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My Year Without Summer

Oder - Wie der Sommer erst neun Monate später zurückkam
von

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Kapitel EINS


 

Kapitel EINS

HALLOEin miserabler Einstieg
 

Es war der erste Tag im Juni, als sie ging. Die Sonne schien ungewöhnlich heiß und umso unerbittlicher auf Jonesboro herab, ließ den Asphalt flirren und die Rasen der Vorgärten beinahe in Flammen aufgehen. Die Luft war stickig. Es roch muffig und abgestanden, doch wir waren Kummer gewohnt, denn im Süden waren die Sommer stets brennend.

Jonesboro, jener Ort, von dem hier die Rede ist, liegt nordöstlich im Bundesstaat Arkansas. Umgeben von Tennessee im Osten, folgen im Uhrzeigersinn Mississippi, Louisana, Texas, Oklahoma und schließlich Missouri als unsere Nachbarstaaten. Wir können nicht klagen, was das reichhaltige Angebot an Parks und Wildnisgebieten, mit ihren Bergen, Höhlen, Flüssen und Thermalquellen anbelangt. Und doch zog es die meisten jungen Leute meiner Generation entweder gen Westen, oder nordöstlich, dorthin, wo es bessere Chancen auf eine Karriere gab, seien das Ziel oder die Beweggründe auch noch so abwegig.

Doch ihr fragt euch sicherlich, warum ich euch all das erzähle? Ich könnte auch einfach den Mund halten und mein kleines, kümmerliches, uninteressantes Leben leben, so, wie es den meisten Menschen vorherbestimmt ist. Nichts ist besonders an mir, weder mein Name, noch mein Äußeres, geschweige denn meine Herkunft. Denn irgendwann, vor gut 400 Jahren, kamen im Zuge der Kolonisierung Amerikas, meine Vorfahren aus England hierher. Und die Überbleibsel von Mord, Sklaverei, Folter, Verfolgung und all dem Elend münden, kaum vorstellbar, in einem unscheinbaren Dasein.

Manche mögen sich nun echauffieren, doch ich möchte die Vergangenheit auf keinen Fall herunterspielen oder herabwürdigen oder dergleichen. Es sind Kapitel in der Geschichte dieses Landes, so, wie wohl jeder Kontinent etwas zu sagen hat, das von Gräueltaten zeugt. Wie dem auch sei:

Was erwartet ihr also von dem, was ich euch zusagen habe? Eine schwülstige Liebesgeschichte? Ein Bandenkrieg? Wütende Stürme? Unruhen? Alienangriffe? Sonnenflecken?

Nein, eigentlich möchte ich nur von dem Mädchen erzählen, das verschwand und damit eine ganze Stadt in Aufruhr versetzte. Also doch eine Liebesgeschichte, werdet ihr jetzt denken?! Vielleicht. Gibt es Schauer und Schrecken? Ein Happyend? Gut möglich.

Wird sich der Protagonist unsterblich in das Gör verlieben, das ihn in der Highschool nie beachtete, weil sie nicht nur dem stereotypen Modell eines Cheerleaders entsprach, sondern auch, welch ein Wunder, mit dem Kapitän des Fußballclubs anbandelte? Oder ist es vielleicht das graue Mäuschen, das immer an seiner Seite war und er erst Jahrzehnte später ihren Wert zu schätzen lernte? Oder ist sie die schrille Nachbarstochter, oder gar die des Rektors, ein Freak, Biest oder …

Alles Blödsinn. Doch sicherlich mag Summer Field-Flattley so eine Erscheinung gewesen sein, wie ihr Name versprach. Vielleicht brach sie mir das Herz, vielleicht raubte sie mir den Verstand. Doch möglicherweise war es ihr enormes Wissen von Dingen, die andere als Belanglosigkeiten abtaten, oder ihr blondes Haar, das wahrlich an ein goldgelbes Kornfeld erinnerte, ausschlaggebend, dass ich mich für sie interessierte? Das Mädchen, das am Ende der Straße wohnte, seinen Mitmenschen stets einen Schritt voraus war und so verschmitzt lächeln konnte, das mir die Knie weich wurden.

Vernehme ich jetzt ein frustriertes Seufzen aus den vorderen Reihen? Ja, seufzt ihr nur. Ein alter Hut – und immer dieselbe Leier. Immer sind es zwei junge Seelen, die einander nicht haben können, so hat es schon Shakespeare erzählt. Oder die alten Sagen gesagt und die Legenden geflüstert. Doch der Clou an meiner Geschichte ist, dass Summer und ich uns nie so nahe waren. Wir kannten einander, gingen in dieselbe Vorschulklasse, besuchten die Annie Camp Junior High School und nicht zuletzt die Nettleton High School.

Wir hatten nie denselben Freundeskreis. Summer war laut, mitreißend und wirkte auf andere wie eine Anführerin. Allerdings konnte sie auch hilfsbereit sein, sich für ihre Klassenkameraden oder Schwächere einsetzen und ihren Standpunkt verteidigen. Nicht selten erlebte man sie jedoch als ein Mädchen, das andere für sich arbeiten ließ.

Ich weiß, dass es alles sehr widersprüchlich und undurchsichtig klingen mag. Doch Summer Field-Flattley vereinte so viele Macken, Eigenschaften und Beschreibungen in sich, dass es einem nicht selten schwindelig wurde.

Ihr Dad war Besitzer eines Gebrauchtwagenhandels, ihre Mutter arbeitete im Rathaus als Sekretärin. Sich Fehler zu leisten gehörte sich nicht. Die wachsamen Augen der Stadtbewohner waren überall. Doch leider nicht an jenem Tag im Juni.

Kapitel ZWEI


 

Kapitel ZWEI

FRAGENUnd keine brauchbaren Antworten
 

Die Klingel kreischte durch das Haus und veranlasste Dad dazu, wüste Flüche von sich zu geben. Nicht einmal das erboste Zischen meiner Mutter konnte ihn zur Räson bringen. Von dem durchdringenden Läuten geweckt, linste ich auf den kleinen Wecker, der auf dem Schreibtisch stand, und seufzte. Es war elf Uhr siebenundzwanzig.

Dads polternde Schritte auf der Treppe riefen auch meine kleine Schwester auf den Plan, die die Tür zu meinem Zimmer aufdrückte und im schwachen Lichtschein der Flurlampe verharrte. Unschlüssig, ängstlich, wie Tamsin war, setzte ich mich auf und klopfte auffordernd auf die Bettdecke. Hastig kam sie auf mich zu und verkroch sich an meine Seite. Ein seufzender Laut entfuhr mir, als der tiefe Barriton meines Vaters zu uns heraufdrang.

Ich verstand nur wenig von dem, was dort unten besprochen wurde. Als Mom, wie Tamsin nur wenige Sekunden zuvor, im Türrahmen stand, gebot ich meiner Schwester im Zimmer zu bleiben. Ich drängte mich an meiner Mutter vorbei, trat auf den Flur und beugte mich über das Geländer in der Hoffnung, um ein paar Worte zu erhaschen.

Der Sprecher, der nicht mein Dad war, denn zu meiner Verblüffung war das harsche Wortgefecht seinerseits beendet, erklärte unter flehenden, fast verzweifelten Worten den Grund seines Besuchs. Ich verstand nicht viel, nicht einmal annähernd genug und war gerade im Begriff, einen Fuß auf die erste Stufe zu setzen, als Dad sich umwandte, mich erspähte und mit einem Kopfnicken zu sich bat. Mit langsamen Schritten leistete ich seinem stummen Befehl Folge und erkannte jenen Mann, der uns in unserer nächtlichen Ruhe störte, als Mister Flattley. Dad musste mir meine Verwunderung angesehen haben. Aus den wenigen Silben schloss ich, dass Summer noch nicht nach Hause gekommen war.

Ich sah zu Mister Flattley auf. Dass Misses Field-Flattley nicht bei ihm war erklärte ich mir, in meiner siebzehnjährigen Weisheit, damit, dass jemand im Haus, am Ende der Straße, bleiben musste, für den Fall, dass das Mädchen vielleicht nur die Zeit vergessen habe. Mister Flattley war vielleicht nur ein paar Jahre älter als mein Vater. Wie die meisten Menschen, die in Jonesboro aufgewachsen und geblieben waren, kannten auch die beiden Männer einander. Und ich meine mich daran zu erinnern, dass Mister Flattley wohl zu den vielen Verehrern meiner Mutter gehörte, wenn ich ihren schwärmerischen Geschichten von früher Glauben schenkte.

Das bereits graue Haar des großen Mannes ließ ihn im Schein der Verandalampe noch älter aussehen. Sorge zierte Mister Flattleys Gesicht, während er mit hastigen, jedoch ausführlicheren Worten sein Erscheinen und die Not, in der sich die Field-Flattleys befanden, zum zweiten Male beschrieb.

»Sie hatte ja schon immer Hummeln im Hintern und ihren eigenen Kopf«, erklärte er das Fehlen seiner Tochter. »Aber nicht einmal eine SMS geschweige denn einen Zettel hat sie uns dagelassen.«

Dad musste mir meine Verwirrung angesehen haben. »Hast du Summer heute in der Schule gesehen?«

Seine Frage ließ mich zucken. Ich bejahte, merkte aber, dass meine Antwort keine Hilfe für den sorgenden Mann darstellte. »Im Bus war sie allerdings nicht.«

Und das war die Wahrheit, obwohl es schwer war, jemanden wie Summer nicht zu bemerken.

Mister Flattley verzog die Lippen. »Sie redet nur noch selten mit uns.«

»Das ist eine Phase, die viele junge Leute durchmachen.« Meine Mutter erschien, mit meiner Schwester auf dem Arm, und begegnete dem Besucher mit einem knappen, jedoch freundlichen Lächeln. »Hallo Jonathan.«

Mister Flattley nickte die Begrüßung nicht weniger spärlich ab.

»Du weißt doch, wie wir waren«, sagte Mom weiter. »Vielleicht hat sie nur die Zeit vergessen?«

»Dein Wort in Gottes Gehör, Annaleigh.« Das schwere Seufzen des Mannes war so durchdringend, dass mich das Gefühl überkam, den schweren Stein in seinem Magen spüren zu können.

»Verzeihen Sie, Mister Flattley, haben Sie schon mit den Stattlers und Bowens gesprochen?« Meine Frage ließ ihn blinzeln.

»Stephany und Colleen waren schon seit einer Ewigkeit nicht mehr bei uns.« Mister Flattleys Antwort ließ mich grübeln. Es war nicht verwunderlich, dass sich der Freundeskreis mit den Jahren veränderte. Allerdings waren diese drei Mädchen seit dem ersten Tag auf der Junior High School eine eingeschworene Gemeinschaft. Viele wussten das, ich wusste das. Und auch auf der Nettleton High schien das Trio unzertrennlich.

»Danke, Willec, ich werde den Stattlers und Bowens einen Besuch abstatten.« Mit einem knappen Nicken verabschiedete sich Mister Flattley von uns. Seine Antwort ließ ein beklemmendes Gefühl in mir zurück. Hatte ich mich geirrt?

Fragend warf ich einen Blick über die Schulter und fing den nicht weniger betroffenen Ausdruck auf dem Gesicht meiner Mutter ein. Sie kannte diese Kinder, hatte sich als Kindergärtnerin um uns gekümmert, bis wir zur Schule kamen.

»Mom?« Sie zuckte kaum merklich zusammen, raffte sich meine Schwester höher auf die Hüfte.

»Wir sollten ins Bett. Alle.« Tamsin kuschelte sich an ihren Hals. »Du hast Schule, Will.«
 

Die Fahrt im Bus, zur Nettleton High School, war wie immer von stickiger Luft und zu vielen Jugendlichen erfüllt. Ich spürte den Blick Frankie Warrens, der die Rolle des Schulmaskottchens übernahm, auf mir.

»Du siehst echt beschissen aus«, erklärte mir Frankie, ohne, dass ich ihn gefragt hatte. »War Flattley auch bei euch?«

Wortlos nickte ich Frankies Frage ab. Eine nonverbale Antwort, die ihm nicht gefiel.

»Mann, du machst dir doch wohl nicht etwa Sorgen, oder?« Das Grinsen auf seinem Gesicht verschwand beim Anblick meinerseits. Unwohl kratzte er sich am Hinterkopf und warf einen Blick hinter sich. Dort, wo die Mädchen saßen, hinten im Bus, oder die zwei Reihen davor, war von Summer Field-Flattley nichts zu sehen. »Stephany und Collen sehen auch nicht sonderlich happy aus.«

Ein schnaubender Laut entwich mir. Ich konnte nur den Kopf schütteln.

Die Lehrkräfte registrierten das Fehlen der Schüler, aber waren anscheinend noch nicht vom mysteriösen Verschwinden Summers in Kenntnis gesetzt. Gerüchte machten die Runde und als am Donnerstag noch immer jede Spur von Summer Field-Flattley fehlte, tuschelte der Jahrgang hinter vorgehaltener Hand.

»Sie soll Drogen vertickt haben

»Nein – Ich habe gehört, sie soll weggelaufen sein, weil es in ihrer Familie zum Streit kam

»Seid ihr verrückt? Sie ist bei ihrer Tante, irgendwo in Idaho, auf Drogenentzug

»Sie ist nach Alaska abgehauen, um Robben zu jagen

»Summer ist in L.A. für Probeaufnahmen

Die Geschichten wurden immer abstruser, nahmen immer mehr wirre Formen an.

Die Field-Flattleys wurden, zum Ende der Woche Zwei nach Summers Verschwinden, nochmals von der Polizei verhört. Mister Flattley beteuerte, nun mehr unter Tränen, dass es, wie wohl in jeder Familie, zum Streit gekommen sei, dieser jedoch wenig Anlass zur Flucht der jüngsten Tochter bot. Es ging um Konzertbesuche, Ausflüge in die Mall, Hausarrest und schlechte Noten. Und nicht, wie gemunkelt wurde, um Drogen oder – um es auf die Spitze zu treiben – häusliche Gewalt, Missbrauch oder schlimmer noch – Prostitution.

Die Farben der Gerüchte wurden schillernder und umso grausamer, je mehr Kleckse auf die Leinwand geschmiert wurden. Doch niemand verschwand, ohne Spuren zu hinterlassen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Hopey
2021-12-11T11:47:10+00:00 11.12.2021 12:47
Sooo :D

Ich hole, pflichtbewusst alles nach xD.
Sorry, das ist mir total untergegangen :o


→ Ist Jonesboro eine fiktive oder echte Stadt? XD

° […] doch wir waren Kummer gewohnt […]
→ Wer ist in dem Fall wir? :o

° […] nordöstlich im Bundesstaat Arkansas
→ Und damit hat sich meine Frage selbst beantwortet xD

° […] unsere Nachbarstaaten.
→ Wird das ganze aus der Ich Perspektive erzählt? Von einer, noch unbekannten, Person? ^^

° […] warum ich euch all das erzähle?
→ Okay, definitiv Ich ^^. Die Frage ist, wer ist „Ich“ xD (vielleicht hätte ich auch die Chara Beschreibung mir, vor dem Lesen, noch mal anschauen müssen xD)

°  Eine schwülstige Liebesgeschichte?
→ xD okay, in dem Zusammenhang hab ich das so noch nie gelesen xD. Aber finde ich irgendwie lustig xD

° […] Summer Field-Flattley […]
→ Was für ein Name xD. Zuerst dachte ich, dass ist ein Name von einem Gebäude oder so xD. Bis ich realisierte, beim erneuten lesen des satzes, dass das der Name des Mädchens ist xD



Und mein Fazit xD:
→ Es ist mal was anderes, eine Story – von dir – in „Ich-Form“ zu lesen :)
→ Ich finde es toll, wie du immer so viel Recherche betreibst, und sogar vorhandene Namen von Schulen, Orten, etc benutzt :D. Ich mag diese Genauigkeit :D

Zu den Charakteren kann ich noch nicht viel sagen ^^
mal sehen, wie der nächste Kapitel abläuft :D

Bisher ist es jedoch spannend ^^. Auch wenn ich noch nicht ganz warm wurde, mit der gewählten, Erzählperspektive :D. Trotzdem macht es mich neugierig, wie es zum „verschwinden“ von Summer kam. Lebt sie überhaupt noch? Oder ist das so ein typischer, Kleinstadt Mord xD.

Nun ja, Platz für die Fantasie ist definitiv vorhanden xD


♥♥♥♥♥♥♥♥

Hopey
Antwort von: irish_shamrock
11.12.2021 18:15
Hey, hey :3 ...

Ist nicht schlimm, dass du's übersehen hast.
Allerdings wäre es bestimmt von Vorteil, wenn du das Kapitel erst einmal liest, dann beantworten sich eventuelle Fragen womöglich wie von selbst ^^ ...
Nichtsdestotrotz bedanke ich mich für deinen Kommentar und hoffe, du bleibst auch für die Folgekapitel am Ball :D ...

Liebe Grüße von mir zu dir,
irish C:


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