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Amore mascherato

Oneshots zum RPG
von

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Matrimonio a Venezia

Matrimonio a Venezia (Hochzeit in Venedig)


 

Am ganzen Körper zitternd tigerte Ezio durch den Raum. Sein weißes Jackett hing an einem Bügel griffbereit an einem Haken an der Tür und wartete nur darauf, Ezios Ensemble zu vervollständigen. Doch noch war es nicht so weit, Noch musste der Brünette darauf warten, dass sein Traum sich erfüllte.

Und ein Traum war es wirklich, denn als er vor drei Jahren das Atelier in der Universität betreten hatte, um ein Fotoprojekt zu beginnen, wer hätte zu diesem Zeitpunkt schon daran gedacht, dass er heute hier sein würde, um zu heiraten?

Wer hätte gedacht, dass er an diesem Tag in der Universität seinem Seelenverwandten begegnen würde?

Wer hätte gedacht, dass er es schaffen könnte, das Herz dieses Mannes zu erobern, der zumindest damals in einer vollkommen anderen Welt gelebt hatte als Ezio?

Ezio nicht. Ezio am allerwenigsten.

Es war so leicht gewesen, sich zu verlieben, doch dafür zu sorgen, dass seine Gefühle auch erwidert wurden, zu merken, zu akzeptieren, daran zu glauben, dass es so war, hatte sehr viel länger gedauert und war um einiges schwerer gewesen und beinahe hätte der Schmerz, den dieser Prozess verursacht hatte, alles zerstört, noch bevor es richtig begonnen hatte.

Noch immer erinnerte sich der Brünette mit gemischten Gefühlen an das Gespräch, das sie geführt hatten, die Wahrheiten, die sie einander anvertraut hatten und Ezio war gerührt, dankbar und noch immer voller Scham, wenn er an die Vorwürfe dachte, die diesem Gespräch vorausgegangen waren. Ezio erinnerte sich noch lebhaft daran, was er seinem Liebsten vorgeworfen hatte, dass er ihm vorgeworfen hatte, lediglich an Ezios Körper interessiert zu sein. Wie falsch er damit und mit noch einigem anderen gelegen hatte, hatte sein Liebster ihm erst bei dem darauf folgenden Gespräch erklärt. Sie hatten sich ausgesprochen, ihre Gedanken, Gefühle und Ängste miteinander geteilt und sich zusammengerauft, hatten allen Widrigkeiten getrotzt… Sie hatten verlassene Ex-Verlobte, verrückte Stalker und Vergewaltigungsvorwürfe überstanden und Ezio war sich sicher, dass ihre Liebe an all diesen Hürden gewachsen war.

Und doch hatte er Angst.

Er gab es nicht gern zu, doch es entsprach der Wahrheit. Er hatte Angst, dass sein Liebster es sich anders überlegen und die Hochzeit absagen könnte. Immerhin war er bereits einmal am eigentlich schönsten Tag seines Lebens enttäuscht worden. Ezio könnte es ihm nicht verübeln, wenn er noch nicht bereit war, es erneut darauf ankommen zu lassen.

Sicher… Sie liebten einander. Ezio liebte den anderen so sehr, dass er nicht wusste, wie er ohne ihn noch weiter leben sollte, sollten sie aus irgendeinem Grund getrennt werden. Er vermisste den Blonden ja schon, sobald sie sich einen Nachmittag nicht sehen konnten. Dabei wohnten sie inzwischen schon seit über einem Jahr zusammen… Und doch war es für Ezio noch immer, als wäre ihre Liebe so frisch wie am ersten Tag. Und er wusste, dass er geliebt wurde. Immerhin hatte sein Liebster so viel für ihn aufgegeben. Er hatte seinen Job an der Universität gekündigt, damit ihre Beziehung nicht mehr länger verboten war, um nicht länger erpressbar zu sein, hatte etwas aufgegeben, das er so sehr liebte, nur um mit Ezio zusammen sein zu können. Er hatte dem Auditore schon so oft bewiesen, wie sehr er ihn liebte, doch das war keine Garantie dafür, dass alles glatt laufen würde.
 

In diesem Moment öffnete sich die Tür und Altaïr steckte den Kopf ins Zimmer. Wahrscheinlich wollte er nachsehen, wie weit Ezio mit den Vorbereitungen war. Er erwartete sicher einen freudig erregten jungen Mann, der es nicht mehr erwarten konnte, endlich vor den Traualtar zu treten, doch was er vorfand, war etwas vollkommen anderes. Altaïr trat in den Raum, schloss hinter sich vorsichtig die Tür, damit das Jackett nicht hinunter fiel und trat auf seinen besten Freund zu, um ihn in die Arme zu schließen. Ezio schmiegte sich an die muskulöse, in einem eleganten schwarzen Anzug steckende Brust des Syrers und zitterte einen Moment nur vor sich hin, genoss die Wärme des anderen und konzentrierte sich auf das sanfte Streicheln auf seinem Rücken.

„Mach dir keine Sorgen, Ezio. Alles wird gut gehen…“

Ezio verzog an Altaïrs Schulter das Gesicht, als hätte er Schmerzen.

„Ich habe Angst, Altaïr. Was, wenn…?“

„Er nicht da ist?“, beendete Ezios Freund den Satz für das Häufchen zitternder Nervosität in dessen Armen. Von Ezio unbemerkt schlich sich ein wehmütiges Lächeln auf die hübschen Züge des Syrers.

„Er liebt dich. Mehr als er je einen anderen Menschen geliebt hat. Natürlich wird er da sein.“

Er strich Ezio sanft über den breiten Rücken, spürte das weiche Material der Weste, die Ezio über seinem weißen Hemd trug, und kraulte ihn kurz im Nacken. Bevor er den Auditore freigab und, wie er hoffte, aufmunternd ansah.

„Wenn nicht, dann ist er wirklich dumm… Und wir wissen beide, dass er nicht nur klug ist, sondern genial. Mach dir keine Sorgen.“

Altaïr strich mit dem Daumen über Ezios Wangenknochen und bewunderte eine Sekunde lang dessen schönes Gesicht. Wie lang war er hoffnungslos in diesen Mann verliebt gewesen? Wie lang hatte er nur Augen für dessen sinnliche Lippen, dessen funkelnde braune Augen, dessen ansteckendes Lächeln gehabt? Zu lang.

Ezio war jahrelang seine ganze Welt gewesen und erst, als ihm vor Augen geführt wurde, dass seine Zeit als Ezios Liebe vorbei war und es keine Chance mehr auf ein Revival ihrer Liebe gab, hatte er den Blick von ihm wenden können. Altaïr wusste, dass der Auditore für immer etwas Besonderes für ihn bliebe, doch jetzt war er endlich zufrieden damit, nur der beste Freund des Fotographen zu sein, denn nach so vielen Jahren des Wartens auf einen Traum, der schon lang vorbei war, hatte sein Herz losgelassen – und sich prompt neu verliebt.
 

Just, als Altaïr diesen Gedanken in Ezios braunen Augen fand, öffnete sich erneut die Tür und Malik streckte den hübschen Kopf herein, um die beiden Freunde mit einem seiner strahlendsten Lächeln zu begrüßen. Sofort schlich sich ob des Anblickes eine leichte Röte auf Altaïrs Wangen.

„Na, fertig?“, fragte der Architekt und schlüpfte durch den Türspalt, um seinem Schatz direkt einen Kuss von den Lippen zu stehlen. Dann wandte er sich Ezio zu, dessen Gesichtsausdruck sekündlich von vollkommen am Ende zu total verzückt ob des Anblicks wechselte.

„Ihr zwei seid so süß!“, fiepste er beinahe und erntete ein leises Grummeln seines besten Freundes als Antwort, während dessen Wangen noch eine Nuance an Röte zunahmen.

Malik enthielt sich jeden Kommentars dazu und musterte den Auditore stattdessen ernst.

„Du bist ja noch gar nicht fertig“, begann er und griff demonstrativ nach dem Jackett. „Wir fangen noch ohne dich an, wenn du dich nicht beeilst!“

Er hielt Ezio das Kleidungsstück hin, welcher mit den Händen voran hineinschlüpfte. Altaïr schloss direkt die Knöpfe und richtete ein letztes Mal Ezios weiße Krawatte, während Malik das Jackett glatt und ein paar nicht vorhandene Staubkörper von Ezios Schulter strich. Der Auditore warf noch einen letzten Blick auf den Ganzkörperspiegel, der extra für diese und ähnliche Gelegenheiten in diesen Raum gebracht wurde, bevor er sich zu Malik und Altaïr umdrehte. Er war noch immer furchtbar nervös, doch sein Bester hatte es zumindest geschafft, die Angst zu schrumpfen, so dass sie kaum noch präsent in Ezios Gedanken war. Viel mehr wurden besagte jetzt immer mehr davon erfüllt, was in den nächsten Minuten passieren würde.

Er würde heiraten… ... …

„Und? Wie sehe ich aus?“, fragte er und erntete von Altaïr einen in Richtung Zimmerdecke gestreckten Daumen.

Malik schob die beiden jungen Männer aus dem Raum und sie liefen direkt Ezios Vater in die Arme, der seinen Sohn zur Eile antreiben wollte. Mit stolzgeschwellter Brust betrachtete Giovanni seinen Zweitältesten und zog ihn für eine kurze Umarmung an sich, während Malik und Altaïr sich an den beiden vorbei schoben und sich schon mal auf ihre Plätze begaben. Sie waren immerhin die Trauzeugen und Malik hatte die verantwortungsvolle Aufgabe, die Ringe zu verwahren, bis sie gebraucht wurden. Während sich die beiden an den richtigen Stellen positionierten, führte Ezios Vater diesen den Flur entlang.

Im Magen des jungen Auditore kribbelte es vor Nervosität, Aufregung und Vorfreude und er musste sich tatsächlich beherrschen, dass er nicht losheulte. Eigentlich hatte er nie wirklich daran gedacht, irgendwann einmal zu heiraten, vor allem, da diese Möglichkeit für gleichgeschlechtliche Paare lange Zeit einfach nicht bestanden hatte und als es dann offiziell möglich wurde, war er Single und hatte nicht das Bedürfnis, zu heiraten. Und nachdem er davon erfahren hatte, was für ein gebranntes Kind sein Liebster war, hatte er die Möglichkeit, zu heiraten erneut vollkommen verdrängt, da er sicher war, dass sein Schatz diesen Weg nicht noch einmal würde gehen wollen und jetzt… jetzt passierte es doch. Und es war nicht einmal Ezio gewesen, der auf die Idee gekommen war.

„Atmen, Ezio… Einfach atmen.“

Der Fotograph unterdrückte ein weinerliches Wimmern, als er das beruhigende Gefühl der pattenden Hand seines Vaters auf seinem Handrücken spürte und schloss einen Moment die Augen, als sie hinter der noch geschlossenen Tür stehen blieben und warteten. Die Idee, es ganz traditionell zu halten, inklusive Trauzeugen, Blumenkind und allem drum und dran, war auf den Mist der Frauen gewachsen. Seine Mutter und Claudia hatten die Idee gehabt und Eleonora war natürlich sofort vollauf begeistert gewesen und hatte Mona als erstes und einziges Blumenkind vorgeschlagen. Natürlich war die kleine Dame sofort Feuer und Flamme gewesen, als sie hörte, was ihre Aufgabe auf der Hochzeit sein würde. Sie könnte ein wunderhübsches Kleid tragen und vor Ezio den langen Gang entlang gehen und weiße Rosenblüten streuen.

Nach einer stundenlangen Diskussion mit dem eigentlichen Paar hatten die Frauen ihren Willen bekommen und nun würde Giovanni seinen Sohn zum Altar führen, als wäre Ezio eine Frau. Zum Glück musste er kein Kleid tragen…

Ezios rasende Gedanken wurden von seinem hübschen Blumenmädchen unterbrochen, die mit ihrem weißen Rüschenkleid auf ihn zugehüpft kam. In ihrer linken Hand trug sie bereits den kleinen weißen Korb, in dem sich die Blütenblätter befanden, die sie streuen würde. Ihre goldenen Locken umrahmten ihr rundes Gesichtchen und sie war so aufgeregt, wie Ezio sich fühlte.

„Onkel Ezio!“, quiekte sie und hopste auf ihn zu, um ihre kleinen Ärmchen um seine Taille zu schlingen. „Du siehst toll aus!“

„Hey, Maus“, erwiderte Ezio, während sein Vater nur stumm der Szene zusah, die sich hier abspielte. Er freute sich für seinen Sohn, denn er schien tatsächlich nicht nur einen guten Mann gefunden zu haben, sondern auch schon vollständig in die Familie dieses Mannes integriert zu sein, wenn die Nichte des zukünftigen Ehemannes ihn schon Onkel nannte.

Ezio strich seinem Blumenmädchen über den blonden Schopf und sie griente ihn glücklich von unten an, bevor sie sich von ihm löste und sich vor ihm aufstellte. Eine Mitarbeiterin der Kirche gab ihnen ein Zeichen und Ezio hörte, wie von drinnen der Hochzeitsmarsch zu spielen begann. Sofort setzte sein Herz einen Schlag aus und noch einmal musste er kurz die Panik bezwingen, sein Liebster könnte es sich anders überlegt haben. Wie sollte er reagieren, wenn der Platz dort vor dem Pfarrer leer war?

Die Tür öffnete sich und Mona lief los, während Ezio noch ein letztes Mal tief einatmete und sich auf das Gefühl des Armes seines Vaters konzentrierte, den er festhielt, als wäre er ein Anker. Mona war drei Schritte gegangen und streute ihre Blütenblätter, als Ezio und Giovanni sich in Bewegung setzten und durch die Tür traten.

Vor ihnen erstreckte sich eine Halle, die geschmückt war mit weißen, roten und blauen Rosen. Durchflutet von Sonnenlicht, das durch deckenhohe Fenster in den großen Raum fiel, kamen die Verzierungen, die der Renaissance nachempfunden waren, noch besser zur Geltung. Der Gang, der zum Altar führte, war ausgelegt mit einem roten Teppich, der nun von den weißen Blüten akzentuiert wurde, die Mona für Ezio streute. Links und rechts vom Gang saßen die Gäste und alle Augen waren auf Ezio gerichtet. Ezios Augen allerdings lagen auf dem Mann, der, flankiert von Altaïr und Malik, vor dem Altar stand und ihm das schönste und verliebteste Lächeln schenkte, das Ezio jemals gesehen hatte.
 

Leonardo.
 

Seine blauen Augen strahlten vor Liebe und als Ezio in das hübsche Gesicht sah, fiel sämtliche Nervosität von ihm ab und seine eigenen Mundwinkel verzogen sich nach oben.

Mit langsamen Schritten gingen die beiden Auditore-Männer den Gang entlang, doch Ezios Aufmerksamkeit lag die ganze Zeit nur auf dem einen, der dort auf ihn wartete. Sein Magen kribbelte und als Ezio am Ende des Ganges angekommen war und Giovanni ihn feierlich an seinen zukünftigen Schwiegersohn übergab, brannte es hinter Ezios braunen Augen.

Er musste sich beherrschen… Wie sähe es denn aus, würde er jetzt schon anfangen zu weinen?

Als Leonardo seine Hände nahm und Ezio spürte, wie sie leicht zitterten, wurde ihm gleich etwas warm ums Herz, denn offenbar ging es seinem Liebsten nicht anders als ihm selbst und als sie einander anlächelten, fielen die letzten Restzweifel von Ezio ab und er wusste, alles würde gut werden.

Sie drehten sich zum Priester um, auf dessen betagtem Gesicht sich ebenfalls ein Lächeln zeigte. Er war offensichtlich mehr als nur bereit, diese Zeremonie zu leiten und Ezio wollte gar nicht wissen, wie viele Priester und Geistliche seine Mutter und deren Gefolge hatten erpressen oder bedrohen müssen, bis der erste eine Zusage erteilt hatte, ein homosexuelles Pärchen zu trauen. Es war auch nicht wichtig. Hauptsache war, dass es überhaupt geschah. Der ältere Herr nutzte noch einen Moment die nun herrschende Ruhe, um das glückliche Paar vor sich zu betrachten, bevor er mit der Zeremonie begann und mit sanfter, leiser, aber dennoch bis in die letzte Reihe verständlicher Stimme zu sprechen begann.

„Wir sind heute hier zusammen gekommen, um diese beiden Seelen mit einander zu vereinen. Bevor wir aber beginnen, muss ich Ihnen allen ein Geständnis machen. Dies ist meine erste gleichgeschlechtliche Vermählung, sollte ich also einmal aus Versehen ein weibliches Pronomen verwenden, so bitte ich, das zu entschuldigen.“

Er blickte dabei Ezio an und dieser konnte nicht anders, als einmal leise zu glucksen.

„Kein Problem, Pater.“, grinste er und erntete ein belustigtes Funkeln aus den grauen Augen des Priesters.

„Gut!“, meinte der Priester dann und klatschte enthusiastisch in die Hände. „Fangen wir am besten noch einmal an.“

Er räusperte sich kurz.

„Wir haben uns heute hier zusammengefunden, um diese beiden Seelen miteinander zu vereinen.

Jeder von uns hat sicher schon einmal die Worte „Liebe geht seltsame Wege“ gehört. Wenn ich diese beiden jungen Männer, die hier vor mir stehen, jetzt betrachte, wie sie voller Glück und Liebe strahlen und gar nicht abwarten können, dass der alte Mann vor ihnen endlich aufhört zu reden…“

Leises Gelächter füllte den Saal und auch Ezios und Leonardos Gesichter erhellten sich etwas mehr.

„…so finde ich das alles andere als seltsam. Die Liebe ist das unergründlichste und reinste Gefühl, das es gibt. Es ist, und da bin ich mir 100%ig sicher, der Sinn eines jeden menschlichen Lebens, eine Liebe zu finden, die alles überdauert, die das Leben überdauert und den Tod, die den Hass und die Trauer überdauert und die größte Dunkelheit. Und wenn ich in die Gesichter dieser beiden hier vor mir blicke, sehe ich, dass sie genau diese Liebe gefunden haben.

Deshalb ist die Frage, die ich jetzt Ihnen allen hier im Saal stelle, sicher nur rethorisch…aber gibt es jemanden hier, der etwas gegen die Verbindung dieser beiden hat? Wenn ja, soll er jetzt sprechen oder für immer schweigen.“

Wie an dieser Stelle üblich, schwieg der Priester ein paar Sekunden, auch wenn er nicht davon ausging, dass sich jemand zu Wort melden würde. Und auch Ezio und Leonardo waren sicher, dass keiner der Anwesenden die Stimme erheben würde. Weshalb auch? Auf den Stühlen und neben ihnen standen und saßen nur Menschen, die sie liebten. Sie alle wussten, dass Ezio und Leonardo füreinander bestimmt waren. Leonardos Familie – zumindest der Teil, der anwesend war – liebte Ezio, Ezios Familie vergötterte Leonardo… Keiner von ihnen hatte Gründe, dieser Hochzeit nicht ihren Segen zu geben.

Und gerade, als der Priester das Wort erneut an die beiden Verliebten richten wollte, da erhob doch jemand die Stimme. Und noch bevor Ezio sich umdrehen konnte, um den Eindringling anzusehen, war Leonardo herumgewirbelt und bedachte seinen Ex-Freund mit einem Blick, der hätte töten können, hätte der Maler die Macht dazu gehabt.

„Ich habe etwas gegen diese Verbindung!“, rief Cesare und erntete genau die Aufmerksamkeit dafür, die er begehrt hatte. Jeder im Raum drehte sich nach ihm um und auf seinem Gesicht lag ein süffisantes Grinsen. Ezio wurde kalkweiß im Gesicht und seine braunen Augen starrten ungläubig den Mann an, der schon einmal versucht hatte, sie auf mieseste und verachtenswerteste Weise zu trennen. Wenn der Auditore jetzt noch an die Begebenheiten und den Erpressungsversuch des Älteren dachte, wurde ihm speiübel.

Ein leises Raunen ging durch die Anwesenden und Malik erkannte den Mann sofort, der in der Tür stand, doch noch bevor er sich auf diesen stürzen konnte, hatte Leonardo Ezios Hände freigegeben und stakte in die Richtung seines Ex-Verlobten. Seine Augen sprühten vor Zorn und Ezio konnte nicht anders, als ihn zu beobachten, obwohl er sich gerade furchtbar einsam und allein fühlte, vor dem Altar, ohne den Mann, den er heiraten wollte.

Leonardo verkürzte den Abstand zwischen Cesare und sich selbst weiter und je näher der Künstler dem anderen kam, desto schmaler wurde dessen Grinsen, bis es vollends verschwunden war.

„Leonardo…“, fing er an und wollte wahrscheinlich noch einmal versuchen, den Blonden erneut für sich zu gewinnen, doch mehr als diesen Namen konnte er nicht aussprechen, bevor Leonardos zur Faust geballte Hand mit seiner Wange kollidierte und ihn so unvermittelt traf, dass Cesare wie ein nasser Sack zu Boden ging. Ezios Augen weiteten sich und er war genauso sprachlos, wie offenbar die gesamte Hochzeitsgesellschaft. Nun ja, fast die gesamte. Leonardos Schwester sprang direkt auf und feuerte ihren Bruder an, der vor Wut zitternd vor Cesare stand und diesen erneut mit einem Todesblick bedachte.

Der Schwarzhaarige kam nur langsam wieder auf die Beine und hielt sich die offensichtlich schmerzende Wange, während er einen ungläubigen Blick auf den Mann warf, den er einst vor dem Altar hatte stehenlassen. Wenn er nicht schon damals begriffen hatte, was für einen riesiger Fehler das gewesen war, wenn er es nicht begriffen hatte, als er ihn vor etwas mehr als zwei Jahren wiedergesehen hatte, jetzt hatte er es definitiv begriffen, an dem Tag, an dem Leonardo endgültig unerreichbar für ihn wurde.

„Raus“, knurrte Leonardo und beinahe reflexartig trat Cesare einen Schritt zurück. „Raus, raus raus. Verschwinde. Wenn ich dich auch nur noch ein einziges Mal in der Nähe meiner Familie sehe, dann garantiere ich für gar nichts mehr.“

„Aber…“, begann Cesare in einem letzten verzweifelten Versuch, doch Leonardo schnitt ihm das Wort ab.

„Nichts aber. Du hast keinerlei recht auf Aber. Deine Chance ist verstrichen und es war deine eigene Schuld. Lebe mit der Tatsache, dass ich heute heirate. Dass ich den Mann heirate, den ich liebe und der mich liebt. Und jetzt raus. RAUS.“

Noch immer stand Ezio an seinem Platz vor dem Altar und hatte er sich eben noch allein gefühlt, hatte er eben noch Angst gehabt, Cesare könnte erneut alles verderben, den Tag ruinieren, so kam er jetzt nicht gegen das Gefühl der Wärme und Liebe an, das in seinem Herzen spross und immer größer wurde, nachdem Leonardo eindeutig klar gemacht hatte, dass er Ezio liebte und ihn heiraten würde.

Dass Malik sich jetzt ebenfalls in Bewegung setzte, dass Altaïr sich zu Ezio stellte und nach dessen Hand griff, das bemerkte der Auditore gar nicht wirklich. Er war zu sehr gefangen in dem Licht, das Leonardo aussandte und ihn einfing, zu gebannt von dem breiten Rücken seines Liebsten.

Giovanni und Federico schlossen sich Malik an und traten zu Leonardo, um Cesare nach draußen zu begleiten, der nach einem letzten vernichtenden Blick in Ezios beinahe ausdrucksloses Gesicht beinahe fluchtartig den Saal verließ. Er rannte zwar nicht, aber es war ein nur sehr schmaler Grat zwischen rennen und gehen. Nachdem der Störenfried gegangen war, kehrten die Zuschauer, Trauzeugen und Bräutigame an ihre vorgesehenen Plätze zurück und der Priester fuhr mit der Zeremonie fort, als sei nichts passiert, was nicht ständig passierte.

Leonardo griff nach Ezios Hand, als der Geistliche schließlich wieder das Wort ergriff.

„Nun ja. Wo waren wir? Ach ja…“ Er räusperte sich. „Da niemand sich zu Wort gemeldet hat, niemand von Bedeutung, frage ich euch beide nun…“ Er wandte sich Ezio zu. „Ezio… Willst du den hier neben dir stehenden Leonardo mit der Schmetterfaust zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen, ihn lieben und ehren in guten wie in schlechten Tagen, in Krankheit und Gesundheit, bis der Tod euch scheidet? Dann antworte bitte mit J…“

Weiter kam er nicht, denn Ezio schnitt ihm, ungeduldig wie er war, das Wort ab.

„Ja! Ich meine, ja, ich will.“ Ein verschmitztes Grinsen lag auf dem Gesicht des Auditore, als Leonardo kaum sichtbar ob dessen Ungeduld den Kopf schüttelte und kurz dessen Hand drückte.

Lächelnd wandte sich der Priester nun an Leonardo und stellte ihm dieselbe Frage. Ihm fiel es offenbar weniger schwer, bis zum Ende zuzuhören, denn er antwortete erst, nachdem der Priester seine Frage zu Ende gestellt hatte.

„Ja, ich will.“

Nun war Malik an der Reihe und reichte den beiden frisch Vermählten die aus wertvollem Weißgold bestehenden Ringe, die sie sich gegenseitig an den linken Ringfinger steckten. Nachdem auch das erledigt war, schloss der Pater sein Buch und ein strahlendes Lächeln lag auf seinen betagten Zügen.

„Dann erkläre ich euch beide hiermit zu Eheleuten.

Nun denn… Ihr dürft einander jetzt küssen.“

Und Ezio und Leonardo ließen sich das nicht zweimal sagen. Mit verliebten Blicken hielten sie einander fest, als sich ihre Lippen in einem zärtlichen Kuss berührten, dem allerersten als verheiratetes Paar. Der Kuss war nur kurz, wie bei einer Hochzeit eben üblich, doch er bedeutete dem jungen Fotographen trotzdem die Welt, denn er zeigte ihm, dass Leonardo ihn liebte, dass er ihn mehr liebte, als sonst jemanden und dass er den Rest seines Lebens mit Ezio verbringen wollte. Und dieser Gedanke, diese Gewissheit, dass er den Rest seines Lebens in den Armen dieses wundervollen Menschen verbringen würde, trieben ihm letztendlich die Tränen in die braunen Augen und als sie wie Diamanten funkelnd über seine Wangen rollten, wischte sein Leonardo sie mit einer zärtlichen Bewegung fort, bevor er ihm einen weiteren, kurzen, doch unendlich zärtlichen Kuss gab.

„Ladys and Gentlemen… Mr. and ... Mr. Leonardo Auditore da Vinci!“

Dann drehten sie sich zu ihren Gästen um und ernteten nicht nur viele liebe Umarmungen und Küsse, sondern genauso Applaus und haufenweise Reis und Blütenblätter, die ihnen auf dem Weg hinaus aus der Kirche um die Ohren flogen.

Hand in Hand überwanden sie die wenigen Meter, die vom Eingang der Kirche zu einem der Kanäle Venedigs führten, in dem eine festlich geschmückte Gondel inklusive Gondolier auf sie wartete, die sie zum eigentlichen Fest bringen würde. Während die anderen Gäste mit hübsch geschmückten Kutschen einen anderen Weg fuhren, nutzten Ezio und Leonardo die romantische Gondelfahrt für ein wenig Zweisamkeit. Sie würden heute Abend nur sehr wenig Möglichkeiten dafür haben, denn immerhin hatten sie noch was zu feiern.

Deshalb schmiegte sich Ezio fast sofort an seinen Ehemann, als sie beide sicher in der Gondel saßen und griff sich dessen Hand. Er hauchte sanfte Küsse auf die roten Fingerknöchel, die vorhin Bekanntschaft mit Cesares Gesicht gemacht hatten. Er spürte, wie Leonardo seine Nase in seinem braunen Haar vergrub und tief einatmete und konnte sich ein schmales Grinsen nicht verkneifen. Sie sprachen kein einziges Wort während der Fahrt, denn Worte waren nicht nötig. Das Wichtigste war, dass sie einander berührten, dass sie einander festhielten und die Wärme des anderen spürten. All das sagte mehr als tausend Worte. Ezios Kopf lag auf Leonardos Schulter und er genoss die Berührungen und die Streicheleinheiten seines Liebsten, während er mit den goldblonden Strähnen spielte, die Leonardo sanft auf die Schultern fielen.

Die Gondelfahrt dauerte etwa eine halbe Stunde und als sie zu Ende ging, war Ezio beinahe etwas enttäuscht. Doch der Anblick seiner Familie und Freunde entschädigte ihn direkt, so dass sein Gesicht erneut ein breites und glückliches Lächeln zierte, als er zusammen mit Leonardo die Gondel verließ.
 

Hinein in ein neues Leben.

Sotto la doccia

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Lunapark

„LEO!“

Ezios panische Stimme hallte durch das große Haus und nicht nur derjenige, dessen Namen der Fotograph in augenscheinlicher Todesangst geschrien hatte, reagierte wie von einer Biene gepiekst und erklomm mit lauten, beinahe trampelnden Schritten die Treppe in die zweite Etage. Direkt hinter dem Blonden, der ins Schlafzimmer stürzte, den hübschen Kopf erfüllt von paranoiden Gedanken von einem um sein Leben kämpfenden Ezio, stürmten auch zwei Beschützerhunde in den großen Raum, der von einem weichen, mit kuscheliger Bettwäsche bezogenen Bett beherrscht wurde. Der lichtdurchflutete Raum beherbergte sonst immer eine heimelige, leicht verschlafene Atmosphäre, wenn Ezio und Leonardo nicht andere Dinge taten, als sich miteinander in die Decken zu kuscheln, um zu schlummern. Doch gerade jetzt hatte Ezio eher das Gefühl, er stünde in einem Tiefkühlfach, während sein Körper vor beinahe unkontrollierbarer Panik zitterte und es ihm eiskalt den Rücken hinunter lief. Mit schweißnasser Stirn zeigte er auf einen Punkt ihm gegenüber an der Wand, als Leonardo ihn vollkommen außer Atem und mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.

Der Ältere folgte dem Wink seines Liebsten und wäre wohl in Lachen ausgebrochen, würde ihm das Herz nicht noch immer bis zum Hals schlagen und würde er sich nicht an die waschechte Panik erinnern, die er in den sonst so warmen braunen Augen erblickt hatte, die er so liebte.

Ambra und Ciccio hatten inzwischen die Lage gepeilt und dem Corgi war direkt aufgefallen, dass es in diesem Zimmer keine Gefahr gab, derer er sich annehmen musste, weshalb er sich sofort wieder auf den Weg nach unten machte. Die schwarze Labradordame allerdings hatte sich sofort zu Ezio begeben und schnuffelte ihn an der Hand, die nicht noch immer in Richtung der Hausspinne an der Wand ausgestreckt war.

„Mach. Sie. Weg. Bitte…“

Sie war inklusive der Spinnenbeine vielleicht 2-3 cm groß, saß reglos, nur ein dunkler Fleck auf der weißen Holzvertäfelung, vollkommen unschuldig an der Wand und bewegte sich keinen Millimeter, auch dann nicht, als Leonardo sich ihr näherte. Erst, als er die Hand neben ihr auf die Wand legte, bewegten sich zwei ihrer langen Spinnenbeine, als er sie dabei aus Versehen leicht berührte. Doch sie krabbelte nicht davon, sondern blieb an Ort und Stelle sitzen, bis der Künstler sie mit der zweiten Hand auf die erste schob, ganz sachte nur, um dem kleinen Tier nicht weh zu tun.

Hinter sich hörte er das leise Wimmern seines Freundes, der wahre Höllenqualen litt. Wieso tötete Leonardo das verfluchte Vieh nicht einfach mit seinem Hausschuh oder einer Zeitschrift oder so? Wieso ließ er sie auf seine hübsche Hand krabbeln? Als das kleine Tier schließlich auf Leonardos Handteller gekrabbelt war und dieser dann vorsichtig die langen, schlanken Finger schloss, ohne das Tier zu zerquetschen, konnte sich Ezio ein leises, gequältes Stöhnen nicht verkneifen. Wie konnte der Blonde dieses grauenvolle Tier nur anfassen?

Mit der Spinne sicher in seiner Hand verließ Leonardo das Schlafzimmer wieder, während Ezio sich, als er an ihm vorbeilief, so nah in die Ecke zwischen Schrank und Wand drückte, wie es ihm möglich war, damit das Monster ihn auch ja nicht ansprang und erst, als sein Liebster das Zimmer wieder verlassen hatte, konnte er wieder befreit atmen und seine Herzfrequenz begann, sich langsam zu normalisieren. Ezio hatte keine Ahnung, wo Leonardo nun hin ging, doch es war ihm für diesen Moment auch egal, so lang er nur ohne das Monster zurück kam. In diesem Moment erst bemerkte er Ambra, die ihn anschnuffelte und hockte sich zu ihr hinunter, schlang die Arme um ihren Hals und drückte die Hündin an sich. Das Gefühl, wie Ambras Nase an seinem Ohr stubste, deren Körperwärme und die offensichtliche Zuneigung, die das Tier ihm gegenüber empfand, sorgten endlich dafür, dass sich sein Herz wieder beruhigte, er aufhörte zu zittern und seine Atmung wieder langsam und gleichmäßig wurde. Als Leonardo also wieder zurückkehrte und das Schlafzimmer betrat, ging es Ezios Nervenkostüm wieder besser und als sich der Universitätsprofessor zu dem Jüngeren hinunter kniete, zitterte dieser nicht mehr vor Panik am ganzen Körper.

Ezio entließ Ambra aus seinem Griff, die ihn noch einmal kurz schnuffelte und dann das Feld räumte, um ihrem Herrchen Platz zu schaffen. Und kaum war sie weit genug zurückgetreten, dass Leonardo genug Platz hatte, nahm er Ezio in den Arm, der sich sofort an den anderen schmiegte. Er spürte die sanften Künstlerhände, die ihn im Nacken kraulten und die Stubsnase, die sich in den dunklen Haarsträhnen vergrub.

„Du bist so niedlich…“, murmelte er und Ezio hatte wirklich keine Ahnung, wie er jetzt gerade auf so einen Kommentar kam. Jeder andere, der das erste Mal mitbekam, wie er auf diese grauenvollen Tiere reagierte, lachte ihn erst einmal aus und bewarf ihn mit gehässigen Kommentaren und Witzen auf seine Kosten. Dabei konnte er ja wohl nichts dafür, dass er sie so abscheulich fand… Tiere mit mehr als zwei Augen und vier Beinen waren ihm suspekt und da würde auch nichts etwas dran ändern… Und schon gar nicht die immer wiederkehrenden Vorträge von Spinnenliebhabern, wie nützlich sie doch seien und dass es ohne sie so viele Insekten auf der Erde gäbe, dass die Menschen unmöglich auf ihr leben könnten. Drauf geschissen! Allein der Gedanke daran, dass eine Spinne ihn aus acht – ACHT – Augen heraus anstarrte, ließ Ezio die Nackenhaare zu Berge stehen, egal, wie männlich er wirkte.

Um sich von diesen Gedanken abzulenken, sank er noch etwas mehr in Leonardos Umarmung, was dem anderen ein leises Kichern entlockte.

„Lachst du mich aus, oder was?“, fragte Ezio daraufhin leise, gedämpft durch den Körper seines Liebsten. Er versuchte, böse zu klingen oder wenigstens ein bisschen gekränkt, schaffte das aber nicht wirklich angesichts der einlullenden und wohligen Wärme, die von Leonardo auf ihn überging. Wie konnte er auch böse auf Leonardo sein, weil der ihn wegen seiner Spinnenangst auslachte, wenn dieser ihn so liebevoll hielt und streichelte?

„Nur ein bisschen“, antwortete sein Liebster sanft und ohne die kleinste Spur Hohn in der samtigen Stimme, bevor er Ezio einen Kuss auf den Schopf hauchte. „Ich freue mich.“

Ezio zuckte in seinen Armen und hob den Kopf etwas, um ihn ansehen und dem anderen einen verwirrten und skeptischen Blick zuwerfen zu können.

„Du freust dich darüber, dass ich Angst vor Spinnen habe?“, fragte er und man hörte, dass er diese Tatsache nur sehr ungern in Worte legte. Am liebsten schwieg Ezio es tot und erzählte niemandem freiwillig davon. Das war auch der Grund, weshalb Leonardo bisher nichts davon gewusst hatte und wahrscheinlich von Ezios panischem Ruf vollkommen unvorbereitet getroffen wurde. Das fiel Ezio in genau diesem Moment ein und er wollte gar nicht wissen, was für Gedanken Leonardo in den wenigen Sekunden gequält hatten, die er gebraucht hatte, um vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer zu stürmen.

„Tut mir Leid, wenn ich dich erschreckt habe…“

„Ach was… Ich freue mich darüber. Ich freue mich darüber, dass du nach mir gerufen hast, damit ich dich rette. Jetzt weiß ich nämlich schon wieder was Neues über dich, mein Frostbeulchen.“

Er senkte den Kopf und gab Ezio, der in seinen Armen ob des Spitznamen leise grummelte, einen Kuss auf die Nase.

„Du musst dich dafür nicht schämen… Arachnophobie ist absolut nichts Verwerfliches und du bist auch nicht der Einzige, der Angst vor Spinnen hat. Es gibt sogar einige Wissenschaftler, die glauben, dass Angst vor Spinnen in unseren Genen verankert ist, quasi ein Instinkt, den wir von unseren Vorfahren geerbt haben. Du siehst also, absolut natürlich.“

Ezio seufzte. „Das hast du dir ausgedacht, damit ich mich nicht wie eine Lusche fühle…“

Leonardos Lachen erfüllte nach diesen Worten das Schlafzimmer und schlug wie eine Welle gegen Wände und durch die Tür, wo es sich nach unten bewegte und in die Küche schwappte, so dass Ciccio, der an seinem Lieblingsplatz hinter dem Kühlschrank lag und döste, die Ohren aufstellte.

„Nein, habe ich nicht… Und jetzt komm… Wir haben nicht mehr viel Zeit, bis Leo und Mona kommen…“

Er strich noch einmal ausgedehnt durch Ezios weiches Haar, gab dem Studenten noch einen Kuss auf die Stirn und löste dann die Umarmung auf, so dass dem Jüngeren keine Wahl blieb, als sich zu erheben. Und der andere hatte ja recht.

Sie hatten sich bereit erklärt, heute auf Leonardos Nichte aufzupassen, damit deren Eltern mal wieder nach langer Zeit einen Tag nur für sich hatten. Ezio und Leonardo hatten beschlossen, mit Mona in den Vergnügungspark zu gehen und die kleine Madonna war wahrscheinlich schon so aufgeregt und hibbelig, dass sie ihrer Mutter in den letzten Minuten vor deren freiem Tag noch den letzten Nerv raubte. Nacheinander stiegen sie die Treppe hinunter und als sie die Küche erreichten, die nahtlos in die gemütliche Wohnlandschaft mit großem Sofa, Couchtisch und riesigem Plasmabildschirm überging, kam Ciccio hinter dem Kühlschrank hervor und überprüfte, ob es Ezio wirklich gut ging. Er schnuffelte ihm kurz am Fuß, bevor er ihm Gesundheit bescheinigte und auf das Sofa hopste, wo er sich einrollte, um weiter zu dösen.

Kovu war wie immer nicht zu sehen, Lari hatte es sich wahrscheinlich wieder auf dem großen Hund gemütlich gemacht, Ambra lag in ihrem Körbchen und schlief und Mozzi war ebenfalls unauffindbar. Wahrscheinlich war sie in Leonardos Atelier, da sie noch immer dort schlief.

Auf der großen Kücheninsel stand bereits ein Sortiment an Tupperdosen, alle gefüllt mit den verschiedensten Leckereien, die Leonardo und Ezio am Tag zuvor vorbereitet hatten. Leonardo nagte zwar nicht am Hungertuch, doch Unsummen für Essen und Getränke im Vergnügungspark auszugeben, das sah er dann doch nicht ein. Am Ende, da war Ezio sich allerdings sicher, würde es trotzdem darauf hinauslaufen, denn Zuckerwatte, kandierte Äpfel und Popcorn hatten sie nicht dabei, genauso wenig wie Eiscreme und Erdbeeren in Schokolade.

Sie stapelten alles in die Rucksäcke, die sie in den Park mitzunehmen gedachten, als Ezio noch eine letzte Sache ansprechen musste, bevor er ohne Ballast losfahren konnte.

„Hast du das Vieh getötet?“, fragte er hoffnungsvoll, fast wie eine gerettete Prinzessin, die ihren Retter fragte, ob der Drache tot sei. Leonardos Grinsen allerdings bedeutete wohl, dass der Drache noch lebte und atmete und Feuer spuckte.

„Wo denkst du hin? Ich habe sie im Garten auf einen der Rosenbüsche gesetzt…“

„Yay…“, murmelte Ezio und war sich sicher, er würde in den nächsten Wochen einen großen, einen sehr großen Bogen um die Rosenbeete in Leos Garten machen, als er den enthusiastischen Ruf eines kleinen blonden Mädchens hörte, das durch die offene Terrassentür ins Wohnzimmer wogte, bei jedem Hund, den sie erwischen konnte, kurz anhielt, um ihn zu flauschen und dann weiter in die Küche schwappte, wo sie ihre schmalen Ärmchen um das erste lebende Wesen schlang, dass sie erreichte.

„Onkel Ezio!“

Sie schaute an dem Brünetten hoch, den sie umschlungen hatte und grinste ihn so breit an, wie nur ein Sonnenstrahl lachen konnte und als Ezio ihr seine große Hand auf den blonden Schopf legte, schmiegte sie ihre Wange an seinen Oberschenkel.

„Willkommen Madonna“, begrüßte der Brünette die Nichte seines Freundes mit seinem für sie üblichen Spitznamen, der sie wie immer kichern ließ. In dieser Zeit war Leonardo um die Kücheninsel herumgekommen, damit er Mona ordentlich begrüßen konnte und diese nutzte diesen Umstand auch sofort aus, ließ von Ezio ab und tackelte den Blonden mit ihrer kompletten Liebe.

„Onkel Leo! Fahren wir gleich los?“, fragte sie voller Ungeduld, während jetzt auch endlich ihre Mutter den Weg ins Haus gefunden hatte. Grinsend trat die Bankkauffrau, die, wie Ezio inzwischen wusste, in der Bank seines Vaters arbeitete, durch die Terrassentür ins Haus und kam zu Ezio, um ihn zu begrüßen. Sie gab ihm ein Küsschen auf beide Wangen und sie tauschten einen schmunzeligen Blick.

„Gleich, mein Schatz. Wir packen noch schnell die Sachen zusammen und dann geht’s los.“

Der Lieblingsonkel schaute kurz an seiner Nichte vorbei, die er inzwischen auf den Arm gehoben hatte und lächelte seiner Schwester lieb zu, die einmal zwinkerte und den rosanen Einhorn-Rucksack ihrer Tochter auf einen der Barhocker stellte.

„Nun gut, mein Schatz…“, begann Eleonora und hatte sofort die Aufmerksamkeit der kleinen Madonna. „Ich wünsche dir viel Spaß im Vergnügungspark. Sei lieb und mach deinem Onkel und Ezio nicht das Leben schwer. Und ihr zwei...“, fügte sie an die beiden Männer gewandt. „Wehe, meine Tochter ernährt sich heute nur von Süßkram.“

Sie zeigte mit dem Zeigefinger ihrer manikürten Hand nacheinander auf die beiden grinsenden Männer, bevor sie ihrer Tochter zum Abschied einen Kuss gab und sich dann mit einem Winken von Ezio und Leonardo verabschiedete. Den gleichen Weg zurück nehmend, den sie eben gekommen war, verschwand sie aus dem Haus und ließ nur einen Hauch von dem blumigen Parfüm zurück, das sie aufgetragen hatte.

Kaum war die Blonde verschwunden, als Mona auch schon ihre volle Aufmerksamkeit wieder ihrem Onkel zuwandte und auf seinem Arm herumzuhopsen begann.

„Na los, Onkel Leo! Lass uns losfahren!“

Ezio schnappte sich grinsend die beiden Rucksäcke, die ob der vielen Tupperdosen ein ordentliches Gewicht aufwiesen und nachdem Leonardo das Mädchen wieder auf den Boden gestellt hatte, nahm er seinem Freund einen der Rucksäcke ab, während Mona sich den ihrigen vom Hocker griff und ihn sich über die Schultern hängte. Zu dritt verließen sie das Haus und Mona war so aufgeregt, dass sie die ganze Zeit einfach nur plapperte und zwischen den beiden Männern herumlief, als wäre sie eine aufziehbare Puppe. Sie hielt es kaum aus, auf ihren Onkel zu warten, als der die Haustür abschloss und Ezio grinste von Ohr zu Ohr, als sie den Blonden an der Hand griff und hinter sich herzog, weil er ihr zu langsam lief. Immer noch mit viel zu wenig Enthusiasmus für die kleine Madonna öffnete Leonardo das Garagentor per Fernbedienung und Mona schlüpfte sofort unter dem Aluminiumtor hindurch, sobald der Spalt groß genug war. Auf den Füßen hin und her wackelnd stand sie an der hinteren Tür auf der Beifahrerseite und hätte sie die Möglichkeit gehabt, vorzuspulen, hätte sie das mit Sicherheit getan.

Noch immer mit einer vollkommenen Ruhe verstauten Ezio und Leonardo unter leisem Stöhnen des Mädchens die Rucksäcke im Kofferraum, bevor Leonardo endlich auf der Fahrerseite einstieg, während Ezio sich auf den Beifahrersitz schwang. Noch bevor die beiden die Türen geschlossen hatten, war Mona schon angeschnallt und fertig zum Aufbruch.

„Schlafen könnt ihr heute Abend!“, rief sie und trieb Leonardo zur Eile an. Dieser startete schließlich grinsend den Motor und warf einen amüsierten Blick zu Ezio hinüber, der das Garagentor mit der Fernbedienung schloss, nachdem Leonardo den Ferrari angelassen hatte und herausgefahren war. Während der Fahrt, die etwas mehr als eine halbe Stunde dauerte, da sich der Freizeitpark etwas außerhalb der Stadt befand, brabbelte Mona vergnügt auf dem Rücksitz und erzählte den beiden Männern, was sie unbedingt alles machen mussten. Als allererstes mussten sie natürlich mit der Achterbahn fahren, und dann mit der Wildwasserbahn, danach mit dem Kettenkarussell und nicht zu vergessen, die Geisterbahn! Mona liebte die Geisterbahn, auch wenn sie selbst der Meinung war, dass es dort gar nicht so gruselig war. Immerhin waren die Monster ja alle angekettet, so dass sie niemandem was tun konnten, von daher hielt sie jeden, der dort drin schrie, für einen Feigling.

Zu Beginn der Fahrt hörte Ezio dem blonden Mädchen noch zu und schmunzelte leise vor sich hin, doch je näher sie dem Park kamen, desto nervöser wurde er. Er machte sich Gedanken. Er freute sich auf den Tag mit Leonardo und Mona, doch Sorgen machte sich der Student auch nicht wegen des Mädchens. Sie mochte ihn, das wusste er. Sorgen machte er sich wegen ganz anderen Dingen.

Leonardos Beziehung mit ihm war erst seit einigen Monaten offiziell. Nachdem sein Liebster sich so spontan dazu entschlossen hatte, seine Stelle an der Universität zu kündigen, um mit ihm zusammen sein zu können und Cesare den Wind aus den Segeln zu nehmen – Ezio konnte noch immer nicht ganz glauben, dass Leonardo das wirklich getan hatte – hatte sich diese Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet und kaum hatte Ezio es sich versehen, wurde Leonardo belagert von der Presse. Natürlich wollte jeder den Grund erfahren, weshalb Leonardo da Vinci, der in jedem Interview sagte, wie sehr er seinen Job liebte und dass er ihn nie freiwillig aufgeben würde, eben genau dies getan hatte. Der Künstler hatte ein kurzes Statement abgegeben, auch, um die Journalisten endlich loszuwerden und hatte vor laufenden Kameras bestätigt, dass er aus Liebe gehandelt hätte. Nicht mehr und nicht weniger hatten sie aus ihm herausbekommen, doch nachdem Ezio sich jetzt nicht mehr versteckte, war letztendlich allen relativ schnell klar, wer der Mensch war, der Leonardo dazu gebracht hatte.

Ezio war bereits zu diesem Zeitpunkt kein Unbekannter mehr gewesen, denn der Fotopreis, den er für den Bildband über Leonardo gewonnen hatte, hatte ihn aus dem Schatten gerissen, in dem er sich versteckt hatte, so dass der „zweitgeborene Auditore“, wie er seitdem in der Presse hieß, einige Zeit lang in den Zeitungen auf den vorderen Seiten zu finden gewesen war. Doch da Federico der weitaus lohnendere Auditore war, hatte der Hype um ihn schnell wieder nachgelassen.

Allerdings war das inzwischen anders. Die Tatsache, dass er mit Leonardo zusammen war, bescherte ihm jetzt so viel Aufmerksamkeit, dass Federico wahrscheinlich vor Neid erblasste. Aufmerksamkeit, die er nicht haben wollte, Aufmerksamkeit, die ihm weit öfter so furchtbar unangenehm war, dass er sich am liebsten irgendwo verkriechen wollte. Vor allem deshalb, weil sie nicht nur positiv war. Die meisten Berichte über Leonardo und ihn waren positiv oder zumindest neutral gehalten, doch es gab auch einige, die spekulierten oder gleich infame Lügen verbreiteten. Dass Ezio in Leonardo nur einen Sugar Daddy sah, war da noch die harmloseste und vor allem am einfachsten zu durchschauende. Immerhin war Ezios Familie reich und seine Eltern hatten ihm nie den Geldhahn zugedreht. Er müsste nur fragen, und seine Eltern würden ihn mit genug Geld überhäufen, dass er sich die Haarspitzen vergolden und die Schneidezähne mit Diamanten austauschen lassen könnte.

Viel schlimmer hatte ihn eine Schlagzeile getroffen, in der es hieß, Ezio hätte Leonardo zu der Entscheidung genötigt, seinen Beruf aufzugeben. Als er das im Fernsehen gesehen hatte, war er so am Boden zerstört gewesen, wie Leonardo wutentbrannt gewesen war und noch während der Sendung hatte der Blonde zum Telefon gegriffen und den dafür Verantwortlichen die Hölle heiß gemacht.

Diese und noch so einige andere Gerüchte und falsche Wahrheiten kursierten im Fernsehen und in den Zeitungen und Zeitschriften und machten Ezio und Leonardo das Leben schwer.

Und auch, wenn der Sturm inzwischen weitgehend abgeflaut war, da inzwischen ein paar Monate ins Land gezogen waren, war es Ezio noch immer etwas unangenehm, sich mit Leonardo in der Öffentlichkeit zu zeigen. Und dass es so war, ließ ihn sich so furchtbar schämen, dass ihm bei dem Gedanken schlecht wurde. Wenn er sich bei dem Wunsch ertappte, es wäre alles wie vorher und ihre Beziehung noch geheim. Wenn er sich Gedanken darüber machte, ob Leonardo die Entscheidung, sich für ihn und gegen seinen Beruf entschieden zu haben, nicht irgendwann bereute… Für seinen Liebsten spielte er den Starken, dem all das nichts ausmachte, doch tief in seinem Inneren nagten die Gerüchte, die Unterstellungen und die fehlende Privatsphäre an Ezios Nervenkostüm.

Und so konnte er nicht verhindern, dass er sich auch jetzt sorgte, dass irgendetwas passierte, das Mona diesen Tag verdarb. Wenn sie nur auf einen Menschen trafen, der die Lügen glaubte, wenn sie nur einen einzigen Menschen trafen, der Ezio für einen Manipulator hielt, könnte der Ausflug ins Wasser fallen.

Er versank in seinen düsteren Gedanken und schreckte erst aus ihnen hoch, als Monas glockengleiche Stimme freudig quietschend verkündete, dass sie jetzt endlich da seien. Der Brünette blinzelte und als er sich umsah, bemerkte er, dass Leonardo schon auf einen der vielen Parkplätze abgebogen war, die zum Vergnügungspark gehörten. Aufgrund des guten Wetters waren sie natürlich in einem wahren Meer von Autos unterwegs, die sich nach und nach in die Parklücken quetschten. Kaum hatte der Blonde den Motor gestoppt und die Handbremse angezogen, als Mona auch schon aus dem Auto hüpfte und sich mit großen, strahlenden Augen umsah. Ihr Mund war vor Staunen weit aufgerissen, da sie bereits von hier aus das gigantische Riesenrad sehen konnte, von dem aus man sicher bis zum Haus ihrer Eltern sehen konnte.

Im Inneren des Autos legte Leonardo seinem Liebsten eine Hand auf den Oberschenkel und erlangte so die Aufmerksamkeit des Jüngeren. Er schenkte ihm einen zärtlichen Blick und Ezio ahnte, dass Leonardo zumindest vermutete, was ihn gerade bewegte. Er versuchte sich an einem Lächeln und als Leo sich zu ihm rüber beugte, kam er ihm nur zu gern entgegen. Ihre Lippen berührten sich und gleich ging es dem Studenten etwas besser. Sein Liebster wusste immer genau, was er brauchte.

In diesem Moment riss Mona die Beifahrertür auf und grabschte nach Ezios Hand.

„Kommt ihr jetzt, oder was?“, rief sie und versuchte, Ezio aus dem Auto zu ziehen, was ihr natürlich nicht gelang. Denn erstens war der Fotograph viel zu schwer und zweitens noch angeschnallt. Noch immer in Leonardos Richtung schauend, schlich sich unweigerlich ein Grinsen auf das ebenmäßige Gesicht des Auditore, als das kleine Mädchen mit all ihrer Kraft versuchte, den viel größeren und schwereren Körper Ezios aus dem Auto zu bugsieren. Leonardo kicherte sogar leise, als er sich schließlich abschnallte und die Tür öffnete. Und auch Ezio hatte schnell ein Einsehen und verließ schließlich das Auto.

Die beiden Männer umrundeten das Auto und Leonardo öffnete den Kofferraum, um die Rucksäcke zu verteilen. Einen behielt er selbst, den zweiten reichte er an Ezio weiter. Mona, die noch immer eisern Ezios Hand hielt, als hätte sie Angst, der Brünette könnte es sich nochmal anders überlegen, trug ihren Rucksack bereits auf dem Rücken.

Nachdem Leo das Auto verschlossen und sich die Parkplatznummer notiert hatte, machten sie sich auf den Weg zum Eingang. Außer den dreien schien halb Florenz die Idee gehabt zu haben, den Tag im Freizeitpark zu verbringen, denn neben ihnen waren so viele Menschen unterwegs, dass sie, sehr zum Erstaunen Ezios, kaum auffielen. Je weiter sie sich von Leos Ferrari entfernten, der ja beinahe nach Aufmerksamkeit schrie, desto weniger Blicke zogen sie auf sich. Es tat dem Studenten gut, endlich mal wieder in der Menge unterzugehen, ohne dass jemand ihn anstarrte oder mit dem Finger auf ihn zeigte. Mit jedem Schritt in Richtung der Kassen verblassten die sorgenvollen Gedanken in Ezios hübschem Kopf, so dass er sich voll auf Mona konzentrieren konnte, die gar nicht wusste, wo sie zuerst hinschauen sollte. Es war Sommer und nicht nur der Park selbst, auch die nähere Umgebung war geschmückt. Bunte Blumen in allen Regenbogenfarben leuchteten in der strahlenden Sonne, gelbe, rote, orangene und rosane Bänder flatterten und wehten im lauen Sommerwind und erinnerten Ezio an die traditionellen Maibäume. Erst ein leises Stöhnen lenkte den Brünetten vom bunten Treiben um ihn herum ab und er warf einen Blick auf seinen Liebsten, um herauszufinden, was diesen so abgrundtief stöhnen ließ. Er folgte Leonardos Blick und verstand ihn auf der Stelle.

Menschen über Menschen.

Der Vergnügungspark besaß fünf Kassen. Jede von ihnen war besetzt. Und vor jeder standen gefühlt…zu viele Menschen. Ezios Gesicht wollte ihm entgleisen, als er Monas Stimme hörte.

„Haben die alle kein Zuhause?“

Sie war offensichtlich geschockt über die Massen an Menschen. Ihr bierernster Kommentar ließ den letzten Rest dunkler Wolken aus Ezios Gedanken verschwinden und er konnte nicht anders, als zu lachen. Während sie weiter in Richtung der Kassen liefen, Leo leise schmunzelte und Mona zu ihm hochsah, lachte Ezio so herzhaft, dass ihm die Tränen kamen. Es war befreiend für den Auditore und als sie das Ende einer der Warteschlangen erreicht hatten, schien auch in Ezio die Sonne und er freute sich auf den heutigen Tag. Noch immer kicherte er leise und ließ sich auch von der Tatsache, dass sie vermutlich bis zum Mittag anstehen würden, nur um überhaupt reinzukommen, nicht die neu erworbene gute Laune verderben.

„Es ist wirklich erstaunlich, wie früh Menschen aufstehen können, wenn es ums Spaßhaben geht…“, meinte Leo irgendwann, nachdem sie bereits eine gute Stunde gewartet und dabei ein ganzes Stück in Richtung der Kasse gewandert waren. Hinter ihnen war die Schlange unaufhörlich gewachsen, so dass die Menschenmasse sich wahrscheinlich bald verdoppeln würde. Mona vertrieb sich die Zeit, indem sie Leonardo und Ezio als Spielplatz missbrauchte und war damit zufrieden. Vorhin noch hatte sie mithilfe der kräftigen Arme ihrer Begleiter ein wenig Schaukeln betrieben, während sie jetzt immer um die beiden herum scharwenzelte, mal rückwärtsgehend, mal schleichend oder wie eine piekfeine Dame schreitend und dabei in Form einer Acht um Ezio und Leo herum lief. Anders als viele der anderen Kinder ließ Mona sich von der Warterei nicht ihre gute Laune vermiesen, denn es war besonders für sie, einen ganzen Tag mit ihrem Onkel und Ezio verbringen zu können. Denn auch ohne Leonardos Arbeit an der Universität hatte dieser noch sehr viel zu tun und wenig Zeit für solche Ausflüge.

Der Brünette warf schmunzelnd einen Blick auf das spielende Mädchen, bevor er sich seinem Liebsten zuwandte.

„Was meinst du?“, fragte er und hob seinen Arm, damit Mona eine Pirouette unter ihm hindurch drehen konnte.

„Schau dir all diese Menschen an. Wir waren um…“ Leo warf einen Blick auf seine Armbanduhr, bevor er fortfuhr. „… um kurz nach Acht hier. Und trotzdem wimmelte es von Menschen. Wann sind die wohl aufgestanden, um so früh hier zu sein? Und wann stehen sie wohl auf, wenn sie zur Arbeit müssen?“

Einen Moment nahm Ezio sich Zeit, um über das nachzudenken, was der andere gesagt hatte, bevor er schelmisch grinste.

„Wenn man etwas tun will, das einem Freude bereitet, steht man viel lieber früh auf als sonst. Oder aber…“ Hier legte er eine kurze, aber bedeutungsvolle Pause ein. „Wenn man jemanden trifft, der einem viel bedeutet…“

Natürlich verstand der Blonde den Wink mit dem Zaunpfahl, denn auch Ezio war zu Beginn ihrer damals noch geheimen Beziehung extra früher aufgestanden, um ihnen beiden ein paar stille Momente zu zweit zu ermöglichen, bevor die Studenten eingetroffen waren. Deshalb verzogen sich dessen Lippen auch beinahe wie selbstverständlich nach oben und er beugte sich zu Ezio vor, um diesem einen zärtlichen Kuss von den Lippen zu stehlen.

Ezios zugegeben etwas pessimistische Einschätzung der Wartezeit erwies sich glücklicherweise als nicht zutreffend, denn sie warteten insgesamt ‚nur‘ etwas mehr als zwei Stunden, bevor ein gestresster Mitarbeiter des Parks einen kurzen Blick auf Ezios Studentenausweis warf, einen noch kürzeren auf Mona, um zu überprüfen, ob sie auch wirklich noch nicht zwölf Jahre alt war, und ihnen schließlich im Tausch für ein kleines Vermögen die Eintrittskarten unter der Glasscheibe des Ticketschalters hindurch schob. Er wünschte ihnen viel Spaß und wandte sich der nächsten Familie zu.

Während Leonardo die Karten verstaute und Ezio seinen Studentenausweis ins Portemonnaie zurücksteckte, lief Mona sofort ein Stück auf den Platz vor, der sich vor ihnen erstreckte. In der Mitte dessen thronte ein riesiger Maibaum, dessen bunte Bänder im Wind hin und her tanzten. Staunend schaute Mona zu ihm hinüber und es wirkte fast, als ließe sie sich von dem bunten Bändertanz hypnotisieren. Erst als Ezio und Leonardo zu ihr traten, riss sie sich von dem Anblick los und griff mit beiden Händen nach ihren Begleitern. Plappernd führte das Goldlöckchen die Männer über den Platz, vorbei am Maibaum, den Ezio sogar fotographieren durfte, und immer weiter in Richtung der Attraktionen und Fahrgeschäfte.

Um sie herum hatte sich die Menschenmasse soweit aufgelöst, dass man sich nicht vorkam, wie in einer zu vollen Sardinenbüchse, allerdings lag das vor allem an der Weitläufigkeit des Parks und nicht an der abnehmenden Masse an Menschen. Als sie beim ersten Fahrgeschäft ankamen, einer Achterbahn, für die Mona noch zu klein war, entdeckte Ezio das Schild, auf dem die Besucher die geschätzte Wartezeit ablesen konnten – zwei Stunden. Soviel also dazu. Die ersten zehn bis fünfzehn Minuten verbrachten sie damit, sich erst einmal zu orientieren und festzulegen, was sie alles tun wollten. Mona wollte unbedingt mit der Wildwasserbahn und mit dem Riesenrad fahren, während Ezio gern den Blumengarten besuchen wollte. Er hatte zwar seine Kamera nicht dabei, aber sein Telefon konnte ja auch Fotos machen. Und diese Gelegenheit würde sich der Student sicher nicht entgehen lassen. Der Blumengarten war in ganz Italien berühmt für seine Blütenpracht, für die künstlerische Art, wie man die Blumen gepflanzt, wie man die Farben und verschiedenen Blütenformen und –arten kombiniert hatte und nicht zuletzt, weil es einfach ein wundervoller Anblick war, der Menschen jedes Mal in den Bann zog. Außerdem hatte Ezio bisher noch nicht die Gelegenheit gehabt, sich das Farbenspektakel einmal in natura anzusehen.

Der Rest würde sich ergeben…

Schließlich machten sie sich auf den Weg und es dauerte nicht lang, bis Mona das erste Mal an Leos Jeans zupfte.

„Onkel Leo!“, rief sie und zeigte auf einen Stand in der Nähe. „Kann ich Zuckerwatte haben? Bitte!!“

Sie setzte ihren besten Bettelblick auf und Ezio sprang ihr direkt bei, denn der brünetten Naschkatze gefiel diese Idee ausgesprochen gut. Also ließ Leo sich von zwei bittenden Gesichtern breitschlagen und sie erwarben zwei große Portionen Zuckerwatte. Während sie weiter liefen, zupften Mona und Ezio regelmäßig etwas von dem wattigen Zucker ab und schoben ihn sich in den Mund und auch Leo bediente sich ein paar Mal an Ezios Portion. Einige Minuten später erreichten sie ein Kinderkarussell. Es war eines der traditionellen Karussells, bei dem man in mehreren Reihen auf verschiedenen Fantasietieren reiten oder in fantasievollen Gefährten sitzen konnte, während man in angemessener Kinderkarussellgeschwindigkeit im Kreis fuhr. Es war verziert mit viel Bunt und Gold und sorgte dafür, dass kleine Prinzessinnen und kleine Feuerwehrmänner in Scharen davor standen und ihre Eltern dazu verdammten, sich die Beine in den Bauch zu stehen.

Und als Mona sah, dass man da auch auf einem Einhorn reiten konnte, war auch sie sofort Feuer und Flamme. Sie musste Ezio und Leo nicht einmal groß überreden, denn die leuchtenden Augen des Mädchens reichten schon völlig aus, um die Männer zu überzeugen. Sie stellten sich also an und mussten nicht einmal eine halbe Stunde warten, denn die Schlange sah sehr viel gewaltiger aus, als sie letztendlich war, ließ man die vielen Eltern, die mit ihren Kindern warteten, außer Acht. Als sie an der Reihe waren, wollte Mona sofort losstürmen, damit sie auch auf jeden Fall das Einhorn bekam, doch sie stockte, als Leo und Ezio vor dem Karussell stehen blieben.

„Kommt ihr nicht mit?“, fragte sie und wollte umdrehen. Karussell fahren ohne Leo und Ezio? Niemals!

„Wir sind zu schwer und zu groß dafür, Kleines“, erklärte Leonardo lächelnd. Sofort verlor Monas Gesicht einen Teil ihres Enthusiasmus und Ezio befürchtete schon, sie würde es sich anders überlegen. Also versuchte er, sie wieder fröhlich zu stimmen.

„Wir bleiben hier stehen und schauen dir zu. Und jedes Mal, wenn du an uns vorbei reitest, winken wir dir zu. Okay?“

Sie dachte eine Sekunde darüber nach und ihr Gesicht erhellte sich wieder.

„Okay!“, rief sie und strahlte jetzt wieder mit der Sonne um die Wette.

„Na dann los, bevor dir jemand das Einhorn wegschnappt!“, spornte Ezio sie an und sofort wirbelte sie herum und eroberte förmlich das Karussell. Sie erwischte das weiße Pferd mit dem goldenen Horn und dem mit Gold und Silber verzierten Sattel und stieß triumphierend die Faust in die Luft, was Leo und Ezio zum Lachen brachte.

Die Fahrt begann und Ezio hielt sein Versprechen und winkte Mona jedes Mal zu, wenn sie vorbeiritt. Leo stand ganz nah neben ihm und hatte im Laufe von Monas Einhorntour nach der Hand des Jüngeren gegriffen und als die Fahrt vorbei war, hielten sie noch immer Händchen. Vom vielen Winken und Strahlen war das Mädchen vollkommen außer Atem und Leo zauberte eine Thermokanne gekühlten Orangensaft aus seinem Rucksack, die Mona ihm mit gierigen Fingerchen aus den Händen riss und mit einem Zug beinahe bis zur Hälfte leerte. Zum Glück war das nicht alles an Getränken, das sie dabei hatten. Im Anschluss machten sie sich wieder auf den Weg und dieses Mal war es Ezio, der nach Leonardos Hand griff und ihre Finger verwob. Unaufmerksame Beobachter hätten jetzt gesagt, der Ältere würde auf diese liebevolle Geste nicht reagieren, doch sie spürten nicht, was Ezio spürte. Denn der Blonde schloss sofort seine Finger um Ezios Hand, so wie Ezios um die Leonardos geschlossen waren.

Die nächsten Stunden klapperten die drei den Vergnügungspark nach allem ab, das Spaß versprach und sie wurden mehrfach fündig. Allerdings fiel Ezio relativ schnell auf, dass Mona nur noch mit Bahnen und Karussellen fahren wollte, in die auch die Männer beide hineinpassten, so dass keiner von ihnen mehr allein zurückblieb. Sie war für ihr Alter wirklich schon erstaunlich pfiffig. Aber das lag ja in der Familie, dachte Ezio und warf einen liebevollen Blick auf Leo, der neben ihm herlief und das Gewusel und die bunten Farben auf sich wirken ließ. Mona lief an seiner anderen Seite und hatte seine Hand genommen, während sie langsam die vielen verschlungenen Wege des Vergnügungsparks entlang liefen, sich immer wieder von hübschen oder leckeren Dingen ablenken ließen und einfach die gemeinsame Zeit genossen.

Ezios nächstes Highlight war das Kettenkarussell. Es barg Erinnerungen an seine eigene Kindheit – an Geburtstage, die er mit seiner Familie und seinen Freunden hier verbracht hatte, als er zusammen mit Altaïr mit dem Kettenkarussell gefahren war und sie beide vor Freude laut gequiekt hatten. Mit einem beinahe melancholischen Lächeln erinnerte sich Ezio daran, dass er bei einem Mal seine Brille, die er damals noch zu tragen verdammt gewesen war, nicht abgesetzt hatte und sie ihm beinahe von der Nase gerutscht wäre. Zum Glück war es ihm noch rechtzeitig aufgefallen, so dass er sie festhalten und noch in seiner Jackentasche verstauen konnte, bevor sie wie ein Geschoss durch die Luft geflogen wäre. Altaïr hatte ihn danach sicher fünf Minuten lang ausgelacht und aufgezogen, denn dieses zugegeben nur sehr wenigen wirklich stehende Accessoire war Ezios Alptraum gewesen. Er hatte ausgesehen wie ein waschechter Nerd und er war so froh gewesen, als er sie mit knapp fünfzehn Jahren endlich wieder losgeworden war.

Und obwohl er jetzt keine Brille mehr trug, waren seine Augen gut genug, dass ihm die beiden Mädels auffielen, die die kleine Gruppe seit dem Kettenkarussell in sicherem Abstand verfolgten. Sie wirkten nicht wie Paparazzi, eher wie Fans, die sich nicht trauten, den Lieblingsstar anzusprechen. Und als Leo mit Mona an einem Losstand eine ganze Ladung Lose kaufte, nutzte Ezio die Gelegenheit und drehte sich zu den Mädchen um. Sie waren vielleicht sechzehn oder siebzehn und beide hatten ein Smartphone in den Händen, als hätten sie Fotos oder Videos gemacht. Eines von ihnen trug einen leichten Sommerschal und als sie merkten, dass sie jetzt offenbar aufgeflogen waren, zog sie die Schultern hoch, als wolle sie sich in selbigem verstecken. Den Mut, sich zu bewegen oder gar zu flüchten, hatten sie aber beide wohl nicht, denn sie blieben wie erstarrt an Ort und Stelle stehen und starrten zu Ezio hinüber. Lächelnd winkte der Brünette die beiden heran und nach kurzem Zögern folgten sie der Aufforderung und traten schüchtern dreinblickend näher.

Ezio hatte eine Vermutung, was die beiden wollten und er war sicher, sein Liebster würde sie nicht enttäuschen, wenn sie nur den Mut aufbrachten, ihn anzusprechen. Und vielleicht konnte der Auditore ihnen ja dabei helfen.

„Wenn ihr ein Autogramm von Leo wollt, könnt ihr ihn ruhig danach fragen. Er beißt nicht, wisst ihr.“

Er zwinkerte, was dazu führte, dass die rosa Färbung, die sich auf den Wangen der Mädchen gebildet hatte, sich noch vertiefte.

„Eigentlich…“, begann eines von ihnen, das, wie Ezio jetzt feststellte, genau so braune Augen besaß, wie er selbst. Beide Mädchen trugen Skinny-Jeans und dazu passende Shirts, auf dem des Mädchens mit dem Schal erkannte Ezio sogar Leonardos Vitruvianischen Menschen, der als unverkäufliches Bild in dessen Galerie hing. In bestimmt tausenden Versionen gab es Abbilder von dieser Skizze im Internet und auch, wenn Leonardo das Original niemals zu verkaufen gedachte, gab es in der Galerie hochwertige Abdrucke zu erwerben. Von Shirts mit der Zeichnung darauf wusste Ezio allerdings nichts. War das eventuell selbst gemacht?

Wie süß…

Das Mädchen konnte ihre Bitte nicht beenden, denn sie wurde vom freudigen Schrei eines blonden Sonnenscheins unterbrochen. Und als sich drei Augenpaare nach Mona umdrehten, nahm diese gerade ein Kuscheltier in Form eines Einhorns von dem Losverkäufer entgegen, das sicher doppelt so groß war, wie sie selbst. Strahlend drehte sie sich zu Ezio um und wackelte mit ihrer neuesten Errungenschaft herum. Ezio hob breit grinsend seinen linken Daumen in die Luft. In diesem Moment drehte sich auch Leonardo um und gewahr den beiden fremden Mädels bei seinem Freund. Eine seiner leicht geschwungenen Augenbrauen wanderte elegant in die Höhe, als er die Mädchen mit den roten Wangen musterte.

Mona schien leicht überfordert mit der schieren Größe des Kuscheltiers, so dass Leo es ihr abnahm, während sie zu Ezio zurückkehrten. Je näher der Künstler und dessen Nichte den Mädchen kamen, desto nervöser wirkten diese auf Ezio und eines von ihnen begann unbewusst, auf der Unterlippe herum zu kauen.

„Schau doch, Onkel Ezio! Ich hab gewonnen!“, quiekte Mona, als sie endlich bei diesem angekommen waren und schlang ihre Ärmchen um ihn, während sie die beiden anderen gar nicht wahrnahm. Leo allerdings musterte die Mädchen beinahe wie ein Adler auf der Jagd und gab Ezio erstmal einen kurzen Kuss, als wolle er etwas klarstellen. Der Brünette grinste daraufhin leicht. Es war ja schon irgendwie süß, wenn Leo in Eifersüchteleien verfiel und jedem, der Ezio nur von der Seite her ansah, klar machte, wem der Auditore gehörte.

Sie hatten lange und hart für ihre Liebe gekämpft, selbst mit sich selbst und auch, wenn es beileibe schwerer und teilweise auch unangenehmer war, als Ezio gedacht hätte, so war er doch froh darüber, dass sie die Geheimniskrämerei beendet hatten. Er war zu seinem Liebsten ins Licht getreten und stand nun an dessen Seite, wie er es sich gewünscht hatte und Leonardos Reaktion ließ eine sanfte Wärme in Ezio aufsteigen, denn sie zeigte ihm, dass sein Liebster es nicht bereute, sich für Ezio und gegen die Universität entschieden zu haben.

„Die beiden hätten gern…“, begann der Student schließlich, wurde aber von einem der Mädchen unterbrochen.

„…Ein Foto. Wir hätten gern ein Foto von euch beiden… Zusammen…“

„Aber nur, wenn es euch nichts ausmacht…“, fügte das andere Mädchen noch hinzu.

Im ersten Moment sagte Ezio gar nichts. Er war zu überrascht, dass es den Mädels offenbar nicht um Leonardo als Berühmtheit ging, sondern um sie beide als Paar. Deshalb starrte er einen Moment lang nur in zwei erwartungsvolle Gesichter und erst, als erneut eines der beiden sprach, schien er aus seiner Schreckstarre zu erwachen und blinzelte.

„Wisst ihr… Wir fanden es unheimlich mutig, was ihr gemacht habt. Vor allem, bei den ganzen Lügengeschichten, die so in den Medien laufen. Und na ja…“ Sie warf einen Blick auf ihre Freundin und griff noch etwas zögerlich nach ihrer Hand. Als Ezio diese beinahe unschuldige Geste sah, begriff er sofort und sein Gesichtsausdruck wurde eine Spur weicher. „Ihr habt uns inspiriert und den Mut gegeben, wir selbst zu sein.“

Er warf einen Seitenblick auf seinen Liebsten, der so aussah, wie Ezio sich fühlte. Ein wenig überrascht, aber gleichzeitig auch geschmeichelt und ein bisschen stolz.

Nie im Leben hatte Ezio geglaubt, mal eine Inspiration für andere zu sein. Für die Kunst vielleicht, aber nicht für solch wichtige Entscheidungen, wie diese beiden Mädchen sie offenbar getroffen hatten. Es überwältigte ihn ein bisschen…

Natürlich bekamen die beiden ihr Foto und nicht nur das. Wenigstens eine halbe Stunde verbrachten sie bei Leo, Ezio und Mona, die sich die Zeit mit ihrem neuen gehörnten, flauschigen Freund vertrieb, während die Erwachsenen bzw. fast Erwachsenen sich unterhielten, Quatsch und Fotos machten. Leo lud die zwei sogar in seine Galerie ein, worauf sie sich wie zwei Kullerkekse freuten.

Nachdem sie dann wieder allein waren, musste Ezio noch das eine oder andere Mal an die Mädels denken, während er Monas Einhorn durch den Park schleppte. Sie hatten jetzt aufgrund des blonden Lockenköpfchens keine Möglichkeit, darüber zu sprechen, doch diese würde sich sicherlich spätestens heute Abend ergeben, wenn sie Zuhause und Mona ins Bett gefallen war.

Den nächsten Halt machten sie, sehr zur Freude Ezios, im Blumengarten. Und sofort, als sie sich näherten, leuchteten die schokoladenbraunen Augen mit der Sonne um die Wette.

Ezio hatte Bilder im Internet gesehen, hatte das Farbenmeer gesehen, das sich jetzt vor ihm erstreckte, doch Bilder waren mit der Wirklichkeit in diesem Fall absolut nicht vergleichbar. Kein Foto konnte die leuchtenden Farben so wiedergeben, wie sie sich jetzt für Ezio präsentierten, kein Foto konnte die Atmosphäre einfangen, die hier herrschte, ganz zu schweigen von dem wunderbaren Duft der Blumen, die sich in großen Beeten, Stauden, Büschen, Kringeln, Kreisen durch das satte Grün einer Picknickwiese schlängelten. Ein paar Sekunden musste Ezio die Luft anhalten und einfach nur „sehen“, das Bild in sich aufnehmen, die Farben genießen, bevor er Mona und Leo auf die Wiese folgen konnte. Trotz der vielen Menschen, die am heutigen Tag den Park besuchten, war der Blumengarten nicht zu überfüllt, so dass die kleine Familie einen schönen Platz neben einem großen Tulpenbeet ergattern konnte. Leo zauberte erneut und förderte eine große Decke aus den Tiefen seines Rucksacks zutage, die er mithilfe von Ezio ordentlich ausbreitete, bevor sie sich alle darauf niederließen – Ezio direkt neben dem Blumenbeet.

Die Männer holten das Essen hervor und sie taten genau das, was man hier tun sollte. Sie picknickten und genossen den tollen Anblick. Mona lag halb auf ihrem Einhorn und halb auf Leo, während sie ihr Sandwich verdrückte. Es war auch höchste Zeit gewesen, dass sie endlich was in den Magen bekam. Seit der Zuckerwatte hatte sie nur ein paar mit Schokolade überzogene Erdbeeren, einen kandierten Apfel und Popcorn gegessen! Und es war immerhin Mittagszeit!

Irgendwann allerdings hielt es Ezio nicht mehr auf der Decke, weshalb er sich sein Handy schnappte und unter liebevollen Blicken seines Freundes auf Motivsuche ging. Natürlich machte er den ganzen Tag über schon Fotos von Mona und Leo, damit er ein kleines Fotoalbum daraus machen konnte, doch umgeben von so vielen Blumen konnte Ezio dem Drang einfach nicht widerstehen. Vor allem dann nicht, wenn eine der Tulpen, angetrieben vom lauen Wind, ihn immer wieder am Arm stubste, als wolle sie ihn motivieren. Er fotographierte das Tulpenmeer, mehrere der großen Stauden und die schönsten Rosenblüten. Zum Glück war es sonnig und er hatte beinahe jedes Mal die Möglichkeit, sich im perfekten Winkel zur Sonne und der Blüte zu positionieren, so dass die Fotos, auch wenn mit dem Handy aufgenommen, sicher super würden. Ganz zum Schluss machte er noch ein Foto von Leo und Mona von der anderen Seite des Tulpenbeetes aus, so dass die Blüten den Vordergrund des Bildes bildeten, bevor er zu den beiden zurückkehrte und direkt ein Stückchen Melone aus einer der Dosen stibitzte.

Eine Zeit lang genossen sie noch die Sonne und die relative Ruhe, bevor sie alles wieder einsammelten, ordentlich verstauten und sich zurück ins Getümmel stürzten.

Das nächste Fahrgeschäft auf der Liste war die Geisterbahn und sofort strahlten Monas Augen.

„Onkel Leo, Onkel Ezio! Jetzt mit der Geisterbahn!“

Sie schnappte sich Leos Hand und zog ihn zur Warteschlange, einfach darauf hoffend, dass Ezio auch folgte. Der trug nämlich wieder das Einhorn und hatte deshalb keine Hand frei. Und natürlich trottete Ezio ganz brav hinter dem Mädchen her und stellte sich mit Leo und ihr der halben Stunde Wartezeit.

Bisher hatten sie noch relatives Glück gehabt. Die wirklich langen Wartezeiten konnten sie vermeiden, da Mona mit diesen Fahrgeschäften noch nicht fahren durfte oder weil einer von ihnen allein fahren oder warten müsste. Und das wollte der kleine Sonnenschein um jeden Preis vermeiden.

Je näher die drei der Bahn kamen, die fast komplett unterirdisch verlief, desto aufgeregter wurde Mona und begann, von den dort drin angeketteten Hexen und Geistern und Monstern zu plappern. Sie beschrieb jedes Monster im Detail und unterhielt mit ihren Anekdoten nicht nur Leo und Ezio, sondern auch die Eltern und Kinder vor und hinter ihnen, was Ezio an deren schmunzelnden Gesichtern erkannte. Auch Leo schmunzelte vor sich hin, während er in regelmäßigen Abständen einen Einzeiler von sich gab, damit Mona auch merkte, dass er ihr zuhörte.

Während Mona redete, wanderten sie in der Schlange weiter vor und je weiter sie wanderten, desto mehr veränderte sich die Umgebung. Man hatte eindeutig versucht, eine gruselige Atmosphäre herzustellen und schon bald sah sich Ezio konfrontiert mit grüngesichtigen Pappmascheemonstern, schwarzen Katzen und sehr zu seinem Leidwesen, falschen Spinnennetzen, gespickt mit schwarzen Plastikspinnen. Er reagierte auf diese Gattung Spinne nicht ganz so heftig, wie auf die lebendigen Exemplare, doch ein wenig mulmig wurde ihm trotzdem. Das vor Mona zu verbergen, gelang ihm zum Glück, vor allem durch das Einhorn, das ihm sowieso die meiste Zeit die Luft zum Atmen nahm. Sollte er heute noch ersticken, würde man bei seiner Autopsie sicher Fellfocken dieses Tieres in seinen Lungen finden…

Die letzten Meter des Warteweges legten sie in einem einer Höhle nachempfundenen Tunnel zurück und auch dort entdeckte Mona so einige gruselige Details. So zum Beispiel musste sie Leo unbedingt zeigen, dass an einer Seite der Wand Blut entlang lief. Und kaum hatte sie das bemerkt, als der Junge vor ihr sich weinend an das Bein seiner Mutter klammerte. Offenbar war ihm das zu gruselig und er wollte sofort weg. So rutschten Mona, Ezio und Leo direkt noch einen Platz weiter und die überforderte Mama drängelte sich an anderen Eltern und Kindern vorbei den Weg zurück, den sie gekommen waren. Ob sie der letzten halben Stunde nachweinte, die sie in dieser Schlange verbracht hatte oder nicht, sah man ihr nicht an.

Kurz bevor sie dran waren, stellte Ezio das Einhorn ab und kniete sich mit bierernstem Gesichtsausdruck zu Mona hinunter.

„Mona, sag mal… Bist du wirklich sicher, dass die Monster angekettet sind und uns nichts tun werden?“

Mona deutete Ezios Schauspiel richtig und schlang ihre kleinen Ärmchen um seinen Hals.

„Keine Angst, Onkel Ezio. Ich beschütze dich. Keines der Monster wird dir was tun, wenn ich dabei bin!“

Sie entließ ihn aus ihrer Umarmung und stellte sich für den Studenten in Superheldenpose, die Beine leicht gespreizt, die zur Faust geballten Hände an den Hüften und einen so entschlossenen Blick im Gesicht, dass die Avengers neidisch geworden wären. Hinter sich hörte Ezio leises Gekicher von den Eltern hinter ihnen und er musste sich selbst ein Schmunzeln verkneifen, damit er nicht aus der Rolle fiel.

„Versprochen?“, fragte er stattdessen mit einem herzzerreißenden Blick, der sogar Leo hätte schmelzen lassen und sofort legten sich erneut Monas Arme um seinen Hals.

„Versprochen, Onkel Ezio!“

Der Student legte die langen Arme um den schmalen Körper des Mädchens und hob sie einfach mit an, als er sich wieder erhob. Reflexartig schlang Mona die Beine um seinen Oberkörper und schmiegte sich an ihn, während sie weiter warteten und sie wieder anfing, zu plappern. Als sie wieder weiter in der Schlange vorrückten, nahm jetzt Leo das Einhorn, da Ezio sich dank Mona aus der Verantwortung gestohlen hatte und nur wenige Minuten später war es endlich soweit. Nachdem sie unter einer besonders langen und widerlichen Spinnenwebe hindurch gelaufen waren, bei der sich Ezio und Leo sogar ducken mussten, waren sie bei der mit sechs Wagen ausgestatteten Bahn angekommen, die jeweils mit Dreiersitzen ausgestattet waren. Leo stellte das Einhorn sowie ihre Rucksäcke an der Seite neben einem dafür vorgesehenen Regal ab und nacheinander stiegen sie ein – natürlich ganz vorn, sehr zu Ezios Leidwesen. Die Wagen waren dekoriert – wie sollte es auch anders sein – mit weiteren Plastikspinnen und dem Brünetten wurde gleich wieder mulmig zumute. Mona in der Mitte konnte es gar nicht erwarten und Ezio erinnerte sie noch einmal daran, was sie ihm versprochen hatte.

Und dann ging es los.

Die Bahn fuhr an und direkt begannen einige der Kinder weiter hinten zu schreien, obwohl noch gar nichts passiert war. Im Schritttempo fuhren sie in die Dunkelheit und wurden von ihr verschluckt. Wie Ezio es sich gedacht hatte, war der Gruselfaktor vor allem auf den Überraschungsmoment zurückzuführen, denn die meisten Puppen, die es hier zu sehen gab, waren in Wirklichkeit nicht allzu gruselig. Allerdings hatten die Erwachsenen natürlich auch eine ganz andere Wahrnehmung, was das betraf. Mona hielt ihr Versprechen und bedrohte jedes Monster, das auf Ezios Seite erschien mit ihren kleinen Fäusten und der Student musste sich mehrfach ein Lachen verkneifen, wenn er sie in dem spärlichen, meist farbigen Licht fuchteln sah. Erst gegen Ende erwischte es auch den Brünetten eiskalt, als eine für ihn viel zu realistisch gehaltene Riesenspinne von der Decke fiel und sein Herz beinahe stehen blieb. Erneut spürte er, wie es ihm eiskalt den Rücken runter lief, während auch Mona sich heftig erschreckte. So zum Ende hin glaubte offenbar kaum jemand wirklich daran, dass noch sowas passierte. Dann war die Fahrt vorbei und Ezio war sich sicher, dass er aussah wie ein Geist. Zumindest fühlte er sich ein bisschen so.

Während sie ausstiegen, versuchte er, seine Puddingknie wieder zu verfestigen und als er den Rucksack wieder auf dem Rücken hatte und das Einhorn sein Fell wieder in Ezios Atemwege stopfte, fühlte er sich etwas besser.

„Und, Onkel Ezio? War‘s sehr schlimm?“, fragte Mona ihn fröhlich und er lächelte das Mädchen tapfer an, während er den Kopf schüttelte.

„Du hast mich ja beschützt. Da musste ich keine Angst haben, dass mich irgendwas frisst.“

Sie grinste ihn breit an und lief schon mal vor, während Leonardo sich noch den Rucksack aufsetzte. Ezio und das Einhorn beobachteten die nächste Bahn, die sich jetzt aufmachte in die Welt des Horrors und wieder schrien die ersten Kinder sofort los, nachdem sie in den Tunnel gefahren waren. Er schaute der Bahn nach, bis er spürte, wie sich Leos Arm um seine Taille legte und in der Tasche seine Hoodys verschwand. Also wandte er dem Blonden seine Aufmerksamkeit zu und stahl ihm einen sanften Kuss von den Lippen, nachdem er das Einhorn von einem in den anderen Arm verschoben hatte. Er würde echt drei Kreuze machen, wenn sie das Ding endlich los waren.

„Wie viele Lose hast du eigentlich gekauft, um dieses flauschige Monster zu gewinnen?“, fragte Ezio seinen Liebsten, während sie sich auf den Weg nach draußen machten, wo Mona auf sie wartete. „Zu viele“, erwiderte Leonardo und weinte eine imaginäre Träne um das viele Geld, das in das Plüscheinhorn geflossen war. Aber letztendlich war es nicht so schlimm, wenn er sich daran erinnerte, wie Mona sich darüber freute. Sie wollte ja unbedingt dieses Einhorn, so dass Leonardo wahrscheinlich auch den gesamten Losstand aufgekauft hätte, wäre das die einzige Möglichkeit gewesen, seiner Nichte diesen Wunsch zu erfüllen. Nur hatte er leider nicht daran gedacht, dass es am Ende sie sein würden, die das Teil jetzt die ganze Zeit mit sich rumschleppten…

Noch immer den Arm um Ezios Taille winkte Leo seiner Nichte, die daraufhin zu ihnen gehopst kam und gemeinsam machten sie sich auf die Suche nach dem nächsten Abenteuer. Die Sonne begleitete sie und führte sie noch zu einigen Fressständen. Ezio ergatterte noch selbst ein paar Erdbeeren in Schokolade, ohne dass Mona sie ihm wieder wegfutterte, Leonardo kaufte Mona eine Limonade – der Orangensaft war inzwischen komplett im Nirvana verschwunden – und sie fuhren mit der Wildwasserbahn, wie Mona es sich gewünscht hatte. Klatschnass bis auf die Knochen saßen sie danach noch ein bisschen auf einer Wiese, damit ihre Kleidung trocknen konnte und verschnauften etwas, bevor sie das Riesenrad ansteuerten, ihr letzter Checkpoint, bevor sie sich auf den Heimweg machen würden.

Mona wurde langsam müde und auch Ezio spürte den Tag immer deutlicher in den Beinen – und den Armen. Die Schlange vor dem Riesenrad war weniger überschaubar als die anderen Schlangen, mit denen sie es heute zu tun hatten, so dass Ezio vermutete, dass sie nicht die einzigen waren, die mit dieser Attraktion den Tag beenden wollten. Es war auch einfach ein Erlebnis, den Sonnenuntergang, der bald beginnen würde, vom Riesenrad aus zu sehen. Ob sie allerdings zu den Glücklichen gehören würden, die das zu sehen bekamen, das konnte Ezio leider nicht voraussagen. Noch war Zeit, doch die Schlange war auch ziemlich lang. Zwischendurch musste Ezio das Einhorn mehrmals abstellen und irgendwann übernahm Leonardo es, das Flauschivieh zu tragen, so dass Ezio dessen Aufgabe übernahm, und dazu überging, Leo festzuhalten.

Ezio gab es nicht gern zu und er wollte diesen Tag nicht schmälern, denn er hatte bisher wirklich sehr viel Spaß gehabt, doch es wurmte ihn schon ein bisschen, dass er so wenig Zeit für Leo gehabt hatte bisher. Den ganzen Tag über waren sie mit Mona unterwegs gewesen, so dass kein Raum für ein bisschen Zweisamkeit blieb – abgesehen von den Sekunden, den wenigen Berührungen und lieben Gesten, die sie hatten austauschen können. Es klang merkwürdig, aber…er vermisste seinen Leo.

Um nicht vor Scham im Boden zu versinken, beobachtete er Mona, die sich erneut die Wartezeit mit Spielchen vertrieb. Dieses Mal baute sie auch das Einhorn in ihre Spielereien ein, hopste um es herum, krabbelte unter ihm hindurch, versteckte sich hinter den Männern, damit das Einhorn sie nicht fing und dachte einfach nicht daran, ihre gute Laune zu verlieren.

Mehr als eine Stunde lang warteten sie sich die Beine in den Bauch, bis sie endlich in eine der Gondeln steigen konnten. Die Sonne war bereits so gut wie untergegangen, doch Leo, Ezio und Mona konnten noch die feuerrote Farbe sehen, die sie in den Himmel goss, gemischt mit dem dunklen Blau des nächtlichen Himmels, das sich mit dem Rot mischte und so ein wunderschönes Farbenspiel schuf. Gepaart mit der großartigen Aussicht über den Park und die Landschaft dahinter war dies ein mehr als gelungener Abschluss für ihren Tag im Vergnügungspark. Keiner von ihnen sagte auch nur ein einziges Wort, denn der Anblick war alles, was sie brauchten, um diesen Tag zu einem perfekten Tag werden zu lassen. Leo und Ezio saßen nebeneinander und Mona hockte ihnen gegenüber und schaute mit leuchtenden Augen aus der Gondel, während das Einhorn zwischen ihnen stand. Ezio nutzte die Gelegenheit und schmiegte sich an den warmen Körper seines Liebsten, der das sehr wohlwollend aufnahm und den Arm um den Jüngeren legte. So genossen sie den Ausblick so lange es ihnen möglich war und als die Fahrt vorbei war, blickten sie noch einmal sehnsüchtig nach oben, bevor sie die Gondel verließen.

Inzwischen rieb sich Mona alle paar Minuten die Augen vor Müdigkeit und war auch schon zu schläfrig, um zu plappern oder zu hopsen. Sie lief einfach nur neben ihrem Onkel her, ihre kleine Hand in seiner großen, während Ezio mit dem Einhorn nebenher lief. Sie waren nicht die ersten, aber auch nicht die letzten, die sich auf den Heimweg machten, so dass der Parkplatz, der bei ihrer Ankunft noch einer wahren Blechlawine glich, inzwischen eher wie ein Flickenteppich aussah. Sie fanden Leonardos Auto schnell, nicht nur, weil sich der Blonde ja die Parkplatznummer aufgeschrieben hatte, und Mona stieg wortlos hinten ein, während Ezio und Leo das Einhorn und die Rücksäcke verstauten.

Die Fahrt heim verlief schweigsam und je länger sie dauerte, desto dunkler wurde es. Jetzt, wo sie sich nicht mehr bewegten, überfiel Ezio die Erschöpfung und er sank richtig in den Beifahrersitz, während er spürte, wie die Müdigkeit sich an seinen Augenlidern zu schaffen machte. Er war schon lange nicht mehr den ganzen Tag so auf Achse gewesen, vor allem nicht, seit er an seinem aktuellen Projekt arbeitete, das vor allem Leonardos Hunde beinhaltete. Dafür musste er nicht auf Motivsuche gehen. Eher im Gegenteil. Die Motive verfolgten ihn, sobald er aufstand…

Und wenn er jetzt daran dachte, dass danach sein allerletztes Projekt auf ihn wartete… Das Projekt, von dem mehr als von allen anderen zuvor abhängen würde, ob er seinen Abschluss bekam, dann wurde ihm jetzt schon mulmig. Das erste Gespräch über das Abschlussprojekt hatte er schon mit seinem Dozenten geführt und dieser war von seiner Idee begeistert gewesen, vor allem, da es sich nicht um Naturfotos handeln würde, doch noch hatte er nicht mit Leonardo darüber gesprochen, der – so alles glatt ging – sein Hauptmotiv dafür werden würde.

Die Heimfahrt verlief ansonsten ereignislos und nach einer Dreiviertelstunde bog Leonardo ein letztes Mal ab, während Ezio mit müden Bewegungen nach der Fernbedienung kramte, um das gusseiserne Tor zum Grundstück zu öffnen. Danach öffnete er mit derselben Fernbedienung das Garagentor und Leonardo parkte den Wagen, bevor er ausstieg.

Ezio warf vor dem Aussteigen einen Blick auf den Rücksitz und fand eine schlummernde Mona vor. Er lächelte und stieg dann ebenfalls aus. Ohne ein Wort gab er Leo zu verstehen, dass Mona schlief und dieser gab Ezio einen der Rucksäcke, während er sich den zweiten aufsetzte, das Einhorn und den pinken Rucksack seiner Nichte aus dem Auto holte und den Kofferraum schloss. Ezio hievte sich den Rucksack über die Schulter, öffnete leise die hintere Tür, schnallte Mona ab und hob sie vorsichtig hoch, um sie ins Haus zu tragen. Ohne, dass sie wach wurde, murmelte sie leise vor sich hin, legte ihren blonden Schopf auf Ezios Schulter und die Ärmchen um seinen Hals. Als sie sich der Haustür näherten, reagierte der Bewegungssensor und ließ die Lampe vor dem Eingangsbereich aufleuchten. Leonardo schloss die Tür auf, hievte das Kuscheltier hindurch und ließ danach Ezio eintreten, bevor er sie wieder schloss, abschloss und den Schlüssel stecken ließ. Die Hunde begrüßten sie dieses Mal nicht, denn es war schon spät und sie lagen bereits alle in ihren Körbchen und schliefen. Obwohl Ezio vermutete, dass Ambra irgendwo anders liegen würde, vielleicht vor dem Schlafzimmer oder vor der Treppe… Auf jeden Fall an einem Ort, wo sie es auf jeden Fall mitbekäme, dass sie zurück waren. Leo stellte den Rucksack und das Kuscheltier ab und nahm Ezio das Mädchen ab, damit dieser sich auch seines Rucksackes entledigen konnte. Währenddessen trug Leonardo seine Nichte nach oben und in das extra für sie eingerichtete Zimmer, dass sie immer dann bewohnte, wenn sie bei ihrem Onkel übernachtete. Er legte sie sanft auf dem Bett ab, zog ihr die Schühchen aus und deckte sie zu. Dann beugte er sich zu ihr hinunter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor er das Zimmer verließ und leise die Tür schloss.

Als er sich umdrehte, kam Ezio gerade die Treppe hinauf und er sah genauso müde aus, wie Leonardo sich fühlte.

„Schläft sie noch?“, fragte der Student flüsternd und Leonardo nickte, als er auf den Jüngeren zutrat und die Arme um ihn legte. „Wie ein Stein“, erwiderte der Blonde leise und legte seine Lippen auf die des anderen. Sofort versanken sie ineinander und Ezio ließ sich in das Gefühl fallen, Leonardo endlich im Arm zu halten, ihn zu küssen und zu spüren. Das hatte ihm den ganzen Tag gefehlt und die verstohlenen Berührungen hatten ihn beileibe absolut gar nicht befriedigt. Auf die Idee, sich deswegen Sorgen zu machen, kam er nicht, obwohl er es vielleicht tun könnte – oder sollte. Ihr Kuss begann tastend, kostend, wurde allerdings schnell intensiver und Ezio spürte, dass es seinem Liebsten offenbar ähnlich ging wie ihm selbst, denn er kam so unbefriedigt rüber, wie Ezio sich fühlte. Schon bald spürte er, wie Leonardo an seinem Hoody zupfte und schließlich mit den Fingern unter den Stoff schlüpfte. Nur kurz strich Leo mit den Fingerspitzen über den Stoff von Ezios Jeans, bis er auch diesen überwand und dann auf nackte Haut traf, die er zärtlich mit sanften Liebkosungen bedachte.

„Lass uns ins Bett gehen…“, murmelte er gegen Ezios Lippen und zog den Jüngeren mit sanfter Gewalt mit, in Richtung Schlafzimmer. Er ließ sich dabei von Ezio führen, da er mit dem Rücken voran lief und zum Glück war der Student noch wach genug, um Ambra zu bemerken, die tatsächlich vor der Schlafzimmertür lag und schlief. Zu ihrer aller Glück ging die Tür nach innen auf, denn sonst hätten sie nicht nur über den schlafenden Hund steigen, sondern sie auch noch wecken müssen, um ins Zimmer zu gelangen. So aber öffnete Leo mit einer Hand leise die Tür, stieg über Ambra drüber und betrat das Zimmer, alles, ohne Ezio loszulassen. Der Körperkontakt war nicht mehr so allumfassend, wie zu Beginn ihrer Schlafzimmerwanderung, doch ganz losgelassen hatten sie einander nicht. Ezio stieg über die Hündin hinweg und schloss die Tür wieder, eben so leise wie sie geöffnet worden war.

Sobald die Tür verschlossen und sie unter sich waren, verschlangen sich ihre Körper direkt wieder ineinander, als zögen sie sich an wie zwei Magnete. Sie taumelten, sich gegenseitig der Klamotten entledigend, in Richtung des Bettes und als sie mit einem leisen Plopp auf der Matratze landeten, trugen sie bereits gar nichts mehr. Beide hatten anfangs dieselben Gedanken gehabt, Gedanken an sanfte Berührungen, wirbelnde Farben, heiße Küsse, sich umschlingende Leiber, bodenloses Verlangen, Lust und Liebe auf dem Höhepunkt allen Seins, doch kaum hatten ihre Körper die Matratze und ihre Köpfe die weichen Kissen berührt, verschwanden diese verlockenden Gedanken in wachere Bereiche ihrer Gehirne und sie kuschelten sich einfach nur aneinander.

„Wann kommt deine Schwester morgen, um Mona abzuholen?“, fragte Ezio noch, nur noch halb wach und war sich nicht einmal sicher, ob Leonardo nicht schon längst ins Traumland entschwunden war. Es dauerte eine Weile, doch letztendlich antwortete der Blonde, auch wenn es sich so anhörte, als hätte er wirklich schon so gut wie geschlafen und Ezios Worte hätten ihn geweckt.

„Nicht vor morgen Mittag…“

„Hmmm…“

Mit dieser mehr oder weniger intelligenten Antwort driftete Ezio letztendlich in einen tiefen, erholsamen Schlaf, während er sich unbewusst noch etwas mehr in Leonardos Arme kuschelte, die für ihn so viel mehr waren. Sie waren für Ezio Wärme, Geborgenheit, Liebe und Frieden, etwas, von dem er wusste, dass Leonardo es nur ihm schenkte. Denn Leonardo liebte ihn.

Mehr als alles.



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