dinge hier, die sie an ihre Familie erinnerten. Hatte das Schicksal sie deshalb absichtlich in die Hände von Tsunade und Shizune laufen gelassen?

Nachdenklich sah sie aus dem Fenster des kleinen Ladens. Irgendwie war sie neugierig auf das geworden, was das Schicksal noch so für sie bereithielt.
 

Hoffentlich nur Gutes.

Verflucht

Mit einem vollen Magen verließ sie den kleinen Laden und rieb wärmend über die Oberarme, da es doch recht kühl geworden war. Nachdenklich sah sich Yukiko auf der Straße um, sie hatte keine Lust nach Hause zu gehen. Sie wollte Genma und Shizune nicht stören, auch so kam sie sich schon ein bisschen wie ein Eindringling vor. Yukiko hatte niemanden über ihre Ankunft verständigt. Ihre Freundinnen zu überraschen, war im Nachhinein vermutlich keine so gute Idee gewesen. Immerhin teilte Shizune nun ihr Privatleben mit ihr und Yukiko wusste nicht, ob ihrer Freundin das gefiel.

In Gedanken notierte sich Yukiko, dass sie mit Shizune darüber sprechen musste, um sich selbst eine eigene Unterkunft zu suchen.
 

Verzweifelt blies sie ihre Wangen auf und sah sich um. Konohagakure hatte etwas Magisches an sich in der Nacht. Zwar waren in den Straßen tagsüber mehr Menschen anzutreffen als jetzt, doch wenn die Lichter am Abend in den Wohnungen angingen, erfüllten sie das Dorf auf eine andere Art mit Leben. Das Licht aus den Fenstern tauchte die Straße in ein warmes Gelb und breitete eine willkommene Atmosphäre aus.
 

Lächelnd schlug sie den Weg in die entgegengesetzte Richtung von ihrem neuen Heim ein und versuchte so viel wie möglich von dem Ort aufzunehmen. Lautes Gelächter drang aus den offenen Restaurants, während nebenan die Inhaber kleiner Läden ihre Schaufenster putzten und alles für den nächsten Tag vorbereiteten.
 

Obwohl kaum vier Monate vergangen waren, seit Konoha von Orochimaru angegriffen wurde, war der Alltag wieder zurückgekehrt und hatte die Menschen voll im Griff. Sie alle hatten sich in ihre Arbeit gestürzt, um die traumatischen Erlebnisse zu vergessen. Das war nichts Neues. Was Yukiko dennoch überraschte, war, dass jeder lächelte. Keiner hier wirkte verbittert. Sie alle trugen noch Hoffnung in sich, dass alles gut werden würde. Sie alle ließen sich von dem Bösen nicht in ein Loch reißen.
 

Es war faszinierend.
 

In einer abgelegenen Seitengasse blieb ihr Blick an einem kleinen Schild hängen. Es wirkte alt und doch war es fein säuberlich poliert. Obwohl es nur eine kleine Kneipe war, schien diese dem Besitzer viel zu bedeuten. Yukiko fragte sich, ob es sich dabei um einen Familienbetrieb handelte? Das würde zumindest das alte Schild erklären. Neugierig ging sie hin und lugte durch das dunkle Fenster ins Innere. Es schien voll zu sein. Yukiko krauste ihre Lippen und überlegte, ob sie hinein gehen sollte. Sie war neu hier und dieses kleine Lokal war wahrscheinlich einer dieser Zufluchtsorte für Einheimische. Mit Sicherheit würde sie die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und so etwas konnte sie gar nicht ab.

Unentschlossen stand sie vor der Tür, als ihr plötzlich jemand auf die Schulter klopfte.
 

„Yukiko! Schön dich hier anzutreffen!"
 

Überrascht drehte sie sich um und sah in das Gesicht von Iruka. Er war ihr heute über den Weg gelaufen, als sie Putz- und Lebensmittel eingekauft hatte. Leider hatte sie sich nicht beherrschen können und so viel eingekauft, dass sie die vier Tragetaschen nicht alleine tragen konnte. Ihrer Meinung nach war er ein wenig merkwürdig, denn obwohl Iruka sie nicht gekannt hatte, bot er ihr seine Hilfe an. So etwas hatte sie bislang noch nie erlebt.
 

Iruka war so nett - oder besser gesagt so komisch - gewesen und hatte ihr beim Tragen der Einkäufe geholfen. Auf dem Weg zu ihrer Wohnung stellte sich heraus, dass sich ihr Ankommen schon herumgesprochen hatte. Sehr zu Yukikos Bedauern, aber das hatte sie irgendwie auch erwartet. Shinobi waren auch nur Menschen und Klatsch und Tratsch faszinierten jeden.
 

„Iruka, gleichfalls", lächelte sie ihm zu.
 

„Möchtest du mit hineinkommen? Wir wollten gerade einen Trinken gehen.“ Er deutete auf einen Mann hinter ihm, der ihr bis jetzt nicht aufgefallen war.
 

Irgendetwas an seinem Gesichtsausdruck verunsicherte sie. Der junge Mann starrte sie an, als könnte er sie mit Leichtigkeit durchschauen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Unwohl sah sie zu ihren Stiefeln und fing an mit ihren Fingern zu spielen.
 

„Ich … Ich … ehm.“ Yukiko wurde von Irukas plötzlichem Lachen unterbrochen. Verwundert und gleichzeitig beschämt sah sie zu ihm.
 

„Tenzou, hör auf damit. Du verunsicherst sie ja total. Das ist Yukiko. Du weißt doch. Die, von der Kotetsu uns erzählt hat“, erklärte ihm Iruka.
 

Dieser schien zu verstehen, denn seine Mimik entspannte sich und er wirkte auf einmal deutlich sympathischer auf sie. Yukiko versuchte ihn anzulächeln, was seinem Schmunzeln nach zu urteilen eher eine Grimasse war. Die Tatsache, dass sie wirklich zum heißesten Thema des Dorfes geworden war, drückte ihr schwer auf den Magen.
 

„Hi!“ Um die Stimmung aufzulockern hob er seine rechte Hand zum Gruß. „Tut mir Leid. Ich bin unbekannten Menschen immer ein wenig … nun sagen wir mal, ich versuche sie zu durchschauen – Berufskrankheit“, verlegen kratzte er sich am Hinterkopf.
 

„Komm! Gehen wir etwas trinken“, forderte Iruka sie auf und hielt dabei die Tür des kleinen Lokals auf.
 

„Aber ich bezahle - wegen heute!“ Wenn sie schon Trinken ging, konnte sie sich für seine Hilfsbereitschaft bedanken.
 

„Ach, das war doch nicht der Rede wert.“ Er wedelte mit der Hand, während er einen Tisch im hinteren Eck ansteuerte.
 

Der Raum war erfüllt mit Zigarettenrauch und dem Geruch nach Alkohol. Aber es war kein unangenehmer Duft, denn es passte zu der Atmosphäre. In der anderen Ecke war ein älterer Herr, der auf seiner Gitarre eine liebliche Melodie spielte und ihr zuzwinkerte, als sich ihre Augen trafen.

Peinlich berührt sah sie wieder zu Iruka und setzte sich neben ihn. Dieser kommentierte ihre Reaktion mit einem Schmunzeln.
 

„Also, ich bestehe da … darauf“, fing Yukiko wieder ein Gespräch an, um von sich abzulenken. Ihre Wangen fühlten sich plötzlich ganz heiß an.
 

„Wirklich. Das hat mir nichts ausgemacht“, fing er an, doch als sie den Kopf schüttelte und ihn kurz böse ansah, hielt er inne. „Also gut“, gab er schließlich nach.
 

Tenzou fing an zu lachen. „Genau deshalb bist du auch nur ein Lehrer.“
 

„Was meinst du damit? Iruka ist ein Lehrer?“, fragte Yukiko überrascht.
 

„Ja. Er unterrichtet an der Akademie. Iruka kann sich nämlich nur bei Kindern gerade noch irgendwie durchsetzen. Als Shinobi ist er deshalb nicht wirklich zu gebrauchen“, zwinkerte Tenzou, um seine Worte zu verharmlosen.
 

„Hee …“, setzte Iruka empört an, brach jedoch ab, als die Kellnerin zu ihrem Tisch kam.
 

„Hallo ihr zwei. Wen habt ihr denn mitgebracht?“ Die junge Frau musterte Yukiko ausgiebig, weshalb sie nervös auf ihrem Sessel herumrutschte. Sie mochte es nicht, wenn andere ihr mehr Aufmerksamkeit als nötig schenkten.
 

„Yumi. Das ist Yukiko, sie ist neu im Dorf“, erklärte ihr Iruka und wurde ein wenig rot. Verwirrt über die Reaktion zog Yukiko die Augenbrauen in die Höhe. Ein Blick zu Tenzou verriet ihr, dass dieser sich zusammenreißen musste, damit er nicht laut los prustete.
 

„Und was kann ich euch bringen?“, säuselte sie verführerisch.
 

Als sie drei Bier bestellt hatten, war sie mit einem aufreizenden Hüftschwung hinter die Bar verschwunden. Nun, sie durfte sich dieses Verhalten erlauben, denn sie war Yukikos Meinung nach attraktiv. Sie hatte lange wellige Haare, doch durch die schlechte Beleuchtung konnte sie die Farbe nicht klar ausmachen, aber sie tippte auf ein schönes Rotbraun.

Ihre Augen waren in einem strahlenden Grünton, die einen verzaubern konnten.
 


 


 

Nach der dritten Runde schien Yukiko langsam aber sicher den Alkohol zu spüren. Sehr zum Vergnügen ihrer zwei neuen Freunde. Sie machten sich einen riesen Spaß daraus, dass die Weißhaarige nichts vertrug.
 

„Das ist die Müdigkeit. Ich bin erst heute angekommen und durfte auch noch die ganze Wohnung putzen“, seufzte Yukiko empört und stützte ihren Kopf mit der Hand ab. Dieser wurde ihr allmählich zu schwer.
 

„Daran musst du dich gewöhnen. Spätestens wenn du selbst als Kunoichi hier arbeitest, wird die Müdigkeit dein ständiger Begleiter sein“, lachte Tenzou.
 

Verwirrt sah ihn Yukiko an. Sie bekam ein mulmiges Gefühl bei diesem Thema. Würde sie wirklich als Kunoichi in Konoha eingesetzt werden?
 

„Kunoichi? Ich?“ Ihre Stimme war durch den Frosch in ihrem Hals noch rauer als sonst. Tenzou zuckte nur mit den Schultern.
 

„Naja. Wahrscheinlich. Tsunade ist eine Sklaventreiberin und durch den Angriff haben wir gute Shinobi verloren. Zudem kommt auch noch hinzu, dass wir Geld für die Renovierungsarbeiten brauchen, weshalb jeder von uns zurzeit ununterbrochen arbeiten muss. Deshalb gehe ich davon aus, dass du als Kunoichi ebenfalls aushelfen wirst“, erklärte ihr Tenzou.
 

Dass Tsunade das Amt unter schwierigen Zeiten übernommen hatte, wusste sie. Doch dass es so drunter und drüber ging, hatte sie nicht vermutet. Immerhin wirkte nach außen hin alles friedlich. Dennoch war die Aussicht darauf, dass ihre Freundin sie als Kunoichi einsetzte, keine erfreuliche Nachricht.
 

„Aber ich … ich bin keine …“, versuchte sie sich aus dieser Situation herauszureden.
 

„Du hast doch vorhin erwähnt, dass du Tsunades Schülerin gewesen bist. Iryonin sind ein Mangel und daher auch wertvoll für uns. Ich weiß ja nicht, wie gut du bist, deshalb vermute ich, dass sie dich wahrscheinlich nur zum Genin ernennen wird. Du wirst unbedeutende D-Missionen erledigen, um Geld in die Dorfkasse zu bringen. Vielleicht irgendwann mal in ferner Zukunft auch andere Missionen antreten, wo wir Medic-Nins brauchen. Mal sehen …“, meldete sich Iruka zu Wort. Er schien ihre aufkommende Panik bemerkt zu haben, weshalb er ihr zu lächelte.
 

Sie seufzte. Das alles ergab Sinn. Leider! Sie wollte das nicht. Niemals. Warum musste sie eine Kunoichi werden? Könnte sie nicht auch ohne einen Shinobirang Tsunade helfen?
 

„Warum bist du eigentlich nicht als Kind zum Shinobi ausgebildet worden?“, fragte Iruka neugierig und stütze sein Kinn mit der Hand ab, als er sich nach vorne beugte.
 

Nachdenklich sah Yukiko auf ihre Handflächen. Sie war kein Shinobi geworden, da sie laut Arisu verflucht war. Ihr ganzes Leben lang war sie von dieser Gabe geflohen. Denn es hätte Arisu und sie in Gefahr gebracht, wenn es jemand erfahren hätte.
 

„Dort wo ich … herkomme … sind Shinobi nicht angesehen. Und … Menschen wie ich … haben es relativ schwer“, murmelte Yukiko verunsichert.
 

So oft war sie als Kind umgezogen, weil sie die Gefahr unterschätzt hatte, die von ihr ausging. Sie Fand ihr Können aufregend und hatte es jedem unter die Nase gerieben, sobald sie sich unbeobachtet gefühlt hatte. Dass Arisu sie überhaupt behalten hatte, grenzte an ein Wunder.
 

„Menschen wie du?“, alarmiert sah Tenzou zu Yukiko und dann zu Iruka, dessen Augen sie prüfend musterten.
 

„Naja. Ich … Ich … es ist nicht weiter von Belangen“, traurig verzog Yukiko ihren Mund zu einem Lächeln.
 

„Ich … Ich sollte nach Hause“, Yukiko wich ihren Blicken aus „Es war ein schöner Abend. Hier das müsste für die Rechnung genügen“, sie legte ihnen das Geld auf den Tisch und machte auf dem Absatz kehrt.
 

Plötzlich hielt sie eine Hand am Unterarm fest. Als sie sich umdrehte, erkannte sie Iruka.
 

„Es … tut uns Leid. Wir wollten nicht …“ Yukiko unterbrach ihn, als sie mit dem Kopf schüttelte.
 

„Schon okay. Gute Nacht, Iruka“, beteuerte sie mit überraschend fester Stimme.
 

„G … Gute Nacht“, erwiderte er. Als er ihren Unterarm losließ, sah er sie schuldbewusst an, weshalb

sie ihn anlächelte, in der Hoffnung ihn damit zu beruhigen.
 


 


 

Auf dem Dach ihres Wohngebäudes sah sie zu den Sternen hoch und ließ ihre Fassade für einen kurzen Moment bröckeln. Sie mochte ihre Gabe nicht. Wie konnte ein solcher Fluch denn etwas Gutes sein? Yukiko wollte das alles nicht. Nie hatte sie es sich gewünscht. Es hatte ihr nur Probleme im Leben bereitet.
 

Sie öffnete ihre Hand und starrte ihre Handfläche an, auf welcher sich ein kleiner Wirbel bildete und eine kleine Blüte aus Eis zum Vorschein kam.
 

Ein Shinobi sollte aus ihr werden?
 

Sie erschauderte bei dem Gedanken. Bilder von den Monstern aus Iwagakure tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Sie fühlte, wie sich ihr Magen zusammenzog und ihre Zunge von einem pelzigen Geschmack benetzt wurde. Ihr Herz schlug schneller, als sie an die Kämpfe dachte. An die Zivilisten, die um Gnade flehten.
 

Müsste sie dann auch andere töten? Auf Tsunades Befehl jemandem einen wichtigen Menschen nehmen? Tränen stiegen ihr in die Augen und sie blinzelte sie weg. Sie wollte hier glücklich werden.
 

Ging das überhaupt als Kunoichi?
 

Plötzlich tauchte sein Gesicht auf. Warme braune Augen strahlten ihr entgegen, während sich ein zärtliches Lächeln auf seinen Lippen bildete. Dai.
 

„Schneeflöckchen, sei stark …“, hörte sie seine Stimme in ihrem Kopf wiederhallen.

Genin

Mehrere Tage waren schon vergangen, seitdem Yukiko nach Konoha gezogen ist. Sie hatte die meiste Zeit über versucht, den Haushalt in Schuss zu bringen. Vergeblich.

Shizune war keines Wegs unordentlich. Im Gegenteil. Wahrscheinlich war es für jeden anderen Menschen in Ordnung, wenn eine dreckige Tasse im Waschbecken stand oder wenn die Sofakissen nicht ordentlich gepolstert in den Ecken lagen.
 

Sie jedoch hatte wirklich einen fast schon krankhaften Drang zur Sauberkeit und Ordnung. Vielleicht weil es sie beruhigte, ihre Hände zu beschäftigen. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie so erzogen worden war. Arisu war eine wirklich strenge Frau gewesen, die ebenfalls diesen Zwang zur Ordnung hatte. Als Yukiko noch jung war, hatte sie diesen verabscheut. Die damalige Yukiko schien so fern zu sein. Wenn sie nur daran dachte, wie oft sie sich nur allein deswegen mit Arisu gestritten hatte!

Möglicherweise war genau das der Grund für ihre Art Zwangsneurose. Wenn alles blitz und blank war, fühlte sie sich nicht so fern von ihrem früheren Leben. Dann erschuf sie sich ein Stück Vergangenheit in ihren vier Wänden. Es gab ihr das Gefühl, dass Arisu jeden Moment nach Hause kommen würde. Doch dem war nicht so. Niemals würde irgendjemand von früher nach Hause zurückkehren.
 

Das Einzige, was ihr blieb, war der Trost und die Geborgenheit, die sie sich selbst schenkte. Und dank Shizune und Tsunade war es ihr möglich, endlich ein kleines Stück gewohnter Normalität zurückzugewinnen.
 

Ein liebevolles zu Hause, sauber gewaschene Kleidung, welche ordentlich gefaltet im Schrank verstaut war und die warmen Mahlzeiten, die sie nun immer für ihre neuen Bekanntschaften zubereiten konnte.
 

Shizune hatte Yukiko einige ihrer Freunde vorgestellt. Allesamt waren sie Shinobi und doch

konnte man nicht anders, als sie auf den ersten Blick zu mögen. 

Andererseits, wenn Yukiko so recht überlegte, lag es auch vielleicht an ihren Kochkünsten, dass Shizunes Freunde immer milde gestimmt waren. Sie musste über diesen Gedanken schmunzeln.

Denn jedes Mal, wenn jemand zu Besuch kam, hatte sie eine Kleinigkeit gezaubert. Vielleicht, weil man mit vollem Magen immer leichter eine Freundschaft knüpfte?

Ein angenehmer Nebeneffekt, denn die Leute mochten es. Kurenai war von ihren Gerichten so angetan, dass sie sich sogar ein, zwei Rezepte mitgenommen hatte. 
 

Kurenai.
 

Sie war die schönste Frau, der Yukiko jemals begegnet war. Ihre Augen waren rot, was sie mit ihrer Kleidung und Schminke so in Szene setzte, dass es ihr irgendetwas Mystisches verlieh. Man hatte das Gefühl, wenn man sie sah, dass es sich um eine andere Spezies handelte. 

Andererseits, neben der Faszination für ihr Aussehen, war wahrscheinlich jede Frau ein kleines bisschen neidisch auf sie. Denn Kurenai war nicht nur außergewöhnlich schön, nein, auch ihr Charakter zeugte von Stärke und Warmherzigkeit. 

Es war kein Wunder, dass ihr Freund Asuma sie regelrecht anhimmelte, auch wenn er versuchte es hinter einer gleichgültigen Fassade zu verstecken. Jeder, der zwei gesunde Augen im Kopf hatte, wusste auf Anhieb, dass er sie regelrecht vergötterte. 
 

Neben diesem fast schon niedlichen Pärchen hatte Yukiko auch ihre Nachbarn kennengelernt. Ein merkwürdiger Haufen, wenn man sie fragte. Sie waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Man konnte sich kaum vorstellen, dass sie so gute Freunde waren oder gar gemeinsam leben konnten. 

Denn ihr Nachbar Gai war ein abgedrehter Vogel, der nur über die Kraft der Jugend sprach. Yukiko mochte ihn, denn er brachte sie andauernd zum Lachen. Er war ein positiver Mensch und konnte einen sofort von düsteren Gedanken ablenken. Auch wenn man manchmal nur fassungslos den Kopf schütteln konnte. Denn was Gai nicht konnte, war definitiv das „Diskret sein“. Man hatte das Gefühl, dass er jeden seiner Gedanken gnadenlos laut aussprach, egal um was es sich handelte. 

Das führte oft dazu, dass der coole Asuma wie ein Kleinkind rot anlief oder der ruhigen Aoba laut wurde.

Letzterer war sein Mitbewohner. Das komplette Gegenteil von Gai. Er war ruhig und sehr in sich gekehrt. Wenn er mal was sagte, dann nur das Notwendigste. Aber es machte ihn nicht weniger sympathisch. Im Gegenteil. Wenn man mit einer Naturgewallt wie Gai zusammen war, tat die Ruhe von Aoba sehr gut. 
 


 

Yukiko seufzte leise, als sie vom Dach aus den Sonnenaufgang beobachtete. Sie mochte jeden einzelnen von Shizunes Freunden. Viel zu schnell hatte die Weißhaarige sie ins Herz geschlossen und doch waren sie ihr so fern. Denn niemand kannte sie wirklich.
 

Dieser Gedanke versetzte ihr ein Stich ins Herz. Ihr wurde plötzlich kalt, weshalb sie sich ihre Oberarme warm rieb. Die Menschen um sie herum verstärkten ihr Gefühl der Einsamkeit nur. Würde sie es wirklich schaffen hier glücklich zu werden?

Gestern Abend waren alle bei ihr gewesen und hatten den heutigen Tag gefeiert. Wobei sie das Ganze nicht nachvollziehen konnte.  Ihr war nämlich überhaupt nicht zum Feiern zu Mute, denn Iruka und Tenzou hatten Recht behalten.
 

Dass sie heute zum Genin ernannt wurde, hatte Tsunade gestern verkündet, ohne ihr vorher Bescheid gegeben zu haben. Wahrscheinlich war das für sie eine wundervolle Überraschung. Aus ihrer Sicht heraus sollte es als offizielles Willkommen angesehen werden. Nun war sie ein Teil dieser großen Familie namens Konohagakure. So hatte es Tsunade jedenfalls ausgedrückt, bevor sie darauf feierlich angestoßen hatten. 
 

Als der Feuerball vollständig über dem Horizont ragte, sprang Yukiko hinunter auf ihren Balkon und ging in die Küche, um sich und ihren Mitbewohnern einen Kaffee zu kochen. 

Nachdenklich sah sie zu Shizunes Zimmer. Genma war gestern über Nacht geblieben. Nach dem anfänglichen Schock über sein Aussehen, musste sie feststellen, dass auch Genmas Charakter Dai sehr ähnelte. 

Vielleicht war das auch der Grund, warum Yukiko ihn mochte. Sie freute sich riesig für Shizune, denn Genma war allem Anschein nach so etwas wie ein Lottogewinn für ihre Freundin. Nicht das sie darüber geredet hätten. Man bekam nichts aus Shizune heraus. Aber durch Genmas Verhalten konnte man sich alles denken. Er wirkte immer so unnahbar und kühl vor allen. Doch wenn er sich unbeobachtet fühlte, sah er Shizune mit einer solchen Wärme an, dass sie sofort rot anlief.
 

Yukiko stützte sich an der Küchentheke ab und beobachtete die schwarze Flüssigkeit, welche langsam und stetig in die Kanne tropfte. Sie freute sich wirklich für ihre Freundin. Shizune war immer schon eine Arbeiterin und viel zu vernünftig gewesen. Nie machte sie Fehler, oder ging das Risiko ein sich zu verlieben. Ihr war der Schmerz, den Tsunade durchgemacht hatte, viel zu abschreckend gewesen. Sie hatte immer gemeint, dass sie so etwas nie überleben würde und deshalb zur Sicherheit der Liebe aus dem Weg ging.
 

Mit einem leichten Schmunzeln schüttelte Yukiko ihren Kopf, als sie an die Zeit früher dachte. Sie würde es brennend interessieren, wie es Genma dennoch geschafft hatte. Oder war es einfach Liebe auf dem ersten Blick gewesen? Shizune hatte niemanden davor gekannt, und wusste wahrscheinlich auch nichts von der Magie der Liebe. Leise kicherte Yukiko bei dem Gedanken. Irgendwann erwischte es jeden.
 

Als der Kaffee fertig war, schenkte sich Yukiko eine Tasse ein und ging zurück in ihr Zimmer. Am Kaffee nippend saß sie auf dem Schreibtisch und starrte das dunkelblaue Kleid und die kurze hellblaue Hose auf ihrem Bett an. Sie hatte nicht schlafen können, weshalb sie passende Trainingsklamotten für sich ausgesucht hatte. 

Verzweifelt fuhr sie sich durch die Haare. Sie wollte das alles nicht! Eine Kunoichi zu werden, entsprach nicht den Vorstellungen, die sie gehabt hatte, als sie hier her kam.
 

Doch sie würde lügen, wenn sie behaupten würde, dass es sie überraschte. Denn Iruka hatte sie schon vorgewarnt gehabt und Shizune hatte ihr von der schwierigen Situation, in der sich Tsunade befand, erzählt.

Tsunade musste das Dorf wieder stabilisieren, aber es war keiner der früheren Hokage am Leben, um ihr zu helfen, sie darauf vorzubereiten oder ihr bei wichtigen Entscheidungen unter die Arme zu greifen. Alles lastete nun auf den Schultern von Tsunade und Shizune arbeitete wie verrückt, um ihr zu helfen.
 

Natürlich wollte Yukiko ihnen auch helfen. Sie irgendwie unterstützen. Doch sie war kein Shinobi. In den vier Jahren als Tsunades Schülerin hatte sie die nötigen medizinischen Jutsu gelernt. Gemeistert, wie man sein Chakra unter Kontrolle brachte. Aber es war fast unmöglich ihr das beizubringen. Niemals war sie so gut wie Shizune. Im Gegenteil, Tsunade verlor oftmals die Geduld mit ihr, weshalb Shizune immer eingesprungen war, um ihr weiterzuhelfen. Immerhin war sie damals schon zu alt gewesen, um diese Dinge zu lernen und jetzt sollte sie mit 25 eine Kunoichi werden?

Auch wenn ein Genin laut Shizune nicht an der Front war und niemals schwere Missionen zu erledigen hatte. So konnte Yukiko sich dennoch nicht vorstellen, dass sie nicht ab und an mit Dingen konfrontiert werden würde, auf welche sie liebend gern verzichten konnte.
 

Sie strich sich ihre Haare hinters Ohr und seufzte leise. Wie gern doch hätte sie einen kleinen Laden oder ein Restaurant, wo sie ihrer Leidenschaft nachgehen könnte. Etwas Normales.

Wehmütig ließ die Weißhaarige sich von ihren Gedanken in die Vergangenheit leiten. Verschiedene Bilder tauchten vor ihrem inneren Auge auf, eines grässlicher als das andere. Überall nur Blut und Schmerzensschreie, welche die Luft zum Vibrieren brachten. Menschen, mit denen sie einen Tag zuvor gelacht hatte, lagen nun tot vor ihr. 
 

Eine Träne machte sich den Weg über Yukikos Wange frei. Schnell wischte sie den salzigen Tropfen weg, denn sie weigerte sich, jetzt deshalb zu weinen. Sie wollte stark sein. Ihr selbsternanntes Ziel erreichen, auch wenn ihr erneut Steine in den Weg geworfen wurden. Lange hatte sie sich dagegen gesträubt, wieder in einem Dorf sesshaft zu werden. Aber sie hatte sich jetzt dafür entschieden und in Windeseile sogar Freunde gefunden, für die es sich lohnen würde, ihr verkorkstes Leben aufs Spiel zu setzten. Vielleicht sollte sie ihr Schicksal akzeptieren. 

Sie wollte Tsunade irgendwie nützlich sein. Und wenn sie das als Kunoichi war, dann würde sie es schweigend akzeptieren. 
 

Erschrocken zuckte Yukiko zusammen, als ihr kleiner Wecker losging. „Zeit aufzustehen“, murmelte sie vor sich hin, während sie ihn ausschaltete. 

Mit schweren Schritten ging sie zum Bett, nahm ihre Sachen und trottete ins Bad, ohne Shizune und Genma zu bemerken. 
 

„Was ist denn mit ihr heute los? Auf dem falschen Fuß aufgestanden, oder was?“, hörte sie Genma ein wenig bestürzt fragen.
 

Yukiko sah prüfend in den Spiegel, während sie sich die Zähne putzte und musste erschrocken feststellen, dass sie grauenhaft aussah. Auf ihrer viel zu blassen Haut sahen die dunklen Augenringe aus, als wäre sie gestern Nacht in eine Schlägerei verwickelt worden und ihre blauen Augen, die von lauter roten Adern umrandet waren, wirkten erschöpft und glanzlos.

Ihre kurzen Haare standen wild durcheinander vom Kopf ab, als hätte sie in eine Steckdose gegriffen. Yukiko griff zur Bürste und versuchte ihre Haare so gut es ging zu bändigen. Nach einer Zeit gab sie es aber auf und band sich ihr Kopftuch um. 
 

Gerade als sie aus dem Bad treten wollte, hörte sie Shizune kaum hörbar flüstern. „Naja. Yukiko unterscheidet sich von uns allen ein wenig. Im Gegensatz zu uns würde sie niemals freiwillig ein Ninja werden. Sie liebt es eine warmherzige Hausfrau zu sein und deshalb bekocht sie uns ja immer. Yukikos Traum …“
 

Irgendwie störte es sie, dass ihre Freundin ohne schlechtes Gewissens Details von ihr preisgab. Blanker Zorn entfachte in ihrem Inneren und heizte ihr Gemüt auf. Die Leere wurde von einem wilden Feuer ersetzt, dass ihr Blut zum Kochen brachte.

„Das reicht, Shizune. Du musst nicht alles an die große Glocke hängen“, patzte Yukiko sie an, was auch sie selbst erschrak. 
 

„Yukiko!“, schrie sie erschrocken auf. Anscheinend hatte sie nicht mit dem Eintreten Yukikos gerechnet. Ihre braunhaarige Freundin legte sich eine Hand auf die Brust, um sich zu beruhigen. „Ent … Entschuldigung.“ Shizune sah sie schuldbewusst an, ehe sie auf den Boden starrte.

Yukiko bereute ihre Reaktion sofort. Sie hätte nicht überreagieren sollen. Ihre Freundin hatte es bestimmt nicht mit bösen Absichten gemacht. So wie sie Shizune kannte, wollte sie vermutlich nur den diplomatischen Boten spielen und versuchen Yukiko vor Genma nicht schlecht dastehen zu lassen.
 

"Schon gut. Mir tut's auch Leid", seufzte Yukiko. Sie war heute nicht sie selbst. Es wäre das Beste, wenn sie heute auf so wenige Menschen wie möglich traf. Ihre Emotionen spielten an solchen Tagen viel zu verrückt und der Mangel an Schlaf machte sich auch erkennbar.
 

„Was steht heute am Plan? Naja du weißt schon … danach“, fragte sie Genma, um die angespannte Stille zwischen den Freundinnen zu brechen.
 

„Ich weiß es nicht. Mal sehen. Vielleicht muss ich gleich mit meinem Training anfangen. Wer weiß, was Tsunade vorhat“, erklärte sie ihm mit einem Ansatz eines Lächelns auf den Lippen.

„Apropos … Es ist kurz vor Acht. Ich werde jetzt zu Tsunade rüber gehen. Man sieht sich Genma“, sie lächelte ihn an, doch es war mehr eine Grimasse, als ein ehrliches Lächeln. 
 

„Warte ich komme mit dir mit“, rief Shizune ihr hinterher, während sie stampfend in ihr Zimmer ging.
 

„Ich will nicht warten, bis du dich fertiggemacht hast“, protestierte sie. Yukiko wollte diese ganze Sache nur schnell hinter sich bringen.  
 

„Ich muss mir nur schnell den Kimono anziehen, frisch gemacht hab ich mich schon, als du in deinem Zimmer warst.“ Shizunes Stimme hatte einen genervten Unterton bekommen. Wahrscheinlich fand sie Yukikos benehmen zu unreif.
 

„Das heißt, ihr lasst mich jetzt alleine zurück?“, brummte Genma beleidigt und ging Shizune hinterher.
 


 


 

Yukiko stand vor der Wohnungstür am Laubengang und blickte hoch zum Himmel. Er hatte wieder diese schöne blaue Farbe, die sie zu sehr an ihre Augen erinnerte. Sie seufzte und schüttelte den Kopf, in der Hoffnung nicht daran denken zu müssen.
 

„Heeeeei … Na kleine Nachbarin. Lust auf ein bisschen Training?“, riss sie ein bekanntes lautes Organ aus den Gedanken.
 

„Gai? Guten Morgen. Nein, heute lieber nicht. Ich muss zu der Hokage“, murmelte sie, als sie zu ihm sah. Er hatte seinen linken Fuß aufs Geländer gelegt und dehnte sich.
 

„Wieso so bedrückt, Yukiko? Sie wird dich schon nicht auffressen. Sonst bekommt sie es mit uns zu tun“, verkündete er euphorisch und streckte die Hand in die Luft.
 

„Ach? Wirklich?“ Yukiko musste grinsen. Dieser Gai kannte schlechte Laune anscheinend überhaupt nicht und das Beste an ihrem Nachbarn war, dass sein fröhliches Gemüt hochansteckend war.
 

„Aber klar. Immerhin bist du für uns unentbehrlich. Ich mein, wer soll uns denn sonst was Leckeres kochen“, lachte er laut los.
 

„Gai, schrei nicht so herum. Andere hier wollen noch schlafen“, kam es von Aoba, der gerade die Haustür abschloss. „Hallo Yukiko. Na, schon nervös?“ Er lächelte milde.
 

„Ich … weiß nicht. Nervös? ... Ja doch?“, stotterte sie und biss sich auf die Lippen, als ihr klar wurde, dass sie keinen geraden Satz mehr rausbekam.
 

„Du meine Güte, du scheinst total neben der Spur zu sein. Aber wie Gai schon sagte, beziehungsweise herum gebrüllt hat, Tsunade wird dich schon nicht auffressen. Außerdem kennst du sie doch", versuchte er beruhigend auf sie einzureden.
 

„Das wird sie bestimmt nicht. Komm Yukiko gehen wir. “ Sanft drückte ihr Shizune die Schulter, als sie rauskam. „Und Aoba hat Recht ,Gai. Schrei hier nicht immer so herum. Die meisten schlafen um diese Uhrzeit noch.“
 

Gai wurde rot und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Tut mir leid.“
 

„Viel Glück, Yukiko! Ich nehme mal an, wir sehen uns dann heute zum Abendessen bei dir, falls keine Mission ansteht“, lächelte Aoba sanft.
 

Unfähig auch nur ein einziges Wort zu sagen, nickte ihnen die Weißhaarige zu und folgte Shizune.
 


 


 

Benommen starrte sie die Tür an, die ihre Freundin hinter sich geschlossen hatte.

Es trennte sie nur noch diese alte grüne Tür von ihrem Schicksal. Gleich würde man sie zu einer Kunoichi ernennen und ihr den Genin Rang zuweisen.

Yukiko versuchte langsam auszuatmen, um den Druck in ihrer Brust zu lindern. Sie hatte Angst davor. Panische Angst. War die Prüfung hier genau wie in Kirigakure? Musste sie einen Freund töten?

War das in Konoha üblich?

Sie wusste es nicht. Die letzten Tage wollte sie dieses Thema vermeiden. Ihr Schicksal, das letzte Nacht besiegelt worden war, nicht wahr haben.
 

Nachdenklich sah sie ihre Handflächen an. Sie konnte all das Blut sehen, mit denen sie beschmutz worden waren.

Blut.

Das rote Lebenselixier.

Schon viel zu oft hatte sie es gesehen. All das Leid, welches die Ninja hervorbrachten.

Die Schreie der Menschen, die sie so oft in ihren Träumen verfolgten.

Sie schloss die Augen und lehnte sich an die Wand neben der Tür. Niemals wollte sie eine von ihnen werden. Eine kaltblütige Maschine, die auf Befehle hin Menschen Leid zufügte.
 

„…iko? Yukiko?“ Shizunes Stimme riss sie aus ihren dunklen Gedanken.

Ihre Freundin musterte sie besorgt. Auf den Weg hier her hatten sie kein Wort gewechselt, denn die Stimmung zwischen ihnen war zu angespannt gewesen.

Natürlich wusste Yukiko, dass dies notwendig war für das Dorf. Sie brauchten jeden fähigen Menschen und sie war eine davon.

Leider.

Hätte sie gewusst, dass sie eines Tages wegen der Medizin-Jutsu zu einer Kunoichi ernannt werden würde, dann wäre sie nie auf die Idee gekommen, diese zu erlernen.

Sie hätte sich so vieles ersparen können.
 

„Yukiko, kommst du?“, bat Shizune mit Nachdruck.
 

Yukiko nickte nur und ging an ihrer Freundin vorbei, ohne sie noch einmal anzusehen.

Drinnen saß Tsunade auf ihrem Sessel mit dem kleinen Schwein im Schoß und Iruka stand rechts neben ihr.
 

‚Bitte nicht‘, schoss es Yukiko durch den Kopf. Warum war er hier?

Musste sie jetzt gegen Iruka kämpfen?

Ihre Hände fingen an zu zittern. Ihr panischer Blick blieb an Shizune haften, die ihr beruhigt eine Hand auf die Schulter legte.
 

„Yukiko… Es ist nicht so, wie in deinem Heimatdorf. Keine Angst“, lächelte Shizune sie an und gab ihr einen leichten Schubs nach vor. 

Es dauerte ein paar Sekunden, bis Shizunes Worte zu ihr hindurch drangen und sie realisierte, was ihr gerade gesagt wurde. Sie musste niemanden umbringen!

Nicht, dass sie es gekonnt hätte.

Erleichtert atmete sie aus. Sie hätte vor Freude fast . Umsonst hatte sie sich so viele Sorgen gemacht.
 

„Yukiko. Ich möchte dich heute zum Genin ernennen, damit du ein vollwertiges Mitglied unseres Dorfes wirst. Iruka ist ein Lehrer an der Schule und soll deine Ernennung zum Genin als amtlicher Mitarbeiter bezeugen können.“ Tsunades Stimme erfüllte den kleinen Raum, und bescherte Yukiko eine Gänsehaut. Irgendetwas an ihrem Ton sagte ihr, dass etwas Unangenehmes passieren würde.
 

„Da ich früher deine Lehrmeisterin war, weiß ich um all deine Fähigkeiten und als Medic-Nin bist du gut. Leider sind beim letzten Angriff viele Shinobi umgekommen. Nicht nur unsere militärische Kraft, auch unser Dorf hat einiges abbekommen, weshalb wir uns um den Wiederaufbau kümmern müssen. Als ein neues Mitglied der Gemeinschaft musst auch du deinen Teil der Verantwortung dem Dorf gegenüber übernehmen. Nach langer Überlegung bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass du als Kunoichi sehr nützlich sein könntest. Ein Medic-Nin und zusätzlich auch noch im Besitz eines Kekkei-Genkais! Es wäre verantwortungslos von mir, als Hokage jemanden mit deinem Können nicht einzusetzen.“
 

Yukiko war unfähig auch nur einen Mucks von sich zu geben. Ihre vorübergehende Freude war wie weggefegt. Tsunade verlangte von ihr, dass Kekkei Genkai zu nutzen. Die Person, die ihr einst so viel Hoffnung geschenkt hatte, zwang sie praktisch dazu, das zur Waffe zu machen, was sie schon von klein auf verabscheute.

Das war mehr als nur ein Schlag ins Gesicht.

Das war Verrat. Yukiko fühlte, wie sich jedes einzelne Wort tief in ihr geschundenes Herz bohrten. Als würde man ihr Nägel unter die Fingernägel bohren, breitete sich ein lähmender Schmerz in ihr aus. Eine Träne lief ihr über die Wange. Schon wieder wurde sie auf ihr Kekkei Genkai reduziert. Eine Waffe, um Menschen zu töten.
 

Ob es an dem Fluch lag, ein Kekkei Genkai zu besitzen, dass sie niemals ein normales Leben führen konnte? Sie wusste es nicht. Aber das sogar Tsunade es darauf abgesehen hatte, riss ein tiefes Loch in ihre Brust. Sie hatte Tsunade vertraut. Yukiko war sich zwar bewusst, dass sie nur als Hokage so entschied. Ihre oberste Priorität war die Sicherheit des Dorfes und Yukiko nicht einzusetzen wäre wahrscheinlich eine große Verschwendung. Eine weitere Träne stahl sich ihr aus dem Auge, doch sie beachtete diese gar nicht.
 

„Iruka wird dich Vieles lehren müssen, da du die Grundlagen eines Shinobi nicht kennst“, fügte Tsunade noch hinzu. Ihre Mentorin wandte den Blick ab und presste die Lippen zusammen.

Das schien Irukas Stichwort zu sein. Er räusperte sich und trat einen Schritt hervor. Yukiko stand wie ein Häufchen Elend mitten im Raum, wie ein Häufchen Elend und konnte nicht einmal die Kraft aufbringen, ihm in die Augen zu blicken.
 

„Da ich ein Lehrer an der Akademie bin, habe ich die Aufgabe dich als einen Genin auszuzeichnen. Dazu muss ich von dir irgendein Talent sehen. Ich vertraue Tsunade und da du ihre Schülerin warst, wird das sicherlich kein Problem für dich sein.“ Überrascht blickte sie von ihren Schuhen hoch und sah ihn an.
 

„Irgendetwas? Reicht eine kleine Demonstration meines Kekkei Genkais?“, fragte sie in der Hoffnung es schnell hinter sich bringen zu können.
 

„Ja. Danach werden wir dich zum Genin ernennen und dich als einen offiziellen Bürger in Konoha eintragen. Weil du aber außer den medizinischen Jutsu nichts kannst, wird dir später ein Sensei zugeteilt werden. Bis dahin solltest du selbstständig trainieren, denn die Realität drau …“ 
 

„Du … du brauchst mir nichts von der Realität da draußen zu erzählen“, fiel ihm Yukiko hart ins Wort.

Der Schmerz in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Sie konnte erkennen, dass Tsunade ihre Schultern straffte und die Augen kurz schloss. Das sie Yukikos Schmerz nicht kalt ließ, war ihr eine Art Genugtuung.
 

Die Weißhaarige schritt langsam zum Tisch vor. Ihre Schritte hallten durch den Raum und je näher sie Tsunade war, umso kühler wurde die Luft im Raum. Sie streckte ihre rechte Hand nach vorne. Mit geschlossenen Lidern hielt sie Tsunade ihre Hand vors Gesicht. Ein kleiner Wirbel bildete sich auf ihrer Handfläche. Doch diesmal war es keine wunderschöne Eisblume.
 

„Reicht das für die Prüfung?“ Fragte die jüngere, als sie wieder ihre Lider öffnete und Tsunade direkt ansah. Die Hokage blickte gequält auf die Handfläche, wo sich zwei Hälften eines Herzens aus Eis befanden. Yukiko hatte sich bewusst für dieses Symbol entschieden. Sie wollte, dass ihre Freundin wusste, was sie von ihr verlangte. Eine Waffe für Konoha zu werden, dass wollte sie nicht.
 

„Ja. Das reicht. Gratuliere! Du bist nun offiziell ein Genin von Konohagakure. Im Laufe der Woche wirst du erfahren, wer dich trainieren wird. Bitte beschäftige dich bis dahin selbst mit dem Training“, meldete sich Iruka zu Wort, da die Situation den anderen zwei sehr zu schaffen machte. 
 

„Gut“, war ihre schlichte Antwort und sie machte auf Absatz kehrt.
 

Während sie aus dem Zimmer ging, klingelte das kleine Glöckchen bei jedem Schritt auf. Genervt von dem fröhlichen Klingen umschloss sie das Glöckchen, welches am Ende ihres Kopftuches angebracht war, und bildete einen Eisklumpen rundherum.
 

Als sie die Tür hinter sich schloss, lehnte sie sich erschöpft dagegen. Yukiko blickte auf ihre rechte Handfläche. Die zwei Herzhälften waren vielleicht ein wenig zu theatralisch gewesen. Vermutlich würde sie eines Tages darüber lachen, doch im Moment schrie ihr Herz, dass von den Worten ihrer Freundin geschändet wurde. Waffe. Sie wollte mit ihrer Gabe niemanden töten. Nicht noch einmal. Ihr Blick verschleierte sich. Verzweifelt blinzelte sie ihre Tränen weg, denn sie wollte nicht zum Heulen anfangen. Nicht hier.
 

Mit langen Schritten machte sie sich auf den Weg, um weit weg wie möglich von hier zu gelangen. Sie hielt es in diesem Gebäude keine Minute länger aus. Yukiko hatte das Gefühl hier zu ersticken. Sie brauchte frische Luft. Sie wollte einfach nur weg. Weg von ihrer unvermeidlichen Aufgabe, ein starkes Mitglied dieser Gesellschaft zu werden.
 

Plötzlich rannte sie in irgendwen hinein. „Entschuldige“, murmelte sie nur und ging, ohne aufzusehen. Sie wollte einfach nur weg hier. Auch wenn sie vielleicht überreagierte, sie brauchte jetzt Zeit für sich alleine. 
 


 

***
 


 

Verwirrt blickte Kakashi ihr nach. Das war doch Yukiko, die Freundin von Tsunade, gewesen! Was war passiert, dass sie völlig aufgelöst hier raus marschierte? Er zuckte mit den Schultern und setzte seinen Weg fort, denn eigentlich konnte es ihm ja auch egal sein. Seufzend warf er noch einen kurzen Blick über die Schulter. Denn diese Yukiko war ihm nicht egal. Irgendetwas an ihr reizte diesen Teil seines Gehirns, der ihm sagte, dass mit ihr etwas nicht stimmte.
 

Er beobachtete die kleine zierliche Gestalt, die mit langen Schritten von hier floh. Ihre ganze Körpersprache deutete darauf hin, dass sie litt. Die vorgebeugten Schultern. Der gesenkte Kopf. Das leichte schlürfen ihrer Schritte.

Etwas musste geschehen sein, denn so hatte sie bei ihrer Ankunft nicht ausgesehen. Nur zu gut konnte er sich an die hellen strahlenden Augen erinnern. Iriden, die etwas in ihm auslösten, das er seiner unfassbaren Neugierde zu ordnete. Was anderes konnte es nicht sein!
 

Kakashi schüttelte den Kopf, in der Hoffnung ihn endlich frei von ihr zu bekommen. Sie sollte ihn nicht weiter kümmern, es gab Wichtigeres, um das er sich sorgen musste. Er wollte gerade weitergehen, als etwas auf dem Boden seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Es war eine Herzhälfte aus Eis. Verblüfft ging er in die Hocke und griff danach. Kakashi spürte, wie sein Herz zu einem Sprint ansetzte und pures Adrenalin durch die Adern gepumpt wurde. Er musterte das kleine Stück genau, doch je länger er es ansah, umso schwerer drückte sein Magen gegen die Gedärme.
 

Das Eis schmolz nicht.
 

Rasch stand er auf und sah sich genau um. Es gab nur wenige Menschen, die so etwas erzeugen konnten. Es war Hakus Kekkei Genkai. Ein Clan, der seine Wurzeln in Kirigakure hatte. Ein Clan, von dem man nicht viel wusste.
 

Neugierig sah er in die Richtung in die Yukiko gegangen ist. Gehörte sie dazu? Zum Yuki-Clan?
 

Kakashi steckte sich die Hand wieder in die Hosentasche. Er würde Tsunade vom Fund berichten. Sollte sie nichts davon wissen, müssten sie Alarm schlagen!

Konohas Stirnband

Eine gefühlte Ewigkeit lang war Yukiko im Dorf umhergeirrt. Sie konnte nicht nach Hause, denn sie hatte das Gefühl dort möglicherweise zu ersticken. Alles was sie im Moment wollte, war, alleine zu sein. Sukiko wollte sich den Luxus gönnen und in Selbstmitleid baden, denn ihr war das vorhin definitiv zu viel geworden. Tsunades Worte hatten sie verletzt und daran erinnert, dass sie nicht normal war. Dass sie nie normal sein würde. Egal wie sehr sie sich auch bemühte.
 

Wie ein Giftnebel schlich sich das Gefühl der Einsamkeit in ihr hoch und infizierte ihr Herz. Schwer atmend krallte ihre Hand sich in den dunkelblauen Stoff über ihrem Herzen. Es schlug viel zu stark gegen die Brust, als würde es gegen die aufkommenden Gefühle ankämpfen.

Vergeblich.

Yukiko hatte schon zu oft diesen Kampf gegen die Dunkelheit in ihrem Inneren verloren. Im Grunde war sie damit aufgewachsen. Ihre Lippen verzogen sich zu einem verbitterten Lächeln. Man könnte fast meinen, sie hätte vor fünf Jahren einen alten Feind wiedergefunden. Jemanden, bei dem man sich wünschte, ihm eigentlich nie zu begegnen und doch war er seit jeher ihr treuer Begleiter.

Kurz schüttelte sie den Kopf in der Hoffnung, dass ihre Gedanken somit verschwanden.
 

Erst jetzt, wo sie auf die Straße achtete, bemerkte sie, dass sie vor dem großen Haupttor stand. Mit einem gezwungenen Lächeln grüßte sie die zwei Aufpasser in der Holzhütte und ging weiter.

Kurz sah sie sich um und überlegte, wo sie nun hingehen sollte. Irgendwo, wo ihr mit Sicherheit keine Menschen über den Weg laufen würden. Sie entschied sich, in den Wald zu gehen. Mit viel Schwung sprang sie hoch auf einen Ast und machte sich auf die Suche nach einem ruhigen Plätzchen.
 

Yukiko brauchte Zeit zum Nachdenken, um ihre Entscheidung, hierher zu ziehen, zu überdenken. Im Moment verlief ihr Leben nicht so, wie sie es geplant hatte. Seit Juni haderte sie mit sich, ob sie ihren Freundinnen hätte folgen sollen. Die Nachricht, dass ihre Mentorin nun Hokage geworden war, hatte sie überrascht. Denn Yukiko wusste, dass Tsunade es in Konoha nicht aushielt. Zu viele scheußliche Erinnerungen hatten an diesem Ort ihre Wurzeln. Und doch hatte die Hokage sich entschieden, einen Neustart zu versuchen.
 

Einen Neustart, den sich auch Yukiko sehnlichst wünschte.
 

Sie hatte es satt, immer nur von einem Ort zum anderen zu ziehen. Sie hatte es satt, für ein bisschen Geld immer irgendwo auszuhelfen, statt einer richtigen Arbeit nachzugehen. Vor ungefähr einem Jahr hatte sie beschlossen, sich von Tsunade und Shizune zu trennen, um zurück ins Wasserreich zu gehen. Zurück nach Kirigakure. Nur um sich und ihre Familie für tot erklären zu lassen. Als entfernte Verwandte hatte sie behauptet, dass sie seit dem Angriff von Iwagakure nichts mehr von ihnen gehört hatte. Eine Aussage, die nach einem Kriegszustand und der Dauer von vier Jahren, ausreichte, um jemanden für tot zu erklären.
 

Yukiko hatte gehofft, dadurch eine Art Schlussstrich ziehen zu können. In der Hoffnung irgendwie dieser Vergangenheit zu entfliehen – einfach irgendwie damit abzuschließen.! Doch seit sie beschlossen hatte, wieder in einem Shinobidorf sesshaft zu werden, plagten sie die Träume von jenem Tag.

Bilder flackerten erneut vor ihrem Auge auf, die sie mit einem Kopfschütteln versuchte abzuschütteln.
 

Warum nur machte sie sich überhaupt die Mühe und kämpfte für ein besseres Leben? Dais Worte echoten in ihrem Kopf wieder, dass sie leben musste. Er hatte es gewollt und sie brachte es nicht übers Herz, ihn zu enttäuschen.
 

Sie schnaubte bei diesem Gedanken. Als ob man einen toten Menschen verletzten könnte.

Doch jedes Mal, wenn sie kurz davor war aufzugeben, konnte sie es nicht. Denn genau wie jetzt plagte sie das schlechte Gewissen, nur weil sie über ihre Kapitulation nachdachte.

Wenn sie aufgeben würde, wäre sein Tod umsonst gewesen. Tsunades und Shizunes Bemühungen wären unnötig und dieser Neuanfang eine totale Energie- und Zeitverschwendung.
 

Das konnte sie nicht zulassen!
 

Plötzlich rutschte sie auf einem Ast aus und fiel unsanft auf den Boden. „Verdammt!“, zischte sie genervt und verzog schmerzverzerrt ihr Gesicht. Heute war echt nicht ihr Tag. Müde lehnte sie sich an den Baumstamm und ließ ihren Blick umher wandern.

Ihre Augen blieben an einem kleinen Felsvorsprung hängen. Davor war ein kleiner Teich, auf dem wilde Wasserrosen blühten. Dieser wurde von einer grünen Wiese umrahmt, auf welcher vereinzelte Blümchen zu entdecken waren.

Es war wunderschön und erfüllte die Luft mit einem angenehmen Duft.
 

Bei dem Anblick, der sich ihr bot, bildete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Mit einem leisen Keuchen stand sie auf und ging näher zum Teich. Ein paar orange Fische schwammen herum und auch zwei Frösche konnte sie am Rande erkennen. Ja! Hier könnte sie sich von ihren Strapazen erholen.
 

Lächelnd legte sich Yukiko hin und reckte ihren Kopf gegen das bisschen Sonnenlicht, welches durch das bunte Laub der Baumkronen durchschien und genoss das Kitzeln der Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Sie schielte zum Himmel über dem Felsvorsprung. Er war blau, doch an den Rändern konnte sie dunkle Wolken erkennen. Yukiko schloss ihre Augen und versuchte der Natur zu lauschen und sich zu entspannen. Dieser Tag hat erst vor kurzem angefangen und schon war sie vollkommen erschöpft.

Natürlich hatte sie überreagiert, aber war es ihr zu verübeln? Tsunade wusste nur allzu gut, wie sehr sie ihr Kekkei Genkai verabscheute.
 

Gedankenverloren hob sie ihre Hände in die Luft und musterte sie. Yukiko war sich sicher, dass diese Gabe ein Fluch war. Es gewährte ihr kein normales Leben. Schon von klein auf nicht. Arisu hatte damals schon panisch reagiert, als Yukiko zum ersten Mal im Bad mit dem Wasser gespielt hatte.
 

Bei dem Gedanken an Arisu stahl sich eine Träne aus ihrem Augenwinkel. „Ach verflucht.“, brummte sie genervt und schloss die Augen. Heute war wirklich nicht ihr Tag. Es war gut, dass sie alleine war. So konnte sie ihren aufgestauten Gefühlen endlich mal freien Lauf lassen.
 


 


 


 

Eine kühle Brise ließ sie frösteln, weshalb sie verwirrt blinzelte. Sie war tatsächlich kurz eingenickt. Mit einem Seufzen setzte sie sich auf und sah zum Himmel. Es waren dunkle Wolken aufgezogen, weshalb sie nicht erahnen konnte, wie spät es war.

Nicht, dass sie schon zurück wollte. Das konnte sie sich selbst noch nicht zumuten.
 

Just in dem Moment hörte sie einen kleinen Ast neben sich knacksen. Entsetzt überschlug sich ihr Herz. Sie fühlte, wie es wild gegen ihren Brustkorb trommelte und jede Zelle ihres Körper vor Nervosität zu kribbeln anfing. Ein merkwürdiges Rascheln zu ihrer Rechten zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Doch statt einem farbenreichen Wald, sah sie in das Gesicht eines Shinobi.
 

Erschrocken schnappte sie nach Luft und spürte, wie ihre Instinkte die Steuerung über ihren Körper übernahmen. Geschwind trat sie dem Mann an das rechte Schienbein, dass er überrascht nach hinten fiel. Schnell setzte sie sich auf ihn drauf und bildete in der Luft ein Kunai aus Eis. In dem Moment wurde sie herumgewirbelt. Schwer presste sich ihr Angreifer auf sie und hielt ihre beiden Hände über ihrem Kopf. Verzweifelt zerrte sie gegen seinen festen Griff und starrte wutentbrannt in das Gesicht des Shinobi. Plötzlich stockte sie und hielt mit der Abwehr inne, als ihr klar wurde, wer auf ihr lag.
 

Ihr Burstkorb hob und senkte sich schnell, während sie um Atem rang. Fassungslos sah sie in die dunkle Iris ihres Gegenübers. Er hatte die Augenbraue zusammengezogen und beobachtete sie mit Argusaugen. Yukiko spürte seinen heißen Atem auf ihrem Gesicht, fühlte das Gewicht seines Körpers, unter dem er sie fixiert hatte.
 

Kurz hielt sie die Luft, in der Hoffnung das Tempo ihres Herzens zu drosseln. Doch als sie erneut einatmete und der Sauerstoff mit seinem Geruch nach Moos und Minze vermischt wurde, überschlug sich ihre kleine Pumpe erneut. Wie gebannt sah sie zu ihm auf. Seine Iris war so dunkel, dass sie den Übergang zur Pupille gar nicht ausmachen konnte.

Doch es war die Tatsache, dass sie keine Emotionen in seinem Opal erkennen konnte, der ihren Adrenalinspiegel wieder in die Höhe trieb. Wenn ein Shinobi einen so kalt musterte, wusste man, dass sein letztes Stündlein geschlagen hatte. Man konnte auf ihn einreden, doch er hätte all seine Gefühle isoliert.
 

Unnahbar.

Unmenschlich.
 

„Verdammt, das war knapp“, seufzte er und riss sie aus ihren Gedanken. Seine tiefe Stimme bescherte ihr eine Gänsehaut. Verwirrt über die Reaktion ihres Körpers runzelte sie die Stirn.
 

„Hätte nicht gedacht, dass du angreifst“, meinte er unberührt und ließ langsam ihre Hände los, als würde er abschätzen, ob er ihr trauen könnte.
 

Nachdenklich runzelte sie ihre Stirn und richtete sich langsam auf, als er von ihr runterrollte und sich neben sie setze. Warum hätte es knapp sein sollen? Nie und nimmer war sie so gut, um ihn in Bedrängnis zu bringen. So viel Unglaubliches hatte sie von ihm gehört.
 

Er war angeblich einer der besten hier in Konoha. Konohagakures Kopierninja. Kakashi Hatake. Gai hatte ihr von ihm erzählt. Ihr Nachbar hatte ihr nämlich empfohlen sich einen Rivalen zu suchen, um ihre Leistung zu steigern, wenn sie zu einer Kunoichi ernannt wurde. Denn so hatte es Gai auch zu etwas gebracht. Dank seinem Erzrivalen Kakashi hatte er stets ein Ziel vor Augen.
 

„Was wollen Sie hier?“ Sie rutschte ein wenig von ihm weg und massierte sich nachdenklich die Handgelenke, wo er sie festgehalten hatte. Es fühlte sich so an, als würden tausende Ameisen über diese Hautstellen laufen. Ein Prickeln, was sie nicht richtig einordnen konnte.
 

„Bitte duz mich. Wir sind ja nun Kollegen. Ich bin Kakashi Hatake.“ Er schien sie anzulächeln, wenn sie die Falten an seinem Augenwinkel richtig einordnete.

Langsam beruhigte sich Yukikos Puls und sie lächelte ihm entschuldigend zu.
 

„Tut mir wirklich leid, Kakashi. Ich wollte dich nicht angreifen. Ich … ach ich weiß auch nicht.“ Peinlich berührt sah sie zu ihren Füßen.
 

Ein leichtes Ziehen an ihrem Kopftuch ließ sie überrascht zu Kakashi schauen. Erschrocken weiteten sich ihre Augen, als sie nur ein paar Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war. Was war denn nur mit diesem Shinobi los?

Er jedoch hatte seinen Fokus auf etwas anderes gelegt. Neugierig folgte sie seinem Blick und erkannte den Grund für das Zupfen an ihrem Kopftuch.

Mit seinen Fingern zog er am Eiswürfel, der das angebrachte Glöckchen umschloss, und drehte es musternd herum.
 

„Ehm …“ Yukiko wollte ihn eigentlich fragen, was das sollte. Doch als er ihr wieder in die Augen sah, verschlug es ihr die Sprache.

Sein schwarzes Auge war unergründlich. Sie hatte das Gefühl von einem schwarzen Strudel angezogen zu werden. Ihr Magen zog sich nervös zusammen, während ihr Herz erneut zu einem schnelleren Tempo ansetzte. Vollkommen gebannt musterte sie ihn. Yukiko hatte das Gefühl in seinem dunklen Opal zu versinken. Kurz schüttelte sie den Kopf, um zur Besinnung zu kommen und entriss dabei das Glöckchen aus seiner Hand.
 

Verlegen fuhr sie sich mit der linken Hand über den Nacken und massierte ihn leicht. Was um alles in der Welt war da gerade passiert? Sie verstand es nämlich nicht. Nachdenklich musterte sie den kleinen Teich vor ihr und versuchte ihre innere Ruhe wiederzufinden.

Kakashi räusperte sich neben ihr und brachte erneut ihr Herz dazu, aufgeregt Purzelbäume zu schlagen.
 

„Hyouton?“, fragte Kakashi, um vermutlich dieser peinlichen Situation zu entgehen. Yukiko schmunzelte dankbar und schielte zu dem Mann neben ihr.
 

„Ja“, nickte sie darauf hin und löste den Würfel auf. Sie wollte auf keinen Fall, dass er noch einmal auf die Idee kam, ihr so nahe zu kommen.
 

Das helle Klirren der Glocke erfüllte die Luft. Yukiko sah wieder zum Teich und schloss die Augen. Sie genoss diesen Klang sehr. Er erinnerte sie an ihren Kater, den sie als Kind gefunden und adoptiert hatte. Es war eine schöne Erinnerung an damals. Wo die Zeit noch unbeschwerlich war, und ihr größtes Problem aus Hausaufgaben und Arisu bestand.
 

„Darf ich mal?“ Seine tiefe Stimme riss sie aus den Gedanken.
 

„W..Was?“ Verwirrt sah sie ihn an, da sie nicht verstand, was er wollte.
 

Kleine Falten bildeten sich um sein rechtes Auge, als er sie belustigt musterte. „Das Kunai! Darf ich es mir mal ansehen?“, wiederholte er seine Frage und deutete auf die Waffe in ihrer Hand.
 

„Ja.. Klar. Hier!“ Sie reichte es ihm, darauf bedacht ihn nicht noch einmal zu berühren. Ihr gefiel es nicht, wie ihr Körper auf ihn reagierte.
 

„Dieses Eis schmilzt nicht und ist dichter als normales Eis. Deshalb auch bestandsfähiger. Ich habe das nur einmal gesehen“, murmelte er vor sich hin, während er es in seinen Händen hin und er wiegte.
 

„Ach, du kennst es?“ Neugierig sah Yukiko zu ihm. Sie war noch nie jemandem begegnet, dem ihre Gabe bekannt war.
 

Er nickte. „Ich habe einmal gegen jemanden gekämpft, der auch dieses Kekkei Genkai hatte. Nur verwendete er eine spezielle Technik. Nicht so wie du, die das Eis in gefährliche Waffen formt.“ Zum Ende hin triefte seine dunkle Stimme vor Schalk. Peinlich berührt biss Yukiko sich auf die Unterlippe und sah weg.
 

„Mir tut das von vorhin wirklich leid. Du brauchst es mir nicht auch noch vorzuhalten. Ja?“, murmelte sie verlegen.
 

Kakashi kicherte dunkel. Er schien sich über ihre Reaktion prächtig zu amüsieren. „Werde ich nicht mehr. Versprochen.“
 

„Du kennst also jemanden, der auch das Hyouton beherrscht! Erzähl mir bitte mehr“, forderte die weißhaarige ihn auf, da sie wirklich mehr erfahren wollte.
 

„Hmn. Der bekannteste Clan, der dieses Kekkei Genkai hatte, war der Yuki-Clan aus Kirigakure. Zu denen gehörte auch der Junge, den ich kannte“, erzählte er.
 

Verwirrt zog Yukiko die Augenbrauen in die Höhe. Wieso hatte sie noch nie davon gehört? Warum hatte ihr Dai nicht erzählt, dass es diesen Clan gab und sie nicht alleine damit war? Wusste Arisu auch davon? Hat sie ihr deshalb den Namen Yukiko geben?
 

Yukiko erinnerte sich noch genau, wie sie sich als Mädchen bei Arisu beschwert hatte, weil sie keinen süßen Namen, wie die anderen im Dorf, hatte. Doch Arisu hatte gemeint, dass er zu ihr passen würde. Immerhin hatte sie weiße Haare, die die alte Frau an frisch gefallenen Schnee erinnerten.
 

„Gibt es den Clan noch?“, fragte Yukiko ihn. Selbst Tsunade und Shizune hatten ihr nichts davon erzählt gehabt. Warum?
 

Doch die Frage konnte sie sich selbst beantworten, als Kakashi schwach mit dem Kopf schüttelte. Niemand wollte, dass sie sich Sorgen machte.
 

„Wieso?“, bohrte sie weiter nach. Sie wollte die ganze Wahrheit erfahren.
 

„Nun …“, setzte er an und sah zum Felsvorsprung, „Kirigakure ist ein sehr … düsterer Ort. Es gibt kein vergleichbares Dorf, das so blutrünstig war wie das im Wasserreich. Durch ihre recht spezielle Hierarchie und dem Auswahlverfahren in der Akademie hatte das Land den Bezug als Gemeinschaft verloren. Nach etlichen Kämpfen, auch unterhalb der eigenen Leute, wurde der Hass zu den Menschen mit besonderen Kräften geschürt. Die Bewohner hatten Angst vor dem, was sie nicht kannten und dadurch, dass der Yuki-Clan immer wenige Verluste bei den Kämpfen erlitt, hatte es sich herumgesprochen, wie furchterregend und stark sie waren. Plötzlich spaltete sich die Gesellschaft noch mehr. Die Menschen machten regelrecht jagt auf jene, die ein Kekkei Genkai besessen haben. Unter anderem auch auf den bekanntesten Clan.“
 

Fassungslos sah sie ihn an. Nun verstand sie endlich die Panik von Arisu, wenn sich Yukiko nicht an die Geheimhaltung hielt und ihre Gabe herzeigte. Erst jetzt konnte sie die Angst nachvollziehen und verstehen, warum sie immer quer durchs Wasserreich gezogen waren.
 

„Jemanden aus dem Yuki-Clan zu begegnen, grenzt nahezu an ein Wunder. Die wenigen Überlebenden sind nämlich aus Angst gänzlich untergetaucht“, murmelte Kakashi leise.
 

Ein eiskalter Schauer rieselte Yukiko über den Rücken. Auf ihren nackten Arme breitete sich eine Gänsehaut aus, die Kakashi zu registrieren schien. Sein Auge durchbohrte ihre regelrecht, als würde er in ihren Kopf blicken wollen. Sie schmeckte die bittere Galle, die ihre Zunge benetze, als sich ihr Magen zusammenzog. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass ihre Gabe tatsächlich ein Fluch war. Dass sie zu jenen Menschen gehörte, die anderen Leid brachten. Dass sie ein Monster war, welches in ihrer Heimat gejagt wurde.
 

„Nun denn“, riss sie seine tiefe Stimme aus den Gedanken. Verlegen sah Yukiko zu ihm hoch.
 

Er schloss sein Auge und es wirkte erneut so, als ob er lächeln würde. „Jetzt brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen. Du bist jetzt eine von uns hier. Hier schätzen wir Menschen mit außergewöhnlichen Kräften sehr“, versuchte er sie zu trösten.
 

Doch seine Worte bohrten sich tief in ihr Herz. Sie wollte nicht, dass man sie als eine Waffe sah. Dass man sie genau dafür einsetzte, wovor sich ihre Landsleute fürchteten.
 

„Ich hab gehört, dass du jetzt ein Genin bist. Ich sollte dir das vorbeibringen.“ Er reichte ihr das Konoha Stirnband.
 

„Deshalb bist du hier?“ Aus irgendeinem Grund war sie enttäuscht. Aber sie wusste nicht warum.
 

Yukiko nahm das Stirnband an sich und betrachtete es wehmütig. Ihr erstes Stirnband. Nun war sie es doch, eine Kunoichi.

Es versetzte ihr einen Schlag in die Magengrube. Ihr Blick verschleierte sich, als sie an das viele Leid dachte, welches die Shinobi über die Menschen gebracht hatten. Sie wollte nicht so werden! Bebend sog sie die Luft ein und blinzelte die Tränen weg. Kurz schielte sie hoch zu Kakashi, um sicherzugehen, dass er nichts bemerkt hatte. Das Letzte, was sie wollte, war vor ihm wie eine Heulsuse dazustehen.
 

Deshalb grinste sie ihn an und hielt sich das Stirnband demonstrativ an die Stirn. „Und, steht es mir?“

Yukiko glaubte ein Schmunzeln zu erkennen, aber sie war sich nicht sicher, da er fast das ganze Gesicht verdeckt hatte.
 

„Naja …“, er schien nach den richtigen Worten zu suchen und kratze sich an der Wange. Sie kicherte über seine Reaktion.
 

„Und hier, so am Hals?“ Schnell band sie es um ihren Hals und sah ihn neugierig an. „Steht mir richtig toll, nicht? Ich sehe furchteinflößend aus, oder?“, plapperte sie drauf los. Irgendwie machte es sie nervös, dass er sie so anstarrte.
 

„Besser, als auf der Stirn. Doch furchteinflößend … Nein, wohl eher nicht.“ Seine Stimme klang belustigt und kleine Falten bildeten sich wieder am Rande seines Auges.
 

Plötzlich sah sie ihn verwirrt an und weitete übertrieben ihre Augen.
 

„Was ist?“, fragte er sichtlich verwirrt über ihren plötzlichen Stimmungswandel. Sie hatte wirklich damit zu kämpfen nicht loszulachen.
 

„Kein – Willkommen im Klub – oder etwas dergleichen?“, fragte sie entrüstet.
 

Als er sie dann ansah, als wäre sie von allen guten Geistern verlassen, prustete sie laut los. „War ein Scherz“, sie wischte sich theatralisch die Tränen weg, die ihr vor Lachen gekommen waren.
 

Kakashi schnaubte bloß und schüttelte mit dem Kopf. Sie konnte nicht anders, als sich über seine Reaktion zu amüsieren. Es war merkwürdig und vollkommen unlogisch, denn obwohl er einer der gefährlichsten Shinobi in Konoha war, fühlte sie sich in seiner Nähe wohl.
 

Ohne weiter darüber nachzudenken, sprang sie auf und zog ihn mit sich hoch. Naja, eigentlich war er selbst aufgestanden, nachdem er gemerkt hatte, was sie wollte.

„Komm. Wir essen jetzt etwas zur Feier des Tages.“ Sie grinste ihn über die Schulter an, während er ihr sichtlich überrumpelt hinterher ging.
 

Wie auf ein Kommando setzte ihr Magen zu einem lauten Knurren an, was beide zum Lachen brachte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hatte diese Geschichte vor langer Zeit mal veröffentlicht, sie aber dann wieder gelöscht.
Nach 6 Jahren bin ich soweit, dass ich sie erneut hochlade - Hierbei handelt es sich um eine Trilogie ...
und die Updates sollten regelmäßig jeden Donnerstag erfolgen :)

LG mickii Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe, dass euch der erste Eindruck zusagt :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe, dass es euch gefällt - auch wenn es noch so ein "Kennenlern Kapitel" ist Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  icequp
2018-05-28T20:17:03+00:00 28.05.2018 22:17
Hi

Es Freud mich das diene ff zu einer Neuauflage kommt.
Gefällt mir sehr gut was ich bis jetzt lesen durfte.
Mach bitte weiter :)




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