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Herz über Kopf

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Was ist nur passiert, dass Elsa so durch den Wind ist? Heute gibts die Antwort auf zumindest diese Frage. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich entschuldige mich schon einmal vorsorglich bei allen Mario-Fans 🙈 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und weiter geht der Tanz… Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Das hier ist mein Lieblingskapitel 😊
… wahrscheinlich, weil es mich selbst so gut beschreibt 🙈 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Wie reagiert Mario auf das Kaffeemaschinendrama? Und wie lange kann Elsa ihre Gefühle noch vor den anderen verbergen? Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ups, das ist jetzt sehr lang geworden. Ach was soll’s, schneide ich den interessanten Part ab und packe ihn ins nächste Kapitel. 😈😆 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Na gut, ich war ja beim letzten Kapitel gemein zu euch. Eigentlich wäre erst morgen der nächste upload dran gewesen, aber da ist ja auch der Feiertag am Sonntag und da verschiebt sich ja alles.
Ich denke das sind Ausreden genug, um dieses Kapitel jetzt schon freizuschalten, oder?😉

Viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Sorry, dass es diesmal etwas länger gedauert hat…

Ich wollte schon immer zu dieser Liedstrophe eine Szene schreiben und diesmal hat es geklappt. 🤩
Now I see you standing
With brown leaves falling all around
And snow in your hair
Now you're smiling out the window
Of that crummy hotel
Over Washington Square
Our breath comes out white clouds
Mingles and hangs in the air
Speaking strictly for me
We both could have died then and there

Joan Baez - Diamonds and Rust

Und jetzt: Taschentücher raus! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ihr habt es wahrscheinlich schon bemerkt, dass ich meine Geschichten stets ungefähr in der Zeit der Serie spielen lassen. Soll heißen: Internet, Handys und so ein bequemer Kram gibt es bei mir nicht oder spielen zumindest keine Rolle. In diesem Kapitel wird es mal wieder deutlich. Stellt euch so die mittleren 90er Jahre vor (1986+10). Man kann nicht mal eben googeln, wo ein Viktor Uesugi seine (digitalen) Spuren hinterlassen hat und wenn man beim Telefonieren den Platz wechseln wollte, musste man hoffen, dass das schwarze Telefonkabel am Apparat lang genug war. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Schneeflocken für Push 😊 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Wenn einer geht, bleibt ein anderer zurück. 🥺 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Eigentlich ein kleiner One-Shot innerhalb dieser Story, aber ich wollte nicht, dass alles so reibungslos verläuft. Auch frisch Verliebte müssen sich zusammenraufen Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Also, bevor es Fragen zur Zeitschiene gibt: Steve ist jünger als Viktor und Eric, hat die Schule ca ein Jahr später verlassen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Manchmal braucht man einen kleinen Anstupser, um in die Gänge zu kommen. 😊 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Wieder eine Ur-Szene, die ich vor ziemlich genau 2 Jahren zu Papier gebracht habe.

Ich weiß, dass ich damit mit den nächsten Kapiteln in Zeitnot komme, aber was solls… Die Szene will schon so lange raus.😉 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich melde mich zurück.😊 Es hat etwas gedauert, aber ich lasse diese Geschichte natürlich nicht unbeendet!
Ganz herzlichen Dank an Tasha88, die nicht aufgehört hat, mich zu triezen hier weiter zu machen. 😉 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Was wäre, wenn?… Ach, was soll ich große Worte machen? Hier ein alternatives Ende, für alle, denen Marios Tor gegen Viktor nicht genug war.
Und für dich, Tasha88 ❤️

Spielt nach dem Antrag. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, da ist auch schon der Epilog. Eine kleine Revanche für alle Fans von Mario, der hier ja nicht so gut wegkam.^^
Hoffe von dem ein oder anderen noch etwas zu hören. Wir lesen uns beim nächsten. Komplett anzeigen

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Elsa

Elsa stürmt ins Badezimmer und schließt hinter sich die Tür zu. Da war es wieder. So in etwa stellte sie sich eine Tsunamiwelle oder einen Zusammenprall mit einem 40-Tonner vor. Das Gefühl rast durch ihren Körper und nimmt jeden Gedanken mit sich, den sie vorher noch fassen konnte. Sie hat Gänsehaut überall auf ihrem Körper und am Liebsten würde sie einfach nur schreien.

Verdammt! Wann hörte das endlich auf? Dieser Vorfall war jetzt eine Woche her. Irgendwann musste das doch weniger werden.

Sie setzt sich auf den Rand der Badewanne und wartet bis ihr Herzschlag wieder die normale Geschwindigkeit annimmt. Sanft drückt sie ihren Handrücken gegen ihren Mund. Die Gänsehaut kommt zurück. Seine Lippen …
 

„Elsa? Alles in Ordnung?“ Mario klopft an die Badezimmertür.

Elsa fährt mit einem Ruck zusammen. „Jaja, natürlich“, ruft sie durch die geschlossene Tür.
 

Sie wollte nur kurz allein sein. Allein mit sich und diesem verbotenen Gefühl. Indem sie fühlte, was sie fühlte, verriet sie ihren Freund und ihre beste Freundin gleichermaßen. Sie wollte das nicht. Dieses Herz, das den ganzen Tag nur sprang und hüpfte. Am Liebsten würde sie es sich aus dem Leib reißen. Dieses anhaltende Lachen, das sich ständig auf ihr Gesicht stahl, wenn sie nicht aufpasste. Was würde sie dafür geben, es ausschalten zu können. Ihr Innerstes wollte den ganzen Tag nur singen und tanzen. Sie sprudelte über vor Glück. Und genau dafür hasste sie sich. Ausgerechnet sie, Elsa, die immer für Offenheit und Ehrlichkeit plädierte, die jegliches Fremdgehen aufs schärfste verurteilte, sie konnte nichts gegen diesen Zustand, den sie nicht wollte, ausrichten.

Darum schloss sie sich in den letzten Tagen immer wieder hier ein. Und natürlich bemerkte Mario, dass etwas nicht stimmte. Seine Sorge um sie verzehnfachte nur das schlechte Gewissen, das sie sowieso schon hatte.

Ein Kuss ohne Bedeutung

Eine Woche zuvor
 

Es ist später Abend in Osaka. Langsam beruhigt sich die quirlige Stadt. Die U-Bahnen verlangsamen ihren Takt. Nur hin und wieder fährt noch ein Auto durch die Straßen. Die Menschen haben ihre Büros und Geschäfte gegen ihre warm beleuchteten Wohnungen getauscht, wo sich um diese Zeit die Familie am Esstisch trifft und von den Geschehnissen des Tages berichtet.
 

Auch in einer geräumigen Wohnung im Stadtteil Hirano brennt Licht. Fünf junge Menschen sitzen in einer großen Wohnküche um einen Tisch herum und haben soeben ihr Abendessen vertilgt. Der große Nudeltopf steht nun leer in der Mitte des Tisches.

„Uff, ich kann nicht mehr“, stöhnt Mario. Erschöpft lehnt er sich in seinem Stuhl zurück und hält sich den Bauch.

Seine Freundin Elsa sitz neben ihm und schmunzelt amüsiert. „Nicht doch noch ein bisschen Nachtisch?“, neckt sie.

„Erbarmen“, stöhnt Mario erneut.

„Da haben wir also den Hungertod gerade noch abwenden können“, grinst Sarah von der anderen Seite des Tisches herüber. „Als ihr vorhin vom Training kamt, war ich mir nicht sicher, ob wir das noch schaffen.“ Sie zwinkert ihrer besten Freundin wissend zu. Elsa erwidert das Zwinkern und kuschelt sich an Mario, der sogleich den Arm um sie legt und ihr so ein Nest an seiner Seite bereitet.

„Ich bin froh, dass wir jetzt endlich wieder richtig trainieren können, wo alle aus den Semesterferien wieder da sind.“ Eric streckt sich in seinem Stuhl. „Aber vielleicht war das Training für den ersten Tag doch etwas heftig.“

Viktor schnaubt: „Irgendwelche Beschwerden zu meinem Training?“

„Ich sagte doch ich bin froh…und einige von uns mögen das ja auch.“ Da fällt ihm etwas ein: „Sag mal Mario, was ist denn nun mit Gregor? Er hatte doch versprochen, zu diesem Semester ebenfalls nach Osaka zu kommen und bei uns zu spielen.“

„Ja“ antwortet Elsa an Marios Stelle. Als Gregors Schwester wusste sie über seine Pläne natürlich ebenfalls bestens Bescheid. „Gregor hat sich nach seinem Schulabschluss bei der Allgemeinen Fachhochschule in Osaka beworben und ist angenommen worden. Unser Vater war dagegen, dass er ein reines Sportstudium wählt. Und da diese Hochschule keine eigene Fußballmannschaft hat, wird er bei euch spielen.“

„Er bezieht nächste Woche das zweite Zimmer in meiner WG“, ergänzt Mario. „Und wie ich ihn kenne, wird er seinen Koffer im Zimmer abstellen und anschließend fragen, wo es zu Trainingsplatz geht.“

Alles lacht.

„Sehr gut, ich freu mich. Endlich mal ein neuer Stürmer. Ich will ja nicht meckern, aber immer nur mit Gordon… das kann schon langweilig werden.“

„Du vermisst Steve, was?“ Viktor gibt Eric einen freundschaftlichen Knuff in die Seite.

„Ja schon irgendwie. Schade, dass er weggegangen ist.“

„Eines verstehe ich nicht“, überlegt Sarah, „Wenn Gregor zu dir zieht Mario, was ist dann mit Conny? Die wird doch nicht auch noch in deine kleine Wohnung einziehen?“

„Du überschätzt meinen Vater“, grinst Viktor, „Mein Schwesterchen wird während ihres Jahres beim Kansai-Sinfonieorchester natürlich brav bei unserer Tante hier in Osaka wohnen… und selbstverständlich keinerlei männlichen Besuch empfangen.“

Elsa und Sarah sehen ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Die Arme“, entfährt es Elsa.

Sarah nickt zustimmend: „Wir werden sie auf gaaaaanz viele Parties mitnehmen müssen.“

Mario muss laut auflachen: „Sie tut mir jetzt schon Leid. Mit euch beiden Partylöwinnen!“

Sofort schnellt Elsas Finger auf die andere Tischseite. „Sarah!“, entgegnet sie.

Diese guckt gespielt empört. „Also hör mal, als angehende Eventmanagerinnen müssen wir stets ‚up to date‘ sein. Es liegt quasi in der Natur der Sache, dass wir die besten Parties kennen.“
 

Viktor schüttelt nur grinsend den Kopf und erhebt sich: „Ich mache mir noch einen Kaffee. Will sonst noch jemand?“

Allgemeines Kopfschütteln ist die Antwort. Doch Elsa steht ebenfalls auf, nimmt den leeren Topf vom Tisch und trägt ihn Viktor hinterher in die Küche.

„Danke Elsa, aber das muss wirklich nicht sein. Du bist hier Gast“, versucht er sie aufzuhalten.

„Ach was.“ Mit Bestimmtheit wuchtet sie den schweren Topf ins Spülbecken. „Ich bin doch durch Sarah so oft hier, dass dies hier schon beinahe mein zweites Wohnzimmer ist. Nein, drittes Wohnzimmer!“, korrigiert sie rasch, „Sarahs und meine WG, Marios Wohnung, deine und Erics WG“, zählt sie nacheinander auf. In dieser Konstellation wohnten sie inzwischen seit zwei Jahren in Osaka, in das sie, wie so viele ihrer ehemaligen Mitschüler, gezogen waren, um weiterführende Schulen zu besuchen. Es war ein schlichter Fakt, dass man nach Osaka gehen musste, wenn man in Wakayama die Schule abgeschlossen hatte. Das waren die Grenzen der kleineren Stadt. Elsa war froh, nicht nach Tokyo zu müssen. Ihre Heimatstadt war von Osaka mit dem Zug innerhalb von einer Stunde zu erreichen und tatsächlich fuhr sie oft und gerne übers Wochenende zu ihren Eltern. Dass Gregor mit seiner Freundin, die gleichzeitig Viktors Schwester war, nun ebenfalls hierher kam, freute sie ganz besonders. Damit fühlte es sich wieder so an, wie in der Zeit vor ihrem Schulabschluss, als sie ebenfalls viel als Freunde zusammen unternommen hatten. Sarah kannte sie bereits seit der Mittelstufe und sie waren in den Jahren beste Freundinnen geworden, die auch das Abenteuer ‚Studium‘ gemeinsam angingen. Mit Mario war Elsa inzwischen seit unglaublichen sechs Jahren ein Paar. Sie staunte immer wieder, wie gut und reibungslos ihre Beziehung funktionierte, besonders, wenn sie sich im Gegensatz dazu Viktor und Sarah ansah, die sich regelmäßig stritten, mit der Trennung drohten, nur um sich am Ende doch wieder zu versöhnen. Das war auch der Grund gewesen, warum Sarah es vorgezogen hatte, mit Elsa in einer WG zu wohnen. Elsa fand diese Idee ebenfalls gut, weil sie auch ihre Nerven schonte. Denn meistens war sie es, bei der Sarah sich dann ausweinte. Oder ausschimpfte, das konnte man nie so genau auseinander halten. Ihre Jungs spielten alle gemeinsam Fußball in einer Mannschaft, die zu größten Teilen aus den verbliebenen Spielern ihrer alten Schulmannschaften der Kitahara und der Nanyo bestanden.

„Wirklich keinen Kaffee, Elsa?“, reißt Viktor sie aus ihren Gedanken, „Du sagst doch sonst nie ‚nein’ zu deinem Lieblingsgetränk.“

Elsa lächelt und schüttelt den Kopf. „Nicht so spät abends.“
 

Als sie an den Tisch zurückkommen, empfängt sie lautes Gelächter.

„Ist nicht wahr!“, ruft Eric, „Und das hast du wirklich gemacht Mario?“

„Naja….“ Marios Kopf hat eine purpurrote Farbe angenommen. Mit seinem Stuhl ist er soweit wie möglich vom Tisch abgerückt. „Es war wirklich nur….“

„Und du hast das zugelassen Elsa?“ Mit einem breiten Grinsen dreht Eric sich zu Elsa um und sieht sie erwartungsvoll an.

Elsa steht verständnislos im Raum und schaut fragend von einem zum anderen. „Was soll ich zugelassen haben?“

„Na, dass Mario Sarah küsst!“

Elsa stöhnt nur bei der Erinnerung und verdreht die Augen, doch Viktor trifft die Nachricht wie ein Schlag: „Wie bitte?! Mario hat meine Freundin geküsst?“

Eric zieht amüsiert die Schultern hoch und deutet vielsagend auf die beiden am Tisch. Sarah hat ihr Gesicht in ihren Händen vergraben und Marios Kopf zeigt eine eher ungesunde kalkweiße Farbe.

„Das war doch dieses blöde Spiel auf Alex’ Geburtstagsparty neulich“, versucht Elsa zu erklären, „Da warst du nicht mit, Viktor.“

„Ja“, nickt dieser erst zögerlich, doch dann findet er schnell zu seiner Empörung zurück, „und dann nutzt du diese Situation sofort schamlos aus und küsst meine Freundin?! Mario, was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“ Wütend stapft Viktor auf den Tisch zu.

Mario beißt die Zähne zusammen. Anscheinend hatte Sarah ihrem Freund nichts von der Geschichte erzählt. Und nun bekam dieser das in den ganz falschen Hals.

„Viktor, das war doch nur ein Spiel!“ Etwas erschrocken über seine barsche Reaktion läuft Elsa ebenfalls zum Tisch und greift nach Viktors Arm. „Sarah hatte bei so einem Partyspiel verloren und musste sich freikaufen. Und da kam Alex auf die Idee, dass sie einen der anwesenden Jungen küssen sollte.“

Viktor lässt sich nicht anmerken, dass er ihr überhaupt zuhört. Stattdessen stützt er die Arme bedrohlich auf der Tischplatte auf und fixiert Mario aus zusammengekniffenen Augen.

„Und da hat sich Gott-sei-Dank Mario bereit erklärt“, meldet sich nun auch Sarah zu Wort. „Er war mein Retter in der Not! Stell dir vor, ich hätte Yusuke küssen müssen.“

„Und was sagst du dazu Elsa?“ Viktor hört auf, Mario mit seinem Blick zu durchbohren und wendet sich stattdessen Elsa zu.

Diese hebt rasch entwaffnend die Hände: „Es war nur ein Spiel, Viktor. Das hatte überhaupt nichts zu bedeuten.“

„So“, sagt er tonlos, „hat es nicht?“

Leicht unsicher sieht Elsa ihn an. Etwas an seinem Gesichtsausdruck gefällt ihr nicht. Und dann geht alles sehr schnell. Bevor sie begreift, was geschieht, nimmt Viktor ihr Gesicht in beide Hände und drückt ihr einen Kuss auf die Lippen. Nur zwei Sekunden später zieht er seinen Kopf ruckartig wieder weg und blickt triumphierend in die Runde.

Alle im Raum starren die beiden mit offenen Mündern an.

Sarah findet als erste ihr Sprache wieder: „Was sollte das denn jetzt?“ Ihre Stimme klingt als müsste sie sich sehr zurückhalten, nicht zu schreien. Doch Viktor ignoriert sie und sieht stattdessen seelenruhig zu Mario hinüber.

„Ausgleichende Gerechtigkeit“, grinst er, „Jetzt sind wir quitt.“

Mario

Elsa tritt durch das Tor des Maschendrahtzaunes auf das Gelände des Fußballvereins. Suchend sieht sie sich um. Rechts von ihr befindet sich das Gebäude mit den Umkleiden und dem Büro, links der große Fußballplatz. Jedes Mal, wenn sie hier ist, verspürt sie ein Gefühl des Stolzes. Es war hauptsächlich Mario zu verdanken, dass diese Mannschaft heute so existierte. Über ihre gesamte Schulzeit hinweg waren die Teams der Kitahara und der Nanyo eingeschworene Rivalen gewesen. Die beiden stärksten Teams der Region, zu deren Aufeinandertreffen stets hunderte Zuschauer kamen. Doch trotz aller Rivalität hatten sich zwischen den Mannschaften auch feste Bande der Freundschaft gebildet, die über die Schulzeit hinaus gehalten hatten. Als nach dem Abschluss die Spieler nach und nach drohten in alle Winde verstreut zu werden, beschlossen Mario und Viktor, die beiden Kapitäne, aus den zwei Schulmannschaften einen eigenen Verein zu gründen und mit jenen weiterzuspielen, die das wollten. Tatsächlich waren es viele und einige zogen sogar nur des Vereins wegen nach Osaka. In diesem Sommer hatten sie es sogar geschafft, in die Regionalliga der Erwachsenen aufzusteigen. Elsa schmunzelt und wendet sich dem Platz zu. Zumindest auf dem Papier waren die Jungs also nun erwachsen. Weder Mario noch Viktor wollten ihre Torwartposten aufgeben und so einigten sie sich darauf, sich bei den Spielen abzuwechseln. Nicht ganz soviel Einverständnis hatte es bei der Position des Kapitäns gegeben. Elsa erinnert sich mit Schaudern an diese ersten Wochen nach Gründung der Mannschaft, in der sich die alten Teams beinahe heillos zerstritten. Letztendlich hatte Mario nachgegeben, als er merkte, dass es die neue Mannschaft zerreißen würde, und Viktor den Kapitänstitel überlassen. Elsa hatte es damals nicht als Niederlage empfunden, sondern war im Gegenteil sehr stolz auf ihren Freund gewesen, der das Wohl der Mannschaft in den Mittelpunkt gestellt und sich selbst zurückgenommen hatte. Und ganz nebenbei profitierte sie ebenfalls von dieser Entscheidung: Mario hatte seit dem mehr Zeit für sie. So wie heute. Sie hatten sich verabredet, heute Abend zum Sonnenuntergang am Strand spazieren zu gehen und anschließend noch irgendwo etwas zu essen.
 

Mit gerunzelter Stirn scannt Elsa die Spieler, die sich noch auf dem Platz befinden. Mario ist nicht darunter. Also würde sie wohl oder übel ins Gebäude gehen müssen. Sie zögert. Eigentlich hatte sie genau das vermeiden wollen. Denn wenn sie in die Nähe der Büros kam, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie ….

„Hallo Elsa!“, ertönt hinter ihr eine Stimme.

Elsa zuckt zusammen.

„Hi“, grüßt sie knapp, ohne ihn anzusehen.

„Du willst bestimmt Mario abholen“, fährt Viktor beiläufig fort, „Er ist auch schon fertig. Er wollte nur noch einmal kurz hinten zu den Jungs am Tor.“ Mit einem Kopfnicken deutet er auf den Platz.

Elsa betrachtet krampfhaft ihre Fußspitzen. Ihr Herz schlägt ihr bis zum Hals. Wie konnte er so normal wirken? Als wäre nichts passiert. Oder tat er nur so?

„Komm mit“ Viktor dreht sich um und läuft vor Elsa den gepflasterten Weg zwischen Gebäude und Platz entlang. Sie folgt ihm in kurzem Abstand. Sie versucht nicht auf seinen breiten Rücken zu sehen. Doch ihre Augen wandern immer wieder von selbst über das Trikot. Während er läuft, zeichnen sich seine Schultern unter dem Stoff ab. Elsa schüttelt hektisch den Kopf. Woran dachte sie denn da? Schnell lenkt sie ihren Blick wieder auf den Weg. Sie spürt, dass sich ihre Schritte seinen Schritten automatisch anpassen. Es fühlt sich irgendwie gut an.

„Hey Mario! Zeit für deinen Programmwechsel“

Mario sieht auf und augenblicklich erscheint ein Strahlen auf seinem Gesicht. „Elsa! Ich komme sofort.“

Sie lächelt.

Er wendet sich noch einmal zurück zum Tor und deutet mit der Hand erklärend auf verschiedene Stellen am Torpfosten. Die zwei Spieler neben ihm folgen seinem Blick und nicken. Elsa legt den Kopf zur Seite und beobachtet ihn. Sie mochte es, ihm zuzusehen, wie er mit den Spielern umging. Er war dann ganz in seinem Element. Seine Stimme war fest und ließ keine Zweifel daran aufkommen, was er wollte. Er zog die Schultern nach unten, was ihn größer erscheinen ließ und blickte seinem Gegenüber direkt in die Augen. Elsa bewunderte Mario immer wieder für diese natürliche Autorität, die er ausstrahlte, ohne unangenehm zu wirken. Er war der geborene Kapitän.

„Mario, warte!“, unterbricht Viktor plötzlich die Diskussion der anderen. Elsa fährt erschrocken zusammen. „Ich denke, wir sollten das anders machen.“

Viktor tritt zu ihnen ans Tor und erklärt ihnen seine Ansicht. Erstaunt stellt Elsa fest, dass die Spieler sofort auf ihn eingehen. Innerhalb einer Sekunde achtet keiner mehr auf Mario. Wäre der Platz eine Bühne, dann hätten sich sämtliche Scheinwerfer gerade wie auf ein geheimes Zeichen hin auf Viktor ausgerichtet. Niemand kann sich der Wirkung entziehen. Er sagt nur wenige Worte, doch selbst Elsa ertappt sich dabei, zustimmend zu nicken.
 

Fünf Minuten später laufen sie gemeinsam das kurze Stück zurück zum Eingangstor.

„Los raus mit dir! Und viel Spaß euch beiden“, verabschiedet sich Viktor am Hauptgebäude.

Am Zaun angekommen, hält Mario Elsa die Tür auf und lässt sie als erste hindurchgehen.

„So, nun gehöre ich dir allein“, lächelt Mario und streckt die Hand nach ihr aus, „Lass uns einen schönen Abend verbringen.“ Elsa nickt strahlend und ergreift seinen Arm. Ihr Blick streift kurz das Gebäude. Hinter Mario sieht sie, wie Viktor zurück ins Büro geht, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Sarah

„Und du willst wirklich nicht mit zu Masakos Geburtstagsparty?“

Elsa schüttelt den Kopf. „Ich muss lernen“, meint sie nur und versenkt sich wieder in ihre Lektüre.

Sarah steckt den Kopf zur Wohnzimmertür herein, wo Elsa auf dem Sofa liegt. „Du weißt schon, dass wir Party studieren, Frau Eventmanagerin?“

Elsa streckt die Zunge heraus. „Ja, aber ich glaube nicht, dass ich auf Masakos Party das hier lerne.“ Demonstrativ hält sie ihr aufgeschlagenes Buch hoch.

Sarah blinzelt. Buchhaltung und Jahresabschluss prangt ihr auf dem schmucklosen Umschlag entgegen.

„Urks“ kommentiert sie nur. Schnell wendet sie sich wieder ab. „Du kannst mir ja erzählen, was prüfungsrelevant ist.“

„Neeee“, kontert Elsa, „da quälst du dich schön selber durch.“

Diesmal ist sie es, die die herausgestreckte Zunge erntet.
 

Elsa wusste, wie sie die kleinen Kabbeleien zwischen ihnen zu deuten hatte. Sie kannte Sarah schon seit ihrem ersten Tag in der Mittelstufe. Damals war das Mädchen mit den roten Haaren neu an ihre Schule gekommen. Quasi vom ersten Tage an, waren die beiden Schülerinnen unzertrennlich gewesen. Gemeinsam hatten sie sich durch die Widrigkeiten des Teenagerlebens gekämpft, hatten gemeine Mathelehrer genauso überstanden wie gebrochene Herzen, eigene und jene, für die sie selbst gesorgt hatten. Sarah war auch stets an ihrer Seite gewesen, bis Mario sich am Ende des achten Schuljahres einen Ruck gegeben hatte und Elsa endlich gefragt hatte, ob sie nun zusammen seien. So richtig. Beinahe hätte Sarah lauter gejubelt als Elsa über die gute Nachricht. Sie haben einfach alles mit einander geteilt. Geheimnisse konnten sie nie lange vor der anderen verbergen, und eigentlich wollten sie das auch gar nicht. Als sie sich unter den Hauptveranwortlichen für den Abschlussball ihres Jahrganges wiederfanden und auch bei weiteren Gelegenheiten feststellten, dass ihnen das Organisieren Spaß machte, suchten sie unabhängig von einander eine Uni, die Eventmanagement als Studiengang anbot und als sie sich am gleichen Tag mit dem selben Angebot in der Tasche wieder zusammensetzten, um über ihre Zukunftspläne zu sprechen, da war klar gewesen, dass ihr Weg auch weiterhin nur ein gemeinsamer sein konnte. Elsa fühlte sich glücklich, so eine Freundin zu haben, auch wenn sie, so wie heute, über einige ihrer Macken nur den Kopf schütteln konnte.
 

„Ich geh noch mal ins Bad. Kann sein, dass Viktor gleich kommt. Machst du auf, wenn er klingelt?“

„Hmmm.“ Elsa hört die Tür des Badezimmers schlagen.

Seufzend lehnt sie sich zurück in die Sofakissen. Ihre Augen folgen den Zeilen vor ihnen, aber in Gedanken zählt sie die Sekunden, die Sarah im Bad verbringt.

>Tu mir das bitte nicht an<, denkt sie, >wehe es klingelt, bevor du da wieder rauskommst.<

Brrrrrrrt. Brrrt.

Elsa fährt zusammen. Sie unterdrückt einen Fluch, wartet noch zehn Sekunden und erhebt sich dann doch vom Sofa. Mit weichen Knien geht sie zur Tür.

„Oh Elsa, du?“ Viktor ist sichtlich irritiert, dass sie es ist, die ihm öffnet.

Elsa wendet sich schnell wieder ab. Beinahe panisch vermeidet sie es ihn anzusehen.

„Sarah ist noch im Bad. Sie ist gleich soweit“, murmelt sie.

„Hm“

„Wieso gehst du eigentlich mit? Du kennst Masako doch gar nicht“, versucht sie mit einer eher nebensächlichen Frage abzulenken.

„Nein, ich kenne sie nicht. Aber ich habe ja erfahren, dass man auf Sarah besser aufpasst, wenn sie feiert… und Spiele verliert.“

Elsas Herz krampft sich zusammen. Egal, was er sagte, alles führte sie zu diesem einen Moment zurück.

„Ich habe ihr auch schon gesagt, dass sie sich diesmal nicht auf so etwas einlassen soll.“

Mitten im Flur dreht sie sich zu ihm um. Sie hatte eine Reaktion auf ihre Worte erwartet und als diese nicht kam, hatte sie sich ohne nachzudenken zu ihm umgewandt.

Sie bereut es sofort. Fast bleibt ihr das Herz stehen.

Viktor steht nah vor ihr.

Sehr nah.

Er sieht ihr geradewegs in die Augen. Nachdenklich mustert er sie.

Elsa hält die Luft an.

Genauso hatten sie sich neulich gegenübergestanden. Und dann hatte er ihr Gesicht in beide Hände genommen und …

„Elsa, ich…“, beginnt er.

„Bin soweit!“ Mit einem lauten Knall schlägt Sarah die Badezimmertür auf. Elsa und Viktor zucken beide erschrocken zusammen. Augenblicklich besinnt sich Elsa und flüchtet zurück ins Wohnzimmer. Mit rasendem Herzen greift sie nach ihrem Buch und setzt sich in jene Ecke des Sofas, die am weitesten vom Flur entfernt ist.

Sarah streckt noch einmal ihren Kopf zur Tür herein. „Wir sind dann weg“, trällert sie. Sie kann nur Elsas rote Stirn hinter dem aufgeschlagenen Buch erkennen, die sich nickend auf und ab bewegt. Dann schließt sie die Tür und lässt ihre Freundin allein.

Kaffee

Toktoktok…. Brrrtbrtbrrrrrrr…. Die Kaffeemaschine in der Uni-Cafeteria gibt ungesunde Laute von sich. Elsa steht davor und scharrt mit den Füßen.

„Komm schon. Jetzt mach halt schneller!“

Unwirsch drückt sie erneut auf mehrere Knöpfe, doch die Maschine fährt ungerührt in ihrem rasselnden Reinigungsprogramm fort.

Ungeduldig blickt Elsa sich um. Ihr blieb nicht mehr viel Zeit. In ein paar Minuten würde ihre Vorlesung beginnen und vorher wollte sie sich noch vor dem Hörsaal mit Mario treffen, bevor dieser in seinen nächsten Kurs musste.

Je länger dieses Hightech-Wunder vor ihr mit Selbstwartung beschäftigt war, umso weniger Zeit blieb ihr mit ihrem Freund übrig. Sie seufzt. So wie es aussah, würde es nur für einen flüchtigen Kuss im Vorübereilen reichen. Aber sie konnte sich auch nicht einfach umdrehen und gehen. Sie brauchte ihren Kaffee. Kaffee war ihr Treibstoff, der sie durch den Tag brachte, ohne Kaffee würde sie die Vorlesung nicht überleben und Sarah, die ihr mit Sicherheit bereits einen Platz freihielt, sie nicht aushalten. Ohne Kaffee war Elsa kein ganzer Mensch. Darum nahm sie es in Kauf, vor einer ratternden Maschine zu stehen und zu warten, anstatt sich drei Minuten länger mit ihrem Freund zu treffen.
 

Unvermittelt stoppt die Maschine. Die seltsamen Geräusche verstummen und rätselhafte Vorrichtungen bewegen sich in ihre ursprünglich gedachte Position zurück. Beinahe entfährt ihr ein Jubelschrei.

Mit einem beherzten Ruck packt sie ihre Unterlagen und Bücher auf den linken Arm, an dem auch schon ihre Handtasche baumelt. Mit der nun freien rechten Hand schnappt sie sich einen Pappbecher und betätigt gekonnt gleichzeitig ihre Lieblingsknöpfe. Latte macchiato mit einem doppelten Espresso. Die Tastenkombination dafür konnte sie nach zwei Jahren an der Uni im Schlaf. Sarah witzelte ständig, dass es ein Wunder sei, dass die Maschine den Kaffee in dieser Kombination nicht bereits vorsorglich ausspuckte, sobald Elsa die Cafeteria überhaupt betrat.
 

Mit dem kleinen Finger hält Elsa den Becher an seinem Platz, während nun von oben die lang ersehnte Flüssigkeit dampfend herausströmt. Sie macht einen langen Hals zu ihrer Linken, versucht die Hand leicht zu drehen um auf ihre Armbanduhr linsen zu können. Wieviel Zeit blieb ihr? Noch fünf Minuten? Vielleicht vier?

Elsa dreht die Hand zu weit. Der kunstvoll arrangierte Stapel auf ihrem Arm gerät ins Rutschen, reflexhaft greift sich danach und muss den Becher mit dem heißen Inhalt loslassen. Diesem fehlt nun der stabilisierende Halt, er schwankt bedenklich. Halb über ihren Büchern und Heften lehnend entfährt Elsa ein Schrei. Kurz wägt sie ab, ob sie lieber den kostbaren Kaffee vor dem Herunterfallen oder eher sich selbst vor der bevorstehenden Verbrühung rettet, da erscheint eine Hand aus dem Nichts und bannt die Gefahr, indem sie den Becher mit sicherem Griff fixiert.

Erleichtert atmet Elsa aus. Das war ja gerade noch einmal gut gegangen.

„Danke“, keucht sie. Doch ihre Entspannung währt nur kurz.

„Ist das Koffeindefizit schon so schlimm, Elsa Daichi?“ ertönt belustigt Viktors Stimme direkt neben ihrem rechten Ohr.

Elsas Herz bleibt kurz stehen. Sie sieht ihn über ihre Schulter hinweg an und laut polternd landet der Stapel Bücher nun doch auf dem Boden.

Alle anderen Besucher der Cafeteria drehen sich zu dem Geräusch um und beäugen die beiden Störenfriede an der Kaffeemaschine halb neugierig, halb stirnrunzelnd. Sofort bückt sich Elsa und beginnt mit hochrotem Kopf ihre Sachen aufzusammeln. Angestrengt konzentriert sie sich auf ihre Bücher. Sie spürt ihren galoppierenden Herzschlag bis unter den Haaransatz. Insgeheim ist sie froh, dass sie hier unten auf dem Boden hockt, denn so hat sie einen guten Vorwand, ihn nicht ansehen zu müssen. Was machte er eigentlich hier? War das ein Zufall? Das konnte doch nicht sein.

„Du hast noch drei Minuten“ meint Viktor, als sie sich wieder erhebt, und deutet mit dem Kopf zur Kasse. Mit ihrem Kaffee in der Hand macht er sich auf den Weg dorthin und Elsa stolpert immer noch völlig perplex hinterher.

Ihr Retter stellt den Becher vorsichtig auf dem Tresen ab und sieht sie erwartungsvoll an. Elsa tritt dazu und erwidert den Blick. Was wollte er?

„Zwo fünfzisch“, schnarrt der Kassierer dazwischen.

Sie zuckt zusammen. Stimmt, sie musste ja auch noch zahlen. Wo hatte sie nur ihre Gedanken.

„Äh… Moment…“ Elsa nestelt mit einer Hand an ihren Taschen herum. Wechselt den Stapel Bücher und Hefte von einem Arm zum anderen. Ihre zittrigen Hände verfangen sich in den Trägern ihrer Handtasche.

„Danke“ sagt der Kassierer plötzlich und Elsa hört das klingeln der Kasse, die erst aufgeschoben und dann wieder geschlossen wird. Irritiert blickt sie von ihrer Tasche auf. Viktor nimmt sein Wechselgeld entgegen, ergreift den Kaffee und drückt ihn ihr die Hand.

„Gib es mir irgendwann zurück“

Verschämt senkt sie den Kopf. „Danke“, sagt sie leise. Es war ihr alles so unglaublich peinlich. Was er jetzt wohl über sie dachte? Sie spürt, wie ihre Wangen wieder warm werden.

„Und denk dran: Der Kaffee ist heiß, Verbrühungsgefahr.“ Er zwinkert ihr zu und schiebt sie mit Bestimmtheit aus der Cafeteria. „Hast du nicht Vorlesung?“

Erschrocken schreit sie auf. Und Mario wartete bestimmt immer noch auf sie!

Mit rotem Gesicht hechtet Elsa auf und davon Richtung Vorlesungssaal.

Sie bemerkt nicht, wie Viktor ihr noch lange nachdenklich hinterher sieht.

Vorhaben

„Irgendwann bringe ich ihn um!“, schimpft Sarah und umkrallt fester ihren Kaffeebecher.

„Was? Ich dachte ihr hättet euch schon wieder versöhnt.“ Elsa belegt rasch den letzten freien Tisch in der herbstlichen Nachmittgssonne vor der Unicafeteria und sieht ihre Freundin verwundert an.

Verdutzt bleibt Sarah stehen und blinzelt zwei Atemzüge lang fragend mit den Augen. Dann prustet sie laut los: „Nicht Viktor! Ich rede von Professor Mizuno!“ Sie macht eine wegwerfenden Handbewegung, während sie sich ebenfalls an den Tisch setzt. „Ach, das mit Viktor ist doch schon längst wieder in Ordnung. Er musste ziemlich schnell einsehen, dass er einfach falsch lag bei der Sache. Aber dieser Professor!“ Ohne auf die neugierigen Blicke der anderen Gäste des Cafés zu achten, wirft sie theatralisch die Hände in die Luft um ihren Unmut auszudrücken. „Irgendwann schlafe ich von dieser langweiligen, näselnden Geschichtenerzählerstimme ein. Und dann falle ich durch die Prüfung, weil ich das wichtigste verpasst habe!“

Erleichtert atmet Elsa aus. Anscheinend hatte ihre Freundin nicht bemerkt, dass sie bei der Erwähnung des Namens kurz zusammen gezuckt war. Trotzdem nestelt sie weiter nervös an ihrem Kaffeebecher herum. Die Begegnung heute Vormittag war ihr noch in allzu lebhafter Erinnerung. Allein der Gedanke daran, wie Viktor direkt hinter ihr gestanden und in ihr Ohr gesprochen hatte, lies ihr Herz aufgeregt hüpfen.

„Oder?“

Elsa schaut auf. Sie sieht in Sarahs erwartungsvolle Augen.

„Was?“

„Elsa! Ich rede mit dir! Bei welchem hübschen Jungen hast du nur deine Gedanken?“

Elsas aufgeregtes Herz hält abrupt inne. Ahnte sie etwa…?

Doch Sarah schüttelt nur wieder theatralisch den Kopf, so dass ihre langen roten Haare wild um ihren Kopf wirbeln.

„Ich kann dich ja verstehen. Dein Mario gehörte schon immer zu den bestaussehendsten Jungs weit und breit. Kein Wunder, dass du die ganze Zeit an ihn denkst. Aber du musst dir nun wirklich keine Sorgen machen, dass du ihn heute vorm Vorlesungssaal versetzt hast. Mario ist nicht der Typ, der einem das übel nimmt. Und dir“, sie deutet mit einem Finger auf Elsa, „nimmt er schon mal gar nichts übel.“

Elsa lächelt, doch irgendwie gerät es etwas gequält.

Sarah ist derweil schon wieder in Gedanken woanders: „Außerdem würde Mario dich nie versetzen. Ganz im Gegensatz zu meinem Freund. Seit Viktor sich auf seine Abschlussarbeit vorbereitet, bekomme ich ihn fast gar nicht mehr zu Gesicht. Entweder er verschanzt sich in der Bibliothek oder beim Training. Der wird schon noch sehen, was er davon hat.“

Mit einem undefinierbaren Protestlaut greift sie nach ihrem Becher und nimmt einen großen Schluck. Als sie ihn wieder absetzt, funkeln ihre Augen verschwörerisch.

„Also, was machen wir jetzt mit ihm?“

Elsa verschluckt sich an ihrem letzten Schluck Latte Macchiato.

„Was? Mit wem? Und warum ‚wir‘?“

„Elsa?“ Sarah beugt sich über den Tisch und kommt ganz nah vor ihr Gesicht. „Red‘ ich Chinesisch? Warum sitzen wir hier? Vor noch 10 Minuten haben wir gesagt: Lass uns uns raussetzen und über die Geburtstagsfeier reden. Und jetzt fragst du mich, um wen es geht… Um Eric natürlich. Erics Geburtstagsfeier in zwei Wochen.“ Mit einem Plumps lässt sich sich zurück auf ihren Stuhl fallen und mustert ihre Freundin eindringlich. „Was ist eigentlich los mit dir? Seit Tagen bist du irgendwie abwesend, schließt dich in deinem Zimmer ein, bist einsilbig, hörst mir kaum zu…. Was ist los, hmmm?“

Elsas Herz rutscht ihr nun endgültig in die Kniekehlen. Verzweifelt starrt sie auf den Boden ihres leeren Kaffeebechers.

„Erinnerst du dich? Wir haben mal gesagt, wir haben keine Geheimnisse voreinander. Was ist das für ein Problem, über das du mit deiner besten Freundin nicht reden kannst?“, bohrt Sarah weiter.

Elsa beißt sich auf die Unterlippe. Am Liebsten würde sie jetzt anfangen zu weinen.

„Ich…. es gibt etwas….“, beginnt sie, doch Sarah fällt ihr sogleich ins Wort.

Ihre Augen funkeln neugierig als sie mit gesenkter Stimme fragt: „Hast du etwa einen schicken, jungen Mann kennengelernt, der selbst Mario in den Schatten stellt?“

Es ist, als würde sich unter ihr der Höllenschlund auftun, um sie sogleich zu verschlingen. „Ich, nun ja,…. kennengelernt würde ich das nicht nennen“, flüstert sie ohne den Blick von ihrem Kafferest zu nehmen.

„Oh bitte nicht!“, ruft Sarah plötzlich laut aus, „fang du jetzt bitte nicht auch noch an!“

Elsa hebt den Kopf und starrt sie mit weit aufgerissenen Augen an.

„Wenn du jetzt auch noch anfängst von diesem Kay Parker zu schwärmen, dann dreh ich durch! Es gibt ja wohl inzwischen kein geradeaus denkendes Mädchen mehr, dass nicht in diesen Sänger verknallt ist. Kay hier, Kay da, das ist doch nicht mehr zu aushalten.“

Elsa sitzt auf ihrem Stuhl und starrt Sarah sprachlos an. Sie weiß überhaupt nicht, was sie auf diese Schimpftirade antworten soll. Ihr Kopf ist einfach nur leer.

„In wen ist Elsa verknallt?“, ertönt plötzlich hinter ihnen eine tiefe Stimme und lässt die beiden Mädchen zusammenzucken.

Als sie ihn erkennt, muss Sarah verschwörerisch grinsen: „Na, nur in dich natürlich“

Elsa sieht noch, wie Sarah ihr zuzwinkert, dann lässt sich Mario bereits auf den Stuhl neben sie fallen.

„Da bin ich mir nicht so sicher“, seufzt er und sieht seine Freundin skeptisch von der Seite an, „Heute früh war ich ihr nicht so wichtig wie eine Tasse Kaffee.“

Wenn Elsas Gesicht bis jetzt noch nicht vollends rot angelaufen war, dann ist es das jetzt. „Mario! Ich habe es dir doch schon erklärt. Diese blöde Kaffeemaschine…“ Hektisch schnappt sie nach Luft um ihr Missgeschick zu erklären, doch Mario sieht sie die ganze Zeit nur amüsiert an.

„Schon gut Elsa, ich weiß doch, dass du deinen Kaffee über alles liebst. Und ganz ehrlich: Mit Kaffeedefizit bist du auch nicht die Freundin, die ich haben will.“ Und mit diesen Worten zieht er sie in seine Arme und drückt ihr einen Kuss auf die rote Wange.

„Das aktuelle Defizit hätten wir jetzt auch behoben“, meldet sich Sarah wieder und deutet vielsagend auf ihre leeren Becher, „dann können wir uns ja den wirklich wichtigen Dingen zuwenden. Wir haben versprochen Erics Geburtstagsparty zu organisieren. Während Professor Mizuno uns heute mal wieder mit seiner Vorlesung gelangweilt hat, habe ich die Zeit genutzt und habe ein paar Notizen gemacht. Mir sind ein paar tolle Ideen gekommen. Wollt ihr sie hören?“

Mario und Elsa nicken neugierig.

Während sie gebannt Sarahs Aufzählung lauschen, legt Mario seinen Arm um Elsas Taille und streichelt immer wieder ihre Seite. Ihr aufgeregt klopfendes Herz hat sich wieder beruhigt. Sie fühlt sich unglaublich geborgen in Marios Armen. Erleichtert legt sie ihren Kopf auf seine Schulter. Dieser Kuss hat sie einfach nur etwas durcheinander gebracht. Das wird wieder weggehen. Sie sollte sich nicht so einen Kopf darüber machen.

Gewonnen…

Als der Schlusspfiff ertönt, reißt die Menge jubelnd die Arme in die Höhe. Um Elsa und Sarah brodelt es ohrenbetäubend. Sofort springt Sarah ebenfalls auf und deutet mit amateurhafter Gebärdensprache Richtung Ausgang. Geschriehene Worte würden im Lärm eh untergehen. Elsa nickt und wirft noch einmal einen Blick auf das Spielfeld, wo Mario gerade sein Tor verlässt und mit den anderen zum Spielfeldrand läuft.

In den Katakomben des Nagai-Stadions von Osaka ist der Lärm der Menge nur noch als dumpfes Dröhnen hörbar. Elsa spürt, wie ihr Herz aufgeregt hüpft. Dieses riesige Stadion, tausende Menschen, feierten den Sieg ihrer Mannschaft. In den Zeiten, als sie mit Gregor noch ein Zimmer teilte, hatte sie sich oft seine Fantasien von vollbesetzten Fußballstadien, die ihn allein anfeuerten, anhören müssen. Und jetzt hatte diese chaotische Schülermannschaft von damals diesen Traum wahr gemacht: Das größte Fußballstadion von Osaka ist bis auf den letzten Platz besetzt und gerade völlig aus dem Häuschen.
 

Zielsicher steuern die Freundinnen die Bank am Spielfeldrand an. Alles liegt sich jubelnd in den Armen. Mittendrin steht Viktor im schwarzen Trainerdress und klatscht mit jedem ankommenden Spieler ab. Er und Mario wechseln sich bei den Spielen ab. Heute hatte Mario den Torwart gemacht und Elsa war zurecht stolz auf ihn. Er hatte einige tolle Paraden vorgeführt und mehr als einen heißen Ball des Gegners entschärft.

„Glückwunsch! Ganz tolles Spiel!“ Sarah geht mit offenen Armen auf die Mannschaft zu und umarmt wahllos jeden, der in den Siegestaumel einfällt.
 

Als Viktor die Mädchen kommen sieht, wendet er sich lachend zu ihnen um. Elsa spürt augenblicklich den Ruck, der durch ihren Körper geht und das inzwischen bekannte Zusammenziehen in ihrem Innern. Rasch wendet sie den Blick ab. Sie war nur durcheinander, bestätigt sie sich erneut in Gedanken, irgendwann geht das vorbei. Hoffentlich bald. Bis dahin musste sie nur standhaft bleiben.

Während Sarah ihm um den Hals fällt, geht Elsa mit gesenktem Kopf an ihnen vorbei zu ihrem eigenen Freund.
 

Mario wischt sich gerade mit einem Handtuch den Schweiß vom Gesicht und strahlt als er sie sieht. „Hast du den letzten Ball gesehen? Der war sowas von knapp. Ich dachte, ich kriege ihn nicht.“ Sein Adrenalinlevel ist offensichtlich immer noch viel zu hoch. Elsa nimmt ihn lachend in den Arm.

„Du warst toll.“

Gott-sei-Dank ist er noch aufgeregt genug, um nicht zu bemerken, mit wieviel Mühe sie sich diese drei Worte abringt.
 

Eine gute Stunde später sitzen alle im Versammlungsraum des Vereins um den großen Tisch herum und feiern weiter ihren Sieg. Einige Flaschen Bier sind bereits geleert worden.

„3:1 gegen Nagoya Power“, schwärmt Eric, „das wird unseren Ruf noch mal ordentlich festigen.“

„Was haben wir die als Schüler immer angefeuert!“ Jeremy und Charlie stoßen zum x-ten Mal an. „Und jetzt haben wir sie geschlagen!“

„Hey Mario, komm doch mal rüber.“ Von der anderen Seite des Tisches winkt Gregor seinem ehemaligen Käpt’n zu. Mario erhebt sich von seinem Platz neben Elsa und wird sogleich von Gregor und zwei weiteren Spielern in tiefgreifende, fußballerische Diskussionen gezogen. Elsa grinst und nimmt einen Schluck von ihrer Cola. Diese Jungs. Irgendwie wurden sie nie erwachsen.
 

Dann wird auf den freigewordenen Platz neben ihr eine Flasche Bier abgestellt und der Stuhl quietschend zurückgezogen. Elsas Nackenhaare stellen sich auf. Sie weiß auch ohne hinzusehen, wer sich gleich neben sie setzen wird. Ohne zu fragen, lässt sich Viktor auf Marios Platz fallen.

Elsa hält die Luft an und wartet, dass etwas passiert. Aber es passiert nichts. Viktor beachtet sie gar nicht, sondern dreht sich zu seinem linken Tischnachbarn um und fällt in das dortige Gespräch ein. Elsa schluckt und sieht krampfhaft geradeaus zu Sarah, die ihr an dem breiten Tisch gegenüber sitzt und abwechselnd zu ihrer Linken mit Eric anstößt und zu ihrer Rechten Kevin wiederholt zu seinen tollen Torvorlagen beglückwünschen muss. Sie ringt sich ein unschuldiges Lächeln ab und prostet ihr mit ihrer Cola zu. Nur um gleich darauf vor Schreck fast in die Luft zu springen: Unter dem Tisch stößt Viktor an Elsas Knie. Das war an sich nichts verwunderliches, Viktor zappelte beim Reden unaufhörlich herum. Was Elsa den Atem stocken lässt ist, dass er sein Bein nicht von ihrem zurückzieht, wie es sich gehört hätte, sondern hartnäckig in der Position verharrt und die ungeheuerliche Berührung beibehält.

Stromstöße jagen durch Elsas Körper. Um sich nichts anmerken zu lassen, leert sie ihr Glas in einem Zug. Als sie es wieder abstellt, ist Viktors Bein verschwunden. Mit klopfendem Herzen starrt sie auf die Tischplatte. Neben ihr geht das Gespräch weiter, als wäre nichts geschehen. War es doch nur Zufall gewesen? Viktor sah sie ja nicht einmal an, sondern drehte ihr die ganze Zeit den Rücken zu. Sie sollte aufhören, Dinge zu sehen, die nicht da waren.
 

Gerade überlegt sie, ob sie aufstehen und sich ein neues Glas Cola besorgen sollte, als sie erneut zusammenfährt. Die Berührung ist wieder da. Nur diesmal ist es nicht Viktors Bein, das an ihrer Seite entlangfährt, sondern seine Hand. Elsa kann nicht anders, als an sich hinunter zu sehen. Diese Handbewegung ist alles andere als zufällig. Sie ist gewollt. Genauso wie es gewollt ist, dass Elsa diese Bewegung sieht.

Sie holt tief Luft und springt von ihrem Platz auf. Sie vollbringt das Kunststück bis nach vorn zum Tresen zu gehen, ohne Viktor auch nur ein einziges Mal anzusehen, verwirft die Idee, sich ein neues Getränk zu holen und flüchtet stattdessen an ihren neuen Lieblingsort: die Toilette.
 

Aber auch dort kann sie sich nicht ewig verstecken. Nachdem sich ihr Puls wieder auf das normale Maß verlangsamt hat und ihre Wangen ihre übliche Farbe zurückgewonnen haben, wagt sie sich wieder auf den Flur hinaus. Nur um innerhalb einer Sekunde sämtliche Bemühungen zur Aufrechterhaltung eines Normalzustandes zunichte zu machen: Im Flur steht Viktor und spielt betont unbeteiligt an seinem Shirt herum, doch es ist allzu offensichtlich, dass er auf jemanden wartet. Und Elsa ahnt auch, auf wen. Sie würde ihm also nicht entkommen. Einige Schritte vor ihm bleibt sie stehen und sieht ihn an. An jenem Abend standen sie sich genauso gegenüber. Und dann hatte er seine Hände um ihr Gesicht gelegt und…
 

Elsa nimmt all ihren Mut zusammen und sieht ihm in die Augen, versucht darin zu lesen. Dachte er ebenfalls an diesen Moment? Was dachte er überhaupt? Warum drehte er sich demonstrativ von ihr weg und berührte sie gleichzeitig auf eine Art, wie Freunde einander nicht berühren sollten?

Viktor öffnet den Mund „Elsa, ich…“

Elsa kneift die Lippen zusammen. Was würde jetzt kommen?

Einen Moment noch sucht Viktor nach Worten, dann lässt er seufzend die Schultern sinken. „Warum rennst du ständig vor mir weg?“

Elsas Herz krampft sich zusammen. „Tue ich das?“

„Ja. Ständig ergreifst du die Flucht, sobald ich in deine Nähe komme. Ständig seit unserem…“

„Hör auf!“, platzt es plötzlich aus ihr heraus als könnte sie damit verhindern, dass er sie an diesen Moment allzu bildlich erinnert, „Es scheint mir das einzig richtige zu sein, vor dir davon zu laufen. Reicht es dir nicht, was du bereits angerichtet hast?“

Seine Augen werden groß. „Angerichtet?“ Er geht noch einen weiteren Schritt auf sie zu. Er ist so nah, dass Elsa unwillkürlich die Luft anhält.

„Was habe ich angerichtet, Elsa?“

Ihr Herz schlägt ihr bis zum Hals. Seine Nähe macht sie wahnsinnig.

„Nun das….“, beginnt sie, „dieser… Vorfall neulich. Der hat doch einige … Nachwirkungen…“ Ihre Stimme zittert bei den letzten Worten.

Viktor runzelt die Stirn, legt den Kopf leicht schief und mustert ihr Gesicht. „Nachwirkungen?“

Elsa schließt verzweifelt die Augen. Warum verstand er es nicht?!

„Du bist der Freund meiner besten Freundin. Ich bin die Freundin von deinem Freund und Teamkameraden.“ In ihrer Verzweiflung überschlägt sich ihre Stimme. Beinahe schreit sie ihn an. „Ich sollte dieses Gefühl nicht haben!“

Erschrocken weicht er einen Schritt von ihr zurück.

„Glaubst du etwa, dass dieser…. Vorfall… einfach spurlos an mir vorüber gegangen ist?!“ Er kneift die Augen zusammen und ballt eine Faust.

„Warum wohl sehe ich seit dem dein Gesicht, wenn ich Sarah küsse? Kannst du dir vorstellen, dass ich Sarah nur suche, weil ich weiß, dass du in der Nähe bist?! Dass ich mich die ganze Zeit frage, was du wohl gerade denkst und tust?“

Wütend schlägt er mit der geballten Faust neben sich gegen die Wand.

„Ja, du hast Recht. Ich habe etwas sehr Dummes angerichtet, Elsa.“

Elsa ist wie erstarrt. Was sagte er da? Hieß das etwa, dass er auch…?

Ihre Lippen zittern.

„Würdest du das noch einmal anrichten?“, flüstert sie kaum hörbar.

Seine Augen weiten sich. Wieder kommt er näher. Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen.

„Ach hier seid ihr!“, ertönt laut Kevins Stimme durch den Flur und lässt die beiden ruckartig auseinander fahren, „Kommt ihr wieder rein, oder wollt ihr die Nacht hier verbringen?“

… und verloren

„Wenn du nicht einmal weißt, was du falsch gemacht hast, dann können wir es hier und jetzt auch genauso gut beenden!“ Sarahs Stimme überschlägt sich. Wutentbrannt schreitet sie zur Tür und reißt sie auf. Viktor starrt stur auf die Fußballzeitschrift in seinen Händen.

Durchhalten, denkt er. Durchhalten, jetzt nichts sagen.

Einen Moment lang steht Sarah noch in der Tür und wartet auf eine Reaktion.

„Du bist so ein Idiot!“, schreit sie laut, dann knallt sie die Tür zu.
 

Viktor atmet laut aus, wirft die Zeitschrift von sich und fährt sich mit den Händen durchs Gesicht. Wie oft sollte er das eigentlich noch durchmachen? Alle paar Wochen rastete Sarah bei der kleinsten Kleinigkeit aus und überschüttete ihn mit Vorwürfen. Denn natürlich war er jedes Mal ganz allein schuld. Es war auch einerlei, was er zu dem jeweiligen Thema zu sagen hatte. Sarah war einfach super wütend auf alles.

Im Laufe der Zeit, die ihre Beziehung nun schon dauerte, hatten sich diese Streits in kleine Rituale verwandelt. Die einzige Lösung den Frieden wiederherzustellen war, dass er, Viktor, zu ihr ging und sich entschuldigte und sie bat wieder zurückzukommen. Ihm war das anfangs gar nicht so aufgefallen, aber in den letzten Monaten wurde ihm diese Mechanik mehr und mehr bewusst. Und genau darauf hatte er keine Lust mehr. Darum hatte er diesmal auch gar nichts mehr geantwortet, sondern sie einfach nur noch zetern lassen. Diesmal würde er auch zum ersten Mal seiner Drama-Queen nicht hinterherlaufen und sich schon gar nicht entschuldigen.

Außerdem musste er zugeben, dass ihn seit circa zwei Wochen Sarahs Vorwürfe und Kränkungen nicht mehr so sehr verletzten wie zuvor. Wenn er ehrlich war, machte er sich nicht einmal Sorgen, wohin sie gerade gelaufen war und ob sie bei dem Wetter auch eine Jacke mitgenommen hatte. Seine Gedanken schweifen ab. Ob Mario wohl auch so etwas über sich ergehen lassen musste? Er lächelt. Das konnte er sich irgendwie nicht vorstellen.
 

„Ich will diesen Idioten nie wieder sehen!“

„Sarah…“

„Du hättest ihn sehen sollen. Er hat von seiner verdammten Fußballzeitung nicht einmal aufgesehen. Es war ihm scheißegal, dass ich gehe!“

Elsa reicht ihrer Freundin ein neues Tempotaschentuch.

„Ich habe mir nur etwas vorgemacht, Elsa. Er ist doch so, wie ich am Anfang befürchtet hatte.“ Sarahs Stimme ist brüchig unter den Tränen und zahlreichen Schluchzern. „Für Sex reicht es und sonst interessiert er sich nur für Fußball, Fußball und noch mal Fußball.“

„Sarah, jetzt beruhige dich mal. Du bist jetzt wütend, aber was du da sagst, stimmt so nicht. Und das weißt du auch.“

„Ach Elsa, ich hätte gerne so einen Freund wie Mario. Der ist immer aufmerksam und kümmert sich wirklich um dich.“

Elsa zieht eine Augenbraue hoch. Sie könnte da jetzt auch einige Gegenbeispiele anführen, aber sie hält lieber den Mund. Andererseits machte sie Mario auch keine Szenen, wie Sarah das tat. Sie wusste, dass ihre beste Freundin nicht einfach war, sobald sie erstmal in Fahrt war. Viktor musste ganz schön was aushalten mit ihr.

Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Bevor Sarah es merken kann, fasst sie sich aber und kehrt zurück zu ihrer besorgten Miene.

“Idiot, Idiot, Idiot!“ Bei jedem ‚Idiot‘ fliegt ein zerknülltes Papiertaschentuch quer durch Elsas Zimmer. „Ich bin ihm völlig gleichgültig! Weißt du, was er gestern gemacht hat?!“

„Nein, und ich will es auch nicht hören, Sarah.“

Sarah stutzt und sieht sie mit großen Augen an. „Du willst mir nicht zuhören?“

„Sarah, ihr hattet einen Streit, wie ihr ihn in letzter Zeit hunderte hattet. Bei den letzten 99 ist Viktor jedes Mal gekommen und hat sich bei dir entschuldigt und du hast ihm verziehen. Wie wäre es, wenn du dich dieses Mal bei ihm entschuldigst?“

Sarah zieht scharf die Luft ein. „Ich mich entschuldigen? Wofür denn?! Dafür, dass er ein Idiot ist?!! Seh ich überhaupt nicht ein!“

Elsa schließt kurz die Augen, um ruhig zu bleiben. „Dafür, dass du so reagiert hast. Und dann könnt ihr über die eigentliche Sache reden. So würde ich es mit Mario machen.“

„Nein! Niemals! Er hat mich verletzt. Auf gar keinen Fall werde ich zu ihm rennen und mich entschuldigen.“ Trotz der Tränen sammelt Sarah ihren letzten Rest Stolz zusammen und hebt das Kinn trotzig in die Höhe. „Wenn ihm etwas an mir liegt, soll er es beweisen und zu mir kommen.“

Elsa seufzt. „Wie lange gibst du ihm?“

„Phhh. Der wird schon kommen.“

Elsa kneift die Lippen zusammen. Sie spürt eine leise Hoffnung in sich aufkeimen. Was, wenn Viktor diesmal nicht kommt? Was, wenn dieser Streit das Ende ihrer Beziehung bedeutete? Dann wäre Viktor frei und nach dem, was er ihr vor zwei Tagen im Flur des Vereinsheims angedeutet hatte, dass dieser dumme Kuss auch bei ihm etwas ausgelöst hatte, dann bestünde die Möglichkeit….

Sie beißt sich in die Innenseite ihrer Wange bis es blutet. Nein! Sarah und Viktor gehörten zusammen und sie selbst gehörte zu Mario, egal, was dieses kleine, verräterische Gefühl in ihrem Herzen dagegen hatte. Sie musste sich mit aller Macht dagegen wehren.

Zwischen Bierkisten und Cola-Küssen

„Kommt Sarah nicht mit?“, fragt Mario erstaunt, als Elsa allein durch die Haustür auf die Straße tritt.

Anstelle einer Antwort presst sie nur die Lippen aufeinander und schüttelt den Kopf.

Viktor gibt ein Schnauben von sich und steigt in sein Auto, an dem er und Mario bis eben auf die Mädchen gewartet hatten.

Letzterer hält seiner Freundin noch die Autotür auf, bevor er sich selbst auf den Beifahrersitz fallen lässt.

„Das heißt also, es ist tatsächlich aus zwischen euch beiden?“, stellt er mit gerunzelter Stirn fest. „Das tut mir echt Leid, Viktor.“

Viktor stöhnt nur und rangiert aus der Parklücke. „Du weißt ja, was man sagt: Lieber ein Ende mit Schrecken, als.. naja. Vielleicht ist es besser so.“

Mario blickt betroffen aus dem Fenster, doch Elsa zuckt unwillkürlich zusammen. Im Rückspiegel trifft sie für einen winzigen Moment auf Viktors tiefe, dunkle Augen. Rasch wendet sie den Blick ab.

„Wir schaffen das auch zu dritt“, erklärt er mit einem Schulterzucken, „Elsa, hast du die Liste?“

Wie zur Bestätigung hebt sie den langen Zettel in die Höhe und nickt. Insgeheim verflucht sie Sarah für ihren Dickkopf, der ihr nun die missliche Lage eingebrockt hatte, allein mit Mario und Viktor für Erics Geburtstagsparty einkaufen fahren zu müssen.
 

Während der Fahrt tut Mario sein Bestes vom Thema abzulenken, indem er Viktor in detaillierte Fragen zum nächsten Training verwickelt. Offensichtlich dankbar geht sein Kapitän darauf ein. Elsa zieht die Stirn in Falten. Viktor gab sich cool wie immer, doch sie wüsste gerne, wie es wirklich in ihm aussah. Unauffällig begutachtet sie ihn von der Rückbank aus. Sah er müde aus? Waren die Wangen eingefallen? Waren das Augenringe?

Sarah hatte furchtbar gezetert bei der Vorstellung irgendetwas in Viktors Gegenwart zu unternehmen, einzukaufen, geschweige denn mit ihm in einem Auto zu sitzen, sodass Elsa eben geradezu aus der gemeinsamen Wohnung geflüchtet war. Drei Tage war ihr letzter Streit nun her und Viktor war dieses Mal tatsächlich nicht gekommen. Drei Tage, in denen Sarahs Laune minütlich zwischen Tränen, Wutanfällen und Apathie schwankte. Es vertrug sich nicht mit ihrem Stolz den ersten Schritt zur Versöhnung zu machen und Viktor spielte anscheinend diesmal dieses Spiel nicht mit.

Elsa selbst fühlte sich zwischen allen Stühlen. Einerseits litt sie mit Sarah, wollte als beste Freundin für sie da sein, doch dieses Mal konnte sie ihr einfach nicht zustimmen, dass es alles Viktors Schuld sei. Zum ersten Mal seit Beginn ihrer Freundschaft konnte sie ganz klar Sarahs eigenen Anteil an der Situation erkennen.

Aus früheren Streits wusste Elsa, dass Viktor die Folgen der häufigen Auseinandersetzungen nicht offen zeigte, aber wenn man genau hinsah, konnte man an kleinen Anzeichen erkennen, dass auch er geweint hatte, dass auch er schlecht schlief, dass auch er auf wenig Lust hatte, das ihn ablenken würde. Sie wundert sich etwas, dass er gleich bereit gewesen war, sein Auto für den Großeinkauf für Erics Geburtstagsparty zur Verfügung zu stellen. Andererseits war er auch der einzige in ihrem Freundeskreis, der ein entsprechend großes Auto besaß.
 

Während Elsa noch ihren Gedanken hinterherhängt, biegt Viktor auf den Parkplatz eines größeren Einkaufszentrums ein. Sie steigen aus und die Jungen bewaffnen sich sogleich jeder mit einem großen Einkaufswagen.

„Elsa, du bist heute die Chefin. Du musst sagen, wo wir hin sollen.“

Elsa späht auf Sarahs lange Liste. Sie hatte die ganze Zeit bereits darauf gestarrt, nur gelesen hatte sie sie bisher noch nicht.

„Ich denke…“, beginnt sie, „Ich denke wir holen zuerst die Getränke. Die sind schwer und müssen zuerst in die Wagen.“

Viktor feixt und rempelt Mario von der Seite an: „Los, wer zuerst beim Bier ist!“

Mario entfährt ein lautes Lachen, zählt bis drei und sogleich stürmen die beiden mit ihren Einkaufswagen davon. Elsa bleibt mit offenem Mund zurück. Es ist wohl unnötig, sich Sorgen zu machen.
 

„Schau mal, wir könnten auch das hier nehmen“, Mario zeigt auf einen großen Sonderposten mit Bierkisten, „das ist im Sonderangebot.“

„Mag sein“, antwortet Viktor, „aber das hier kennt jeder, das nehmen wir, auch wenn es teurer ist. Nachher haben wir ein Sonderangebot, aber niemand trinkt es.“

„Ich weiß nicht. Vielleicht sollten wir…“

„Nein. Ich als dein Käpt‘n sage, wir nehmen das hier. Oder Chefin was sagst du?“

Elsa sieht die beiden Jungen mit großen Augen an: „Haltet mich da raus! Bier ist definitiv nicht mein Thema.“

„Falsche Abteilung, Viktor“, grinst Mario.

Dieser blinzelt kurz verwirrt, doch dann blitzen seine Augen: „Ahh verstehe, zu wenig Koffein?“

„Phhh“, macht Elsa nur, kehrt ihnen den Rücken zu und tritt an ein weiteres Regal, in dem sich Chipstüten türmen.
 

Viktor sieht ihr einen Moment lang nach. Er gab es nur ungern zu, aber jedes Mal, wenn sie sich von ihm wegdrehte, versetzte es ihm einen Stich ins Herz. Er musste sich dann sehr zurückhalten, nicht alles mögliche zu tun, um sie dazu zu bringen, sich wieder umzudrehen. Auch jetzt spürt er schon wieder das Kribbeln eines flotten Spruches auf der Zunge. Er wollte einfach nur das Leuchten in ihren Augen sehen. Ein Leuchten, das Sarah nie gehabt hatte.

„Hey Käpt‘n“, Mario wuchtet keuchend die nächste Bierkiste auf den Wagen, „packst du mal mit an?“
 

Als Elsa bis unters Kinn beladen mit raschelnden Tüten zurückkommt, lässt sie diese mit einem leicht missbilligenden Blick auf die gestapelten grünen Flaschen fallen.

„Was ist?“ Viktor ist ihre Mimik natürlich nicht entgangen.

„Ekelhaftes Zeug“, sie deutet auf das Bier und schüttelt sich demonstrativ, „Ich verstehe nicht, wie Jungs das eines nach dem anderen in sich hineinkippen können.“

Er zuckt mit den Schultern. „Was ist so schlimm daran? Hast du schon mal eines probiert?“

„Nein, habe ich nicht“, antwortet sie spitz, „und ich werde es auch nicht. Aber ich finde es auch nicht gut, wenn Jungs das trinken!“

„Weil sie dann betrunken werden?“

„Nein, weil Bierküsse ekelig schmecken.“

Viktor vergisst für einen Moment zu atmen. Mit hochgezogenen Augenbrauen starrt er sie an.

Elsa scheint erst an seinem Gesichtsausdruck zu bemerken, was sie da gerade gesagt hat. Rasch dreht sie sich um, um ihr rotes Gesicht zu verstecken. Wie war sie denn jetzt bloß darauf gekommen?
 

Sie stellt sich etwas abseits in den Gang mit den Getränkekisten und tut so, als müsste sie wieder Sarahs Liste studieren. Doch in Wirklichkeit lässt sie ihren Blick über die beiden schwer arbeitenden Männer schweifen. Während Mario die Kisten genau begutachtet und sich nur zögerlich für eine entscheidet, packt Viktor einfach zu und wuchtet mit sicherem Griff einen Kasten nach dem anderen auf den Einkaufswagen. Elsas Nackenhaare stellen sich auf. Wie es sich wohl anfühlte, von diesen Armen gehalten zu… Bevor sie den Gedanken zuendedenken kann, reißt sie ihren Blick los und marschiert entschlossenen Schrittes zu den Softdrinks.

Sie atmet einmal tief durch und betrachtet die unschuldigen, bunten Flaschen.

„Schmecken Cola-Küsse besser?“, ertönt es belustigt direkt hinter ihr.

Beinahe wäre sie vor Schreck in die Luft gehüpft. Stattdessen knurrt sie leise, während ihre Finger ihre Einkaufsliste zerknüllen.

„Und wenn es so wäre?“, antwortet sie mit einem gekünstelten Lächeln, Beherzt greift sie nach dem Kasten direkt vor sich und ist schon dabei ihn hochzuheben, da legen sich zwei Hände auf ihre.

„Ich könnte mir vorstellen, dass Cola-Küsse süßer sind als Kaffeeküsse.“

Elsa zuckt bei der Berührung wie vom Blitz getroffen zurück, lässt den Kasten los und Viktor ihn mit einem Ruck aus der Reihe ziehen.

„Und vor Allem: prickelnder“, raunt er noch nah vor ihrem Gesicht.

„Meinst du?“ Ihre Augen funkeln angriffslustig.

Vergessen sind die Sorgen, die sie sich vorhin im Auto noch gemacht hatte. Mit seinen Sprüchen, seinen Berührungen, seiner ganzen Präsenz reizte er sie jetzt maßlos. Alles in ihr sträubt sich davor, ihn das letzte Wort haben zu lassen.

„Ich denke, das sollte ich auf der Party unbedingt testen“, überlegt er laut.

„Es ist Erics Geburtstagsparty und keine Single-Börse.“

„Es sind doch auch Mädchen eingeladen, oder nicht?“

Elsa knurrt nur bestätigend. Ein Stück des Papiers in ihren Händen reißt ein.

„Also das beste aus beiden Welten. Ich sehe da gar kein Problem.“

„Und du meinst, dass die Mädchen da mitmachen?“

„Küsse ich so schlecht?“

Elsa verschluckt sich kurz.

„Es gibt eigentlich nur eine, die das beurteilen könnte, und die ist gerade nicht gut auf dich zu sprechen.“

Über Viktors Gesicht huscht ein Schatten. „Ich denke nicht, dass Sarah da noch mitzureden hat.“

„Ist es für dich wirklich…?“

„Ja“, unterbricht er sie schnell. Eindringlich sieht er sie an, als könnte er allein mit seinen Blicken jeden Zweifel an seiner Aussage beiseite räumen.

Elsa holt tief Luft.

„Schatz, wie viele Flaschen von der Limo soll ich einpacken?“, meldet sich Mario von der anderen Seite der Kistenstapel.

Sie braucht eine Sekunde, um sich zu besinnen, wo sie eigentlich waren. Sie wirft Viktor noch einen funkelnden Blick zu, dann reckt sie den Hals und ruft hinüber: „Sechs Flaschen, Mario.“
 

Als die lange Einkaufsliste abgearbeitet ist, zwängen sich die drei zurück ins Auto und fahren wieder zur WG von Viktor und Eric. Elsa sitzt dabei auf der Rückbank eingeklemmt zwischen diversen Getränkekisten, die nicht mehr in den Kofferraum gepasst hatten und hält bei jeder Kurve alarmiert den Stapel an seinem Platz. Sie selbst trägt nur die große Tasche mit den federleichten Chips und Crackern in den dritten Stock, während die Jungen stöhnend und keuchend eine schwere Kiste nach der anderen die Treppen hinaufschleppen. Sobald die ersten Kisten die Küche erreicht haben, macht Elsa sich daran, die ersten Getränke in den Kühlschrank einzusortieren. Immerhin war die Party bereits morgen Abend und weder Cola noch Bier schmeckte im lauwarmen Zustand.
 

„Mario holt noch die letzte, dann haben wir es geschafft“, erklärt Viktor und betritt hinter ihr die Küche. „Wie wäre es mit einem Kaffee zur Belohnung für die schwere Arbeit?“

„Gerne“, antwortet sie, ohne sich in ihrem Tun stören zu lassen.

Mit einem Nicken geht Viktor zum Schrank und holt Kaffeepulver und Tassen heraus.

„Also Elsa“, beginnt er erneut mit dem Thema, das in sehr zu beschäftigen scheint, „was muss nun ein Mann trinken, damit er gerne von einer Frau geküsst wird?“

„Wieso soll ausgerechnet ich dir das sagen können?“ Elsa fokussiert sich krampfhaft darauf unterschiedlichen Flaschen möglichst gleichmäßig im Kühlschrank zu verteilen.

„Du schienst mir damit Erfahrung zu haben…“

„Ich habe tatsächlich bisher nur Mario geküsst und er….“

„… und mich,“ unterbricht er sie rasch.

Anstelle einer Antwort erhält er nur einen bösen Blick hinter der Kühlschranktür hervor.

„Wir haben uns geküsst“, stellt er schulterzuckend fest.

„Der zählt nicht“, entgegnet Elsa sofort und wendet sich wieder hochkonzentriert den Flaschen zu.

Viktor verschränkt die Arme vor der Brust und lehnt sich an die Küchenzeile. „Also für mich zählt er.“

„Für mich nicht.“ Ohne ihn anzusehen, schließt sie die Kühlschranktür und hofft das Thema gleichermaßen abschließen zu können, aber Viktor lässt nicht locker.

„Und warum zählt dieser Kuss für dich nicht?“ Beinahe trotzig schürzt er die Lippen vor.

Elsa spürt wieder dieses Kribbeln in der Magengegend. Sie hebt nun doch den Kopf und sieht ihm in die Augen.

„Weil zu einem Kuss immer zwei gehören. Findest du nicht?“

„Definitiv… Waren wir nicht zwei?“

Sie tritt näher an ihn heran und verschränkt ebenfalls die Arme. „Aber ich habe ihn nicht erwidert. Du hast mich einfach so überrumpelt und bevor ich antworten konnte, hast du dich auch schon wieder weggedreht.“

Viktor beugt sich zu ihr vor: „Wolltest du ihn denn erwidern?“

Elsa hält die Luft an. Sie spürt den Küchentresen in ihrem Rücken. Was sollte sie darauf erwidern? Ja? Nein?

„Vor meinem Freund und deiner Freundin?“ Sie hebt fragend eine Augenbraue.

Viktor wackelt abwägend mit dem Kopf: „Nicht ganz passend, das stimmt. Aber wenn wir allein gewesen wären…?“ Seine Augen funkeln.

„So wie jetzt?“ Ihre Stimme zittert leicht.

„Willst du, dass er zählt?“ Er beugt sich noch ein Stückchen weiter vor. Seine Nähe raubt ihr den Verstand.

„Ich mag keine halben Sachen“, flüstert sie gegen sein Gesicht. Fast unmerklich hebt sie ihr Kinn.

Er greift nach ihrer Hand auf dem Küchentresen. „Dann lass ihn diesmal zählen“, flüstert er nur Zentimeter von ihrem Mund entfernt.

Elsas Herzschlag jagt durch ihren Körper. Erwartungsvoll öffnet sie die Lippen, ihre zitternden Lider senken sich.

DING… DONG!

Starr vor Schreck fahren die beiden auseinander.

Ding…. Dong! Ein zweites Mal zerreißt die Klingel die Stille in der Küche.

Keuchend wendet Elsa ihren Kopf ab und stürmt an Viktor vorbei zur Tür.

Immer noch leicht zitternd öffnet sie sie und Mario trägt die letzte Kiste Getränke in den Flur.

„Jetzt ist alles bereit“, stöhnt er erschöpft, „Dann kann die Party ja beginnen!“

Hungry Eyes

Nervös knabbert Elsa auf ihrer Unterlippe herum, während sie auf die Wohnungstür vor sich starrt, die von der lauten Musik dahinter leicht vibriert.

„Keine Sorge“, schmunzelt Mario, „soweit ich weiß, hat Eric alle Nachbarn ebenfalls eingeladen, um Beschwerden zu vermeiden. Außerdem sollten die Bewohner dieses Hauses das langsam gewohnt sein.“

„Hmm“, antwortet Elsa nur und schaut weiterhin auf die Tür wie ein Kaninchen auf die Schlange.

„Was ist denn los Elsa?“ Mario kommt nah an sie heran und legt ihr eine Hand auf die Schulter. „Ist es wegen Sarah? Hast du ein schlechtes Gewissen?“

Seine Freundin zuckt zusammen. Wie kam Mario jetzt auf Sarah?

„Es war ihre eigene Entscheidung, nicht zu kommen“, fährt er fort, ohne ihre Irritation zu bemerken, „Und ehrlich gesagt, ist es eine gute Entscheidung gewesen. Viktor und sie in einem Raum, das wäre gerade mehr als anstrengend. Und da Viktor schlecht aus seiner eigenen Wohnung fliehen kann, bin ich ganz froh, dass sie für heute abgesagt hat.“

Elsa sieht ihn mit großen Augen an, ohne etwas zu sagen. Sarah… ja, Mario hatte Recht, Sarah bei Erics Geburtstagsfeier wäre eine Katastrophe gewesen. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Aber das war gar nicht der Grund, weshalb sie hier vor der Tür stand und nicht den Tritt über die Türschwelle wagte. Wie sollte sie ihm erklären, dass sie eher vor sich selbst Angst hatte? Nachdem, was gestern Abend beinahe in dieser Küche passiert war, konnte sie nicht mit Sicherheit ausschließen, dass sie es selbst sein würde, die für die Katastrophe sorgte.

„Was natürlich nicht heißt, dass ich Sarah nicht auch dankbar bin, dass sie die Party organisiert hat. Allein schon deswegen, wird es ein toller Abend werden“, ergänzt Mario noch, dann öffnet er mit entschlossenem Druck die Tür und schiebt seine Freundin hinein. Elsas Blick huscht sogleich durch die überfüllte Wohnung, an unbekannten Gesichtern und abgewandten Rücken vorbei, direkt bis ans andere Ende der großen Küche, wo sie geradewegs auf ein blitzendes Paar fast schwarzer Augen trifft.
 

„Hier“, Eric drückt Mario sofort eine Flasche Bier in die Hand.

„Gleich damit einsteigen?“ Mario blickt das Geburtstagskind etwas unsicher an.

„Klar!“, antwortet dieser nur, „Hab gehört, du hast die Kisten hochgeschleppt. Dann kannst du es jetzt auch trinken!“ Und bevor Mario noch etwas entgegnen kann, stößt Eric mit ihm an. Elsa verzieht säuerlich das Gesicht.

Seufzend wendet sie sich von den Männern ab und lässt ihren Blick wieder durch den vollen Raum schweifen. Der größte Teil der großen Wohnküche von Viktors und Erics WG wird von einem großen Kickertisch eingenommen, der heute Vormittag von einem befreundeten Barinhaber geliefert wurde. Leihweise, versteht sich. Um diesen Tisch herum stehen gerade die Zwillinge, Kevin und Gregor und streiten sich lautstark um die Teamverteilung. Ein Stück weiter dahinter lehnen Alex, Gordon und Viktor am großen Fenster und begutachten das Spektakel vor ihnen. Gerade als sie zu ihnen sieht, blickt Viktor auf. Für einen kurzen Moment treffen sich ihre Blicke. Lächelnd hebt er das Glas in seinen Händen etwas an. Es ist mit einer dunklen Flüssigkeit gefüllt. Elsas Herz macht einen Satz. Wie war das? Schmecken Cola-Küsse besser als Bierküsse?

Doch bevor sie sich darüber weiter Gedanken machen kann, berührt sie jemand am Arm: „Elsa! Du hast dich ja richtig herausgeputzt! Ich habe dir schon immer gesagt, du kannst deine Haare öfter offen tragen. Das steht dir wirklich gut.“

„Danke Conny“ antwortet Elsa mit einem erleichterten Lächeln, „Wie geht es dir? Hast du dich inzwischen in Osaka eingelebt?“

Conny nickt eifrig und zieht sie kurzerhand mit sich zu einigen weiteren Mädchen.
 

Lautstark dröhnen die neuesten Popsongs aus den Lautsprechern. Dazu kommen die Stimmen duzender Gespräche, die halb geschrieen, erst für den Klang einer richtigen Party sorgen. Die Wärme der vielen Menschen lässt die Fensterscheiben von innen beschlagen. Viktor lockert etwas den Kragen seines Hemdes.

„Und du hast echt abgegeben?“, schreit Gordon ihn von links an.

„Ja“, nickt er, „seit gestern früh liegt die Arbeit bei meinem Prof auf dem Tisch. Jetzt habe ich nur noch eine mündliche Prüfung und dann bin ich durch.“

„Und wann ist die?“

„Montag“

„Und dann machst du heute Party?! Du bist echt abgebrüht!“ Alex sieht ihn mit großen Augen an.

Sein Kapitän zuckt nur mit den Schultern.

„Also, ich könnte das nicht.“

Viktor ignoriert seinen geschockten Gesichtsausdruck und fokussiert einen entfernten Punkt am anderen Ende des Raumes an. Sie trägt heute die Haare offen, das ist ihm sofort aufgefallen. Immer wieder fährt sie mit den Fingerspitzen durch die braune Mähne. Die langen Strähnen streichen anschließend über die rosafarbene Bluse auf ihren Schultern. Die Bluse steckt auf Höhe ihrer schlanken Taille in einer blauen Jeans, die die übrigen Formen ihres Körpers auf geradezu verwegene Art betont. Wenn sie ihm den Rücken zudreht, glaubt er, einen Herzinfarkt zu bekommen. Rasch führt er sein Glas zum Mund und stellt erst viel zu spät fest, dass es leer ist.
 

Conny hat ihr sämtliche Details über das Kanzai-Synfonieorchester erzählt und sie auch gleich zur nächsten Vorstellung eingeladen. Elsa ist erleichtert, dass sie sich in der neuen Stadt wohlfühlt. Trotz Connys ausschweifender Erzählung, kann Elsa sich aber kaum auf ihre Worte konzentrieren. Immerzu hat sie das Gefühl beobachtet zu werden. Sie kann dem Drang nicht widerstehen, sich ständig umzudrehen. Auch jetzt nicht. Kurz huscht ihr Blick hinüber zu Mario. Er steht bei Gregor und Kevin und ist offenbar in tiefsinnige Fußballgespräche vertieft. Elsa runzelt die Stirn. War das schon wieder eine neue Flasche Bier in seinen Händen?

Sie lässt ihren Blick weiterwandern, bis er von einem Paar funkelnden Augen aufgehalten wird. Ihr Herzschlag beschleunigt sich. Viktor trägt heute ein eng anliegendes schwarzes Hemd mit verspielten roten Nähten an den Knöpfen. Das hat sie sofort gesehen. Dazu eine dunkle Jeans, die seine langen Beine betont. Als sie ihren Blick wieder hebt, trifft sie auf sein wissendes Lächeln. Er tippt mit dem Zeigefinger gegen sein frisch gefülltes Glas Cola, hebt es an und prostet ihr zu.
 

„Elsa, ihr seid wirklich perfekte Eventmanagerinnen: Einen Kickertisch zu organisieren und ihn mitten hier hinein zu stellen“, schreit Midori ihr ins Ohr, „Was für eine Idee!“

„Naja, eigentlich war das Sarahs…“

„Für eine Party voller Fußballer ist das wirklich das Beste, was euch einfallen konnte!“, nickt ihr Gordons Freundin zu.

„Ich hätte lieber Platz zum Tanzen gehabt“, mault Masako dazwischen.

Ein bisschen muss Elsa ihr Recht geben. Eine Tanzfläche wäre auch nicht schlecht gewesen. Sie liebte Tanzen, hatte sie schon immer gemocht. Sobald sie alt genug gewesen waren, hatten Sarah und sie in Wakayama die Nächte durchgetanzt, wenn auch Elsa nicht ganz so wagemutig tanzte wie ihre Freundin. Sie horcht auf. Gerade jetzt tönt ihr Lieblingslied aus den Boxen. Was hatte sie mit Sarah zu diesem Lied in ihrer gemeinsamen Küche getanzt. Leicht bewegt sie ihre Hüften im Takt. Aber selbst wenn sie hier genügend Raum und kein Glas Cola in der Hand hätte, so wäre es nicht das gleiche. Dieses Lied tanzte man am Besten zu zweit. Sie hatte Sarah immer darum beneidet, dass sie jemanden hatte, mit dem sie so tanzen konnte. Erneut huscht ihr Blick zu Mario, doch dieser sieht noch nicht einmal auf.
 

„Ach Mann, Mario! Du kannst das einfach nicht. Du hast schon viel zu viel intus!“ schimpft Eric lauthals am Kickertisch, „Hey Käpt‘n, komm du mal ran, wir brauchen einen nüchternen Torwart!“

Ohne seinen Blick von den anderen Partygästen zu nehmen, winkt Viktor ab: „Mario macht das ganz ausgezeichnet.“

Seine Augen liegen pausenlos auf Elsa, die sich bereits seit einer ganzen Weile mit einigen Mädchen unterhielt. Anscheinend fühlte sie sich wohl, soviel verriet ihre Körpersprache. Ab und zu dreht sie sich leicht herum und schaut zu ihm herüber. Er kann aber nicht genau sagen, ob sie dabei ihn ansieht oder Mario, der nur ein paar Schritte vor ihm am Kickertisch steht. Sein Inneres zieht sich unangenehm zusammen. Er will ihren Blick auf sich. Sie soll ihn ansehen. Wie konnte er ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen?
 

Elsa wippt im Takt der Musik leicht auf und ab. Unter den Freundinnen der vielen Spieler sind auch einige Kommilitoninnen von ihr dabei. Und auch wenn man auf einer Party nicht unbedingt Prüfungsstoff besprechen will, so kann man doch wenigstens über die gemeinsamen Lehrer lästern. Immer wieder lässt sie dabei ihre Augen durch den vollen Raum schweifen. Nur kurz will sie einen Blick auf Viktors breite Schultern und die gute sichtbaren Muskeln unter diesem schwarzen Hemd erhaschen, die in ihr ein aufregendes Kribbeln auslösen. Genauso wie vor fünf Minuten auch schon. Und weitere fünf Minuten davor ebenfalls. Doch diesmal weiten sich entsetzt ihre Augen. Ihr stockt der Atem. Sie fühlt sich, als hätte ihr jemand in den Magen getreten: Viktor hat seinen Platz gewechselt. Er steht nicht mehr am Kickertisch, sondern drüben bei Keiko und flirtet ganz unverhohlen mit ihr. Eine Hand liegt auf ihrem Oberarm. Immer wieder senkt er seinen Kopf nah vor ihr Gesicht. Sofort kommt ihr seine Idee von gestern wieder in den Sinn: Austesten, ob Cola-Küsse besser schmecken. Elsa kneift die Augen zu Schlitzen zusammen und umgreift fester ihr Glas. Wie konnte er nur?

„Elsa, warum bist du dieses Semester nicht mehr im Fotografierclub?“, ertönt eine hohe Stimme neben ihr.

Rasch reißt sie ihren Blick los. „Ach…, ich… ich habe einfach keine Zeit mehr dafür“

„Wie Schade“, meint Akemi.
 

Als sie wieder in die Küche läuft, um ihr Glas aufzufüllen, hält sie an der Küchenzeile inne. Kurz durchzuckt sie die Erinnerung an gestern Abend, an das, was genau an diesem Platz beinahe passiert wäre.

„Hallo Elsa“, ertönt hinter ihr eine Stimme, die höchstwahrscheinlich gerade dasselbe denkt.

Ertappt fährt sie herum. Seine dunklen Augen, die Kante an seinem Kinn, die leicht hochgezogenen Mundwinkel nehmen sie sofort gefangen. Doch dann erinnert sie sich auch wieder an die Szene mit Keiko gerade und dreht missmutig wieder ab.

„Und? Hast du Spaß?“, fragt er und greift nach einer frischen Flasche Cola.

„Hmmm“ Elsa presst die Lippen aufeinander. „Wie weit bist du mit deinen Nachforschungen? Läufts gut?“

„Welche Nachforschungen?“ Er gibt sich betont ahnungslos, obwohl er genau weiß, worauf sie hinaus will.

„Na, das bei Keiko gerade… Das sah doch schon sehr erfolgreich aus.“ Den schnippischen Unterton kann und will sie sich gerade nicht verkneifen.

Viktor beißt sich auf die Innenseite seiner Wange, um nicht siegessicher zu grinsen. Es hatte geklappt.

„Neidisch?“

So finster, wie es nur irgendwie geht, sieht sie ihn an. „Ich hatte nie die Absicht, Keiko zu küssen.“

Er unterdrückt ein Lachen. „Stell dir vor, ich auch nicht“ Er reicht ihr die geöffnete Flasche, damit auch sie sich einschenken kann.

„Sie hatte zwar kein Bier, aber alles andere fehlte auch.“

Er dreht sich zu ihr um und sieht ihr fest in die Augen: „Im Gegensatz zu anderen hier.“

Elsa sieht auf. Ihre Blicke treffen sich.

„Hey Schatz“, ertönt Marios Stimme hinter ihnen. Sein Blick ist gläsern und seine Zunge gehorcht ihm schon nicht mehr ganz. „Hättest du noch ein Bier für mich?“

„Mario, ich glaube das reicht für heute.“ Elsa löst sich aus ihrer Starre. Empört stemmt sie ihre Hände in die Seite.

„Aber klar Mario, wir haben ja genug gekauft“, schmunzelt Viktor, greift hinter ihr in einen der Kästen und reicht ihm ohne zu zögern eine neue Flasche, mit er auch gleich wieder verschwindet.

Elsa blinzelt ihn böse an. „Füllst du ihn etwa ab?“

„Sagen wir so“, Viktor lehnt sich zufrieden an die Küchenzeile, „Ihn küsst du heute Nacht nicht mehr.“

„Im Gegensatz zu anderen hier?“

„Das liegt ganz bei dir. Vielleicht willst du ja auch wissen, wie Cola-Küsse schmecken.“ Er beugt sich nahe vor ihr Gesicht, damit sie auch jedes Wort hört, das er ihr zuraunt.

Elsa spürt die Gänsehaut über ihren Rücken wandern. Nah vor seinen Lippen holt sie bebend Luft um etwas zu erwidern….

„Kääääääpt‘nnnnnnnn!“, brüllt Eric quer durch den Raum, „Wir brauchen jetzt wirklich mal einen neuen Torwart!“

„Hörst du?“, schmunzelt Elsa, „Du wirst eingewechselt. Normalerweise sehnst du dich doch danach.“

„Ist das so? Warum nur sehne ich mich heute nach etwas anderem?“ Er holt sich noch einen tiefen Blick in ihre Augen, dann wendet er sich ab und bahnt sich seinen Weg durch den vollen Raum Richtung Kickertisch.
 

Die Uhr zeigt bereits zwei, als Elsa mit den verbliebenen Mädchen auf dem Sofa sitzt. Neben ihr liegt Mario halb auf der Lehne und schläft tief und fest. Die meisten Gäste haben sich inzwischen verabschiedet, darunter auch Gregor und Conny. Elsa hört nur mit einem Ohr auf die Gespräche neben sich. Stattdessen verfolgen ihre Augen minutiös den Bewegungen von Viktors Hüften, der sich gerade das letzte Match gegen Eric am Kickertisch liefert. Unbewusst knabbert sie wieder an ihrer Unterlippe.

„Schnarcht er etwa?“, fragt Midori plötzlich laut.

Elsa starrt sie mit weit aufgerissenen Augen an. „Was?“

Da dringt das Geräusch jetzt auch an ihr Ohr: Mario röchelt auf seiner Lehne, dreht sich im Schlaf um und legt seinen Kopf auf der Schulter seiner Freundin ab. Elsa sieht nur kopfschüttelnd neben sich.

„Ich hätte nicht gedacht, dass er so wenig verträgt“, kichert Midori erneut.

„Es ist eher so, dass es nicht geplant war, dass er so viel trinkt“, macht Elsa den Versuch einer Erklärung. Irgendwie war ihr Marios Auftreten schon den ganzen Abend peinlich gewesen.

„Er war noch eine Stunde Joggen bevor wir hierher gekommen sind und hat dazwischen nur eine Kleinigkeit gegessen.“

„Oh, und dann gleich Bier getrunken?“

„Na, ohne Grundlage musste das ja so enden“, stellt nun auch Eric fest. Er und Viktor haben ihr Match beendet und gesellen sich nun zu den Mädchen.

Mit gerunzelter Stirn schauen jetzt alle auf Mario, der mit offenem Mund auf Elsas Schulter den Schlaf der Gerechten schläft.

„Also, so ist das ja kein Zustand“, beschließt Viktor. Er macht einen entschlossenen Schritt auf Elsa zu, greift Mario unter beide Arme und zieht ihn vom Sofa. Elsa sieht ihn nur mit großen Augen an.

„Äh und jetzt?“, stellt Eric die Frage, die allen anwesenden auf der Zunge liegt.

„Schlafende gehören ins Bett“, meint Viktor lapidar und verschwindet mit Mario in seinem Zimmer.

„Hihi, ich glaube, das ist auch unser Stichwort“, kichert Midori erneut.

„Ja, das glaube ich auch. Sind ja eh keine Jungs mehr da.“ Masako streckt sich und steht vom Sofa auf.

Rasch packen die Mädchen ihre Sachen zusammen und nach einem ausführlichen Abschied und Dank an Eric machen sie sich auf den Heimweg.
 

Etwas verloren steht Elsa nun im Wohnzimmer und seufzt laut: „Na toll, dann muss ich wohl alleine nach Hause gehen, was?“

„Wenn du willst, könntest du hier auf dem Sofa… „ Eric und Elsa blicken gleichzeitig auf das schwarze Ledersofa, das mit Chips-Krümeln und sonstigem Undefinierbaren übersäht ist.

Sie runzelt die Stirn. „Tolles Angebot, aber ich glaube ich verzichte.“

Viktor schließt leise die Tür zu seinem Zimmer und kommt zu den beiden. „Da wollte ich noch schlafen. Mein Bett ist ja nun belegt.“

Eric lacht: „Eigentlich müsstest du jetzt in Marios Bett schlafen.“

Er kratzt sich am Kopf. Man merkt, dass auch er etwas zuviel getrunken hat, um noch einen geraden Gedanken zu fassen. Dann sieht er Elsa an. „Oder… heee.. das ist doch die Idee!“ Er schnippt mit dem Zeigefinger vor sich in der Luft. „Geh doch mit Elsa mit und schlafe bei Sarah. Die freut sich bestimmt.“

Einen Moment lang starren Elsa und Viktor ihn gleichermaßen verständislos an. Dann meint Viktor nur ironisch: „Ja Eric, die freut sich ganz bestimmt. Schon vergessen, warum sie heute nicht hier war?“

„Und ausserdem ist sie überhaupt nicht da. Sie ist übers Wochenende nämlich bei ihrer Mutter“, fügt Elsa hinzu.

Eric kratzt sich wieder am Kopf. Dann grinst er: „Na ist doch super.“ Er deutet mit dem Zeigefinger auf Elsa, „Du musst nicht allein durch die Stadt und du“ jetzt tippt er Viktor auf die Brust. „hast ein freies Bett zum Schlafen. Eindeutig eine Win-win-Situation.“ Dann dreht er sich kurzer Hand um, winkt und geht in sein Zimmer. „Wie auch immer ihr es macht. Ich bin fertig für heute. Gute Nacht.“ Und mit diesen Worten schließt er die Tür hinter sich und lässt Viktor und Elsa allein im Wohnzimmer zurück.

„Na komm“ Viktor nimmt seine Jacke.

Elsa sieht ihn halb erschrocken, halb amüsiert an: „Du willst nicht wirklich in Sarahs Bett schlafen?!“

„Nein, bestimmt nicht. Ich bring dich jetzt erst mal in eure Wohnung. Und dann komme ich wieder und mache es mir zwischen den Chips-Resten da bequem.“ Elsa sieht ihn noch einmal unsicher an, dann zieht auch sie sich ihre Jacke über und folgt ihm durch die Tür nach draußen.

Tanzende Schneeflocken

Vor der Tür empfängt sie kalter Winterwind. Ein paar vereinzelte Schneeflocken treiben über den Himmel. Elsa spürt, wie die Luft ihre überhitzten Wangen kühlt. Sie wickelt sich tiefer in ihren Schal und blickt hinüber zu Viktor, der hinter ihr aus dem Haus tritt. Auch er atmet erst einmal tief die kalte Nachtluft ein.

Es ist so seltsam, plötzlich mit ihm allein zu sein. Bis eben hatte der überfüllte, warme Raum ihr Gesicht zum Glühen und ihren Herzschlag zum Galoppieren gebracht, sobald sie nur seinen Rücken sah. Doch nun normalisiert sich ihr Puls und das aufregende Kribbeln überall an ihrem Körper zieht sich weit unter ihren dicken Mantel zurück.

Auch Viktor scheint die funkelnden Blicke und anzüglichen Kommentare des Abends mit dem Schritt durch die Tür hinter sich zu lassen. Er streckt sich und unterdrückt ein Gähnen.

Als wären sie nur zwei Freunde, die nachts von einer Party nach Hause gehen, machen sie sich gemeinsam auf den Weg zur WG der Mädchen. Sie laufen nah beieinander, ihr Schritte im gleichen Rhythmus. Elsa spürt seine Körperwärme nah neben sich. Ihr fröstelt. Kurzentschlossen greift sie nach seinem Arm und hakt sich bei ihm ein. Viktor lächelt.

„Glaubst du, Sarah ist wirklich nicht da?“ Ein Spur Sorge schwingt in seiner Stimme mit.

„Sie wollte heute Nachmittag zu ihrer Mutter fahren. Das hat sie mir jedenfalls noch hinterhergerufen, als ich die Wohnung heute verlassen habe.“ Sie sieht an ihm hoch: „Hast du Angst?“

„Ich will nur kein Gezeter. Das würde mir den Abend ziemlich versauen.“

„War der Abend denn gut für dich?“

„hmmmm…“ Viktor zieht seine Antwort absichtlich in die Länge. „Insgesamt betrachtet: ja.“

„Insgesamt betrachtet…“, wiederholt Elsa skeptisch

„Und für dich?“

„Hmm“

„Hättest du lieber getanzt?“

„Wie kommst du darauf?“

„Ich habe gesehen, wie du dich bewegt hast.“

Hatte er das? Elsas Herz beginnt zu flattern. „Es wurde ‚Love of my Life’ gespielt. Das ist mein Lieblingslied. Dazu musste ich einfach tanzen“, erklärt sie.

Viktors Augen leuchten plötzlich. Mit einem schnellen Schritt steht er direkt vor ihr, ergreift ihre Hand und hebt sie hoch.

„Dann musst du das unbedingt nachholen. Darf ich bitten?“

Elsa stockt der Atem. Mit großen Augen sieht sie zwischen ihren Händen und seinem Gesicht hin und her.

„Jetzt?“, entfährt es ihr.

Da beginnt er die ersten Takte von ‚Love of my life‘ zu summen. Dabei bewegt er erst sanft ihre Hände, dann nimmt er ihre Arme, schwingt sie mit sich und schließlich zieht er die ganze, überraschte Elsa mit sich auf die menschenleere Straße. Nach der ersten Drehung hört sie sich selbst laut lachen. Ihr Herz schlägt aufgeregt, ihre Füße schweben über den Asphalt, jede Bewegung fühlt sich so unendlich leicht an, als würde sie fliegen. Das hier ist total verrückt. Und gleichzeitig hatte sie es sich so sehr gewünscht, sobald einige Stunden zuvor dieses Lied den Raum erfüllt hatte. Sie achtet nicht darauf, wie sie sich bewegt. Sie lässt sich einfach nur von ihm führen und es fühlt sich so unendlich richtig an. Viktor lässt sie bei keiner Bewegung aus den Augen. Ihr strahlendes Lachen treibt ihn immer weiter an. Tanzend führt er sie fort durch die Nacht zu einer Melodie, die nur sie beide hören können. Er wagt es nicht einmal zu blinzeln. Um keinen Preis der Welt will er auch nur eine Sekunde hiervon verpassen. Als ihm die Luft zum Summen der Melodie ausgeht, umgreift er sie fest an der Taille und wirbelt sie noch solange um sich herum, wie er kann.

Schließlich kommen sie beide atemlos zum Stehen. Elsa drückt sich leicht keuchend an ihn. Mit leuchtenden Augen sieht sie zu ihm auf.

„Insgesamt betrachtet war der Abend gut“, haucht er nah vor ihren Lippen, „und im Besonderen…“, er blickt ihr tief in die Augen, „…fantastisch.“

Sie kann seinen Atem auf ihrer Haut spüren. Ihr Herz pocht zwischen ihren eng zusammen gedrückten Körpern.

„Viktor“, haucht sie.

Dann zuckt sie urplötzlich zusammen. Ein heller Blitz taucht alles in gleißendes Licht. Die Scheinwerfer eines Autos strahlen sie an. Reifen quietschen.

„Wahhhhhhhh!!!!“

Sie spürt einen Ruck am Arm, dann zieht Viktor sie schnell von der Straße.

Durch das Tanzen haben sie beide einfach alles um sich herum vergessen und sind mitten auf der Fahrbahn stehen geblieben. Ausgerechnet jetzt fährt das erste Auto in dieser Nacht an ihnen vorbei. Elsa muss kichern. Viktor sieht sie nur an und schüttelt den Kopf. Aber er lächelt dabei.

„Was war das gerade?“, neckt sie ihn, als sie sich wieder bei ihm einhakt, aber diesmal bleibt Viktor stur.
 

Als sie an ihrer Wohnung ankommen, schaut Elsa hoch zu den Fenstern. Sie sind dunkel.

„Na also“, murmelt sie und schließt die Haustür auf. Viktor bleibt unschlüssig auf dem Gehsteig stehen.

„Doch Angst?“ Elsa hofft, ihn mit der Frage zu aufzuziehen.

Er seufzt und sieht unsicher in den dunklen Hausflur hinter ihr.

Sie tritt zu ihm und fährt mit ihren Fingerspitzen über den Stoff seiner Jacke über seiner Brust. „Wenn ihre Schuhe nicht an der Tür stehen, dann ist sie garantiert nicht da.“

Erwartungsvoll sieht sie ihn an.

„Na gut,“ flüstert er, „bis zur Wohnungstür.“

Leise laufen sie die Treppen bis in den zweiten Stock hinauf. Vor der Tür im Schuhregal stehen nur Elsas Schuhe und ein Paar von Sarahs offenen Pumps. Die würde sie bei dem Wetter bestimmt nicht tragen. Elsa öffnet die Tür und späht sicherheitshalber in den Flur. Alles ist dunkel und still. Sie dreht sich wieder zu Viktor um. Er steht jetzt mit einigem Abstand auf dem Treppenabsatz, die Hände tief in den Jackentaschen und sieht sie mit seinen tiefen, fast schwarzen Augen an. Er räuspert sich verlegen: „Gut…, dann…, Gute Nacht…“

Trotz dieser Worte macht er keine Anstalten zu gehen. Vielmehr scheint er auf etwas zu warten. Schlagartig ist das Kribbeln wieder da. Wie eine Lawine überfällt es Elsas ganzen Körper. Nein, sie würde nicht zulassen, dass er jetzt geht! Sie überwindet die plötzliche Distanz zwischen ihnen mit zwei schnellen Schritten und greift ihn am Arm. „Eines hast du mir noch nicht verraten: Schmecken denn nun Cola-Küsse besser?“

Ein Lächeln huscht über Viktors Gesicht.

„Sag du es mir.“

Doch sie rührt sich nicht. Einige Sekunden lang sehen sie sich beide in die Augen. Dann beugt sich Viktor unerträglich langsam zu ihr hinunter. Elsas Griff an seinem Arm verstärkt sich. Ihre Lippen treffen sich. Und dann versinken beide in diesem Kuss.

Wie eine Welle überschwemmt Viktor das Gefühl ihrer warmen, weichen Lippen. Vorsichtig tastet er sich an ihren Seiten entlang hinab zu ihrer Hüfte, zu den Kurven ihrer Bluejeans, die ihm schon den ganzen Abend den Verstand geraubt haben. Zaghaft legt er eine Hand auf ihren unteren Rücken und drückt sie fester an sich, ohne den Kuss auch nur einen Millimeter zu lösen. Ihm stockt der Atem, als er spürt, wie sie ihm entgegenkommt, sie sich weiter an ihn schmiegt, ihn regelrecht zu sich zieht.

Erst als er über die Schwelle in den Flur tritt, begreift er, dass sie ihn tatsächlich mit sich zieht.

„Elsa… was tust du?“, flüstert er atemlos zwischen ihren besitzergreifenden Lippen.

„Ich glaube, ich habe ein bisschen viel getrunken“, nuschelt sie.

„ja… Cola….“

„hmmm… davon… kann man... auch ganz schlimm… betrunken werden.“

Das ist noch nicht einmal gelogen. Elsa fühlt sich wirklich betrunken. Betrunken vom Tanzen, betrunken von diesen Küssen, betrunken von seinen Händen.

Fieberhaft stürzt sie sich immer wieder auf seine Lippen, nach denen sie sich so lange gesehnt hat. Gleichzeitig setzen seine wandernden Hände ihre Haut in Brand. Sie kann nicht mehr klar denken und sein Geschmack und sein Geruch lassen sie schwindelig werden.

„Und betrunkene … Damen finden den Weg …nicht allein ins Bett?“ Viktors Mund wandert jetzt Elsas Hals hinunter.

„Nein…“, keucht sie nach Luft ringend, „da brauchen sie … tatkräftige Unterstützung.“

Sie legt den Kopf zurück in den Nacken und überlässt die weiche Stelle am Übergang zu ihrem Schlüsselbein seinen wohlwollenden Lippen.

Er legt beide Arme um sie, dann verliert Elsa den Boden unter den Füßen. Es kümmert sie nicht so sehr, wie viel mehr der Umstand, dass er seinen Mund von ihrer Haut entfernt. Nur einen Atemzug später tauchen seine Augen ganz nah vor ihren auf.

„Dame ist im Bett“, vermeldet er mit einem süffisanten Lächeln.

Elsa knurrt unzufrieden. Warum hört er auf? Sie legt erneut ihre Arme um seinen Nacken und schließt die Augen.

„Dame hat noch zu viel an, um schlafen zu gehen.“

Viktor schaut einmal kontrollierend an ihr herunter. Dann nickt er.

„Aber das können wir ändern“

Elsa kichert und spürt bereits seine suchenden Finger am Saum ihrer Bluse.

Ein wahnsinniges Glücksgefühl durchströmt sie. Es ist ihr egal, was das hier morgen für Konsequenzen haben wird. Alles woran sie denken kann, ist, dass sich heute nacht, alles erfüllen wird, wonach sie sich seit diesem verfluchten Kuss pausenlos gesehnt hatte. Das hier gehört nur ihnen beiden. Sie will nicht mehr auf die anderen Rücksicht nehmen und kein schlechtes Gewissen mehr haben müssen, sondern sich ihm einfach nur hingeben und seine Berührungen auskosten dürfen. Nur dieses eine Mal, nur diese eine Nacht, verspricht sie sich selbst. Und spätestens als seine Hände über ihre nackte Haut streichen, ist auch der letzte vernünftige Gedanke hinweggewischt.

Good bye, my love

„Möchtest du wirklich nicht noch mit hoch kommen?“ Mario zieht Elsas Hüfte noch etwas fester zu sich. „Wenn du mich schon bis hierher begleitet hast, kannst du doch auch noch kurz mit ins Büro kommen.“ Er sieht seine Freundin auffordernd an. Doch Elsa zieht nur einen Flunsch. „Da gäbe es auch Kaffee“, setzt er noch eins oben drauf. Aber heute scheinen seine sonst so erfolgreichen Überredungskünste nicht zu fruchten.

„Ich gehe jetzt lieber“, murmelt sie, ohne ihn anzusehen.

Sie ist schon dabei sich umzudrehen, da hält Mario sie am Arm fest: „Elsa was ist denn los? Du bist so komisch. Ist es immer noch wegen Samstag?“

Sie sieht zur Seite und schüttelt abweisend den Kopf.

„Es tut mir Leid, Elsa. Wirklich. Ich habe dir doch schon hundert Mal gesagt, dass es mir selbst peinlich ist, dass ich auf Erics Party soviel getrunken habe. Es wird nicht noch einmal vorkommen. Das verspreche ich dir.“

Elsa seufzt. „Das ist es nicht, Mario. Ich… ich weiß selber nicht…. Nur… nur weil ich dich zum Training begleitet habe, muss ich dir ja nicht auch bis ins Büro hinterherlaufen, oder?“

„Was du nur hast…“, Mario schüttelt den Kopf, „Ich will Viktor doch nur fragen wie seine Prüfung gelaufen ist. Willst du das gar nicht wissen?“

„Ich werde es schon noch erfahren. Gratuliere ihm einfach von mir, ja?“ Mit einem strahlenden Blick, den so nur seine wunderschöne Freundin beherrscht, sieht sie ihn an und lässt Mario augenblicklich die vorangegangene Diskussion vergessen.

„Natürlich“ Er zieht sie noch einmal zu sich heran und will sie zum Abschied küssen, doch Elsa dreht rasch das Gesicht zur Seite, sodass seine Lippen auf ihrer Wange landen. Mario runzelt die Stirn, sagt aber nichts weiter. Er winkt zum Abschied und steigt dann die Treppen zum Vereinsbüro hinauf.
 

Oben empfängt ihn das gewohnte, kratzende Geräusch des altersschwachen Druckers, der sich gerade an einer einzelnen Seite abmüht. Ihre Büroeinrichtung im Verein besteht hauptsächlich aus gebrauchter Technik, die sie als Studenten günstig zusammen getragen haben. Sie sind sehr stolz darauf, im Gegensatz zu Erwachsenenvereinen sogar einen Computer zu haben. Doch wenn Mario sich das keuchende Geknarze anhört, dann fürchtet er, dass bald ein neuer Drucker fällig ist.

„Hi Käpt‘n“, begrüsst er Viktor, der unbeeindruckt von dem Lärm am Schreibtisch steht und auf den Computerbildschirm vor sich blickt. „Wie lief’s?“

„Gut“, nickt dieser, ohne den Blick vom Display zu nehmen.

„Das ist doch Klasse! Gratuliere! Damit bist du der erste von uns, der mit der Uni durch ist.“

„Kunststück, wenn man als erster anfängt“, murmelt Viktor mehr zu sich selbst.

„Und von Elsa soll ich dir natürlich auch gratulieren“, fällt Mario gleich ein.

Kurz scheint ihm, Viktor würde zusammenzucken.

„Hm“, macht sein Kapitän nur und wendet sich zum Fenster, „Was war das eben da draußen? Ärger?“

„Ach…“, Mario zieht etwas verlegen seine Kappe tiefer ins Gesicht, „Hast du das mitbekommen? Ich glaube, Elsa ist immer noch sauer wegen Samstag. Stell dir vor, sie hat den ganzen Sonntag kein Wort mit mir geredet. Heute war sie dann wieder einigermaßen normal, aber so richtig immer noch nicht. Und das alles nur wegen ein paar Bier. Das darf dich auch mal sein, oder?“ Nach Bestätigung suchend sieht er Viktor an, doch dieser greift nur nach einem Stift und zieht das mühsam gedruckte Blatt Papier aus dem Drucker. Einen Moment lang hält er es abwägend in der Hand.

„Dabei war es mir schon peinlich genug, dass ich dein Bett belegt habe und du meinetwegen auf dem Sofa schlafen musstest. Da muss sie jetzt nicht auch noch Theater machen. Versteh einer die Frauen.“ Er lacht etwas unbehaglich.

„Hm.“ Viktor klickt den Kugelschreiber und setzt seine Unterschrift unter das förmlich aussehende Schreiben.

Mario zuckt mit den Schultern. „Lass uns über was schönes reden. Die Saison nimmt Fahrt auf. Seit unserem Sieg gegen Nagoya Power kommt eine Anfrage nach der nächsten. Wir sollten über einen strafferen Trainingsplan nachdenken.“

Viktor nickt und faltet fein säuberlich den Brief zusammen.

„Und das tolle ist:“, Mario deutet freudestrahlend auf seinen Kapitän, „Da du nun deinen Abschluss in der Tasche hast, kannst du dich jetzt rund um die Uhr um die Mannschaft kümmern. Als Käpt’n und als frisch abgeschlossener Manager. So wie ich dich kenne, hast du doch schon einiges ausgearbeitet.“

Bei seinen letzten Worten huscht ein kurzes Schmunzeln über Viktors Gesicht. Doch sofort kehrt er zu seiner ernsten Mine zurück und schüttelt entschieden den Kopf.

„Nein.“ Er tritt zu ihm und hält Mario ohne Vorwarnung den gefalteten Brief unter die Nase. „Ich bin raus. Ab heute bist du der Käpt‘n.“

Mario starrt ihn mit offenem Mund an. Während er noch verdattert das Papier entgegennimmt, greift Viktor bereits nach seiner Jacke, schiebt den Stuhl ordentlich an den Schreibtisch und verlässt das Büro.
 

Stöhnend lässt Elsa ihre Sirn auf den Schreibblock vor sich sinken. Der Stift fällt aus ihrer Hand und rollt über ihren Schreibtisch. Warum ist das alles nur so kompliziert? Warum muss das alles ausgerechnet ihr passieren?

Neben sich hinter der Wand hört sie Sarah reden, die bereits seit Stunden das Telefon blockiert. Immer wieder reißen ihre schrillen Ausbrüche sie aus ihrer Konzentration. Wenn diese überhaupt einmal eintritt. Unter ihrem Arm hindurch späht sie durch ihr Zimmer zum Bett, dessen ordentlich gefaltetes Bettzeug züchtig verbirgt, was dort vor zwei Tagen geschehen ist. Elsa blinzelt. Sie wartet bis die plötzliche Welle kribbelnder Gänsehaut abgeebbt ist, dann atmet sie tief durch. Sie zwingt sich zu einem klaren Kopf und fokussiert ihren Blick wieder auf das Papier vor sich. Bereits vor Stunden hatte sie oben auf die Seite zwei Worte geschrieben. ‚Mario‘ und ‚Viktor‘. Darunter hatte sie sich eigentlich eine Pro- und Kontra-Liste erstellen wollen. Einen nach logischen Kriterien aufgestellten Wegweiser, der ihr bei ihrer Entscheidung zwischen den beiden Männern helfen sollte. So richtig hatte das nicht geklappt, wie sie jetzt feststellen muss. Unterhalb der Überschriften ist das Blatt über und über beschrieben mit immer dem gleichen Wort: Viktor. Waagerecht, senkrecht, mit verschnörkelten Buchstaben, mit ausgemalten Linien, in einander übergehend, spiegelverkehrt… Diese verfluchte Verliebtheit! So würde das nie was werden.

Kurz entschlossen steht sie auf und tritt ans Fenster. Etwas kühle Abendluft würde ihr guttun. Sie öffnet es und atmet tief ein. Einzelne Schneeflocken rieseln aus einem dunkelgrauen Himmel in die enge Seitenstraße, zu der ihr Zimmer hinausgeht. Kleine, tanzende Schneeflocken. Elsa lächelt und verfolgt mit ihrem Blick ein paar von ihnen auf ihrem langen Weg aus den Wolken hinunter, an den vielen Fenstern der gegenüberliegenden Hauswand vorbei, bis sie schließlich unten auf dem dunklen Bürgersteig landen und unvermeidlich schmelzen werden. Unvermittelt stockt sie. Das Landen ihrer Schneeflocken bekommt sie nicht mehr mit, denn auf dem Bürgersteig gegenüber ihres Fensters lenkt etwas ihre Aufmerksamkeit auf sich. Oder besser: jemand.

Elsas Augen werden groß. Gänsehaut erfasst sie erneut. Rasch tritt sie vom Fenster zurück, knallt es zu und stürmt aus ihrem Zimmer Richtung Tür. Gerade so erinnert sie sich noch an ihren Schlüssel bevor sie mit rasendem Herzen die Treppenstufen nach unten stürmt.

 

„Hi“, begrüßt sie ihn mit einem zaghaften Lächeln.

„Hi“, antwortet Viktor mit gedämpfter Stimme.

„Möchtest du nicht hochkommen?“

„Sarah ist doch sicherlich da.“

„Stimmt“, verlegen betrachtet Elsa ihre Fußspitzen, „Darum hast du auch nicht geklingelt, oder?“

„Ich war mir sicher, du würdest mich auch so entdecken.“

Sie muss lächeln, als ihr bewusst wird, wie recht er damit hat. „Dann… Sollen wir einfach woanders hingehen?“

Doch Viktor schüttelt nur langsam mit dem Kopf. Etwas in Elsas Brust zieht sich unangenehm zusammen. Er wirkt so ernst.

„Elsa, ich…“ Er atmet einmal tief durch. Offensichtlich fällt es ihm sehr schwer, das zu sagen, was ihm auf dem Herzen liegt. Sie sieht ihn mit großen Augen an und wagt kaum zu atmen.

„Ich wollte mich von dir verabschieden“, bringt er schließlich seufzend hervor.

„Ver-… verabschieden?“

„Ich werde gehen.“

„Wohin?“ Ihre Stimme klingt ungewohnt hoch.

„Ich weiß es nicht.“ Viktor wendet den Kopf ab, um ihr nicht in die Augen blicken zu müssen und zuckt mit den Schultern. „Weg.“

„Aber, aber…“, plötzlich kommt Leben in Elsa, „du hast doch immer gesagt, dass sobald du deinen Abschluss in der Tasche hast, würdest du hier in Osaka richtig anfangen, den Verein voranbringen… Ich dachte immer, dass du hier bleibst, bei uns, … bei mir“, ergänzt sie leise.

„Das dachte ich auch. Aber es geht nicht. Seit Samstag ist einiges anders.“

Seine Worte dröhnen in ihrem Kopf.

„Du gehst wegen mir?“

Er antwortet nicht. Er sieht sie nur aus diesen dunklen Augen an. Ernst, aber irgendwie auch liebevoll.

Elsa schluckt. „Bereust du es?“, fragt sie leise mit zittriger Stimme.

„Nein, im Gegenteil.“ Er schüttelt entschieden den Kopf. „Aber wir können auch nicht leugnen, dass das einiges durcheinander bringt.“

„Niemand weiß es. Ich habe Mario nichts gesagt!“, entfährt es ihr schneller als geplant.

Trotz ihres plötzlichen, lauten Ausbruchs, bleibt Viktor erstaunlich ruhig.

„Und wie stellst du dir das vor? Eine heimliche Affäre? Willst du dich von deinem Freund trennen und offiziell mit mir zusammen sein, während du noch mit Sarah zusammen wohnst und ich mit Mario in einer Mannschaft spiele?“

Elsa fühlt sich, als ob ihr mit jedem seiner Worte ein Stück Boden unter den Füßen weggezogen werden würde. Jedes davon hätte so auch auf ihrem Schreibblock oben in ihrem Zimmer stehen können. „Ich….“

Er tritt einen Schritt näher auf sie zu. Elsa zittert. Kleine Atemwolken steigen zwischen ihnen auf, hängen für einen Moment in der Luft und verschwinden wieder.

„Es ist nicht nur, der Kuss, den wir geteilt haben“, beginnt er erneut, „Es ist nicht nur, dass wir einmal miteinander geschlafen haben. Es ist mehr. Ich liebe dich, Elsa. Und ich ertrage es nicht, daneben zu stehen, wenn er dich umarmt, dass du ihn mit strahlenden Augen ansiehst.“

Elsa holt zwischen ihren zitternden Lippen tief Luft.

„Meine Beziehung zu Sarah ist sowieso beendet, aber ich kann von dir nicht verlangen, dass du dich von Mario trennst. Ihr wart bisher glücklich zusammen und du solltest das nicht einfach so aufs Spiel setzen. Mario ist ein Guter, bitte bleibe bei ihm.“

Sprachlos starrt sie ihn an. Da gesteht er seine Liebe zu ihr und bittet gleichzeitig darum, dass sie bei Mario bleiben sollte? Ja, natürlich: Jedes seiner Worte klingt logisch und vernünftig, sorgfältig durchdacht. Und doch fühlt es sich an, als würde ihr das Herz herausgerissen.

„Aber, ich…“ sie gibt ihr bestes nicht zu schluchzen, wie ein kleines Mädchen, „ich liebe dich auch. Wir finden bestimmt einen Weg! Irgendeinen!“

Viktors Augen leuchten kurz auf, doch sofort senkt er sie wieder.

„Nein, nicht ohne alles wegzuwerfen, das wir bisher hatten.“

Elsa streckt ihre Arme nach ihm aus. Sie muss blinzeln. Ihre Augen brennen jetzt.

Doch Viktor weicht einen Schritt zurück.

„Nein bitte…“, flüstert er, „wenn ich dich jetzt umarme, dann lasse ich dich nie wieder los.“

„Das sollst du auch nicht.“

Er wendet sich ab und sieht statt zu ihr die dunkle Straße hinauf.

„Ich habe nur einen Wunsch:“, sagt er leise. Seine Stimme klingt rau und belegt. „Werd glücklich Elsa.“

Und mit diesen Worten dreht er sich schlussendlich um und geht langsam die Straße hinunter. Wie versteinert bleibt Elsa zurück. Kleine Schneeflocken tanzen um sie herum, fallen auf den dunklen Asphalt zu ihren Füßen und schmelzen. Doch Elsa nimmt sie nicht wahr. Starr blickt sie immer noch auf die Stelle, an der Viktor eben unter ihrem Tränenschleier verschwunden ist.
 

~~~
 

„Schatz, das kann doch nicht sein. Jetzt reiß dich doch mal zusammen! Seit drei Tagen liegst du in diesem Bett und starrst die Decke an.“

Frau Uesugi steht mit verschränkten Armen im Zimmer ihres Sohnes und blickt finster auf das Bett. Viktor hat sich bei ihrer Ankunft zur Wand abgewendet, den Kopf unter den Armen versteckt und tut, als könne er sie nicht hören.

„Lass mich in Ruhe“, brummelt er, “… bitte“, setzt er nach einer kurzen Pause nach.

„Aber du musst doch mal…“, setzt sie erneut an, doch da unterbricht das Klingeln des Telefons unten im Flur ihre Predigt an ihren unmotivierten Sprössling. Rasch verlässt sie das Zimmer, während Viktor erleichtert aufatmet.

„Ja… Nein… oh, das weiß ich nicht mehr… hmmm… hmmm…“ Viktor kann ihre Worte bis hoch in sein Zimmer hören. „Da hast du aber Glück. Er ist gerade bei uns. Warte kurz, ich hole ihn.“

Er verdreht die Augen. Er will doch mit niemanden sprechen. Warum versteht das seine Mutter nicht?

Eine Sekunde später erscheint sie wieder in seiner Zimmertür. „Viktor, für dich.“

„Wenn es Mario ist, sag ihm, ich bin nicht da.“

„Es ist aber nicht Mario. Sondern ein Kishi, Steve…“
 

„Hey Steve, ich glaub’s ja nicht! … Ja, du hast Glück. Ich bin gerade zufällig bei meinen Eltern. Bist du immer noch auf deiner Eisbäreninsel?“

„Ey, Mann, hör auf. Ich kann diese Witze nicht mehr hören…“

„Haha, friert dir der Ball also nicht auf dem 11-Meterpunkt fest?“

„Kannst gerne kommen und dich vom Gegenteil überzeugen!“

„Schon gut, Alter. Ich hab gesehen, dass der Sapporo S.C. einen guten Saisonstart hingelegt hat. Gehts dir weiterhin gut dort?“

„Ja, kann nicht klagen. Bin hier fest etabliert und es macht echt Spaß mit den Jungs. Wir haben nur ein Problem und ich dachte, du kannst mir vielleicht helfen…“

„Klar, schieß los.“

„Du kennst doch alle Hand Leute. Wir suchen dringend einen neuen Manager. Wüsstest du jemanden, der Bock hätte, hier rauf zu kommen und den Job zu machen?“

Viktor umgreift den Telefonhörer fester. Seine Handflächen werden plötzlich ganz feucht.

„Ja, ich wüsste jemanden“, sagt er langsam.

„Cool, wen?“

Grüße aus Sapporo

Drei Monate später
 

Mit einem erleichterten Aufatmen schließt Elsa die Tür ihres Elternhauses hinter sich. Für einen Moment lehnt sie sich dagegen und schließt die Augen. Endlich zu hause. Hinter ihr, in Osaka, liegen Wochen von nervenaufreibendem Auf und Ab. Harmonische Tage hatten sich abgewechselt mit Zeiten voller Gereiztheit und Ärger. Es geht einfach nie lange gut. Dabei versucht sie wirklich ihr Bestes. Aber in letzter Zeit entdeckt sie Seiten an sich selbst, die sie bisher so an sich gar nicht gekannt hatte. Ein paar Tage bei ihren Eltern sollen die alte Elsa zurückbringen, so hofft sie. Ein paar Tage kein Mario, keine Sarah, keine Erinnerungen.
 

„Du siehst gar nicht gut aus, Elsa.“ Mit mütterlich besorgter Miene stellt Frau Daichi ihrer Tochter eine Tasse Tee vor die Nase und setzt sich anschließend zu ihr an den Küchentisch. „Ist es seit eurem Streit immer noch nicht besser geworden.“

Elsa seufzt. „Wir haben uns nicht gestritten, Mama. Jedenfalls nicht wirklich.“

„Nicht? So hattest du dich damals ausgedrückt.“

„Streit kann man das nicht nennen“, Elsa blickt verlegen zur Seite, „Seit… Seit einigen Monaten ist viel los. Mario ist ständig mit dem Verein beschäftigt. Seine Gedanken kreisen quasi ausschließlich darum.“

„Stimmt, das hat Gregor erzählt. Das Team hat wohl eine schwierige Phase hinter sich. Wenn ich es richtig verstanden habe, waren nicht alle damit einverstanden, dass Mario Kapitän wird, nicht wahr?“

„So in etwa. Der Wechsel kam etwas… abrupt. Das hat die Mannschaft ziemlich durcheinander gebracht. Das war eine harte Zeit für Mario.“

„Und da hatte er natürlich wenig Zeit für seine Freundin“, schmunzelt Frau Daichi und sieht verständnisvoll auf ihre Tochter.

„Hmmm“, macht diese nur, „Und in der wenigen Zeit, in der wir uns gesehen haben, geraten wir ständig aneinander.“

„Redet er etwa nur über Fußball?“

„Das nicht, aber irgendwie geht er mir mit Allem furchtbar auf die Nerven. Es ist nicht so, dass er nicht nett zu mir wäre, Mama. Ich glaube, er gibt sich sogar richtig Mühe, aber trotzdem macht er seit Wochen alles nur falsch.“ Sie seufzt noch einmal laut.

„Nun ja, so eine Verantwortung kann eine Person schon verändern.“

Elsa schaut gedankenverloren in ihre Teetasse. „Ich glaube, es liegt eher an mir“, murmelt sie, „Ich habe das Gefühl, als würde ich ihn ständig mit jemandem vergleichen.“

„Wie lange möchtest du denn bleiben?“, ändert ihre Mutter das Thema.

„Bin mir nicht sicher. Ich muss mal auf andere Gedanken kommen. Ein paar Tage. Ist das in Ordnung?“

„Du bist unsere Tochter, Elsa. Du kannst so lange bleiben, wie du willst. Dies hier ist immer noch dein zuhause.“

„Danke“, murmelt sie wieder in ihre Tasse, während Frau Daichi aufsteht und etwas vom großen Notizbrett nimmt.

„Bevor ich es vergesse: Das hier ist letzte Woche für dich angekommen“, sagt sie und legt ihr eine Postkarte auf den Küchentisch. „Erst dachte ich, es ist nur Werbung, aber dann habe ich gesehen, dass sie von Hand geschrieben ist. Vielleicht kannst du ja etwas damit anfangen.“

Mit gerunzelter Stirn nimmt Elsa die Karte in die Hand. Auf der Vorderseite ist eine hell erleuchtete Stadt unter einem wunderschönen, nächtlichen Sternenhimmel abgebildet. ‚Grüße aus Sapporo‘ steht in verschnörkelter Schrift darunter. Sie dreht die Karte um. In sauberen Zeichen steht dort ihr Name ‚Elsa Daichi‘ und die Adresse ihrer Eltern. Daneben, wo sonst viel Platz für Grüße, Wetter- und Hotelbeschreibungen ist, steht nur eine Reihe Zahlen und ein Haken.

Elsa schaut auf in das ratlose Gesicht ihrer Mutter, dann zurück auf die Karte.

Und dann begreift sie. Ihr Herz schlägt mit einem Mal hart gegen ihre Brust. Sie holt tief Luft. „Kann ich mal telefonieren?“

„Natürlich.“

Aber Elsa hat sich bereits das Telefon von der Kommode im Flur geschnappt, wickelt das lange Kabel ab und verschwindet mit dem Apparat im Büro ihres Vaters. Sie setzt sich auf den Fußboden, den Blick fest auf das Telefon vor sich gerichtet. Mit zitternden Händen nimmt sie den Hörer ab. Es ist kein Wunder, dass ihre Mutter mit den Ziffern auf der Karte nichts anfangen konnte. Es handelt sich nicht um eine normale Telefonnummer, sondern um eine Handynummer. Die sind noch neu und unüblich. Und der Haken unter der Nummer ist kein Haken, sondern ein V. Elsas Lippen zittern. V wie Viktor.

Dies wäre das erste Lebenszeichen, seit er sie vor Monaten zwischen all den tanzenden Schneeflocken zurückgelassen hatte. Den ganzen Winter lang hatte niemand etwas von ihm gehört. Keiner in der Mannschaft weiß, wo er steckt. Selbst Conny, seine Schwester, schüttelt immer nur traurig mit dem Kopf, wenn man sie nach ihrem Bruder fragt. Und nun hält sie diese Postkarte in der Hand. Sie wirkt wie eine Verbindung in eine andere Welt.

Elsa atmet noch einmal tief durch, dann wählt sie die Nummer. Unendliche Sekunden lang hört sie nur den Wählton.

„Hallo?“

Ein Blitz durchfährt ihren Körper, als sie seine Stimme hört.

„Hallo Viktor“, sagt sie leise.

„Elsa? Bist du es?“ Die Verbindung rauscht etwas.

„Ja. Ich habe deine Karte bekommen. Ich bin gerade bei meinen Eltern. Bist du wirklich auf Hokkaido?“

„Ja, bin ich. Elsa, es ist schön deine Stimme zu hören…“
 

Später am Abend liegt Elsa im Bett in ihrem alten Kinderzimmer. Das Telefon steht wieder neben ihr. Sie hat die Decke über den Kopf gezogen und spricht leise in den Telefonhörer.

„Ich vermisse dich so.“

„Elsa, ich bin 1.000 km weit entfernt, ich habe keinen Kontakt mehr zu irgendjemanden aus Osaka oder Wakayama und trotzdem kann ich dich nicht vergessen. Du glaubst nicht, wie oft ich hier Frauen mit kastanienbraunem Pferdeschwanz begegne und jedes Mal denke ich, dass du es bist.“

Sie kichert leise. „Ich kann schon gar nicht mehr in die Unicafeteria gehen. Jedes Mal, wenn ich sie betrete, sehe ich dich dort an der Kaffeemaschine stehen.“

„Bin ich jetzt an einem gehörigen Kaffeedefizit Schuld?“

„Du bist an allen Defiziten Schuld.“ Elsa hebt gespielt tadelnd den Zeigefinger vor den Telefonhörer. „Ich bekomme nichts mehr hin, seit du weg bist.“

„Es tut mir Leid, Elsa. Wenn ich gewusst hätte, wie sehr ich dich vermisse, dann wäre ich nicht gegangen. Ich hätte den Kampf gegen Mario aufgenommen. Koste es, was es wolle.“

„Nein Viktor, du hattest mit allem Recht. Wir hätten alles kaputt gemacht. Für die anderen ebenso.“

„Ist nicht schön, Recht zu haben...“

„Ich wäre jetzt gerne bei dir.“

„Dann würde ich dich nicht mehr gehen lassen.“

„Das müsstest du auch nicht. Ich würde nicht mehr weggehen wollen.“

Viktor seufzt nur. Sie hört das Rascheln seiner Bettdecke durch den Telefonhörer. Wenn sie die Augen schließt, ist es, als würde er neben ihr liegen. Sie erinnert sich wieder an diesen einen Moment, in dem sie gemeinsam unter einer Bettdecke gelegen haben. Eng beieinander, seine Wärme, seine Haut auf ihrer.

„Viktor…“

„Ich wünschte du wärst hier.“

„Ich auch“

Elsa schließt die Augen. Und noch bevor sie die Tragweite ihrer Worte wirklich realisiert, hört sie sich selbst sagen: „Viktor, ich komme zu dir.“

„Was?? Bist du verrückt?“

„Ja, ich bin verrückt. Ich halte es nicht mehr aus ohne dich. Ich komme nach Sapporo.“

Süße Kaffeeküsse

Den ganzen Samstag verbringt Elsa damit, sich durch die Reisebüros zu telefonieren und ergattert schließlich ein Flugticket nach Sapporo Chitose. Die Fahrt mit dem Zug wäre zwar deutlich günstiger, würde sie aber einen ganzen Tag mehr kosten. Und Zeit ist etwas, das sie im Moment nicht hat. Zum ersten Mal seit Wochen spürt sie eine kleine Flamme in ihrem Kopf, die sie unglaublich wach und fokussiert sein lässt und sie hartnäckig antreibt. Sie erzählt Mario, dass sie noch ein paar Tage bei ihren Eltern bleibt, und ihren Eltern, dass sie zu einer Freundin fährt. Sonntag früh um 6 Uhr verlässt sie das Haus und nimmt den Regionalzug zum Flughafen Osaka.
 

Mit klopfendem Herzen tritt sie durch die automatischen Schiebetüren in die Ankunftshalle in Sapporo. Würde er auf sie warten? Würde er sie überhaupt finden? Kommt er rechtzeitig? Während sie sich umsieht, stößt ihr ein fremder Koffer in die Fersen. Elsa will höflich aus dem Weg gehen, als sie beinahe mit einer riesigen Ski-Tasche kollidiert. Bevor sie es sich versieht, befindet sie sich inmitten einer aufgeregt schnatternden Touristengruppe, die mit tausenden Koffern und Ski-Gerät jeden Weg versperrt. Als sie sich aus dem Knäuel endlich befreien kann, steht sie orientierungslos im Mittelpunkt der großen Halle. Lautsprecherdurchsagen tönen unverständlich über ihren Kopf hinweg. Links und rechts von ihr hetzen rotgesichtige Menschen zum Gate oder entgegengesetzt zum Bahnhof. Wieder dreht sie sich suchend im Kreis. Hat sie ihn jetzt verpasst? Wo ist er? Ihr Herzschlag beschleunigt sich. Vielleicht kommt er ja doch nicht? Vielleicht ist ihm sogar etwas zugestoßen?

Da umschlingen sie plötzlich zwei Arme von hinten und ihr Gesicht versinkt in einem großen, roten Blumenstrauß. Sie wird an einen warmen Körper gedrückt und hört eine Stimme an ihrem Ohr, die ihr Herz explodieren lässt.

„Du bist da, du bist wirklich da.“

Elsa dreht sich in seinen Armen zu ihm um und drückt sich so fest an ihn, wie sie nur kann. Ihre Augen füllen sich mit Tränen, ohne dass sie so recht weiß, warum. Dabei fühlt sie sich doch einfach nur glücklich. Zaghaft zieht sie ihren Kopf zurück, streift mit ihrer Nase seine Wange entlang, legt ihre Stirn auf seine. Seine fast schwarzen Augen sehen sie ebenfalls glasig an. Sie nimmt sein Gesicht in beide Hände und küsst ihn. Endlos. Bis sie keine Luft mehr bekommt.
 

„Also, was willst du alles sehen?“, fragt Viktor als sie beide in seinem Auto sitzen. „Sapporo hat einiges zu bieten: Wir sollten unbedingt hoch zu den Aussichtsterrassen von Mt. Moiwa, oder auch auf den Fernsehturm, wenn du magst. Eine Fahrt mit der alten Straßenbahn ist gesetzt. Die Schneeskulpturen im Odori-Park sind zwar inzwischen geschmolzen, aber er lohnt sich trotzdem. Susukino, der Jingu-Schrein, Maruyama-Park, unser Heimstadion…“, zählt er atemlos auf, „… was du willst.“

Elsa drückt fester seine Hand, die während der ganzen Fahrt zwischen ihnen auf der Mittelkonsole liegt, damit er sie trotz Lenkens und Schaltens nicht loslassen muss.

„Die einzige Sehenswürdigkeit, wegen der ich hier bin, bist du“, kichert sie, beugt sich zu ihm hinüber und gibt ihm einen schnellen Kuss. „Zeig mir dein Leben hier.“

Kurz mustert er nachdenklich ihr Gesicht, dann holt er sich einen längeren zweiten Kuss zurück. „Gut, dann fahren wir erst einmal zu mir. Du kannst deine Tasche ablegen und die Füße hoch und dann starten wir das Besichtigungsprogramm nach einer heißen Tasse Kaffee.“

Elsas Augen leuchten. „Das klingt gut“, haucht sie, wird aber von einem lauten Hupen übertönt.

Wild gestikulierend deutet der Fahrer hinter ihnen auf die Ampel, die anscheinend schon länger grün zeigt. Unter Elsas Kichern grummelt Viktor nur, lässt widerstrebend ihre Hand los und fährt an.
 

„Die Wohnung gehört Steves Eltern“, erklärt er eine halbe Stunde später und reicht ihr eine dampfende Tasse Kaffee. Lächelnd nimmt sie sie in ihre Hände und kuschelt sich ins Sofa. „Sie sind eigentlich jeden Winter hier oben zum Skifahren. Steve sagt, so lange er denken kann, waren sie in den Ferien auf Hokkaido. Daher hat er auch viele Bekannte hier und ist nach der Schule hierhergezogen.“ Er grinst etwas schief, als hätte er diese Bekannten gerade nur allzu gut vor Augen.

„Aber wollten seine Eltern während des Winters nicht hier wohnen?“ Kurz muss Elsa an all die Touristen denken, die mit ihr im Flieger saßen.

Viktor zuckt mit den Schultern. „Sein Vater hat‘s wohl mit der Hüfte, mit der er zur Zeit nicht Skifahren kann. Daher konnte ich hier bleiben. Ich zahle ihnen natürlich eine Miete.“

„Und deine Eltern? Sie wissen nicht, dass du hier bist, oder? Conny weiß es jedenfalls nicht.“

Ein Schatten huscht über sein Gesicht. „Nein“, sagt er langsam, „wissen sie nicht.“

„Willst du es ihnen nicht sagen?“

„Ich wollte…“, beginnt er und muss seufzen, „… Abstand von Allem. Und dazu gehörten auch gut gemeinte Ratschläge. Als Steves Anruf kam, war es, als würde sich für mich eine neue Tür öffnen. Es war so weit weg von Allem, ein neuer Verein, eine neue Stadt, neue Freunde. Sapporo ist schön, etwas kalt vielleicht. Die Menschen hier sind offen und ziemlich sportverrückt. Der Sapporo S.C. ist schon lange eine Größe in der Regionalliga. Den Vertrag als Manger des Vereins zu bekommen, war mehr eine Formalität. Es gibt so viel zu tun, dass sie mich nach dem ersten Tag hier kaum gehen lassen wollten. Inzwischen bin ich auch Spieler in der Stammmannschaft. Es lief ausgezeichnet. Ich dachte, ich könnte alles hinter mir lassen und von vorne beginnen.“

Elsa beißt sich auf die Unterlippe und blickt verkrampft in ihre Tasse. Einerseits freut sie sich natürlich für ihn, dass es ihm gelungen ist, sich woanders etwas aufzubauen und an seiner Stimme erkennt sie, dass er damit glücklich ist. Aber andererseits versetzt ihr die Erkenntnis einen Stich ins Herz: Er hatte sie, Elsa, vergessen wollen.

Seine warme Hand auf ihrer lässt sie zusammenfahren. „Es hat nicht funktioniert“, sagt er sanft und drückt ihre Hand.

Sie lächelt und legt ihren Kopf auf seine Schulter. „Bei mir auch nicht.“

„Ich werde mich bei Conny melden, und auch bei meinen Eltern“, verspricht er, „Es ist eh nur eine Frage der Zeit, bis unser Team mal in den überregionalen Nachrichten erscheint. Und wahrscheinlich wird es auch nicht mehr so lange dauern, bis wir deinem Bruder auf dem Spielfeld gegenüberstehen. Ihm und ….“

Elsa schließt rasch die Augen. Sie will den Namen nicht hören. Nicht jetzt.

Viktor scheint ihre Reaktion zu bemerken und lässt den Satz unvollendet. Er streicht ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. „Erzähl, wie ist es dir ergangen?“

Elsa nimmt rasch einen Schluck aus ihrer Tasse um ihn nicht ansehen zu müssen.

„Da gibt es nichts schönes zu erzählen“, murmelt sie.

Er rückt etwas näher zu ihr heran und greift nach ihrer Hand: „Erzähl es mir trotzdem.“

Einen Moment lang zögert sie noch, dann beginnt sie trotzdem zu erzählen: „Eigentlich gibt es ständig Streit, seit du fort bist.“ Fahrig dreht sie die Tasse in ihren Händen. „Mit Sarah, mit meinem Bruder und auch mit Mario.“

Sie spürt das kurze Zucken in seiner Hand, als sie den Namen seiner Ex-Freundin erwähnt. Sie atmet tief durch. „Sarah wirft sich seit Wochen von einer Uni-Party in die nächste. Und sie will, dass ich jedes Mal dabei bin. Mal ganz davon abgesehen, dass ich genügend für die Uni tun muss, habe ich darauf auch überhaupt keine Lust.“

Kurz blickt sie prüfend in sein Gesicht. Er muss nicht alle Details von Sarahs wildem Nachtleben erfahren. Es spielt eh keine Rolle mehr, mit wem sie sich jetzt vergnügt.

„Und Mario? Hast du es ihm…“

Elsa schüttelt schnell den Kopf. „Nein, ich habe ihm nichts gesagt. Aber er spürt auch so, dass irgendetwas ist. Selbst Gregor meint ständig, dass ich ihn unfair behandle, und macht mir dann Vorwürfe. Ich habe es wirklich versucht, Viktor.“ Ihre Stimme beginnt plötzlich zu zittern. „So wie du habe ich versucht, zu vergessen und mein altes Leben wieder fortzuführen. Aber ich schaffe es nicht. Alles und jeder erinnert mich an dich. Ich kann nicht so tun, als wäre das nicht passiert. Ich halte Marios Gegenwart nicht mehr aus, stoße ihn ständig von mir weg. Es gibt auch immer einen plausiblen Grund dafür: Zu viel Training, etwas vergessen mitzubringen, immer steht der Verein an erster Stelle. Aber eigentlich…“ Zaghaft verschränkt sie ihre Finger in seiner Hand und sieht ihn an. „Eigentlich ist es weil… naja… er ist nicht du.“

„Hättest du gerne, dass ich er wäre?“

„Das ist es, woran ich die ganze Zeit denken muss: Was wäre gewesen, wenn Mario gegangen wäre und ich an deiner Seite hätte sein können?“ Ein verträumtes Lächeln huscht über ihr Gesicht. Viktor registriert es und saugt es auf wie Verdurstender einen Schluck Wasser.

„Hättest du das gewollt?“

Mit der freien Hand stellt Elsa endlich die längst leere Tasse vor sich auf den Tisch. „Bis vorgestern hätte ich dir Recht gegeben mit dem, was du damals gesagt hast: Es hätte so viele Konsequenzen, so vieles, auf das wir Rücksicht nehmen müssten. Aber..“ Sie drückt wieder seine Finger. „… jetzt wo ich hier neben dir sitze…“ Eine einzelne Träne rollt ihre Wange hinab. „… ist mir das so egal. Ich bin einfach nur glücklich.“ Mit einem Schluchzen wirft sie sich an seine Brust. Erleichtert spürt sie seine Arme um ihren Rücken, mit denen er sie fester an sich zieht.

„Es tut mir Leid, Elsa“, flüstert er, „dass ich dir so viel Kummer bereitet habe. Seit ich wieder deine Stimme gehört habe, seit du hier bist, bin ich zum ersten Mal wieder glücklich. Ich brauche dich, wie die Luft zum Atmen.“ Er holt ihre Hände zwischen ihnen beiden hervor, nimmt sie in seine und küsst sie. „Ich liebe dich. Immer noch. Nein, mehr als vor drei Monaten.“

Elsas Herzschlag fühlt sich an, als würde ein junges Vögelchen zu ersten Flug ansetzen. Sie schmiegt sich so fest an ihn, wie sie nur kann. „Ich dich auch“, flüstert sie.
 

Das schwache Licht der Nachmittagssonne fällt ins Zimmer als sich Viktors Streicheln über ihren Rücken etwas verändert. „Wie ist es? Möchtest du raus und dir etwas ansehen?“

„Muss ich dich dafür loslassen?“

Viktor tut, als müsste er überlegen. „Hmm, kurz, ja.“

„Dann nicht!“ Trotzig schmiegt sie ihr Gesicht wieder an seine warme Brust und entlockt ihm damit ein leises Lachen.

„Dann müssen wir die Zeit anders herumbringen.“

„Hast du eine Idee?“

Er verschränkt seine Finger mit ihren: „Wie wärs mit Küssen?“

Elsa deutet auf die leere Kaffetasse auf dem Couchtisch. „Das könnten aber Kaffee-Küsse werden.“

Ein breites Grinsen lässt sein Gesicht strahlen. „Ich kann mir gerade keine besseren vorstellen.“

Neue Freunde

Als Elsa am nächsten Morgen die Augen aufschlägt, durchfährt sie ein erschrockener Ruck. Wo ist sie? Das Zimmer kennt sie nicht. Sie liegt in einem Bett und über ihrem Bauch spürt sie einen schweren Arm. Hastig dreht sie sich um und schließt sogleich wieder erleichtert die Augen. Langsam kehren die Erinnerungen an den gestrigen Tag zurück. Mit klopfendem Herzen will sie sich dichter an den warmen Körper schmiegen, da bemerkt sie seine halb geöffneten Augen.

„Bist du schon wach?“, murmelt Viktor leise.

Sie befreit sein Gesicht von einigen schwarzen Haarsträhnen und kommt ihm ganz nah. „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir ins Bett gegangen sind.“

Er lächelt, hält die Augen aber geschlossen: „Hmmm, du bist gestern Abend auf dem Sofa eingeschlafen.“ Er zieht mit seinem Arm auch ihren restlichen Körper an sich heran. „Und dann habe ich dich hier rüber getragen.“

„Ach? Und bei der Gelegenheit bist du über mich hergefallen!“

Augenblicklich ist Viktor hellwach: „Hallo? Was hältst du denn von mir?“

Elsa kichert. Sie will ihn nur necken. Allerdings hat sie nicht mit den Konsequenzen gerechnet. Sanft, aber bestimmt ergreift Viktor ihre rechte Hand und drückt sie von ihrem Körper weg auf das Bettlaken. Ohne sie loszulassen, beugt er sich über sie. Bevor er sie küsst, raunt er ihr zu: „Das wollte ich mir für heute früh aufheben.“
 

„Es tut mir wirklich Leid, Elsa“, beginnt er, als sie gemeinsam am Frühstückstisch sitzen, „Ich würde heute nur zu gerne den ganzen Tag mit dir verbringen, aber ich muss auch für ein paar Stunden ins Büro und später hat unser Kapitän auch noch Training anberaumt.“

Elsa blickt ihn kurz irritiert an. „Stimmt, es ist ja Montag“, murmelt sie und nimmt einen Schluck Kaffee. Sie sieht noch einmal sehnsüchtig in die Augen, dann schüttelt sie den Kopf. „Nicht so schlimm. Dann sehe ich mich allein etwas um oder ich schaue euch einfach beim Training zu. Ist doch bestimmt interessant.“

Viktor lacht. „Jetzt kommt es raus, Elsa. Du bist eigentlich hier, um uns auszuspionieren. Streng geheime Trainingsinterna für ein gewisses Team aus Osaka, hmm?“ Er zwinkert ihr scherzhaft zu, doch Elsas Gesicht verdüstert sich. Unbewusst klammert sie sich so fest an ihre Kaffeetasse, dass ihre Fingerknöchel weiß werden.

Rasch greift er nach ihren Händen. „Entschuldige, ich wollte dich nicht…“

Elsa schließt die Augen, als könnte sie seine letzten Worte aus ihrem Kopf verdrängen. „Schon gut. Ich kann nun mal nicht so tun, als würde es ihn nicht geben.“

Mit einem Mal ist Elsa fürchterlich schlecht. Der Gedanke an Mario führt ihr schlagartig vor Augen, was sie hier eigentlich tut: Sie hat ihren Freund erst angelogen, als sie hier hergefahren ist und anschließend mit Viktor betrogen. Nicht erst seit heute früh, genau genommen bereits mit dem ersten Kuss in der Flughafenhalle. Ein dicker Kloß steckt in ihrem Hals. Sie haben nicht darüber gesprochen. Ob sich Viktor bewusst ist, was ihr Besuch hier in Sapporo eigentlich bedeutet? Sie blickt auf.

Viktor hält noch immer ihre Hand und sieht sie besorgt an. Dann erhebt er sich entschlossen vom Stuhl und greift nach seinem Telefon. „Ich hab eine Idee“, meint er und wählt eine Nummer.
 

~~~
 

„Bist du dir sicher, dass das Training stattfindet? Der Platz sieht nicht bespielbar aus.“ Etwas skeptisch betrachtet Elsa den leicht gefrorenen Rasen.

„Frost ist kein Grund zu schwänzen“, lacht Viktor und stellt sich neben sie an den Zaun des Trainingszentrums, „Zur Not gehen wir in die Halle.“

„Ich sehe schon“, schmollt sie, „ich muss dich wirklich für den Nachmittag abgeben, was?“

Rasch zieht Viktor sie in seine Arme. Ihr Gesichtsausdruck gefällt ihm nicht. Seit heute früh ist da ständig dieser nachdenkliche Schatten auf ihrem Gesicht. Ob sie es bereut, hergekommen zu sein? Ist es zu früh gewesen, um miteinander zu schlafen? Immerhin ist sie immer noch offiziell…

„Aha, du bist also diese unmögliche Person!“

Erschrocken zucken beide zusammen und blicken sich um. Sie sind nicht mehr allein. Ein Pärchen nähert sich ihnen. Instinktiv greift Elsa nach Viktors Hand.

„Becky…“, stöhnt dieser laut.

„Schatz, bitte!“ Der junge Mann, den Elsa als den ehemaligen Nanyo-Stürmer Steve wiedererkennt, verdreht empört die Augen. „Viktor ist unser Freund.“

„Natürlich ist er das. Ich meine ja auch die Dame an seiner Seite!“

Elsa blickt auf und in ein hübsches, gekonnt geschminktes Gesicht. Es gehört einer jungen Frau in ihrem Alter. Trotz des kalten Wetters trägt sie ein kurzes Kleid unter dem Wintermantel, das eine üppige Oberweite erahnen lässt. Frech grinst sie Elsa an und hebt ihren behandschuhten Zeigefinger vor ihr Gesicht.

„Ich will sagen, ich habe es für unmöglich gehalten, dass dann doch ein Mädchen existiert, das unserem Viktor den Kopf verdrehen kann. Und wir haben es wirklich versucht, glaube mir.“ Erneut zwinkert sie Elsa zu. „Aber ich bezweifle, dass er überhaupt gemerkt hat, dass es in Sapporo Frauen gibt.“

Hinter ihr lässt Viktor ein weiteres Stöhnen vernehmen und Steve guckt etwas beschämt auf seine Fußspitzen. Elsa ist sprachlos. Sie weiß weiterhin nicht, wie sie die Frau einordnen soll.

„Ich bin übrigens Becky, Steves Freundin.“ Die behandschuhte Hand senkt sich von Elsas Nasenspitze auf Bauchhöhe und bietet ihr einen Händedruck an.

Elsa schluckt und ergreift sie. Unsicher lächelt sie zurück. „Ich bin Elsa.“

Becky nickt zufrieden. „Gut. Jungs, ab zum Training mit euch! Wir wollen schließlich, dass ihr das nächste Spiel gewinnt.“ Sie wedelt mit ihren Händen in Richtung Steve und Viktor, um ihnen zu verdeutlichen, dass sie gehen können. Viktor wirft noch einen fragenden Blick auf Elsa, die leicht gequält zurücklächelt.

Da hakt sich Becky bereits bei ihr unter. „Komm mit. Hier ist es erstens zugig und zweitens langweilig. Trinkst du Kaffee, Elsa?“
 

„Kommst du denn auch aus Osaka?“, fragt Becky, nachdem sie eine Straße weiter in einem kuscheligen Café einen Platz gefunden haben.

„Ja, ich bin gestern hier angekommen.“ Zufrieden rührt Elsa mit ihrem Löffel durch den dicken Schaum ihren Cappuccinos. So lässt die Wartezeit sich doch aushalten.

„Und hat unser lieber Viktor dir schon einiges von Sapporo gezeigt oder habt ihr euch seit deiner Ankunft nur mit euch selbst beschäftigt?“

Elsa spürt, wie ihr das Blut in die Wangen schießt. Ertappt rührt sie schneller durch den Milchschaum. Schließlich räuspert sie sich und bemüht sich rasch, die einzige touristische Aktivität, die sie bisher bewältigt haben, zu präsentieren:

„Wir sind heute mit der alten Straßenbahn gefahren und hier hat mir Viktor dann noch das Trainingszentrum und sein Büro gezeigt.

Becky nimmt gerade noch schnell genug den Kaffeebecher von den rotgeschminkten Lippen, um nicht lautstark hineinzuprusten.

„Na gut“, meint sie, als sie sich wieder gefangen hat, „die Straßenbahn lasse ich mal gelten.“

„Aber was ich bisher gesehen habe, ist Sapporo sehr schön“, setzt Elsa noch nach.

„Natürlich ist es das.“ Becky tut, als wäre diese Information völlig überflüssig.

„Bist du von hier?“ Bevor sie nach tiefergehenden Details über ihren Aufenthalt bei Viktor ausgefragt werden kann, beschließt Elsa kurzerhand das Thema zu wechseln. Denn so richtig wird sie noch nicht schlau aus Steves Freundin. Sie spricht einwandfreies Japanisch und bewegt sich in der Stadt, als würde sie schon immer hier leben. Doch unter dem Makeup erkennt man eindeutig nicht-japanische Gesichtszüge. Das Haar, das üppig unter ihrer Mütze hervorquoll nachdem sie sie beim Eintreten in das Café abgenommen hatte, ist schwarz gefärbt. Elsa vermutet einen sehr viel helleren Braunton als Naturfarbe. Und das Kleid, das sie trägt, betont eine Stundenglasfigur, die für eine Japanerin einfach nur undenkbar wäre.

Becky scheint ihren Blick zu bemerken, denn sie schmunzelt nur wissend. „Du wirst lachen: Ich bin in Sapporo geboren und aufgewachsen. Ich bin also eine waschechte Japanerin.“

„Ich wollte dich nicht…“

Doch Becky winkt nur ab. „Ich weiß, was die meisten über mich denken, wenn sie mich zum ersten Mal sehen. Meine Eltern sind Engländer. Sie sind vor Jahren zum Skifahren hier hergekommen, haben sich in Hokkaido verliebt und sind irgendwann geblieben. In der Skischule, die sie betreiben, habe ich bereits als Kind Steve kennengelernt. Unsere Eltern haben jeden Winter viel miteinander unternommen, sodass wir uns immer wieder regelmäßig gesehen haben. Er hat mir schon in der Mittelstufe versprochen, dass er nach der Schule nach Sapporo ziehen wird.“ Ein verliebtes Lächeln huscht über ihr Gesicht. „Und daran hat er sich gehalten. Wir kennen uns jetzt seit… lass mich rechnen…. 15 Jahren! Und für mich gab es nie einen anderen. Er ist soooo….“ Becky beendet den Satz mit einem Seufzer, der für 1000 Beschreibungen steht.

Er erinnert Elsa nur zu gut an sich selbst. Mit einem eigenartigen Kribbeln im Magen blickt sie in ihre Tasse. Seit so langer Zeit zusammen und immer noch verliebt. Bis vor wenigen Monaten hätte sie wahrscheinlich das gleiche gesagt. Und nun?

„Also, ich kann dich beruhigen“, fährt Becky aufgeregt fort, „Ich will nichts von Viktor. Im Gegenteil, ich würde mich freuen, wenn er endlich eine Freundin findet. Ich habe ihn durchaus einigen meiner Freundinnen vorgestellt, als er hier ankam, aber ich hatte immer das Gefühl, dass er gar kein Interesse hat, jemanden kennenzulernen. Ich dachte mir schon, dass es da wohl noch jemanden in Osaka geben muss.“ Sie lehnt sich halb über den Tisch und zwinkert Elsa verschwörerisch zu. „Und dieser jemand sitzt mir nun also gegenüber. Jedenfalls, wenn ich Viktors Blick richtig interpretiert habe. Und glaube mir, so glücklich habe ich ihn in den letzten Monaten an keinem einzigen Tag gesehen.“

„Wirklich?“ Elsas Herz macht einen kleinen Hüpfer.

„Definitiv!“ Sie erntet ein energisches Nicken. „Und das bedeutet auch“, Becky klopft mit den Zeigefinger auf die Tischplatte vor sich, um ihren Worten Gewicht zu geben, „dass ich jetzt alles wissen will! Wie habt ihr euch kennengelernt? Und noch wichtiger: Warum ist Viktor Hals über Kopf hier hoch gekommen und hat dich nicht gleich mitgebracht?“

Elsa schluckt schwer. Unsicher mustert sie Beckys Gesicht. Sie war offen zu ihr gewesen, hatte ihr ihre Geschichte und von ihrer Beziehung zu Steve erzählt. Kann sie ihr vertrauen? Würde sie sie verurteilen?

Becky sieht sie fortwährend an. Es ist ein neugieriger Blick, offen und freundlich. Elsa spürt, dass Becky jemand ist, dem man sich anvertrauen kann. Es würde gut tun, endlich jemandem die ganze Geschichte erzählen zu können.
 

„Oh wow“, entfährt es Becky als Elsa geendet hat, „und das alles nur wegen eines einzigen Kusses, der noch nicht einmal ernst gemeint war?“

Elsa zuckt nur schmunzelnd mit den Schultern.

„Also von meinem ersten Kuss war Steve nicht so begeistert“, erinnert Becky sich, „aber das kann auch daran liegen, dass ich ihn anschließend in den Schnee geschubst habe.“ Sie grinst. „Oder daran, dass wir erst sieben Jahre alt waren.“

Sie müssen beide lauthals lachen.

„Aber wenn ich das richtig verstanden habe, dann bist du immer noch mit deinem Freund in Osaka zusammen. Böses Mädchen.“

Gespielt tadelnd wackelt Becky mit einem Zeigefinger vor Elsas Gesicht.

Diese beißt sich auf die Unterlippe.

„Wirst du dich jetzt von ihm trennen?“

Elsa seufzt. „Nun ja, ich…“

„Also beide gleichzeitig, geht nicht“, stellt Becky trocken fest.

„Ich weiß es einfach nicht.“ Elsas Hände klammern sich um ihre leere Cappuccinotasse. „Ich bin mit Mario seit inzwischen fast sieben Jahren zusammen. Ich kenne es eigentlich gar nicht anders. Ich kann ihm auch nichts vorwerfen, was er falsch getan haben sollte. Außerdem studiere ich noch in Osaka. Das Abschlusssemester muss ich unbedingt noch beenden. Mein Bruder lebt ebenfalls dort. Meine Eltern unterstützen mich mit der Miete. Sie würden es nicht verstehen, wenn ich das alles mit einem Mal hinwerfe und 1000 Kilometer entfernt nach Sapporo ziehe. Und das alles nur wegen… wegen EINES verdammten Kusses.“

„Na, bei einem ist es ja nicht geblieben, wenn ich mich recht erinnere.“ Becky räumt das Kaffeegeschirr zur Seite und beugt sich näher über den Tisch. „Elsa, ja, es wäre verrückt, das alles hinzuwerfen. Das wusstest du aber bereits vor drei Monaten. Und dennoch bist du jetzt hier.“

Elsa hält verdutzt den Atem an. Aus großen Augen sieht sie Becky an.

„Ich glaube, dein Herz weiß längst, was der richtige Weg ist. Dein Kopf sucht nur noch einen Grund, auf dein Herz zu hören.“

„Aber…“

„Außerdem ist es ja nicht so, dass du in die unzivilisierte Wildnis ziehen würdest. Eine Uni, an der du deinen Abschluss machen könntest, gibt es auch hier. Sapporo sucht in jedem Bereich Arbeitskräfte, einen Job zu finden dürfte kein Problem sein. Ich arbeite in der Stadt beim Tourismusbüro und allein dort gibt es doppelt so viel Arbeit wie Leute. Wenn ich dich empfehle, könnte es sogar sein, dass sie dich bereits vor deinem Abschluss einstellen.“

„M… meinst du?“

„Klar! Was sagtest du noch mal, was studierst du?“
 

~~~
 

„Und? Habe ich dir zu viel versprochen?“ Viktor schlingt von hinten seine Arme um Elsas Taille, während sie mit glänzenden Augen das Panorama unter sich betrachtet. Sie stehen auf den Aussichtsterrassen von Mt. Moiwa. Unter ihnen erstrahlen die Lichter von Sapporo in allen Farben.

„Es ist wunderschön“, flüstert Elsa, „Es ist der gleiche Blick, wie auf der Postkarte, die du mir geschickt hast, oder?“

„Hmm.“

Zum wiederholten Male mustert Viktor ihr Gesicht. Seit er sie heute Nachmittag von Becky wieder abgeholt hat, ist Elsa eigenartig verschlossen. Sie lacht kaum noch über seine Witze und scheint in Gedanken ständig woanders zu sein. Die Befürchtung, sie könnten in Osaka sein, liegt ihm wie ein großer, schwerer Stein im Magen.

„Wir können jeden Tag hierherkommen, wenn du es magst.“

Plötzlich weiten sich Elsas Augen erstaunt. Sie blickt auf und streckt eine Hand vor sich aus. Langsam schwebt eine einzelne Schneeflocke aus der Dunkelheit über ihnen in ihre Hand, verweilt dort glitzernd für einen Moment und schmilzt.

„Es schneit wieder“, stellt Viktor fest und sieht hinauf in die dunklen Wolken. Er greift sanft nach ihren Händen.

„Weißt du noch, was war, als es das letzte Mal geschneit hat?“

Elsa verzieht den Mund. „Ja, du hast mir gesagt, dass du gehen wirst.“

„Nein, nein!“ Viktor schüttelt heftig mit dem Kopf, „Davor! Das Mal davor, meine ich.“

Elsa schmunzelt. Sie beantwortet seinen Griff um ihre Finger mit einem festen Druck. „Ja, das weiß ich noch.“

Langsam nimmt er ihre Hände, hebt sie zusammen über ihren Kopf und dreht Elsa einmal herum, so dass sie ihn ansehen muss. Ein leises Kichern entfährt ihr. „Willst du tanzen?“

„Ich will jeden Tag mit dir tanzen“, antwortet er, umfässt ihr Gesicht und beugt sich zu ihr, um ihr einen sanften Kuss auf die Lippen zu hauchen.

Elsa seufzt, als er sich wieder von ihr löst. Die Worte liegen so schwer in ihrem Mund. Nachdenklich lässt sie ihren Blick über Viktor schweifen. Seine fast schwarzen Augen sehen sie intensiv an. Die breiten Augenbrauen sind leicht zusammengezogen und verraten, dass die Gedanken dahinter ebenfalls wandern. Er will eine Antwort, ein Ja oder ein Nein. Das ist ihr bewusst. Es ist nur fair, jetzt eine Entscheidung zu treffen.

Einzelne Schneeflocken schweben zwischen ihnen Richtung Boden. Elsa verfolgt sie mit den Augen. Zu ihren Füßen bilden sich kleine weiße Flecken, die langsam zu winzigen Verwehungen anwachsen.

Der Schnee bleibt liegen, geht es ihr durch den Kopf.

Sie holt tief Luft und hebt wieder ihren Blick. „Viktor,…“

Er hat sich nicht gerührt. Noch immer liegen seine Augen liebevoll auf ihr. Nur die zusammengepressten Lippen verraten, dass er ahnt, was sie sagen will.

„Ich werde morgen wieder nach Osaka zurückfahren.“

„Elsa!“ Er drückt Elsas Hände so fest, dass es wehtut. „Hätte ich heute nicht zum Training gehen sollen? War es nicht gut gewesen, Becky anzurufen? Hätte ich den ganzen Tag lieber mit dir ver…“ Da legt sie ihren Zeigefinger auf ihre Lippen und hindert ihn, daran weiterzusprechen.

„Ich fahre nach Osaka, um dort die letzten Dinge zu klären, und dann komme ich nach Sapporo zurück um hier zu bleiben. Wenn du willst, für immer.“

Seine Augen strahlen. Er zieht sie fest in seine Arme und flüstert in ihr Haar: „Ja, das will ich, Elsa.“

Ende

„Hey Käpt’n“

Etwas unwillig schaut Mario auf. „Hmm?“

„Warte noch kurz.“

„Was ist Gregor?“

Gregor verdreht kurz den Kopf nach allen Seiten, um sich zu vergewissern, dass alle anderen gegangen und er und sein bester Freund nun allein in der Umkleidekabine sind.

„Sag mal“, beginnt er vorsichtig, „ich hatte das Gefühl, dass du heute im Training irgendwie neben dir standest. Ist alles okay?“

Mario presst die Lippen aufeinander. „Hat man das gemerkt, ja?“, murmelt er.

„War nicht zu übersehen…“ Erleichtert, dass Mario sich nicht ganz verschließt, wie es öfters seine Art ist, setzt Gregor sich neben ihn auf die Bank und redet weiter. „Hat dich wieder irgendjemand blöd angemacht, wegen des Kapitänspostens? Das Thema sollte doch nun wirklich langsam geklärt sein.“

„Nein…“

„Sondern?“

„…“

„Mario?“

„Es ist…“ Mario seufzt schwer. Wem soll er sich anvertrauen, wenn ich ihm, seinem besten Freund? „Hast du in den letzten Tagen mal mit deiner Schwester gesprochen?“

„Mit Elsa? Nein…“ Gregor legt seine Hand auf den Hinterkopf um kurz nachzudenken. „Um ehrlich zu sein, habe ich sie schon seit einer Weile nicht mehr gesprochen.“

„Elsa… Elsa hat gestern mit mir Schluss gemacht.“

Der Satz fällt wie schwere Steinbrocken in die Umkleidekabine. Gregor hält ungläubig die Luft an.

„Sie war gestern bei mir, hat gesagt, dass sie nicht mehr an unsere Beziehung glaubt. Sie will etwas anderes, das ich ihr nicht geben kann.“

„Was denn anderes?“, entfährt es Gregor.

Mario schüttelt mit dem Kopf. „Keine Ahnung. Ich habe sie das auch gefragt, aber sie hat mir keine Antwort gegeben. Es war schwierig überhaupt etwas aus ihr heraus zu bekommen. Sie hat sofort angefangen zu weinen und hat immer nur wiederholt, dass sie das alles nicht mehr will.“

„Aha…. Aber, aber warum?!“

„Das frage ich dich, Gregor. Du bist ihr Bruder. Hat sie dir in letzter Zeit irgendwas gesagt? Oder vielleicht zu Conny?“

Gregor starrt in das Gesicht seines Kapitäns. Mit brennenden Augen sieht dieser ihn an, als könnte er die Antwort in irgendeiner Regung oder auch nur Haarspitze seines Gegenübers herauslesen.

„Ähhh….“, abwehrend hebt Gregor die Hände, „Also Conny hat mir nichts in der Hinsicht gesagt und ich weiß auch nichts. Ich habe nur mitbekommen, dass sie in letzter Zeit ziemlich zickig war. Hat sie vielleicht Stress an der Uni? Immerhin ist es ihr letztes Semester.“

Mario zuckt mit den Schultern. „Eigentlich nicht. Vielleicht weiß Sarah etwas?“

Plötzlich springt Gregor auf. Seine Augen leuchten wie immer, wenn er einen Plan hat. „Mario, überlass das mir. Das Ganze lässt sich bestimmt lösen. Ihr beide gehört doch zusammen. Da steckt garantiert etwas anderes dahinter. Lass mich mit ihr reden. Mir wird sie bestimmt antworten. Ganz sicher!“
 

Brrt, brrrrrrt

Hibbelig wippt Gregor mit den Füßen auf und ab, während er auf die geschlossene Tür zu Elsas und Sarahs WG starrt. Nach dem zweiten Klingeln ertönen dahinter Schritte.

„Siehst du, ich habe doch gesagt, dass du sofort wieder zurück… oh, hallo Gregor.“ Überrascht blickt Sarah ihn an. Offensichtlich hatte sie mit jemand anderem gerechnet.

Gregors Hand wandert schon wieder verräterisch zu seinem Hinterkopf.

„Ähh…hallo“, lacht er verlegen, „ist Elsa da? Ich muss dringend mit ihr sprechen.“

„Das ist eine gute Idee, Gregor. Das würde ich auch gerne, aber leider ist sie seit gestern abend weg.“

„Wie weg?“

„Weg.“ Sarah zuckt mit den Schultern. „Hat eine große Reisetasche gepackt und ist zur Tür hinaus.“

Gregor öffnet den Mund, kommt aber nicht mehr dazu etwas zu sagen. Augenblicklich ergießt sich die ganze Geschichte über ihn wie ein Wasserfall.

„Sie war völlig außer sich. Dabei habe ich sie nur gefragt, ob ich ihre Aufzeichnungen aus der Buchhaltungsvorlesung haben kann. Wir schreiben doch nächste Woche unsere Prüfung und durch die Parties und den ganzen Stress mit diesem Idioten Saotome in den letzten Wochen, hatte ich kaum Zeit zu lernen.“

„Äh...“

„Aber anstatt mir auszuhelfen, wie sie es sonst immer sofort getan hat, war sie total zickig. Weißt du, was sie mir an den Kopf geworfen hat? Willst du es hören?“

„Elsa? Zickig?“

„‚Werd endlich erwachsen!‘ Das hat sie zu mir gesagt. Nein angeschrien hat sie mich! Ich bin 22! Ich bin erwachsen! Was denkt sie sich denn?!“

Gregor hofft inständig, dass er darauf keine Antwort geben muss. Seine Haare am Hinterkopf stehen inzwischen wild in alle Richtungen ab, so sehr reibt er mit der Hand dagegen.

„Dann ist sie in ihrem Zimmer verschwunden und hat eilig ihre große Tasche gepackt. Dabei war sie doch gerade erst bei euren Eltern.“

„Hat sie etwas gesagt, wohin sie geht?“

Wieder zuckt Sarah mit den Schultern. „Nein. Aber ich würde mir keine Sorgen machen. Das ist bestimmt nur so eine Laune. Die kommt zurück. Wo soll sie denn schon groß hin?“

„Weißt du, was sie alles mitgenommen hat?“, fragt Gregor schließlich und tritt in den Flur in Richtung Elsas Schlafzimmer.

„Fast alles. Sie meinte sogar, ich könne das Zimmer haben. Meine Güte, war die zickig.“

Ungläubig öffnet Gregor die Tür und starrt in das Zimmer seiner Schwester. Der Schreibtisch und das Bett stehen sauber aufgeräumt und verlassen im Raum. Aus einer Ecke gähnt ihm der leere Kleiderschrank mit offenen Türen entgegen.

Von Elsa keine Spur.

Vernachlässigt

Dideldüdideldüdideldidelüüüühh

Elsa knirscht mit den Zähnen.

„Hallo?“ Viktor schnappt sogleich nach dem Telefon. „Sehr gut, dass sie sich melden. Nein, Sie stören nicht…“

Elsa knurrt leise, dann greift sie nach einer Zeitschrift vom Sofatisch und kuschelt sich allein zurück unter die flauschige Decke, unter der sie bis eben zu zweit gelegen hatten.

Doch so richtig kann sie sich auf die diesjährigen Sommer-Mode-Tipps nicht konzentrieren. Immer wieder wirft sie bitterböse Blicke auf Viktor, der ganz in seinen Terminkalender vertieft ist und eifrig in das Telefon nickt.

Als er mit einem „Schönen Sonntag noch!“ auflegt, wirft sie empört die Zeitschrift auf den Boden.

„Ja genau! Es ist übrigens Sonntag! Das ist der Tag in der Woche, an dem man nicht arbeitet, sondern bei seinen Liebsten ist!“

Immer noch zufrieden mit dem Telefonat, legt Viktor sein Handy beiseite, schließt seinen Terminplaner und wendet sich wieder seiner Freundin zu. „Siehst du, ich kann beides.“ Er grinst. „Arbeiten und bei meiner Liebsten sein.“

„Wieso gehst du überhaupt ran?“ So einfach lässt Elsa die Sache nicht auf sich beruhen. „Warum kannst du das nicht ein einziges Mal ignorieren und dich auf mich konzentrieren?“

„Ich dachte, du wolltest lesen.“

„Was soll ich denn sonst machen, wenn du arbeitest?!“

„Elsa, bitte, als Manager hört für mich der Job nun mal sonntags nicht auf. Viele Sportmanager arbeiten Sonntags, weil da neue Termine gemacht werden.“

„Und was ist mit mir?“

„Das waren jetzt 10 Minuten von einem ganzen Tag. Die restlichen 23 Stunden und 50 Minuten bin ich doch für dich da.“

„Du meinst, wenn du dann ausnahmsweise nicht an Fußball denkst.“ Abfällig blickt Elsa auf den hohen Stapel Sportmagazine, die sich neben dem Sofa türmen.

Viktor kratzt sich am Hinterkopf. „Was ist so schlimm daran?“

„Ganz einfach!“ Außer sich springt Elsa vom Sofa auf. „Ich bin hier! Ich habe dich monatelang vermisst. Jetzt bin ich endlich hier, ganz für dich und du… du…“ Sie kämpft gegen die aufsteigenden Tränen. „Du denkst immer bloß an deinen blöden Fußball!“
 

~~~
 

„Dunkle Wolken im Paradies?“ Mit einem wissenden Schmunzeln blickt Becky über den Rand ihrer Cappuccino-Tasse.

Vor ihr sitzt Elsa, die Lippen zum Schmollmund verzogen, die Hände krampfhaft um ihre Tasse gelegt.

„Hmpf“

„Was ist los?“

„Fußball ist los“, grummelt Elsa, „So lange haben wir uns nach einander gesehnt. Ich bin jetzt seit über einem Monat hier, bin bei ihm eingezogen. Neben der Uni kümmere ich mich um den Haushalt und alles rund um die Wohnung, sodass er nichts mehr tun muss, wenn er abends nach Hause kommt oder wie jetzt am Wochenende. Wir könnten also jede freie Minute miteinander verbringen. Aber woran denkt der Herr Uesugi? Fußball! Fußball, Fußball und nochmals Fußball! Ich warte auf ein gemeinsames Leben mit ihm, aber die ganze Zeit geht es um diesen dummen Fußball!“

„Hmm, kenne ich“, kommentiert Becky trocken.

„Und was tust du dagegen?“

„Warum dagegen? Ich bin froh darüber!“

Kurz stockt Elsa der Atem. Hat sie eben richtig gehört?

„Ist es dir etwa recht, dass er die ganze Zeit nur mit Fußball beschäftigt ist und dich allein lässt?“

„Durchaus.“ Becky nickt, doch Elsa glaubt immer noch, dass ihre Freundin sie einfach nicht versteht.

„Wünscht du dir nicht manchmal, dass es Fußball einfach nicht geben würde?“

Nun werden Beckys Augen groß. „Steve ohne Fußball? Oh Gott, das wäre ja unerträglich! Dann hockt er den ganzen Tag auf dem Sofa und wartet auf mich.“

Elsa starrt sprachlos auf die gegenüberliegende Seite des Tisches. Irgend etwas läuft hier gerade verkehrt. Sie und Becky kennen sich inzwischen gut. Sie sind eigentlich immer einer Meinung, vor Allem, wenn es um ihre fußballverrückten Männer geht. Doch diesmal fühlt es sich an, als würde Becky Chinesisch reden. Oder spricht sie selbst plötzlich Chinesisch?

„Elsa, ich glaube, das Problem ist eigentlich ein anderes.“

„Und welches?“

„Was ist dein Thema? Wofür interessierst du dich abseits von Haushalt und Studium?“

„Ähh naja…“ Unbehaglich rutscht Elsa auf ihrem Stuhl hin und her.

„Sag jetzt bitte nicht Viktor. Der Kerl ist ein Thema für sich, das schon, aber als Hobby ist er doch ein bisschen wenig.“

Ein Hobby? Elsa überlegt. Freizeit und unbedarftes Vergnügen scheinen ihr Jahrzehnte her zu sein.

„Bei Spielen anfeuern, Siegesfeiern organisieren, mit Sarah auf Parties gehen…“, geht sie leise die Freizeitaktivitäten der letzten Jahre durch.

Doch Becky hebt kopfschüttelnd den Zeigefinger. „Zählt nicht. Du, Elsa. Was hast du gerne gemacht, bevor dein Leben mit Uni und Männern stressig wurde?“

Elsa studiert eindringlich den Grund ihrer Kaffeetasse, als würde sie dort die Antwort finden. Ihre Stirn durchziehen tiefe Furchen, so sehr denkt sie nach.

„Meine Fotoausrüstung!“, platzt es schließlich aus ihr heraus, „Ich habe schon ewig nicht mehr fotografiert! Dabei war ich in den ersten Semestern sogar im Fotografie-Club der Uni. Habe aber aufgehört, als alles andere immer mehr Zeit beansprucht hat.“

„Das klingt gut!“ Becky klatscht begeistert in die Hände. „Hast du die Sachen hier?“

Als Elsa nickt, kommt ihr gleich ein weiterer Gedanke: „Und ich habe schon einen ersten Auftrag für dich, Frau Fotografin. Immer Mittwochs treffe ich mich mit ein paar meiner Freundinnen zur Kostümparty. Wir schminken uns und probieren verschiedene Kleidungsstile aus. Wie wär’s, würdest du Fotos von uns machen?“
 

~~~
 

„Ok Shinji, so machen wir das. Ich sehe zu, dass wir für die 2 Tage Bus und Hotelzimmer bekommen. Meinst du, Marmoru ist schon bereit für so ein Spiel?“ Viktor hat sich das Handy zwischen Schulter und Ohr geklemmt, während er die letzten Sachen vom Frühstückstisch räumt. Im Flur hört er Elsa in ihren Sachen herumwühlen. Sie würde sich gleich auf den Weg zur Uni machen.

„Sicher, der Junge ist gut, aber ich frage mich, ob er für ein Freundschaftsspiel gegen eine Mannschaft wie Hakodate mit unserer Verteidigung schon eingespielt genug ist. Es geht ja nicht nur um den Einzelnen…“

„Viktor“, ertönt Elsas Stimme von der Wohnungstür aus, „ich muss los. Denk dran, was ich dir gestern gesagt habe: Ich bin heute Abend bei Becky und weiß noch nicht, wann ich zurück bin.“

Viktor hebt noch rasch die Hand und winkt mit einem schmutzigen Teller zum Abschied. „Bis heute Abend, Süße!“

Ein geräuschvolles Schnauben dröhnt durch den kleinen Hörer. „Ich hoffe, du hast nicht mich damit gemeint.“

„Um dich ‚Süßer‘ zu nennen, musst du noch eine Menge an deinem Charakter ändern, Käpt’n“

„Nein Danke, so scharf bin ich da nicht drauf. Lieber bleibe ich so, wie ich bin und trieze dich weiter.“

„Hatte ich befürchtet. Lass uns nachher weiterreden. Könntest du eine halbe Stunde vor dem Training ins Büro kommen? Ich sollte heute Abend mal früher zu Hause sein. Ich glaube, Elsa fühlt sich etwas vernachlässigt.“
 

~~~
 

„Mist! Mist! Mist!“ Fluchend springt Elsa zwischen Pfützen hindurch über den Asphalt, während sie sich gleichzeitig ihre Tasche über den Kopf hält, um sich vor dem plötzlich hereinbrechenden Wolkenbruch zu schützen. Ohne nach rechts oder links zu schauen, hechtet sie über die Straße, wo auf der gegenüberliegenden Seite die Adresse liegt, die ihr Becky genannt hat. Gerade erreicht sie mit einem erleichterten Aufatmen den rettenden Bürgersteig, als hinter ihr ein Bus mit voller Geschwindigkeit durch die tiefste Pfütze der Straße fährt und ihren kalt-nassen Inhalt einmal über Elsa verteilt. „AHHHHHHHHHHH!“
 

Tropfnass öffnet sie die Tür zu der Wohnung neben dem Kimono-Verleih, durch die bereits mehrere lachende Frauenstimmen dringen.

„Oh Gott, Schätzchen! Wie siehst du denn aus?“ Begrüßt Becky sie und lässt vor Entsetzen fast ihr Prosecco-Glas fallen. Hinter ihr versuchen einige neugierige Gesichter einen Blick auf den Neuankömmling zu erhaschen.

„Der Bus war stärker“, stöhnt Elsa nur. Das ist ihr alles unglaublich peinlich. Am liebsten würde sie dicht an der Wand entlang ins Zimmer schleichen und sich dort in einer dunklen Ecke verkrümeln, damit möglichst niemandem auffällt, wie sie aussieht. Doch sie hat die Rechnung ohne Becky gemacht:

„Zieh das aus! So holst du dir noch eine Erkältung. Yuki, bring mal trockene Klamotten für Elsa! Genügend Auswahl haben wir ja.“

„Was hättest du denn gerne, Elsa? Kimono, Abendkleid, Leder-Catsuit?“ Mit einem dicken Grinsen auf dem Gesicht, blickt eine pummelige, blondierte Japanerin um die Ecke.

Bevor Elsa über die Aufzählung auch nur nachdenken kann, winkt Becky ab und schiebt sie energisch Richtung Badezimmer. „Such irgendwas aus. Sie wird ja eh, noch ein paar mal wechseln heute.“

„Was?“ Elsas Augen werden groß. „Ich denke, ich soll nur Fotos machen!“

„Jaja, aber so ein bisschen mitmachen wirst du auch. Meine Güte, du bist ja völlig durchgeweicht! Aber die Kamera ist hoffentlich trocken geblieben?“

Elsas Augen leuchten, als sie nickt.
 

~~~
 

Es ist bereits zehn Uhr, als Elsa sich schweren Herzens verabschiedet und sich auf den Weg nach Hause macht. Ein dickes Lächeln prangt auf ihrem Gesicht. Sie hat schon lange nicht mehr so viel Spaß gehabt. Becky sollte Recht behalten: Am Ende hat sie nicht nur Fotos von den anderen Mädchen gemacht, sondern schließlich, unter großem Jubel der anderen, auch selbst Kleider und Lippenstifte ausprobiert. Beckys Freundinnen sind alle sehr nett gewesen und Elsa konnte sich durchaus vorstellen, dass sie auch ihre Freundinnen werden könnten.

Ihre durchgeweichte Kleidung ist in der Zeit ausreichend getrocknet, sodass sie diese für den Heimweg wieder anziehen konnte. Nur ihre Schuhe sind immer noch so nass gewesen, dass Becky ihr diese nur kopfschüttelnd aus der Hand nahm. „Du bleibst in denen, die du gerade anhast. Bring sie einfach beim nächsten Mal zurück.“

Stirnrunzelnd betrachtet Elsa die knallroten Pumps an ihren Füßen. Sie sind erstaunlich bequem und hatten sie ohne Probleme bis nach Hause getragen. Was Viktor wohl dazu sagen würde?

„Ich bin wieder da!“, ruft sie in die Wohnung hinein, als sie die Tür öffnet.

Vom Sofa ertönt ein kleiner Aufschrei: „Endlich! Ich warte auf dich! Wo bist du nur solange gew…. Wie siehst du denn aus?!“

Verdutzt mustert Viktor seine Freundin. Ihre Augen leuchten, die Wangen sind vor Aufregung immer noch gerötet. Er blinzelt. Auf ihren Lippen prangt zart rosafarbener Lippenstift. Rasch tritt er einen Schritt zurück und betrachtet sie im Ganzen. Sie trägt die gleiche Kleidung, mit der sie auch heute früh aus dem Haus gegangen ist, bis auf….

„Weißt du, wie unfair ich das finde?“, platzt es aus ihm heraus.

„Was, unfair?“

„Ich komme extra früh nach Hause, damit wir Zeit zu zweit verbringen können. Ich lasse ausnahmsweise Arbeit im Büro liegen, damit ich mich ganz auf dich konzentrieren kann und du, du lässt mich hier warten, während du dich amüsierst!“

Für einen Moment ist Elsa sprachlos. „Aber…, aber ich habe dir doch heute früh gesagt, dass ich zu Becky gehe und nicht weiß, wann ich zurückkomme.“

„Ja, du hast so etwas gesagt. Aber ich dachte nicht an zehn Uhr, sondern vielleicht um acht. Dann hätten wir immer noch ein paar Stunden für uns gehabt. Vergiss nicht, wie lange ich dich vermisst habe. Jetzt bist du endlich hier und dann hast du nur deine Freundinnen im Kopf und lässt mich warten.“

Verblüfft klappt Elsa ihren Mund auf und wieder zu. Seine Anklage kommt ihr plötzlich seltsam vertraut vor. Hatte sie ihm nicht erst vor ein paar Tagen genau das gleiche an den Kopf geworfen? Dass er immer nur an Fußball denkt und sie warten lässt?

„Dann siehst du, wie sich das anfühlt.“

„Was?“ Viktor tritt überrascht noch einen halben Schritt nach hinten.

„Jetzt weißt du, wie sich das anfühlt, wenn man die ganze Zeit auf den anderen wartet, während der nur Fußball im Kopf hat.“ Ihre Stimme zittert etwas, aber sie wird jetzt nicht klein beigeben. Entschlossen tritt sie auf ihn zu. „Und jetzt war ich mal weg und ja, ich habe mich amüsiert. Ich hatte wirklich einen schönen Abend. Darf ich das nicht? Willst du mir das verbieten?“

Viktor hebt entwaffnend beide Hände. „Hey, hey, warte mal. Natürlich will ich dir nichts verbieten.“ Etwas verlegen fährt er sich durch die Haare. „Heißt das, du wartest den ganzen Tag auf mich, dass ich nach Hause komme, um dann bei mir zu sein?“

„Natürlich. Darum bin ich hierher gezogen.“

„Darum hast du dich neulich so aufgeregt, dass ich auch an Fußball denke, wenn ich hier bin.“

„Ja, genau so war das.“

„Elsa, du weißt, dass mein Job als Manager nicht einfach so nach Feierabend aufhört. Fußball ist nun mal mein Leben….“ Seine Augen weiten sich entsetzt, als er sieht, wie Elsa den Kopf schüttelt.

„Nein, Viktor, Nein. Ich will dir Fußball auch nicht wegnehmen. Ich habe heute Abend etwas verstanden: Es ist nicht gut, wenn sich mein Leben nur um dich dreht. Ich muss auch etwas eigenes haben. Es bringt nichts, wenn ich den ganzen Tag darauf warte, dass du Zeit für mich hast.“

Viktors Mund ist wie ausgetrocknet. „Was willst du damit sagen? Willst du nicht mehr…?“

Doch Elsa lächelt. „Doch, ich will noch. Natürlich will ich noch. Aber du darfst zu deinem Fußball gehen. Ich werde dir keine Vorwürfe mehr machen. Denn ich mache in der Zeit einfach etwas für mich.“ Sie hält die Kamera hoch. „Ich will wieder mehr fotografieren. Becky und ihre Freundinnen heute abend waren tolle Motive.“

Viktor strahlt und ergreift ihre Hand. „Dann muss ich kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich zum Fußball gehe?“

„Nein. Ich würde zwar nicht soweit gehen, wie Becky, die sagt, dass sie froh ist, wenn Steve sie allein lässt. Aber du darfst gerne raus gehen und das tun, was du willst. So wie ich auch.“

„Und wenn wir zuhause zusammenkommen, gehört die Zeit nur uns.“

„Ja genau, nur uns.“ Wie zur Besiegelung dieses Versprechens haucht sie ihm einen Kuss aufs Kinn. „Sag mal, was hattest du dir denn heute Abend vorgestellt, als ich dich habe warten lassen?“

„Nicht so wichtig.“

„Sag schon. Willst du mir nicht auf die Nase binden, was ich verpasst habe?“

„Hmmm… ziemlich viel.“

„Ahja“

„Aber jetzt ist es zu spät.“

„Glaube ich nicht.“

Plötzlich blitzt es in seinen Augen auf: „Es ist schon ziemlich spät, aber da du die Schuhe bereits anhast: Hast du Lust zu tanzen?“

Entdeckt

Die sanften Strahlen der Sapporoer Spätsommersonne scheinen durchs Fenster, hinter dem Elsa in ihrer kleinen Küche steht und eifrig werkelt.

„Erbarmen, Elsa“, ertönt es vom Frühstückstisch, „Wenn du mir noch mehr zu Essen machst, liege ich nachher wie ein schwerer Stein im Tor und halte gar nichts mehr.“

„Ich will doch nur, dass du genug Kraft hast für das Spiel heute.“

„Noch mehr Kraft würde es mir geben, wenn ich dich im Publikum sehen würde.“

Elsas Schultern wandern in die Höhe. Ein wenig ertappt starrt sie auf das Rührei in der Pfanne vor sich. Als Viktor merkt, dass Elsa sich nicht mehr rührt, umrundet er den Tisch und tritt hinter sie an den Herd.

„Willst du wirklich nicht mitkommen?“ Leicht berührt er sie an der Schulter. „Becky wird auch da sein. Genauso wie fast alle anderen Spielerfrauen.“

„Ich weiß“, seufzt sie, „und sie haben mir voller Stolz berichtet, dass sie beim letzten Mal im nationalen Fernsehprogramm zu sehen waren.“

„Hast du Angst, dass dich jemand erkennen könnte?“

„Hmm, es ist mir einfach noch zu früh, weißt du…“

„Ich verstehe dich.“ Viktor schlingt seine Arme um seine Freundin und küsst sie sanft auf den Hals. „Trotzdem wäre es schön, zu wissen, dass du mir zujubelst.“

„Das tue ich auch von hier aus.“

Er lässt seine Lippen am Saum ihres Schlafshirts entlang wandern. „Das ist nicht das gleiche.“

„Viktor!“

Doch ihr Protest erntet nur ein leises Lachen.

„Ist das eigentlich mein T-shirt das du da anhast?“, fragt er, während er weiter die zarte Haut darunter erkundet.

„Hmm…“, genussvoll schließt Elsa die Augen, „Es ist so schön weich. Ich schlafe gern darin.“

„Ich hätte einen Vorschlag…“

„Na?“

„Entweder du kommst heute abend mit ins Stadion…“

Elsas Augenbrauen ziehen sich missmutig zusammen. „Oder?“

„Oder du unterstützt mich bei der Vorbereitung auf das Spiel.“

„Das tue ich doch gerade“, erwidert sie energisch, „Ich mache dir gerade ein extra großes Frühstück!“

„Ich meine auch eher ‚zweites Frühstück‘.“

„Du bist unmöglich!“ Ehe Viktor es sich versieht, landet Elsas Küchenhandtuch in seinem Gesicht. Lachend nimmt er sie wieder in den Arm und drückt sie fest an sich.

„Überleg es dir. Aber es wäre schön wenn du dabei wärst.“
 

~~~
 

„Wir sollten uns beeilen, das Spiel beginnt in eine knappen Stunde. Kommt sonst noch jemand von Euch mit?“ Gordon sieht sich in der Umkleidekabine um. Verwirrt lugt Gregor hinter seiner Spindtür hervor. „Welches Spiel?“

„Na, heute spielt Sapporo gegen Yokohama! Unser Kumpel Steve ist doch bei Sapporo. Wir werden uns das Spiel definitiv drüben im ‚Hattrick‘ ansehen.“ Eric kann seine Vorfreude kaum verbergen.

Auch Gregors Augen leuchten kurz auf, doch dann seufzt er theatralisch: „Ach, ich habe Conny versprochen, heute nicht so spät zu kommen….“

„Na komm, Alter, die erste Halbzeit wird doch wohl drin sein“, feixt Gordon, „Und du Käpt’n?“

Alle drei blicken erwartungsvoll auf Mario, der bereits mit geschulterter Tasche in der Tür steht.

„Vielleicht würde dir etwas Ablenkung ja ganz gut tun.“

„Gordon hat Recht.“ Insgeheim froh, dass er Mario als Ausrede vorschieben kann, schlägt Gregor seinem besten Freund auf die Schulter: „Komm mit uns das Spiel ansehen. Ist bestimmt gar nicht schlecht, denn früher oder später werden auch wir gegen diese Mannschaften spielen.“

„Oh super!“ Eric lacht laut auf. „Heißt das, die Getränkerechnung trägt der Verein?“

Und bekommt sofort eine Kopfnuss von Kevin: „Das hättest du wohl gern!“

 

Letztendlich machen sich Gordon, Eric, Kevin, Alex, Gregor und Mario auf den Weg in ihre Stammbar ‚Hattrick‘. Dort ergattern sie tatsächlich noch einen Tisch, der groß genug für sie alle ist und gleich gegenüber von dem großen Fernseher an der Wand steht. Beste Voraussetzungen für einen guten Abend.

Während die Bedienung das Bier bringt, stößt Gregor seinen schweigsamen Kapitän von der Seite an.

„Hey Käpt’n, so wie du da sitzt und auf die Tischplatte starrst, wirst du nicht viel vom Spiel mitbekommen.“

„Hmmm,“ macht Mario nur, hebt mühsam seinen Kopf und schaut mit leerem Blick auf die flackernde Mattscheibe. „Hast du in letzter Zeit mal wieder was von ihr gehört?“, fragt er leise in Gregors Richtung.

Jetzt ist es Gregor, der auf die Tischplatte starrt.

„Nein“, murmelt er. Die Trennung von Mario und Elsa liegt jetzt fast sechs Monate zurück. Seitdem ist Elsa einfach verschwunden. Die einzigen Lebenszeichen sind vereinzelte Briefe, die sie ihren Eltern in regelmäßigen Abständen schickte, in denen sie aber nicht mehr schrieb, als dass sie sich keinen Sorgen um sie machen sollten. Wo genau sie sich befindet, verrät keiner davon.

„Der letzte Brief kam vor drei Wochen. Seitdem: Funkstille“

Mario seufzt laut: „So richtig begreife ich es immer noch nicht.“ Dann zwingt er sich zu einem Lächeln und stößt mit seinem Bierglas an Gregors wartende Flasche.

„Herzlich Willkommen liebe Fußballfreunde“, näselt inzwischen der Fußballreporter im Fernsehen, „zum 17. Spiel der Fußballliga ‚Nord‘ und zu diesem heiß ersehnten Spiel zweier Top-Mannschaften, die sich zu Recht Hoffnung auf den Titel machen dürfen: Yokohama Marinos gegen den Sapporo S.C.“

„So Steve, wir sind alle für dich hier.“ Gordon prostet dem Fernsehbildschirm zu.

„Na, hoffentlich wird er auch aufgestellt“, fällt Kevin ihm ins Wort. „Nicht, dass wir umsonst hierher gekommen sind!“

Alex grinst quer über den Tisch: “Kevin, solange es Bier gibt, ist doch für dich kein Abend umsonst.“

„Da hast du auch wieder Recht!“ Kevin lacht seine dreckige Lache und macht einen langen Arm zu ihm hinüber, um mit ihm anzustoßen. Doch kaum hat er seinen Arm ausgestreckt, da zuckt Eric plötzlich zusammen und stößt ihn grob aus dem Blickfeld. Alle schauen ihn verwirrt an. Das Spiel hat noch nicht einmal begonnen, die Kamera fährt gerade am Rand des Spielfeldes entlang und filmt willkürlich einzelne Spieler, die sich aufwärmen.

„Was ist denn mit dir los?“

Eric schaut noch einmal gebannt auf die Mattscheibe, dann schüttelt er den Kopf. „Sorry, ich dachte gerade….“

„Soeben höre ich, dass es bei Yokohama doch noch einmal Änderungen geben wird. Anscheinend ist man sich noch nicht so sicher, wie man gegen die Mannschaft aus dem hohen Norden vorgehen will. Aber bis dahin können wir uns bereits mit der Aufstellung des Teams von Sapporo beschäftigen, die ich gerade hereinbekomme. Und… damit ich das nicht alleine machen muss, habe ich mir kenntnisreiche Unterstützung von meinem Kollegen Toshi Nakamura geholt. Toshi, herzlich Willkommen.“

Herr Nakamura kann nur kurz grüßend in die Kamera nicken, als der Redeschwall des ersten Reporters schon wieder einsetzt.

„Ja, Toshi, Sapporo ist ja eine sehr solide Mannschaft in der Liga. Bisher immer im oberen Drittel gelandet. Da können wir doch sicher einiges erwarten heute.“

„Ja, das können wir tatsächlich, Katsuro, Die Mannschaft ist vorallem in den letzten Jahren sehr jung geworden. Da sind viele junge Spieler neu hinzu gekommen, die große Erwartungen schüren, dass es diesmal mit dem Titel tatsächlich klappen könnte.“

„Hey, die reden schon von Steve.“ Gordon muss laut lachen.

„Boah, der Kerl soll nicht soviel labern. Zeig halt die Aufstellung.“ Alex klopft vor Aufregung mit den Fingern auf der Tischplatte herum.

Da ändert sich das Bild und statt der beiden Reporter erscheint nun ein abstraktes Spielfeld.

„Sapporo wird wieder in ihrem bewährten 4:4:2 System spielen“, fährt Toshi Nakamura expertenhaft fort, „Und das kann man bei diesen Stürmern auch bedenkenlos machen. Da haben wir also mit der Nummer 10 den Kapitän der Mannschaft Shinji Okinawa…“ Auf dem Spielfeld erscheint eine Nummer und ein Name auf der Position des rechten Stürmers. „… und er bekommt Verstärkung von Steve Kishi auf der linken Seite.“

Am Tisch werden jubelnd die Gläser gehoben.

„Siehst du Kevin, klar spielt er!“

„Der hat sich seinen festen Platz ganz schnell erobert.“ erklärt Gordon. „Soweit ich weiß, stand er fast bei jedem wichtigeren Spiel auf dem Platz.“

„Und dabei ist er doch erst… wie lange dort?“

„Zwei Jahre. Er ist direkt nach der Schule dorthin. Er hat wohl Verwandte dort oben.“ Eric hebt die Schultern, als müsste er sich für sein lückenhaftes Wissen über seinen ehemaligen Teamkameraden entschuldigen.

„Wahnsinn. Ich freu mich für ihn.“ Gregor blickt staunend wieder zum Bildschirm.

Inzwischen ist der fiktive Platz fast vollständig mit Spielernamen gefüllt.

„Und das ist der neue Mann in der Abwehr?“, ertönt es weiter aus dem Fernseher.

„Ja, das ist Marmoru Tanaka. Ein sehr talentierter Spieler, der gerade aus dem Junior-Team von Sapporo herübergewechselt ist.“

Auf dem Bildschirm stehen jetzt zehn Namen.

„Man könnte ja eigentlich behaupten, bei so einer Abwehr bräuchte man gar keinen Torwart mehr,“ witzelt der erste Reporter, „aber Sapporo gönnt sich dann doch noch einen?“

„Haha, ja Sapporo gönnt sich in der Tat doch noch einen Torwart, Katsuro, und was für einen! Auch erst seit dieser Saison dabei, aber mir scheint, sie spielen kein Match mehr ohne ihn: Viktor Uesugi, mit der Nummer 1.“

„WAAAAS???“ ein kollektiver Aufschrei tönt durch das ‚Hattrick‘. Einige springen von der Bank auf, ein Bierglas kippt um, aber niemand beachtet es. Alle starren fassungslos auf den Namen, der jetzt ganz oben eingeblendet wird.

„Hab ich mich also doch nicht verguckt!“, ruft Eric laut auf.

„Die Geschichte ist eigentlich ganz witzig, kennst du sie Katsuro?“, unbeeindruckt von dem Tumult in der Bar quatschen die beiden Reporter weiter.

„Nein, kenne ich nicht, was ist daran witzig?“

„Nun ja, Uesugi ist eigentlich als Manager nach Sapporo gekommen, und hatte wohl gar keine spielerischen Ambitionen, aber nur 4 Wochen später hat sich der alte Keeper beim Ski-Fahren verletzt…“

„Wobei sonst in Sapporo?“ kommentiert Katsuro trocken.

„…und da ist er eben mal provisorisch eingesprungen. Und wie das so ist mit Provisorien: Er ist dabei geblieben.“

„Und wer macht jetzt den Manager?“

„Den macht er trotzdem noch.“ Herr Nakamura kann sich das Grinsen nicht verkneifen. Offensichtlich findet er die ganze Story ziemlich witzig.

Mario dagegen schaut finster in sein Bier. „Was anderes hätte ich nicht erwartet“, murmelt er.

Erst jetzt lässt sich Gordon zurück auf die Bank fallen. „Ich bin platt!“, bringt er heraus.
 

~~~
 

Als Viktor spät am Abend zurück nach Hause kommt, empfängt ihn das flackernde Licht des Fernsehers. Leise schließt er die Tür und tritt ins Wohnzimmer. Elsa liegt zusammengerollt auf dem Sofa und schläft tief und fest. Über den Bildschirm flimmert gerade zum wahrscheinlich hundertsten Male an diesem Abend sein abgefangener Freistoß, der in der vorletzten Minute Sapporos endgültigen Sieg markiert hatte. Er muss schmunzeln.

Während sich hinter ihm die Sportmoderatoren die Münder über Reaktionsschnelligkeit und Nervenstärke heißreden, zieht er zärtlich die Decke höher bis über Elsas Haarschopf. Er beugt sich über sie und flüstert ihr ins Ohr: „Es ist okay. Ich weiß, dass du trotzdem bei mir warst.“

Der Anruf

Als Viktor an diesem Tag durch die Tür des Vereinsbüros tritt, begrüßt ihn das Klingeln des Festnetztelefons. Gerade will er sich eilig darauf stürzen, da gefriert ihm das Blut in den Adern. Wie gebannt starrt er auf die Nummer im Display. Er kennt sie. Bis vor etwa einem Jahr hatte er genau diese Nummer gebetsmühlenartig jedem diktiert, der sie wissen wollte, und auch jenen, die sie nicht wissen wollten. Noch immer kommt ihm die Ziffernfolge ohne Anstrengung über die Lippen. In seinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Wie kommt Mario auf Sapporo? Hat er es herausgefunden? Ist es Zufall? Die Mannschaft spielt gut genug, um nicht quer durch Japan nach Freundschaftsspielen anfragen zu müssen. Nein, Viktor ist sich ganz sicher: Das ist keine Spielanfrage. Mario will zu ihm. Woher nur?

Er zuckt zusammen, als das Klingeln plötzlich erstirbt und mit einem lauten Klacken der Anrufbeantworter anspringt. Zu lange hat er auf die Nummer gestarrt ohne abzuheben. Erst jetzt merkt er, dass seine Handflächen feucht sind.

Nach dem schrillen Piepton ertönt zunächst ein leicht frustriertes Seufzen. „Guten Tag, Mario Hongo hier. Ich würde gerne Viktor Uesugi sprechen. Ich habe erst letzte Woche während des Spiels gegen Yokohama erfahren, dass er bei euch spielt. Äh.. Glückwunsch übrigens. Ja, also… wär schön, wenn er mal zurückrufen könnte. Die Nummer ist…“ Wieder ertönt die bekannte Nummer und lässt ihm einen seltsamen Schauer über den Rücken fahren. Dann legt Mario auf.

Das Spiel also. Kurz erinnert Viktor sich, wie sehr Elsa sich gesträubt hatte an diesem Abend mit ins Stadion zu kommen. Wie recht sie gehabt hatte. Elsa… Mario hatte nicht nach ihr gefragt. Wusste er es dennoch? Aber von wem? Und wenn nicht? Was würde Elsa zu seinem Anruf sagen?

Sein Blick schweift gedankenversunken durch den Raum. Dann fällt er einen Entschluss. Er greift nach dem Telefon und wählt.

„Hallo Becky, Viktor hier. Ich bräuchte deine Hilfe…“
 

~~~
 

„Und dann hat Becky ihr einfach das Foto gezeigt und gesagt…“

„Hm“

„Und dann hat sie zu mir…“

„Hmm“

„Viktor?“

„Hmm“

„Hallo? Hörst du mir überhaupt zu?“

„Entschuldige, ich…“

Seufzend legt Elsa ihr Gemüsemesser und die Karotten beiseite und tritt auf Viktor zu.

„Was ist denn los? Du wirkst heute Abend so abwesend. Ist irgendetwas passiert?“

„Hmm“

„Heee“ Sie piekst ihm mit dem Zeigefinger gegen die gerunzelte Stirn.

Er muss darüber grinsen, aber es ist ein schiefes Grinsen. Für einen Moment sieht er sie an und überlegt. Wenn er es jetzt sagt, dann ist der Abend gelaufen. Das weiß er.

„Ich habe einen Anruf bekommen“, sagt er schließlich trocken, „Von Mario.“

Elsas aufmunterndes Lächeln gefriert. Er kann sehen, wie 1000 Fragen durch ihren Kopf strömen.

„Und?“, bringt sie schließlich hervor.

Er zuckt mit den Schultern. „Er hat mich wohl beim Spiel gegen Yokohama im Fernsehen gesehen.“

„Ah“ Sie tritt einen Schritt von ihm zurück. Der plötzliche Abstand zwischen ihnen lässt Viktors Herz schneller schlagen.

„Und was hast du ihm erzählt?“

„Nichts. Ich habe nicht mit ihm gesprochen.“

Elsa zwinkert irritiert mit den braunen Augen.

„Er hat auf den Anrufbeantworter gesprochen. Ich habe noch nicht zurückgerufen.“

„Achso“, sie senkt den Blick und kaut nervös auf ihrer Unterlippe herum, „Hat er nach mir gefragt?“

„Er weiß doch gar nicht, dass du hier bist.“

„Ach ja, stimmt.“

Plötzlich durchzuckt ihn ein Gedanke, der wie ein Blitz durch seine Eingeweide fährt. „Oder weiß er es doch?“

„Nein!“ Ihre Stimme überschlägt sich. Beinahe schreit sie. „Natürlich nicht!“

„Elsa“, Viktor greift nach ihren Händen und zieht sie sanft, aber bestimmt, an sich heran, „Es war nur eine Frage der Zeit, bis das passiert.“

„Nein!“, heftig schüttelnd windet sie sich aus seinem Griff, „Ich will aber nicht, dass das passiert!“

„Elsa!“

„Lass mich! Lasst mich alle in Ruhe!“, schreit sie und knallt die Badezimmertür hinter sich zu.
 

~~~
 

„Und, hat sie dort die Nacht verbracht oder ist sie doch noch wieder herausgekommen?“ Becky zieht fragend eine gezupfte Augenbraue in die Höhe, doch um ihre Mundwinkel zuckt es verräterisch. Ganz unlustig scheint sie die Geschichte nicht zu finden.

„Natürlich“, bekommt sie brummelnd zur Antwort, „Ich habe ihr gesagt, dass es albern ist, sich im Badezimmer einzuschließen und dann ist sie mit hochrotem Kopf wieder erschienen.“

„Gut. Sonst wäre ich gekommen und hätte mal ein paar Takte mit ihr geredet. Was ist denn eigentlich so schlimm daran, dass ihr Ex-Freund wissen könnte, dass sie hier ist? Sie hat sich doch im Frühjahr von ihm getrennt, bevor sie hieraufgezogen ist, oder? Dann muss sie sich doch nicht vor ihm verstecken. Oder… Oh Gott!“, entsetzt über ihren eigenen Gedanken, reißt Becky die Augen auf, „Ist das etwa so einer, der ihr auflauert und sie entführt, um sie zurückzubekommen?“

Viktor unterdrückt ein prustendes Lachen und winkt ab. „Nein, nein, nicht Mario, keine Sorge.“ Dann wird er schlagartig wieder ernst. „Es ist eher so, dass er nicht weiß, dass Elsa jetzt mit mir zusammen ist. Und, nun ja, wenn das rauskommt….“

„Ihr wart Freunde, richtig?“

„Hmm, und nicht nur er. Es gibt auch noch weitere langjährige Freunde in Osaka, darunter auch Elsas Bruder und meine Schwester. Sie wissen es alle nicht.“

Beckys Augenbraue wandert erneut in die Höhe, sie sagt aber nichts.

„Dass Elsa und ich zusammen sind, dürfte einige von ihnen erschüttern. Darum haben wir uns auch noch nicht wieder gemeldet. Sapporo ist unsere neue Heimat geworden. Hier müssen wir uns für unsere Beziehung nicht rechtfertigen. Dass unsere alten Freunde uns nun entdeckt haben könnten, fühlt sich an, als würden sie in unsere heile Welt eindringen.“

„Aber Viktor“, energisch dreht sich Becky zu ihm um, „ihr könnt euch doch nicht ewig verstecken. Irgendwann wäre es sowieso herausgekommen, dass ihr hier seid. Und euch kann es doch eigentlich auch egal sein, was die anderen über euch denken.“

„Sicher, du hast Recht. Ich weiß auch gar nicht, warum wir uns damit so viel Zeit gelassen haben. Es hat sich irgendwie ergeben. Und Elsa war immer sehr zurückhaltend bei dem Thema. Ich glaube schon, dass sie sich vor einem Zusammentreffen mit den alten Freunden fürchtet.“

Becky seufzt theatralisch. „Hat sie sich für dich entschieden oder nicht?“

Abrupt bleibt Viktor stehen. Er schiebt die Hände tiefer in die Taschen seiner Jacke und sieht sie mit ernstem Blick an. „Um ehrlich zu sein, habe ich das bisher genauso gesehen wie du, Becky. Aber seit gestern Abend, bin ich mir nicht mehr so sicher, was passiert, wenn Mario plötzlich in Sapporo auftauchen würde.“

Für einen Moment sieht auch Becky ihn nachdenklich an, dann deutet sie mit einer Hand auf die massive, schwarz glänzende Tür, vor der sie beide gerade angekommen sind.

„Und trotzdem willst du immer noch da rein?“

Ein Grinsen huscht über Viktors Gesicht: „Du kennst mich doch inzwischen. Jetzt erst recht!“
 

~~~
 

„Hast du ihn immer noch nicht zurückgerufen?“

„Nein“

„Warum nicht?“

„Was soll ich ihm sagen? Hallo Mario, wie geht‘s meiner Mannschaft?“

„Es ist nicht mehr deine Mannschaft.“

„Ich weiß. Es fühlt sich aber immer noch so an.“

Elsa kichert in ihren dicken Schal hinein. Es ist schlagartig kalt geworden auf Hokkaido. Viktor und sie nutzen den Samstagnachmittag für einen Bummel durch die Stadt.

„Aber genau das ist es Elsa: Was soll ich ihm sagen?“

„Redet doch über Fußball. Das ging doch sonst auch immer.“ Verschmitzt streckt sie ihm die Zunge heraus.

„Und über dich? Darf ich deinen Namen erwähnen?“

Schlagartig huscht ein Schatten über Elsas Gesicht. „Es wäre schön, wenn du das verschweigen könntest. Noch…“

„Und wenn er mich fragt, ob ich von dir gehört habe?“

„Dann weißt du von nichts.“ Rasch dreht sie sich um und schreitet weiter die Einkaufsstraße hinunter.

„Und wenn er wissen will, ob ich eine Freundin habe?“ Viktor muss sich beeilen, um mit ihr Schritt zu halten.

„Dann hast du halt keine. Man kann doch auch mal keine Beziehung haben, oder?“

Bevor er antworten kann, unterbricht sie ein schriller Schrei.

„IIIIEEEEEEEKKKKKSSSSS!!!!! Oh mein Gott!!!! Er ist es wirklich!“

Vollkommen perplex bleiben die beiden inmitten der Menschenmenge stehen und sehen sich fragend um. Da stürzt sich plötzlich jemand auf Viktors Arm und reißt ihn an sich.

„Uesugi-san vom Sapporo S.C.? Natürlich, ich kann mich nicht täuschen. Ich bin ja so froh, dich endlich richtig zu treffen!“

„Ähm…“

Etwas unbehaglich blickt Viktor an seinem Arm hinunter. An ihm hängt ein junges Mädchen in Schuluniform mit zwei großen, gelben Schleifen im Haar und sieht ihn aus riesigen, braunen Augen an.

„Du siehst live noch viel besser aus als im Fernsehen! Könnte ich ein Autogramm bekommen?“, flötet sie und reckt ihren Hals näher zu seinem Gesicht, „Du darfst es mir auch gerne direkt auf die Haut schreiben.“

„Äh, also…“

Viktor reckt nun ebenfalls seinen Hals, um den Abstand zu den aufreizend geschürzten Lippen möglichst zu vergrößern. Kurz fällt sein Blick auf Elsa, die die Szenerie mit ungläubig aufgerissenen Augen verfolgt.

„Möchtest du mit mir einen Kakao trinken gehen? Ich lade dich ein. Und dann darfst du mir gerne alle deine Fußballerfolge erzählen. Die kenne ich natürlich bereits, aber aus deinem Mund werden sie sich anhören wie…“

„Hm hm hmmm“, räuspert sich Elsa lautstark.

Viktor und das Mädchen sehen sie gleichermaßen erstaunt an. Aus der Deckung ihres Schals heraus wirft Elsa böse Blicke auf den Eindringling.

Doch so einfach lässt die Kleine sich nicht beeindrucken. Sofort greift sie fester nach Viktors Arm und schmiegt sich wie eine Katze an ihn heran.

„Oh, tut mir Leid für dich“, flötet sie wieder und wirft Elsa einen abschätzigen Blick zu, „aber ich war zuerst da. Viktor-san wird zuerst mit mir ausgehen.“

„Also eigentlich…“, versucht dieser zu widersprechen, kommt aber nicht weit.

„Ich muss dich leider enttäuschen“, bringt Elsa zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, „aber ich war hier zu erst da und Viktor wird mit niemandem Kakao trinken gehen.“ Ihre gezwungen freundliche Stimme lässt Viktor einen Schauer über den Rücken laufen.

Die Schülerin zieht einen Schmollmund und blickt fragend zu ihm auf.

„Wer ist das? Ist das deine Schwester? Oder eine Cousine?“

„Was?“

„Was?“

„Also deine Freundin kann sie nicht sein. Ich habe sie noch nie im Fernsehen gesehen. Und Spielerfrauen zeigen sie immer im Fernsehen“, stellt sie mit einem kokett an die Lippen gelegten Zeigefinger fest. Dann leuchten ihre Augen plötzlich auf: „Ich habs! Sie ist deine Fake-Freundin! Sie soll in der Öffentlichkeit deine Freundin spielen, damit sich kein Mädchen an dich heranwagt. Du bist so schlau, aber mich legst du damit nicht rein. Schick sie weg und dann lass uns irgendwo ganz allein in einem kuscheligen Café einen Kakao trinken gehen.“

„Also sie ist wirklich…“, beginnt Viktor erneut und beugt seinen Kopf inzwischen soweit zur anderen Seite, dass er droht das Gleichgewicht zu verlieren. Da legt sich eine Hand auf die Schulter des Mädchens und zieht sie mit überraschender Kraft von ihm weg.

„Jetzt hör mal genau zu.“ Elsa atmet einmal tief ein, baut sich zu ihrer vollen Größe vor dem Mädchen auf und funkelt sie mit wütenden Augen an. Selbst Viktor hält den Atem an.

„Ich - bin - seine - Freundin“, erklärt sie und betont dabei jedes Wort extra deutlich, „Die richtige und die einzige. Und auch wenn ich nicht jeden Abend in den Nachrichten zu sehen bin, bleibe ich es trotzdem. Geht das in deinen oberschlauen Kopf?“

Beim letzten Satz ist sie so laut geworden, dass sich einige Passanten neugierig zu ihnen umdrehen. Doch Elsa scheint das gerade nicht zu kümmern. Mit verschränkten Armen fixiert sie das entsetzt dreinblickende Bündel an Viktors Arm. Die großen braunen Augen huschen zwischen Viktor und Elsa hin und her. Als er zustimmend nickt, füllen sie sich mit Tränen.

„Ihr seid so doof!“, bringt sie schließlich heraus, lässt Viktors Arm endlich frei und stürzt davon, „Ich feuere dich nie wieder an!“

Sprachlos sehen die beiden ihr nach, wie sie in der Menge verschwindet. Elsa schüttelt noch einmal den Kopf und wendet sich zum Gehen, als sie merkt, dass Viktor immer noch wie erstarrt an der gleichen Stelle steht. Doch es ist nicht mehr das fremde Mädchen, dem er ungläubig hinterherblickt, sondern sie, Elsa. Seine Augenbrauen sind weit nach oben gezogen, mehrmals blinzelt er, als könne er das Geschehene immer noch nicht richtig fassen. Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen, klappt ihn jedoch gleich wieder zu.

„Was?“ fragt sie mit einem Schmunzeln, „Stimmt doch!“

Sie greift nach seiner Hand und zieht ihn mit sich.

„Ich hätte jetzt Lust auf einen heißen Kakao, du auch?“
 

~~~
 

Tut tut tut

„Hallo?“

Noch einmal schaut Viktor auf das schwarze Kästchen, das vor ihm auf dem Tisch steht

„Hallo Mario, hier ist Viktor…“

Schrei!

Etwas unsicher blickt Elsa über ihre Schulter zurück auf die Seilbahnstation, als die Kabine ratternd in die Höhe gleitet. Es ist bereits spät abends und Mt. Moiwa hat nicht mehr lange geöffnet. Doch Viktor hatte einfach ihre Vorbereitungen für das Abendessen unterbrochen, ihr gesagt sie solle sich etwas Warmes anziehen und war anschließend mit ihr zur Station gefahren. Unsicher mustert sie ihren Freund, der mit entschlossenem Blick neben ihr sitzt. Sie runzelt die Stirn. Eigentlich hat sie für solche Aktionen weder den Kopf noch die Zeit. Sie muss heute abend erst noch etwas für die Arbeit erledigen und ausserdem noch nach einem Restaurant für Beckys anstehenden Geburtstag schauen. Viktor hatte nichts weiter gesagt und sie einfach ins Auto geschoben. Sie seufzt. Eigentlich hatte er bereits in den letzten Tagen wenig gesagt. Genauso wie sie selbst. Ihre Kommunikation beschränkt sich zur Zeit auf „Wann musst du los?“, „Wann kommst du nach Haus?“ und „Denkst du bitte daran noch dieses und jenes einzukaufen?“ Der Alltag zweier Berufstätiger konnte ganz schön eintönig sein, das realisiert sie jetzt.

Vielleicht hat Viktor ja Recht. Ihr Blick huscht erneut über sein unlesbares Gesicht. Vielleicht würde ihnen etwas Abwechslung ja gut tun. Immerhin sind sie immer gerne auf Mt. Moiwa gewesen, haben dort sogar einen Lieblingsplatz, den sie immer wieder aufsuchen. Elsa schließt die Augen und lehnt sich in den Sitz zurück. Sie würde sich einfach überraschen lassen.
 

Eisiger Winterwind empfängt sie, als sie oben aus der Kabine aussteigen. Sofort kuschelt sie sich an Viktors warme Seite. Gemeinsam gehen sie über die inzwischen fast leeren Besucherterrassen. An ihrem Lieblingsplatz bleibt Elsa plötzlich überrascht stehen. Vor ihnen posiert ein Hochzeitspaar in aufwändiger Garderobe vor der Linse eines professionellen Fotografen. Unwillkürlich muss Elsa lächeln und beobachtet gedankenversunken Braut und Bräutigam beim sich Drehen und Wenden. Schließlich zupft Viktor sie am Ärmel und winkt sie zu einem anderen Platz.
 

„Die sind süß die zwei.“ Elsa kuschelt sich in das Nest in seinen Armen.

Viktor sieht sie an. Ihre Augen haben dieses gewisse Leuchten, wenn sie einen Wunsch hat, sich aber nicht traut, es zu sagen.

„Bist du neidisch?“

Elsa blickt zu ihm auf und lacht leise. „Hmmm“, macht sie nur.

„Wir sind doch auch hier, sogar ganz allein nur für uns. Und wenn du willst, sage ich dir so oft, dass ich dich liebe, bis du es nicht mehr hören kannst.“

„Den Moment gibt es nicht.“ Sie schmiegt ihre kalte Nase an sein Gesicht und küsst ihn.

„Also, was bist du dann neidisch?“

Elsa antwortet nicht sofort, sondern lässt ihren Blick über die Lichter unter ihnen schweifen.

„Weil sie der ganzen Welt zeigen, dass sie zusammengehören. Und nicht nur für sich selbst.“

„Und möchtest du das auch?“

Sie sieht ihn mit leuchtenden Augen an: „Ich will es in die ganze Welt hinausschreien, wie sehr ich dich liebe.“

Viktor greift ihre Hand und deutet nach unten auf das Lichtermeer: „Sie liegt dir zu Füßen. Schrei.“

Elsa kichert. Aber bevor ihr ein guter Grund einfällt, warum das nicht geht, steht Viktor schon auf und zieht sie mit sich nach oben. Sie stehen beide auf einer der Mauern, die die Besucherterassen in mehreren Ebenen umgeben. Von hier aus liegt ihnen tatsächlich ganz Sapporo zu Füßen. Viktor drückt fest ihre Hand und sieht sie erwartungsvoll an. Elsa muss schlucken.

„Na los, auf 3. 1….“

„Wa…wa….waas?“

„2…“

„Warte!“

„3!“

Stille.

Viktor sieht sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Elsa muss bei dem Anblick laut losprusten und vergräbt ihr Gesicht verschämt in seiner Jacke.

„Du hast doch eben gesagt, dass du in die ganze Welt hinausschreien willst, wie sehr du mich liebst. Soll ich es zu erst machen?“

Entsetzt sieht Elsa ihn an. Sie traut ihm zu, dass er das tut. Genau jetzt.

„Nein!“

Viktor sieht sie an. Er kann sich nur schwerlich das Lachen verkneifen.

„Dann also doch nicht heiraten?“

Elsa ringt nach Worten. Was ist das für ein Wechselbad der Gefühle, in das er sie heute wirft?

„Ich..ich,… Du…“

„Ja, das ist schon mal ein guter Anfang. Ich und du.“

„Du weißt, dass ich so etwas nicht kann.“

„Du hast aber gerade gesagt, dass du es tun willst.“

„Ja…“

„Das ist ungefähr so, als wenn du auf meinen Antrag erst ‚Ja‘ sagst, und vorm Altar dann doch ‚Nein‘.“

Elsa kneift die Augen zusammen. „Du hast mich doch gar nicht gefragt.“

„Stimmt.“

Er greift wieder nach ihrer Hand und drückt sie fest. Dann nimmt er mit seiner anderen Elsas Kinn und hebt sie sanft vor sein Gesicht.

„Elsa Daichi, willst du mich heiraten?“

Elsa vergisst für einen Moment zu atmen. Sie schließt ein paar mal ungläubig die Augen, aber Viktor sieht sie unvermindert ernst an.

„Das… das ist jetzt ein bisschen sehr spontan“, bringt sie hervor.

Viktor drückt wieder ihre Hand. „Findest du?“

Elsa entfährt ein Keuchen. Jetzt erst spürt sie etwas in ihrer zusammengedrückten Hand. Viktor lässt ihren Blick los und schaut nach unten auf ihre vor Kälte roten Finger. Er löst seinen Griff.

„Mach auf“, sagt er sanft.

Elsas Herz pocht bis zum Hals. Langsam öffnet sie ihre rechte Hand. In ihrer Handfläche liegt ein silberner Ring. Sie schließt die Augen und atmet tief ein. Trotz der Kälte spürt sie die Wärme in ihren Wangen. Als sie die Augen wieder öffnet, ist der Ring immer noch da. Viktor auch. Sie öffnet ihren Mund, bringt aber kein Wort heraus.

Viktor schmunzelt. „Also nochmal.“ Er nimmt ihr den Ring aus der Hand und hält ihn ihr nah vor das Gesicht. „1…2…3: Elsa Daichi, willst du mich heiraten?“

Elsas Hals ist immer noch wie zugeschnürt. Aber sie muss ihm antworten. Er wartet schon viel zu lange auf die selbstverständlichste Antwort der Welt. Sie nickt heftig. Ein Lachen huscht über sein Gesicht und sprengt den Knoten in Elsas Hals. Sie fällt in seine Arme und endlich ist ihre Stimme wieder da: „Ja! Ja ich will!“
 

Viktor hält wieder den Ring hoch. „Darf ich?“

Elsa löst sich aus seiner Umarmung und hält ihm die rechte Hand mit gespreizten Fingern hin. Aber Viktor schüttelt den Kopf. „Nein, die andere.“ Elsa lacht leise. Im Gegensatz zu ihr, weiß Viktor noch sehr genau, was er tut. Feierlich steckt er den Ring an ihren linken Ringfinger und dreht ihn so, dass sie die Gravur darauf richtig sehen kann. In der Mitte steht ein großer glänzender Stern und um ihn herum lauter kleinere Punkte, die weitere Sterne darstellen. „Du bist mein Stern“, flüstert er, „Von allen Sternen in der Nacht leuchtest du am hellsten.“ Dann küsst er ihre Hand. Elsa fühlt ihre Füße nicht mehr. Sie muss unweigerlich schweben.

„Ich liebe dich“, haucht sie.

Aber dann schüttelt sie den Kopf und dreht sich von ihm ab. Mit einer Hand immer noch an seiner Brust, sieht Elsa auf das Lichtermeer unter sich. Sie holt tief Luft und dann schreit sie so laut sie kann in die kalte Nacht hinein: „ICH LIEBE DICH!“

Beschlüsse

„Also für mich nochmal zum Mitschreiben“, quakt Kevin lautstark durch die Umkleidekabine, „Für das Goldene-Jubiläums-Honda-Soccer-Cup-Turnier benötigen sowohl wir als auch der Sapporo S.C. noch ein Qualifikationsspiel. Und gerade weil wir in unterschiedlichen Ligen spielen, wir in der Liga Süd und Sapporo in der Liga Nord, wäre ein Spiel zwischen unseren beiden Mannschaften für dieses Turnier gültig.“ Während sein Kapitän bestätigend nickt, lässt er sich laut schnaufend gegen seinen Spind auf den Boden sinken und verschränkt die Arme vor der Brust. „Meinetwegen. Was ich aber nicht verstehe: Warum müssen wir dann unbedingt zu den Pinguinen fahren? Können die nicht zu uns kommen? Ich hab keine Lust auf Kälte und dreifach aufgewärmtes Essen!“

„Pinguine leben zwar am Südpol, Kevin…“, wirft Jeremy ein und Charlie nimmt sofort den Faden auf: „… aber ansonsten stimmt es: Warum spielen wir nicht hier in Osaka? So eine Reise ist doch aufwändig und anstrengend.“

„Ach, und für den Sapporo S.C. wäre der Weg kürzer, oder wie?“, mischt sich Eric in die Diskussion ein.

„Also ich verstehe nicht, was ihr habt“, Gregor schaut mit großen Augen in die Runde, „Ich finde es spannend zu einem Spiel zu fahren, dass so weit weg stattfinden wird.“

„Lass mich raten, Conny will mit, um ihren Bruder zu sehen.“

„Äh nein, tatsächlich nicht.“ Gregors Hand fährt verräterisch über seinen Hinterkopf. „Sie ist ausgerechnet in dieser Woche für mehrere Konzerte in Tokio.“

„Schade für sie“

„Tja…“

„Also ich finde auch, dass wir uns nicht so haben sollten“, spricht Mario laut in den Raum hinein, um die vielen Einzelgespräche zu übertönen. „Wenn wir gegen ein Team vom anderen Ende des Landes spielen wollen, muss halt eine Mannschaft reisen. Und Viktor hat mir versprochen, dass für uns alles organisiert wird. Er hat da wohl gute Kontakte.“

„Na dann!“ - „Also los!“, tönt es aus allen Ecken.

„Wenn ich nur einen Erbseneintopf essen muss, bin ich sofort wieder weg, dass das klar ist!“, versucht Kevin noch einmal zu protestieren, aber seine Worte gehen im Jubel der anderen unter.
 

~~~
 

„Ich muss jetzt los“, haucht Elsa atemlos.

Unbeeindruckt arbeiten sich Viktors Lippen weiter ihren Nacken entlang. „Dann geh doch.“

Sie unterdrückt ein Stöhnen und schließt genussvoll die Augen. „Hast du immer noch nicht genug?“

„Von dir nie“

„Aber nicht hier, wo uns alle sehen können.“

Er knabbert an ihrem Ohrläppchen, was ihr ein weiteres Keuchen entfahren lässt.

„Sollen deine Kolleginnen doch ruhig sehen, was du zum Mittagessen hattest.“

Ein spielerischer Ellenbogencheck landet in seiner Brust.

„Du bist schlimm.“

„Hmm, falsches Passwort.“

„Duuuuu…“

Er lacht, nimmt seinen Mund aus ihrer Halsbeuge und drückt sie fest an sich. „Ich bin so froh, dass du bei mir bist.“

Elsa lächelt und umschlingt seinen Kopf mit ihren Armen. „Ich liebe dich“, flüstert sie in seine schwarzen Haarsträhnen.

Ruckartig drückt er sie von sich. „Das wollte ich hören. Los raus mit dir, deine Mittagspause ist vorbei.“

Bevor sie es sich versieht, wechselt die angenehme Wärme von Viktors Auto in den zugigen Winterwind auf dem Bürgersteig. Rasch wickelt sie sich in ihre Jacke, winkt zum Abschied und schlüpft durch die Tür zu ihrem Büro.
 

„Was war das?“, empfängt Becky sie oben mit einem süffisanten Grinsen im Gesicht.

„Hmpf“, macht Elsa nur und lässt sich mit hochrotem Gesicht auf ihren Stuhl fallen. „Der Kerl macht mich wahnsinnig“

Ihre Freundin muss laut lachen: „Zu spät, meine Liebe. Du hast ‚ja‘ gesagt und ich war sogar Zeuge.“

„Ich denke auch gar nicht daran, ihn wieder her zu geben.“ Zur Unterstreichung ihrer Worte streckt sie ihre Zunge so weit heraus, wie sie nur kann.

„Uesugi-san?“, ertönt plötzlich hinter ihr eine Stimme.

Geschockt weiten sich Elsas Augen. Blitzschnell verschwindet die Zunge wieder zwischen ihren Lippen. Sie strafft sich und lugt vorsichtig über ihre Schulter.

„Ja, Chef?“

„Würden Sie bitte einmal in mein Büro kommen?“

Elsas Magen vollführt eine eigenartige Drehung. Kurz wünscht sie sich, sie hätte doch etwas in ihrer Mittagspause gegessen.

„Es… es tut mir Leid“, stammelt sie als sie in das Büro des Direktors für kommunales Veranstaltungsmanagement Sapporo tritt, „ich wollte wirklich kein Aufsehen erregen…“

Doch ihr Gegenüber winkt nur ab. „Sie werden es kaum glauben junge Dame, aber ich war auch einmal verliebt.“

Für einen Moment weiten sich Elsas Augen tatsächlich ungläubig, doch da fährt ihr Chef bereits fort: „Ich habe etwas für Sie. Da Sie in den letzten Wochen Nakamoto so gut bei der Durchführung des Eishockey-Turniers unterstützt haben, denke ich, dass Sie bereit für eine eigene Veranstaltung sind.“

Elsa kämpft gegen einen großen Kloß in ihrem Hals an. „Eine eigene Veranstaltung? In meiner Verantwortung?“

Der Direktor nickt und tippt mit dem Zeigefinger auf ein Blatt Papier vor sich. „Ich denke, das hier ist genau das Richtige für Sie. Eine gute Gelegenheit, zu beweisen, was Sie bisher bei uns gelernt haben.“

Elsa schluckt und steht noch ein paar Zentimeter gerader.

„Sie haben doch sicherlich schon von diesem Jubiläums-Honda-Soccer-Cup gehört? Und dass unsere städtische Fußballmannschaft noch ein weiteres Qualifikationsspiel benötigt?“ Der ältere Mann sieht seine junge Mitarbeiterin leicht amüsiert an, als wäre diese Frage vollkommen überflüssig.

Elsas Magen macht sich erneut auf unangenehme Art bemerkbar. Sie nickt nur.

„Das dachte ich mir schon. Ich möchte, dass Sie alles rund um das Spiel organisieren. Anreise, Unterkunft, Programm… Die Mannschaft der Teufelskickers soll einen guten Eindruck von Sapporo bekommen. Nein, sie sollen überrascht von Hokkaido sein!“

Sprachlos starrt Elsa ihn an.

„Also, auf an die Arbeit. Ich erwarte einen ersten Bericht zu diesen Freitag.“ Mit diesen Worten winkt der Direktor sie aus dem Büro.

Immer noch perplex schließt Elsa die Tür hinter sich. Sie kann sich gerade nicht entscheiden, ob sie lachen oder weinen soll. Mit großen Augen schaut sie in Beckys neugieriges Gesicht.

„Und?“

„Einen Kaffee“, bringt sie heraus, „Dringend!“

„Bin dabei“, lacht Becky. Sie weiß ganz genau, dass es keine bessere Gelegenheit gibt, alles von Elsa zu erfahren, das gerade in diesem Büro besprochen wurde.

Nicht nach Plan

„Werden wir gar nicht abgeholt?“, fragt Eric erstaunt, als die Teufelskickers aus der Ankunftshalle des Flughafens Sapporo treten. Etwas verloren stehen sie vor dem großen Gebäude und blicken sie sich um.

„Sind wir etwa zu früh?“- „Oder zu spät?“, ergänzt Jeremy die Sorge seines Zwillingsbruders.

„Nur die Ruhe.“ Mit gerunzelter Stirn fischt Mario einen zusammengefalteten Brief aus seiner Tasche. Er öffnet ihn und liest erneut die Anweisungen darin. „Nein, wir werden nicht abgeholt. Jedenfalls nicht direkt. Es wartet wohl ein Bus auf uns. Wir sollen zu Bussteig 2b gehen.“

„Hmpf“, schnaubt Kevin, „so eine Begrüßung hatte ich mir aber anders vorgestellt. Immerhin kommen hier die Sieger des morgigen Spiels!“

„Kevin…“, seufzt Gregor, doch bevor er seinen Freund zur Zurückhaltung ermahnen kann, entdeckt er etwas, das ihn laut ausrufen lässt: „Oh schaut! Da! Das muss der Bus sein!“

Mit ausgestrecktem Arm deutet er aufgeregt auf das eine Ende des langen Bussteiges, an dem in diesem Moment nur ein einziger, glänzend neuer Bus wartet. Davor steht ein älterer Herr in makelloser Uniform und begrüßt die Mannschaft mit einer Verbeugung.

„Ich hoffe, Sie hatten eine gute Reise“, lächelt er in formvollendeter Höflichkeit. „Ich werde Sie zu Ihrem Hotel bringen. Uesugi-san hat mich für alles instruiert.“
 

~~~
 

Elsa hat sich mit dem Rücken gegen die geschlossene Tür gelehnt und atmet gegen ihren hämmernden Herzschlag an. Der Gepäckraum des Hotels ist dunkel. Nur die aufgeregten Stimmen aus der Lobby dringen zu ihr herein. Die ihres Bruders hat sie sofort erkannt. Sie hatte unwillkürlich lächeln müssen. Erst jetzt wird ihr richtig bewusst, wie sehr sie ihn vermisst hat. Kurz darauf war auch Marios Stimme zu hören gewesen. Ruhig und besonnen wie immer. Sie presst die Lippen aufeinander und verschmiert dabei ihren Lippenstift. Warum noch einmal hatte sie ihn heute früh aufgetragen?

Die Mannschaft ist vor einer knappen Stunde angekommen und alle haben ihre Zimmer bezogen. Laut Plan, den Elsa minutiös ausgearbeitet hat, sollen sie sich nun in der Lobby versammeln, um anschließend auf einer kleinen Stadtrundfahrt mit einem eigens organisierten Doppeldeckerbus die Sehenswürdigkeiten von Sapporo kennenzulernen. Die Tour würde nach genau 50 Minuten vor dem Rathaus enden, wo sie ein kleiner Fanclub aus fußballbegeisterten Schülern und der Bürgermeister begrüßen würde. Und vorher… Elsa holt noch einmal tief Luft. Vorher würde sie durch diese Tür treten und sich ihnen zeigen. Schließlich ist sie während ihres Aufenthaltes hier ihre Hauptansprechpartnerin. Sie hat es exakt geplant. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt. Möglichst weit weg vom Fußball, ohne Verbindung zu Viktor, würde sie ihnen einfach erklären, dass sie nun in Sapporo lebt. Den zweiten Teil der Geschichte, weshalb ausgerechnet hier und dass sie inzwischen verheiratet sind, würde später kommen. Am besten, wenn Sie allein mit Gregor und Mario wäre. Jetzt ist der Moment für den ersten Schritt. Elsa hört, dass inzwischen alle in der Lobby zusammen gekommen sind und langsam unruhig werden. Jetzt muss sie die Tür öffnen. Sie legt ihre schweißnasse Hand auf die Türklinke. Warum nur ist es so unglaublich schwer?
 

~~~
 

„Was wird denn das jetzt hier?“ stöhnt Kevin genervt durch die Hotellobby. „Wird das Spiel vielleicht hier stattfinden?“ Demonstrativ öffnet er die Arme und deutet auf die plüschigen Polstersessel um sie herum.

„Für Sitzfußball haben wir nicht trainiert“, stimmt Jeremy in das Lachen seines Kameraden ein.

„Es soll jetzt ein Begrüßungsprogramm für uns geben“, versucht Mario die Stimmung wieder einzufangen. „Gedulde dich doch noch etwas.“

Doch diesmal hat er wenig Erfolg damit.

„Papperlapapp! Geduld ist was für alte Männer!“ Kurz entschlossen marschiert er auf den Tresen zu, hinter dem ein erstaunter Rezeptionist ihn mit großen Augen ansieht.

„Sagen Sie mal“, großspurig legt Kevin seine Arme auf der blank polierten Fläche ab. Man kann sehen, wie der arme Mann dahinter einige Zentimeter kleiner wird.

„Wo in diesem Dorf spielt denn Ihr Verliererverein Fußball?“

„Kevin!“

Der Mann schluckt, doch dann ringt er sich doch zu einer gefassten Antwort durch: „Der Sapporo S.C., gegen den Sie morgen antreten, trainiert im Atsubetsu Park-Stadion.“

„Aha.“ Kevin gibt sich keine Blöße, dass ihm der Name nicht das Geringste sagt. „Und wie kommen wir zu dem Kinderspielplatz?“

„Kevin? Was hast du vor?“ Plötzlich steht Gregor neben ihm und zieht ihn am Arm. Es ist unverkennbar, dass Kevin auf dem besten Weg ist, irgendeine Dummheit zu machen.

„Nun“, mit leicht zitternder Hand schiebt der Rezeptionist einen Stadtplan über den Tresen und deutet auf einen markierten Punkt darauf. „Sie nehmen einfach die Straßenbahn, die hier vor dem Hotel abfährt bis zur Station ‚Atsubetsu‘ und laufen dann das letzte Stück. Wenn ihnen der Weg zu Fuß zu weit ist, können Sie natürlich auch ein Taxi nehmen.“ Setzt er noch spitz nach.

Doch Kevin ist taub für solcherlei Spitzen. Rasch greift er nach dem Plan, wirft nur einen Blick darauf und stapft sogleich auf die große Drehtür zu.

„Leute!“, ruft er laut, „Ich habe keine Lust hier weiter zu warten! Ich will endlich diese Mannschaft sehen! Wer kommt mit?“

„Wir auch!“ - „Klar!“ - „Wir kommen mit!“, tönt es aus allen Richtungen. Füße scharren und im Nu ist fast die komplette Mannschaft durch die Tür nach draußen verschwunden. Nur Mario und Gregor stehen noch an der Rezeption und sehen ratlos ihren Kameraden nach. Unsicher hüpft Gregor von einem Fuß auf den anderen. „Schöne Bescherung. Und jetzt? Käpt‘n?“

Doch Mario presst nur die Lippen aufeinander.

„Hinterher, oder?“, versucht Gregor ihn zu einer Entscheidung zu bewegen.

Schließlich nickt sein Käpt‘n. „Du hast Recht. Besser, man behält sie im Auge.“

Er entschuldigt sich noch schnell bei dem Hotelangestellten für Kevins Benehmen, wobei er sich so tief verbeugt, dass er fast den Tresen mit der Stirn berührt, und sprintet dann seinem Stürmer hinterher.
 

~~~
 

Die Tür quietscht leicht, als Elsa die Klinke herunterdrückt und sie aufschiebt. Fragend blickt sie in die leere Lobby. Sie hat Tumult gehört, konnte sich aber keinen Reim darauf machen und hat daher abgewartet, bis es wieder ruhiger wurde. Erst dann meinte sie, sei der richtige Moment gekommen, ihr Versteck zu verlassen.

„Aber was…?“ Ungläubig dreht sie sich in dem großen Raum einmal im Kreis, doch von keinem der Teufelskickers ist auch nur eine Spur zu sehen.

Der Rezeptionist lässt vor Schreck seine sortierten Zettel fallen, als sie panisch auf seinen Tresen zustürmt und fast darauf springt. „Wo sind sie hin?!“

„Nun ähm…“

„Sie sollten doch jetzt mit dem Bus die Stadtrundfahrt machen!“

„Uesugi-san…“

„Nein, nein, nein!“ Ihr Herz springt ihr fast durch die Rippen, so sehr schlägt es. Das ist nicht gut. „Das bringt doch den ganzen Plan durcheinander!“, schreit sie und schlägt vor Verzweiflung mit der Faust auf den Tresen.

Sichtlich unbehaglich öffnet der Rezeptionist ein paar mal den Mund, schließt ihn aber unverrichteter Dinge wieder.

„Wo haben Sie sie hingeschickt?“, faucht sie ihn an.

„Zu… zur Straßenbahn…“, stottert der Mann. „Sie haben nach dem Atsubetsu-Stadion gefragt.“

Elsas Augen werden groß. Das ist nicht gut. Das ist ganz und gar nicht gut!

Rasch stößt sie sich vom Tresen ab und stürmt zur Tür hinaus. Das Quietschen der anfahrenden Straßenbahn geht durch Mark und Bein, doch Elsa kann nichts weiter mehr tun, als ihr verzweifelt hinterher zu sehen.
 

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„Meint ihr wirklich, wir können einfach so zum Station fahren? Es sollte doch ein Programm geben oder?“ Etwas unsicher blickt Gordon zurück in Richtung Hotel. Ein bisschen spürt er schon das schlechte Gewissen.

„Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd!“, krächzt Kevin, „Wir sind doch keine kleinen Kinder mehr. Weiß auch nicht, was Viktor sich bei der ganzen Sache gedacht hat.“

„Genau“, stimmt Jeremy ein, der mit verschränkten Armen neben Kevin sitzt und mit ihm den Stadtplan studiert, „Wir sind zum Fußballspielen hier und nicht um uns die Stadt anzusehen.“

„Naja, neugierig wäre ich ja schon gewesen….“ Doch unter Kevins bösem Blick zieht Gordon lieber schnell den Kopf ein und hält den Mund. Schließlich konnte man aus der Straßenbahn auch einiges von Sapporo bewundern.
 

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„Elsa? Was ist los? Du klingst so gehetzt. Warum rufst du an?“ Beckys Stimme klingt mit jedem Wort alarmierter.

„Ja…, also…,“ Elsa sucht in ihrem Kopf nach Worten, „Becky ich brauche deine Hilfe! Bitte ruf beim Rathaus an und sage das Treffen mit der Mannschaft ab.“

„Was? Aber wieso? Das war doch fest eingeplant.“

„Ja“, seufzt Elsa, „war es. Nur, dass die Jungs jetzt andere Pläne haben.“

„Sag bitte nicht, dass sie sofort zum Stadion wollen!“

„Anscheinend schon…“

„Dann hör auf zu telefonieren und halte sie auf!“

„Zu spät. Sie sind mit der Straßenbahn los, bevor ich dazwischen gehen konnte.“ Elsa schließt kurz die Augen und schüttelt den Kopf über ihren missglückten Plan. „Becky, bitte ruf im Rathaus an und sag das Ganze ab. Ich muss da jetzt hinterher.“

„Mach ich, Schätzchen. Soll ich dann auch nach Atsubetsu kommen und dir helfen?“

„Nein, ich schaffe das schon. Ich danke dir!“ Elsa hört Becky noch irgendetwas murmeln, doch da gibt sie den Telefonhörer schon wieder zurück an den Rezeptionisten des Hotels, der auflegt.

Sie atmet noch einmal tief durch, strafft sich und läuft dann so schnell sie die Beine tragen können zur Drehtüre hinaus auf die Straße.

„Taxi!“
 

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„Hah! Seht ihr? Da sind ja die Pinguine!“, ruft Kevin laut aus und deutet auf den grünen Rasen, der von großen Tribünen umrahmt ist.

„Die trainieren ja gar nicht im Frack“, grinst Charlie.

"Hey, Ihr da!" Schon reißt Kevin einen Arm in die Luft und läuft zum Spielfeldrand. "Na, seid ihr schon bereit für die vielen Tore, die wir euch morgen reinballern werden?"

Ein großer, breitschultriger junger Mann dreht sich zu den Neuankömmlingen um. Nur kurz runzelt er über die rüpelhafte Begrüßung die Stirn, dann weicht die Verärgerung einem dicken Grinsen.

"Dann müssen wir unsere Punktekarten aufstocken, denn wir werden Euch immer einen mehr reinknallen. Mindestens."

"Ha! Jemand mit Kampfgeist. Das gefällt mir!" Kevin erwidert das Grinsen, hebt euphorisch die Fäuste und scharrt mit den Füßen. "Wenn du willst, können wir auch schon mal ein Aufwärmspielchen..."

Bevor er jedoch weiterprovozieren kann, packt ihn eine Hand am Hemdkragen und zieht ihn sanft aber bestimmt zurück.

"Entschuldige bitte," hört er die Stimme seines Kapitäns, "Kevin ist... bereits sehr motiviert für morgen. Wir danken euch für die Einladung und freuen uns sehr." Versöhnlich streckt Mario dem anderen Spieler seine Hand entgegen.

"Was heißt hier motiviert?", brummelt Kevin nun in der zweiten Reihe, "Ich kanns einfach nicht erwarten dem großen Viktor mal wieder einen unter die Latte zu knallen."

Neben ihm hebt Gordon spöttisch eine Augenbraue. "Du? Viktor "mal wieder" einen reinknallen? Soweit ich mich erinnere ist dir das bisher genau ein Mal gelungen."

"Und da stand er noch nicht einmal im Tor, sondern war abgelenkt", zischt Eric und versetzt dem Aufschneider eine Kopfnuss.

"Aber er hatte seine Chance!" zetert Kevin noch, doch niemand beachtet ihn mehr.

"Ich bin übrigens Shinji Okinawa, der Kapitän des Sapporo S.C.", erklärt der junge Mann und ergreift Marios Hand. Als er Kevin im Hintergrund laut auflachen hört, setzt er nur wieder sein selbstbewusstes Grinsen auf: "Gib dir keine Mühe. Ich kenne alle Witze, die man zu diesem Namen auf Hokkaido machen kann."

"Kevin, es reicht wirklich", zunehmend genervt dreht sich Mario zu seinem Freund um, "Noch ein Spruch von dir und du bleibst morgen auf der Bank." Das sitzt. Wie ein braver Schüler senkt Kevin den Kopf und kneift die Lippen aufeinander.

„Heyyyyyy!“, ertönt da eine weitere Stimme vom Spielfeld, „hallo Jungs! Ihr seid ja schon da. Ich wusste nicht, dass ihr heute schon vorbeischauen würdet.“

„Steve!“ - „Steve, altes Haus!“ - „Wie geht es Dir?“ In heller Aufregung fallen die ehemaligen Spieler der Teufel über ihren alten Kameraden her.

„Euer Käpt’n hat irgend eine komische Stadtrundfahrt für uns organisiert, aber das haben wir kurzerhand abgesagt.“

„Genau, wir wollten dich schließlich auch wiedersehen.“

„Unser Käpt‘n?“ Irritiert blickt Steve auf Shinji, der ihm mit dem gleichen Blick antwortet.

„Ähh, achso… sorry“, lacht Eric, „alte Gewohnheit. Ich meine natürlich Viktor.“

Doch diese Erklärung ändert Steves Gesichtsausdruck nur geringfügig. „Warum sollte Viktor eine Stadtführung…?“

„Wo ist er denn eigentlich?“, meldet sich Gregor und lässt seinen Blick noch einmal über den Platz schweifen. „Ich kann ihn nirgendwo entdecken.“

„Öhm, er hat doch nicht etwa im Hotel auf uns gewartet, oder?“ Gordon wird plötzlich etwas blass um die Nasenspitze. Er hatte geahnt, dass die eigenmächtige Änderung im Programm einen Haken haben würde.

Da hört er Shinji lachen: „Die Mauer, an der unser großer Stürmer hier“, er schlägt Kevin auf den Rücken, so dass dieser Mühe hat, sich auf den Beinen zu halten, „morgen verzweifeln wird, ist oben im Büro. Kommt mit, ich bringe euch zu ihm.“

Alles nickt begeistert. Shinji wirft noch einen fragenden Blick auf Steve, doch der winkt ab. „Mach du erstmal die Palastführung. Ich komme später hoch.“

„Gut, dann kommt!“ Und mit großen Schritten schreitet er voran auf das Gebäude zu.
 

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„Steeeve!“ Mit letzter Puste ruft Elsa laut den Namen übers Spielfeld.

„Elsa? Du hier?“ Steve unterbricht sein Training erneut und läuft auf den nächsten unerwarteten Besucher an diesem Tag zu. „Ist etwas passiert? Du bist ja völlig abgehetzt!“

Einen Moment lang kann Elsa nur keuchend nicken. Krampfhaft presst sie sich die Hände in die Seiten, um den stechenden Schmerz zu unterdrücken.

„Ja… schon… irgendwie… Hast du… hast du…?“

„Ist etwas mit Becky?“

„Nein. Natürlich nicht.“

„Sondern?“ Ihre Antwort scheint Steve nur unwesentlich beruhigt zu haben.

„Waren die Jungs hier?“, bringt sie schließlich hervor.

„Wer?“ Für zwei Sekunden starrt er sie verständnislos an. Dann fällt der Groschen. „Ach, du meinst die Teufelskickers?“

Elsa nickt erleichtert. Er hats verstanden. Sie nutzt die geschenkte Pause und holt noch ein letztes Mal tief Luft.

„Ja, sie sind vor ein paar Minuten hier angekommen. Shinji hat sie mit nach oben ins Büro genommen.“

Die Erleichterung schwindet augenblicklich. Elsas Herz rast und die eben gesammelte Luft entweicht ihr aus den Lungen. „Was?!

„Wieso?“ Steves Gesichtsausdruck wirkt wieder verständnislos. Er hebt fragend die Schultern. „Wo soll er denn sonst mit ihnen hin? Außerdem haben sie gleich nach Viktor gefragt. Ich glaube, sie wollten sich bei ihm über die Programmplanung beschweren…. Irgendeine dämliche Stadtführung. Dabei hat er damit doch gar nichts… oh.“ Plötzlich weiten sich seine Augen, als würde ihm erst jetzt einiges klar werden.

„Wie bitte?“

Abwehrend hebt er seine Hände und tritt einige Schritte zurück. Doch Elsa ist bereits nicht mehr aufzuhalten. Vergessen ist die Erschöpfung von eben. Mit rotem Gesicht und geballten Fäusten wendet sie sich dem Vereinsgebäude zu.

„Na warte, denen werd ich was erzählen!“

Steve sucht noch stotternd nach Worten der Entschuldigung, bis er merkt, dass Elsa sich bereits wutentbrannt auf den Weg ins Innere gemacht hat.

„Hee, nicht so schnell! Ich komme mit!“
 

~~~
 

Derweil an einer anderen Stelle im Gebäude.

„Wissen Sie wo ich Uesugi-san finde? Wir haben ein Problem!“

„Wahrscheinlich oben im Büro.“

„Danke!“
 

~~~
 

„Also so eine Halle hätte ich auch gerne. Die ist echt cool!“

„Ja, cool ist sie, aber bei den vielen Schneestürmen, die wir in Osaka haben, eher nutzlos.“

„Charlie“, mit erhobenem Zeigefinger dreht Kevin sich zu seinem Freund um, „du verstehst aber auch gar nichts. Hier oben ist so eine Halle nützlich, wenn hier 10 Monate lang 4 Meter Schnee liegen. Aber stell dir doch mal vor: So eine Halle, während in Osaka draußen 40 Grad sind, vollklimatisiert!“ Er wackelt übertrieben mit den Augenbrauen.

„Ja, das wär was!“ - „Total coole Idee, Kevin!“

„Ich versteh‘ nicht, was daran toll sein soll.“ Gregor greift zweifelnd an seinen Hinterkopf. „Wenn’s warm ist, schwitzt man halt ein bisschen mehr. Was ist dabei?“

„Genau“, ertönt Marios Stimme über ihre Köpfe hinweg, „und bis wir uns so eine Halle leisten können, werdet ihr noch etwas schwitzen dürfen. Wird dir nicht schaden, Kevin.“

Während Kevin noch in sich hinein brummelt, wendet sich sein Kapitän wieder an seinen Gastgeber. „Das war wirklich beeindruckend, Shinji. Vielen Dank für die Führung.“

„Keine Ursache, wir zeigen gerne, was wir haben. So, und hier kommen wir dann zu unserem Management.“ Er deutet einen langen Flur entlang, an dessen Wänden großformatige Saisonposter und Urkunden hängen. Vor einer Tür bleibt er stehen und legt die Hand auf die Klinke. Doch kurz zögert er.

„Na, ich klopf wohl besser an.“ Er grinst breit, klopft ein einziges Mal laut gegen die Tür und stößt sie im nächsten Moment krachend auf.

„Herr Manager!“, ruft er in den Raum hinein. „Bist du allein?“

„Herr Kapitän“, antwortet es erstaunlich gelassen aus dem überfallenen Büro. „Natürlich. Wer sollte denn noch hier sein?“

„Na, deine Liebste, mit der du immer nur rumknutscht anstatt zu arbeiten.“ Shinji denkt gar nicht daran, seine Stimme zu senken. Die ersten Teufelskickers im Flur beginnen zu kichern. Das unerwartete Publikum treibt den Sapporoer Kapitän in seinen Sticheleien weiter an. Er wendet sich an seine Besucher, während er augenzwinkernd mit lauter Stimme fortfährt:

„Ich dachte ja eigentlich, dass sich das mit der Hochzeit bessern würde, aber ich habe eher das Gefühl, dass es seitdem schlimmer geworden ist.“

„Hochzeit?“ Mit eigenartig hoher Stimme reckt Eric den Hals über die Köpfe der anderen.

„Du hast es immer noch nicht verstanden, Käpt‘n.“ Ein missbilligendes Seufzen ertönt aus dem Büro. Dann wird ein Schreibtischstuhl zurückgeschoben. Schritte nähern sich dem Türrahmen, in dem immer noch Shinji breitschultrig steht.

„Genau deswegen habe ich sie doch geheiratet. Eben damit ich sie jetzt jederzeit offiziell knutschen kann.“

Shinjis Augenbrauen wandern amüsiert in die Höhe, doch bevor sein Kapitän weitersticheln kann, tritt Viktor in die Tür und grinst schief den Besuchern entgegen: „Hallo Jungs, habt ihr es bis hierher geschafft?“

„Viktor!“ - „Wie gehts dir?“ - „Warum hat du dich so lange nicht gemeldet?“ - „Das mit der Hochzeit war ein Scherz, oder?“ - „Wer ist denn die glückliche?“

„Nicht alle auf einmal!“ Lachend tritt Viktor von der Tür zurück und winkt die Gruppe ins Büro.
 

~~~
 

Elsas Seiten brennen schon wieder, so schnell hechtet sie die vielen Stufen zum Managementbüro hinauf. Doch diesmal merkt sie es kaum. ‚Dämliche Stadtführung‘. Hinter ihren Schläfen beginnt es zu pochen. Wenn die wüssten wieviel Arbeit sie in den letzten Wochen in das Programm gesteckt hat! Sie wissen gar nicht, was sie verpasst haben! Diese Idioten mussten sich ja unbedingt selbstständig machen. Fast stolpert sie über die letzte Schwelle als sie in den Flur mit den vielen Postern einbiegt. Sie hört bereits die vielen Stimmen und Lachen aus dem Büro. Dieses Lachen würde ihnen gleich vergehen!

Irgendwo hinter ihr ertönt eine Stimme: „Ah, Uesugi-san!“

Doch Elsa überhört es.

Sie hat jetzt nur ein Ziel: Mit einem stampfenden Schritt bleibt sie in der Tür stehen, holt tief Luft und ruft so laut sie kann in den überfüllten Raum hinein: „Da seid ihr ja! Ihr könnt doch nicht so einfach davonlaufen!“

Wahrheit

„Da seid ihr ja! Ihr könnt doch nicht so einfach davonlaufen!“

Alle Augen im Raum starren auf die Tür, in der eine atemlose, junge Frau steht, den Arm anklagend ausgestreckt. Für drei Atemzüge ist es totenstill.

„Na, das musst du gerade sagen!“, stellt Kevin schließlich lapidar fest und durchbricht die ungläubige Stille.

„Das ist doch…“ - „E-Elsa?“ - „Elsa?“ - „Bist du es wirklich?“ - „Natürlich ist sie es, Idiot!“

Zitternd schlägt Elsa die Hände vor die Brust. Was hat sie getan? Warum hat sie nicht nachgedacht? Sie weicht einen Schritt zurück. Umdrehen und Wegglaufen erscheinen ihr plötzlich als eine sehr gute Idee.

Doch noch bevor sie sich rühren kann, packt sie jemand fest bei den Schultern und ein Paar braune Augen taucht dicht vor ihrem Gesicht auf.

„Schwesterchen?“

Elsa schluckt.

„Was machst du denn hier? Warum hast du dich so lange nicht gemeldet? Bin ich froh, dich wieder zu sehen!“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, drückt Gregor sie fest an seine Brust.

Um sie herum ertönt leises Gelächter.

Da nähern sich schnelle Schritte über den Flur. „Da sind sie ja alle!“

Beckys perfekt geschminktes Gesicht erscheint im Türrahmen. Nichts deutet darauf hin, dass sie sich beeilt hat. Sie stemmt die Arme in die Seiten und schüttelt leicht den Kopf.

„War doch klar, dass sie Fußball einer Stadtführung vorziehen würden.“

Erneut ertönt verschämtes Gelächter von allen Seiten.

„Es tut uns sehr Leid, wenn wir das Programm zerstört haben sollten, das Sie für uns geplant hatten“ entschuldigt sich Mario und deutet in Beckys Richtung eine höfliche Verbeugung an.

„Momentchen mal“, fällt Kevin plötzlich etwas auf. Ungeniert zeigt er mit einem Finger auf Becky. „Hast du den Plan gemacht? Dann musst du Uesugi-san sein. Und wenn der da…“ er wedelt mit dem Zeigefinger in Viktors Richtung, „… geheiratet hat, bedeutet das ja wohl, dass du…“

Gordon nickt begeistert. „Dann musst du Viktors Frau sein! Es freut mich, dich kennen zu lernen!“

„Was?“, entfährt es Elsa abrupt.

Gregor entlässt sie aus seiner Umarmung und strahlt seine Schwester an.

„Ja, Viktor hat anscheinend geheiratet. Jedenfalls hat er das eben gesagt. Hast du davon gewusst?“

„Wie?“ Perplex schnappt Elsa nach Luft.

„Becky, Schatz, wie kommst du denn hier her?“, ertönt Steves Stimme vom Flur.

Kevins siegessicheres Grinsen verschwindet. „Hä? Wieso nennt er sie Schatz?“

Einen Moment lang sieht Becky Steve verwundert an, dann zieht sie einen Autoschlüssel aus ihrer Handtasche. „Mit unserem Auto. Ich habe es heute. Schon vergessen, Liebling?“

„Die benehmen sich wie ein altes Ehepaar“, raunt Jeremy Kevin zu.

„Sind sie auch“, murmelt Viktor trocken hinter ihnen.

Eric beugt sich zu seinem ehemaligen Kapitän hinüber. „Dann ist sie also nicht deine Frau?“, flüstert er so laut, dass ihn alle umstehenden verstehen.

Viktors Blick liegt unverändert auf Elsa. „Nein“, antwortet er schlicht.
 

„Uesugi-san! Uesugi-san!“ Erneut ertönen eilige Schritte im Flur.

Alles blickt auf.

„Ah, da sind sie ja endlich!“ In der Tür erscheint ein rotes, verschwitztes Männergesicht. „Ich habe Sie schon überall gesucht! Uesugi-san, wir haben ein Problem: Der Laster mit den Aufstellern für das Spiel morgen kann nicht an die Laderampe von Tor 2 fahren, weil dort doch gebaut wird. Wo soll die Ladung nun hin, Uesugi-san?“

Wie versteinert starrt Elsa auf Gregors Brust vor sich.

„Uesugi-san?“, wiederholt der Mann in der Tür.

Eric stupst Viktor in die Seite: „Was ist Viktor? Warum sagst du denn nichts?“

„Genau. Willst du dem Mann nicht helfen?“

Doch Viktor blickt weiterhin nur geradeaus. „Ich bin nicht gemeint.“

„Sondern?“ Eric und Gordon sehen sich fragend an.
 

„Uesugi-san, was sollen wir tun?“ Der Mann gibt nicht auf.

Elsas Herz schlägt ihr bis zum Hals. Ihre Zunge liegt eigenartig schwer in ihrem Mund und will sich einfach nicht bewegen. Nun ist er da: Der Moment, den sie sich so ganz anders vorgestellt hatte. Jetzt würden es alle erfahren.

Sie hebt den Kopf und sieht in das Gesicht ihres Bruders. Doch dieser schaut nur wie alle anderen zur Tür und auf den sich so seltsam benehmenden Arbeiter.

Elsas Blick gleitet an ihm vorbei und trifft auf ein Augenpaar, dessen tiefe Bräune sie so gut kennt. Mario steht nur zwei Schritte von ihr entfernt und sieht sie so intensiv an, als wäre sie ein Geist, der im nächsten Augenblick wieder verschwinden könnte. Sie presst die Lippen noch weiter zusammen. Wie wird er reagieren? Kann sie ihm die Wahrheit antun?

Sie löst ihren Blick und lässt ihn weiter über die vielen Männer im Raum schweifen. Schließlich bleibt sie bei dem einen anderen Augenpaar hängen, das sie als einzige ansieht. Viktor hat eine Braue fragend erhoben. Sein Blick erinnert Elsa an einen Moment vor fast einem Jahr; als sie zum ersten Mal in Sapporo war, auf der Aussichtsplattform von Mt. Moiwa, als er von ihr eine Antwort haben wollte, die damals keinesfalls feststand. Die unausgesprochene Frage, die damals zwischen ihnen stand: Für wen entscheidest du dich?

Elsa fühlt sich als läge ein tonnenschwerer Stein auf ihrer Brust. Sie ballt die rechte Hand zur Faust. Muss sie sich erneut entscheiden? Da fühlt sie etwas an ihrem Finger: glatt und warm.

„Uesugi-san?“ Die Stimme des Mannes klingt inzwischen fast weinerlich.

Ein letztes Mal sieht Elsa in Viktors Augen, dann dreht sich sich abrupt um: „Ich bin hier! Und ich habe Ihrem Fahrer insgesamt drei Mal mitgeteilt, dass er zu Tor 7 fahren soll! Natürlich ist Tor 2 gesperrt. Tor 7! Wie oft soll ich es noch sagen?“

„Tor 7…. Ja, natürlich“, aufgeschreckt springt der Mann in die Höhe und nimmt Haltung an, „Tor 7, …sicher, Tor 7, …. wird gemacht.“

Als er den langen Flur hinunter verschwunden ist, wird sich Elsa wieder des vollen Raumes in ihrem Rücken bewusst. Es ist eigenartig still hinter ihr. Wahrscheinlich könnte man eine Stecknadel fallen hören.

„Äh“, ist das erste, das sie nach einer langen Pause hört. Gregor steht vor ihr und zerzaust die Haare an seinem Hinterkopf. „Wie jetzt?“

„Hab ich das gerade richtig verstanden?“ - „Elsa Uesugi?“- „Viktor, du und Elsa?“

Wie von selbst reißt Elsa den Kopf herum. Ihr Herz schlägt hart in ihrer Brust. Was würde er sagen?

Mario steht vor ihr, die Augen noch etwas weiter aufgerissen als eben. Seine Lippen presst er so sehr zusammen, dass sie nur wie ein Strich in seinem blassen Gesicht wirken. Sein starrer Blick scheint nur eine Frage zu stellen.

In Elsa zieht sich alles zusammen. Sie hätte alles getan, um ihm diesen Moment zu ersparen. Sie nickt langsam. „Ja“, sagt sie nur.
 

„Hrm...hrmm“

„Was meinst du Liebling?“ Steve kann seine Aufmerksamkeit kaum von der Szene losreißen, aber da knufft ihn seine Freundin fest in die Seite. „Autsch!“

„Jetzt tu was“, zischt sie.

„Was soll ich denn tun?“, erwidert er ebenso zischend.

„Na was dagegen.“ Übertrieben deutet Becky mit dem Kopf in Richtung der umstehenden Spieler, die entweder mit dickem Grinsen oder verschämt verdrehten Augen die Enthüllung verfolgen.

„Ähhhh.“ Steve braucht einen Moment, dann kommt ihm eine Idee: „Jungs, hat euch unser Kapitän eigentlich unseren Aufenthaltsraum gezeigt? Den mit dem Tischkicker und dem vollen Bier-Kühlschrank?“

„Tischkicker?!“ - „Bier-Kühlschrank?“ - „und auch noch voll?“ - Nein, den hat er uns vorenthalten!“

„Hee, der ist für die Siegesfeiern“, protestiert Shinji laut.

„Dann lasst uns tischkickern, dann haben wir eine Siegesfeier… und zwar unsere!“

Kevins Vorschlag erntet von allen Seiten Zustimmung. In wenigen Sekunden leert sich das Büro. Nur Viktor, Mario, Gregor und Elsa bleiben zurück und sehen sprachlos dem großen Umzug hinterher. Als letzte schließt Becky hinter sich die Tür, nicht ohne noch einmal Elsa übertrieben zu zu zwinkern.
 

„So, also… jetzt wo wir unter uns sind“, mit ernstem Blick lässt Gregor sich auf den Bürostuhl fallen, „könnte mir das bitte mal jemand erklären?“

Viktor nickt mit dem gleichen ernsten Gesichtsausdruck. „Ich denke, wir sind euch eine Erklärung schuldig.“

Special: Schuld

Kurz bevor die Türen sich schließen, schlüpft Elsa als letzte in den Schnellzug nach Sapporo City. Immer noch atemlos läuft sie durch die Gänge. Sie hat Glück und findet einen Platz mit Tisch, denn so ganz ist die Arbeit noch nicht erledigt. Mit einem erleichterten Seufzer lässt sie sich in den Sitz fallen und schließt kurz die Augen.

Der Tag war anstrengend gewesen, aber die Fahrt raus zum Flughafen hatte sich gelohnt. Wenn die 30 Eishockey-Mannschaften nächste Woche in Sapporo Chitose zum Hokkaido-Turnier eintreffen, würde zumindest hier alles glatt laufen. Das hatte sie gerade abgeklärt. Das Eishockey-Turnier ist das erste Event, dass sie in alleiniger Verantwortung für die Stadt organisiert. Sie will einfach nichts dem Zufall überlassen. Sie runzelt die Stirn. Wie von selbst greift ihre Hand in ihre Tasche und holt das abgewetzte Notizbuch heraus. Sie schlägt die Seite mit dem Bändchen auf. Ihre To-do-Liste. Mit einer gewissen Befriedigung setzt sie einen Haken hinter den Punkt „Flughafen“. Rasch überfliegen ihre Augen den Rest der Liste. Dann klappt sie das Büchlein wieder zu. Das konnte auch morgen noch erledigt werden.

Entspannt lässt sie sich nach hinten in die Lehne sinken. Jetzt freut sie sich auf ein warmes Abendessen zu Hause. Mit halb geschlossenen Augen sieht sie aus dem Fenster und betrachtet die verschneite Landschaft, die draußen vorbeirast. Nach einem knappen Jahr hier oben, fühlt sie sich inzwischen heimisch auf Hokkaido. An den Schnee hat sie sich am meisten gewöhnen müssen. Den hattes in ihrer alten Heimat nur äußerst selten gegeben. Und wenn doch, dann war er so gut wie nie liegen geblieben. Elsa muss schmunzeln, als sie die mannshohen Schneewehen draußen betrachtet.

Ein Geräusch holt ihre Aufmerksamkeit wieder in das Innere des Zuges zurück. Sie fühlt sich plötzlich unwohl, so, als würde sie jemand beobachten. Langsam nimmt sie den Blick vom Fenster und schaut nach vorn. Als sie hier hereingestürzt kam, war ihr gar nicht aufgefallen, dass der Platz gegenüber besetzt gewesen war. Tatsächlich sitzt dort jemand. Ein junger Mann mit kurzen schwarzen Haaren und braunen Augen. Er trägt eine Daunenjacke mit dem Aufdruck eines Sportvereins aus Osaka. Neben ihm auf dem Tisch hat er eine grüne Kappe abgelegt. Und dieser junge Mann aus Osaka mit kurzen schwarzen Haaren und dunklen Augen und grüner Kappe starrt sie mit offenem Mund an.

Elsas Herz setzt einen Schlag aus. „M… M… Mario!“
 

~~~
 

„Was machst du hier?“

„Das selbe könnte ich dich fragen.“

„Ich saß als erster hier, als du atemlos hereingestürzt kamst. Du hast mich gar nicht bemerkt!“

Elsa schluckt einmal und sortiert ihre Gedanken. „Bist du gerade hier gelandet? Was hast du in Sapporo vor?“

Ein leises Stimmchen meldet sich in ihrem Kopf. So viele plausible Szenarien gab es gar nicht, warum Mario hier hoch kommen könnte.

„Ich wollte zum Sapporo FC. Wir werden im Frühjahr gegen sie spielen. Und ich dachte ich schaue mir die Mannschaft mal an.“

Elsa schluckt ein weiteres Mal. Das stimmt. Sie hatte bereits mit Viktor darüber gesprochen, dass dieser Tag irgendwann eintreten würde.

„Außerdem haben wir zufällig erfahren, dass Viktor in Sapporo spielt. Wusstest du das?“

Elsa blinzelt. „Hmmm… ja weiß ich….“ Etwas nervös nestelt sie an ihrer Handtasche herum.

„Aber was machst du hier? Die siehst nicht so aus, als wärst du für einen Ski-Urlaub hier.“ Mario lacht etwas gekünstelt. Ohne Zweifel will er seine eigene Unsicherheit überspielen.

Elsa kann ihm nicht ins Gesicht sehen. Sie merkt eine altbekannte Röte in ihrem Gesicht aufsteigen. „Ich lebe hier“, sagt sie einfach nur.

„Tatsächlich? Seit wann?“

„So ziemlich seit ich aus Osaka weg bin. Ja, so ungefähr.“ Sie zwingt sich zu einem Lächeln. Sie wollte nicht an diese Zeit zurückdenken.

An Marios Gesichtsausdruck kann sie erkennen, dass auch er sich daran erinnert.

„Ich arbeite bei der Stadt im Tourismusbüro“, fährt sie schnell fort, bevor die Erinnerungen Überhand nehmen. „Sapporo sucht dringend Arbeitskräfte und so konnte ich direkt anfangen und gleichzeitig mein Studium hier an der Uni beenden. Ich organisiere Sportevents, die in der Stadt stattfinden. Jede Menge Wintersport, wie du dir vorstellen kannst.“ Sie lacht. „Aber Fußball kommt auch hin und wieder vor.“

Mario schmunzelt. „Du sahst ziemlich geschäftig aus, wie du hier reinkamst.“

„Ja, ich musste am Flughafen etwas für nächste Woche organisieren.“

Plötzlich zuckt sie zusammen. Ihr Handy vibriert. Rasch zieht sie es aus der Tasche.

„Hallo?“ fragt sie, obwohl sie natürlich weiß, wer dran ist.

„Hallo Schatz, hast du den Zug bekommen? Ich bin auf dem Rückweg und könnte dich vom Bahnhof abholen.“

„Äh ja, entschuldige, dass ich noch nicht Bescheid gesagt habe. Ich bin im Zug und komme um 17:35 an.“

„Sehr gut. Ich hole dich ab!“

Bevor Elsa noch irgendetwas antworten kann, hat Viktor bereits aufgelegt.

„Dein Freund?“ fragt Mario und beobachtet, wie sie das Handy wieder zur Seite legt.

„Ja.“

Sie weiß nicht warum, aber rasch verdeckt sie den Ring an ihrer linken Hand.

„Und du? Wie ist es dir ergangen?“
 

~~~
 

„Wo wirst du eigentlich übernachten?“ fragt Elsa als sie in Sapporo aussteigen und auf dem Bahnsteig stehen. „Ich hoffe du hast bereits ein Hotelzimmer reserviert. Wir haben Hauptsaison, die Stadt ist voll!“

„Ja, das habe ich bemerkt. Ich habe noch ein Zimmer im ‚Sapporo City Hotel‘ bekommen.“

Sie nickt. „Hmm… das ist ein gutes Hotel.“

Langsam machen sie sich auf den Weg Richtung Ausgang. Als Elsa in die Menschenmenge blickt, schlägt ihr Herz plötzlich stärker. Viktor hatte gesagt, er wolle sie abholen. Was würde geschehen, wenn er und Mario sich gegenüber stehen? Sie hatte Viktor am Handy nichts erwähnt und auch im Gespräch mit Mario hatte sie alle Klippen diesbezüglich gekonnt umschifft. Mario wusste nur, dass sie einen Freund hatte. Nervös reibt sie an ihrem Ring. Sie konnte Mario ja auch nicht einfach hier stehen lassen…
 

Als sie sich dem großen Eingangstor nähern, hebt sich eine Hand über die Köpfe der anderen. Zielstrebig steuert Elsa darauf zu. Mario folgt dicht hinter ihr durch das Gedränge.

„Da bist du ja“, begrüßt Viktor seine Verlobte, „Beeilen wir uns, ich stehe im Parkverbot.“

„Hi“, bringt Elsa nur heraus und bleibt unsicher stehen.

Viktor blinzelt irritiert. Dann fällt sein Blick auf die Person neben ihr.

„Ähh…. Mario?“

Rasch sieht er wieder zu Elsa, versucht in deren Gesicht irgendetwas zu lesen, doch diese mustert nur ihre Schuhspitzen.

„Viktor!“, entfährt es schließlich auch Mario überrascht. „Das ist ja ein Zufall! Zu dir wollte ich. Mal über das Spiel im April sprechen und so… Dass ich dich so schnell treffen würde...“ Unbehaglich zupft er an seiner grünen Mütze herum. Elsa muss über diese Geste schmunzeln. Er scheint sich diesbezüglich nicht geändert zu haben. Plötzlich fühlt sich sich eigenartig wohl. Ihr ist, als wäre sie wieder zu Hause.

„Das Spiel?“, blinzelt Viktor immer noch überrumpelt, „Äh, ja, sicher… aber nicht hier und nicht während mein Wagen im Halteverbot steht.“ Mit einem letzten schnellen Blick auf Elsa dreht er sich herum und winkt sie hinaus.

Der dunkle Sportwagen steht direkt vor dem Haupttor zwischen den aus dem Bahnhof strömenden Menschen, argwöhnisch beäugt von einem uniformierten Herren, der bereits mit spitzen Fingern einen Zettelblock zückt.

„Schon gut, schon gut“, unterbricht Viktor ihn rasch, „wir sind sofort weg.“

Der Mann bekommt kurz große Augen, dann steckt er seinen Block lächelnd wieder in die Tasche. „Uesugi-san, Sie sind das! Na, dann will ich nicht so sein. Für den gehaltenen Freistoß neulich, lasse ich Ihnen das einmal durchgehen.“

Viktor zwinkert ihm noch einmal dankbar zu und öffnet schnell die Beifahrertür. „Hopp, rein da! Lasst uns hier erst einmal wegkommen.“

„Viktor, ich kann auch ein Taxi…“ versucht Mario sich zu wehren, doch sein ehemaliger Kapitän drückt ihn mit Bestimmtheit in den Sitz.

„Papperlapapp, wir müssen hier weg, bevor der Typ zurückkommt.“
 

„Mario, wo musst du hin? Übernachtest du in einem Hotel?“, fragt Viktor als sie sich endlich in den Verkehr eingefädelt haben.

„Er ist im City Hotel“, antwortet Elsa von der Rückbank aus, bevor Mario auch nur Luft holen kann.

Viktor sieht sie durch den Rückspiegel an. Ihre Augen haben dieses kämpferische Leuchten, wie immer, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Etwas daran versetzt ihm einen Stich. Er blickt hinüber zu Mario, der nur bestätigend nickt.

„Hmm.. okay“, brummt er und wechselt die Spur.
 

Als sie vor dem Hotel ankommen, legt Elsa Mario eine Hand auf die Schulter. „Warte, du hast sicherlich kein Abendessen reserviert, oder?“

Verdutzt schüttelt Mario den Kopf. Daran hatte er gar nicht gedacht.

„Lass uns doch gemeinsam etwas essen. Geh kurz rein, bring deine Tasche aufs Zimmer und dann kommst du zurück. Wir warten hier solange.“

„Oh… ähh, gerne.“

Er blickt noch einmal kurz zu Viktor, welcher überrascht den Mund öffnet, ihn aber unverrichteter Dinge wieder zuklappt. Rasch schält er sich aus dem Auto und betritt das Hotel. Den entgeisterten Blick, den Viktor Elsa währenddessen zuwirft, bemerkt er nicht mehr.
 

„Würdest du mir das Ganze jetzt bitte mal erklären?“, entfährt es Viktor, sobald sich die gläsernen Türen hinter Mario geschlossen haben.

„Ich habe ihn im Zug getroffen“, entgegnet Elsa schulterzuckend. „Ich habe ihn erst gar nicht bemerkt.“

„Das meine ich ja gar nicht!“

„Sondern?“

„Hast du es ihm gesagt?“

„Was?“

„Das mit uns?“

„Ähmm“ Elsa zögert kurz. Hektisch rekapituliert sie die letzte Stunde. „Nein, ich glaube nicht.“

„Warum nicht?“

„Warum soll ich es ihm denn sofort sagen?“ Viktors offensichtliche Anspannung macht sie zunehmend nervös. „Wie stellst du dir das vor? ‚Hallo Mario, lange nicht gesehen, übrigens bin ich jetzt mit Viktor zusammen.‘ So in etwa?“

Viktor rollt mit den Augen. „Natürlich nicht. Aber du tust gerade so, als würden wir uns nur beiläufig kennen.“

„Das stimmt doch gar nicht.“

„Ach ja?“ Beinahe grob greift er nach ihrer Hand und hebt sie vor ihr Gesicht. Der silberne Ring an Elsas Finger funkelt im Schein der vielen Lichter draußen. „Und der hier? Will er ihn einfach nicht sehen oder hast du ihn vor ihm versteckt?“

„Viktor!“ Empört reißt sie ihre Hand aus seiner. „Weder noch! Es war einfach kein Thema.“

Ihr Verlobter kneift leicht die Augen zusammen, als wüsste er nicht, ob er ihr glauben sollte.

„Außerdem habe ich heute Abend noch nicht einmal eine Begrüßung bekommen“, nörgelt er und zieht einen Schmollmund. „Und dabei habe ich für dich ‚nen Strafzettel riskiert.“

Nun muss Elsa schmunzeln. „Du wusstest, dass du keinen Strafzettel bekommen würdest. Nicht mit dem Nummernschild.“ Schließlich beugt sie sich vor und greift in seinen Nacken. „Komm her und hol dir deinen Begrüßungskuss.“
 

Als er sich wieder von ihr löst, ist seine Stimmung nur geringfügig besser.

„Trotzdem, wie stellst du dir das jetzt vor? Es ist Freitag Abend. Dass du jetzt noch irgendwo einen Tisch im Restaurant bekommst, kannst du vergessen.“

„Oh, stimmt.“ Elsa kaut auf ihrer Unterlippe herum. „Und wenn wir ihn mitnehmen?“

„Wie bitte? Zu uns? In unsere Wohnung?“

„Warum nicht?“

„Und was willst du ihm dort sagen? Dass wir in einer WG leben?“

„Viktor bitte, wir sagen es ihm schon noch.“

„Du sagst es ihm, und zwar gleich, wenn er zurückkommt!“

Elsa seufzt nur.

„Der Kühlschrank ist übrigens ziemlich leer“, stellt Viktor nach einem eigenen Seufzer fest.

„Dann holen wir einfach drei Portionen Ramen von Tanakas“, fällt Elsa ein und entlockt Viktor damit ein weiteres Seufzen.

„Sonst bist du nie so spontan“, grummelt er.

Da wird die Autotür aufgerissen und Mario setzt sich wieder auf den Beifahrersitz. „Das ist eine gute Idee mit dem Essen, aber ich hoffe ihr wisst, wo wir noch einen Tisch bekommen. Das Restaurant im Hotel ist komplett voll.“

„Keine Sorge“, brummt Viktor und startet den Motor.

„Wir haben gerade beratschlagt und wir holen einfach etwas zu essen“, lächelt Elsa. Durch den Rückspiegel kann Viktor erkennen, dass sie vor Aufregung unter dem Haaransatz rot wird. Er wartet noch einen Augenblick, ob sie noch etwas sagt, aber Elsa lehnt sich lächelnd zurück und blickt aus dem Fenster.

Seufzend gibt Viktor Gas.
 

~~~
 

Fünfzehn stille Minuten und etliche Abzweigungen in einem dunklen Wohngebiet später, parkt Viktor das Auto vor einem dreistöckigen Appartmenthaus.

„Nett hier“, kommentiert Mario beim Aussteigen.

„Ja, durchaus“, murmelt Viktor, öffnet geschäftig den Kofferraum und holt seine Tasche heraus. Als er die Klappe wieder schließt, fällt Marios Blick auf das Nummernschild. Er grinst.

„Ue-111. Unbescheiden wie immer, was, Herr Uesugi?“

„Hat Vorteile, wenn man erkannt wird. Hast du ja heute abend gesehen.“ Mit einem kurzen Wink leitet er Mario zum Haus. Dieser wundert sich noch über die kurze Angebundenheit seines Freundes, doch das seltsame Gefühl verschwindet sogleich wieder, als er Elsa an der Eingangstür warten sieht. Sie war ein paar Meter zuvor ausgestiegen, um im Kombini an der Ecke die versprochenen Ramen zu holen. „Die besten von ganz Sapporo“, verkündet sie mit leuchtenden Augen.

Viktor schließt die Tür auf und Elsa tritt sogleich in die Küche, um die mitgebrachten Schüsseln abzustellen. Ohne sich großartig orientieren zu müssen, holt sie Besteck und Gläser hervor.

„Bist du öfter hier, Elsa? Du scheinst dich gut auszukennen.“ Neugierig lugt Mario durch Tür. Für den Bruchteil einer Sekunde zögert sie, dann fährt sie mit ihren Vorbereitungen fort.

„Hmmmh“ Sie nickt, hält aber ihren Blick eigenartig fest auf die Küchentheke gerichtet.

Mit einem leisen Schnauben betritt Viktor die Küche, durchquert zielstrebig den Raum und öffnet eine weitere Tür, die offensichtlich zur Speisekammer führt. Kurz wühlt er darin herum, dann erscheint er wieder mit zwei klimpernden Bierflaschen in der Hand.

„Original aus Sapporo.“ Er streckt eine Flasche Mario hin. „Damit du richtig ankommst.“

„Gute Idee, danke“, antwortet Mario und nimmt die Flasche an.

Während er sie mit dem ebenfalls überreichten Öffner köpft, blickt Viktor mit einem zufriedenen Lächeln zu Elsa, deren Gesichtsausdruck gerade verrät, dass sie mit diesem Angebot gar nicht einverstanden ist.

„Nur um sicher zu gehen“, raunt er ihr noch zu, bevor er Mario ins Wohnzimmer schiebt. Die Plastiktüte unter Elsas Händen knistert.
 

„Nun, wie kommst du mit der Mannschaft klar? Hast du die Jungs im Griff?“

„Ähm, ja. Es war zwar ein ganzes Stück Arbeit, aber inzwischen bin ich gut akzeptiert. Sicherlich mache ich auch einige Sachen anders als du…“

Als Elsa das Wohnzimmer mit dem großen Esstisch betritt, haben es sich Viktor und Mario bereits dort bequem gemacht und fachsimpeln über Fußball. Irgendwie fühlt es sich an wie früher, findet sie. Würde nicht der Schnee draußen liegen, könnte man meinen, sie wären wieder in Osaka.

„Warte, ich helfe dir.“ Mario springt auf, als er sie mit den Suppenschüsseln hantieren sieht.

Doch Elsa winkt ab: „Lass nur. So viel ist es ja auch nicht.“

Entgegen ihrer Worte stellt sie Viktors Schüssel äusserst unsanft auf dessen Platz. Mario kann nicht leugnen, einen gewissen Vorwurf in ihrem Gesicht zu erkennen. Er runzelt die Stirn. Was ist das für eine komische Stimmung? Warum könnte Elsa sauer sein?

„Wir können gerne auch über etwas anderes reden, als über Fußball“, schlägt er versöhnlich lächelnd vor.

Und während Viktor beinahe erleichtert nickt, winkt Elsa erneut ab. „Nicht nötig. Ihre beiden ohne Fußball… das ist doch gar nicht vorstellbar.“

Mario runzelt wieder die Stirn. Will sie einfach nur höflich sein? „Wo in Sapporo wohnst du denn, E…“, versucht er es dennoch mit einem Themenwechsel. Doch er wird regelrecht unsanft ausgebremst:

„Wirklich, Mario, redet ruhig über Fußball. Ich meine, das ist doch der Grund, warum du hier bist.“

Nun sehen beide Männer am Tisch Elsa ungläubig an.

Viktor greift nach ihrer linken Hand und drückt sie.

Mario sieht irritiert zwischen den beiden hin und her. Was für ein seltsames Verhalten. Konnte es sein, dass Elsa etwas vor Viktor geheim halten will und sie Angst hat, er würde unabsichtlich darauf stoßen? Er muss schlucken. Was ist ihr in den letzten Monaten zugestoßen?

„Ähm…“, er räuspert sich, „Na gut, ist ja nicht so, dass wir nicht genug zu bereden hätten.“ Er blickt wieder auf Viktor, der Elsa immer noch mit einem undefinierbaren Blickt ansieht. „Ich war ja schon sehr erstaunt, dass du kein Käpt‘n bist.“

Das Wort ‚Käpt‘n‘ scheint Viktor wieder in die Gegenwart zurückzuholen. Er zuckt kurz zusammen und wendet sich wieder seinem Gast zu. „Nein, stimmt. Ich bin kein Käpt‘n. Der Posten war natürlich schon vergeben als ich nach Sapporo kam.“ Ein schiefes Grinsen zieht sich plötzlich über sein Gesicht. „Aber dafür bin ich Manager. Und das heißt, dass der Kapitän nach meiner Pfeife tanzen muss.“

Neben ihm ertönt ein unterdrücktes Prusten.

„Shinji wäre da anderer Meinung.“

„Die Meinung kann er ja haben, ich bin trotzdem sein Manager.“

„Aber auf dem Platz musst du trotzdem auf ihn hören.“

„Wenn er mir dumm kommt, kriegt er beim nächsten Auswärtsspiel das schlechteste Hotelzimmer.“

„Nennt man das einen guten Manager?“

„Auf jeden Fall ein erfolgreicher.“

Belustigt verfolgt Mario den Schlagabtausch vor seinen Augen. „Ihr benehmt euch wie ein altes Ehepaar“, platzt es aus ihm heraus, bevor er richtig darüber nachdenken kann, was er da gerade sagt.

Der Schlagabtausch auf der anderen Seite des Tisches hält abrupt inne. Stattdessen starren ihn die beiden mit weit aufgerissenen Augen an.

„Ähm…“

„Ähm…“

Marios Herzschlag beginnt plötzlich unangenehm zu stolpern. Was hatte er da gerade gesagt? Hatte Elsa nicht im Zug erzählt, dass ihr Freund sie vom Bahnhof abholen würde? Hatte sie sich in dieser Wohnung nicht bewegt, als wäre sie hier zu Hause?

‚Ihr benehmt euch wie ein Ehepaar.‘

Seine Augen wandern zu Elsas linker Hand, die immer noch unter Viktors liegt.

„Ihr…“ Seine Stimme klingt seltsam kratzig. „Ihr seid … zusammen, … ja?“

Während Elsa ihn weiterhin mit schreckgeweiteten Augen ansieht, nimmt Viktor ihre Hand und streicht mit dem Daumen zärtlich über den silbernen Ring, der an ihrem Ringfinger steckt. Er nickt.

„Ja, das sind wir.“

Mario starrt immer noch mit angehaltenem Atem auf das Paar vor sich. Sein Kopf hat die Information noch nicht vollständig verarbeitet, doch sein Mund redet bereits weiter. „Das…, ich…, das hatte ich nicht erwartet. Das… das ist doch schön. Dann habt ihr… habt ihr euch hier in Sapporo wieder getroffen und seid zusammen gekommen, ja?“

Viktor nickt erneut. „Und ich habe Elsa gefragt, ob sie mich heiratet. Sie hat ‚ja‘ gesagt.“

Die Worte sind wie eine Pistolenkugel, die genau durch Marios Herz fährt.

„Nein.“

Ungläubig wenden sich die Blicke der beiden Männer Elsa zu, die Mario immer noch mit großen Augen ansieht und nicht mehr gesagt hat, als dieses eine Wort: ‚Nein‘

„Was meinst du mit ‚Nein‘, Elsa?“

Mario meint, ein leichtes Zittern in Viktors Stimme erkennen zu können.

„Es… stimmt nicht“, haucht Elsa leise.

„Du hast auf meinen Antrag ‚ja‘ gesagt!“ Wie zum Beweis reißt Viktor ihre Hand nach oben und deutet auf den Ring.

Doch Elsa bleibt ganz ruhig. „Das meine ich nicht.“ Wie in Trance zieht sie ihre Hand zurück und streicht damit unschlüssig über die Tischplatte. „Wir haben uns nicht hier wieder getroffen“, flüstert sie, „Ich wusste, dass er hier ist.“

Marios Kopf ist leer. „Wie? Du wusstest es?“

„Elsa?“ Viktors Stimme klingt jetzt warnend.

„Er hat mir erzählt, dass er hier ist und ich wollte zu ihm.“

„Warum?“ Die Frage kommt Mario dämlich vor, aber ihm fällt gerade nichts besseres ein.

„Weil ich mich in ihn verliebt habe“, antwortet Elsa schlicht.

„Damals schon?“

„Ja“

Mario starrt in seine Schüssel mit Ramen, die wahrscheinlich längst kalt sind. Plötzlich fällt ihm etwas ein.

„Warst du deshalb so komisch zu mir, nachdem er aus Osaka weggegangen ist? Wegen ihm?“

Elsa zuckt kaum merklich zusammen.

„Ja“, flüstert sie. Und nach einer Pause setzt sie nach: „Es tut mir Leid.“

Mario atmet tief aus. Er hat das Gefühl, dass all diese neuen Erkenntnisse aus seinem Körper heraus müssen. Abrupt steht er auf.

„Tut mir Leid, ich muss mal raus.“

Bevor die anderen beiden ihn aufhalten können, stürmt er aus dem Zimmer, rafft Jacke und Schuhe zusammen und flieht zur Tür hinaus.

„Das hätte ich ihm jetzt nicht so gesagt“, meint Viktor trocken, nachdem die Wohnungstür ins Schloss gefallen ist. Er will Elsa in den Arm nehmen und sie an sich drücken, aber sie springt bereits ebenfalls auf, stürmt zur Tür und lässt ihn allein am Tisch zurück.
 

~~~
 

Die kalte Luft sticht in ihren Lungen, als sie vor das Haus tritt, doch das kümmert sie jetzt wenig. Hektisch sieht sie sich nach allen Seiten um.

„Mario!“

Er lehnt an der Hauswand in der Nähe des Parkplatzes, an dem sie vorhin angekommen sind.

„Mario…“

Kurz bevor sie ihn erreicht, verlangsamt Elsa ihre Schritte. Mario starrt in die Dunkelheit.

„Lass mich bitte in Ruhe, Elsa. Ich will jetzt nicht reden.“

„Doch Mario“, Elsa macht noch einen weiteren Schritt auf ihn zu, „wir müssen reden. Es muss endlich raus.“

Mario entfährt ein höhnisches Lachen. „Gibt es etwa noch mehr zu beichten, von dem ich nicht weiß?“

„Es tut mir Leid.“

„Jetzt tut es dir Leid. Den ganzen Nachmittag hast du nichts gesagt. Hast so getan, als wäre alles in bester Ordnung.“ Ein Ruck durchfährt ihn. Er stützt sich von der Wand ab, ballt die Fäuste und dreht sich zu Elsa um. „Wie hast du dir das vorgestellt?“, schreit er beinahe. „Dass wir hier einen netten Abend miteinander verbringen und ich anschließend wieder wegfahre, in dem Glauben, ihr wärt immer noch meine Freunde? Während ihr mich hinter meinem Rücken betrügt?“

Elsa schluckt. Still kämpft sie mit der ersten Träne, die sich in ihrem Auge bildet. Doch sie weiß, dass Mario alles Recht der Welt hat, sie anzuschreien.

Er scheint es zu bemerken. Mit einem resignierten Seufzer lehnt er sich zurück an die Wand. „Wie lange ging das schon?“

„Zu lange.“

„War es die Party? Erics Geburtstagsparty? Als du dich so komisch benommen hast?“

Elsa senkt den Blick. Mit traumwandlerischer Sicherheit hat Mario genauer ins Ziel getroffen, als er ahnt.

„Eigentlich…“, sie zögert, „Nein, bereits früher.“

Marios Augen werden groß. Sie spürt, dass die Erkenntnis über ihren Betrug noch tiefer in ihm einsinkt.

„Noch früher…?“, flüstert er.

Elsa durchfährt ein Zittern. Ob es an der Kälte oder an Marios Entsetzen liegt, kann sie nicht sagen.

„Erinnerst du dich an den Abend, als ihr nach dem Training alle zusammen bei Viktor und Eric gegessen haben? Und wir darüber gesprochen haben, wie du Sarah bei einem Partyspiel mit einem Kuss auslösen musstest?“

Marios Augen flackern fast unmerklich. „Damals hat Viktor dich im Spaß geküsst.“

„Ja.“ Schuldbewusst mustert Elsa ihre Schuhspitzen.

Hinter ihr knirscht Schnee unter Schuhen. Mit etwas Abstand bleibt Viktor stehen und verfolgt mit ernster Miene ihr Gespräch. Mario blinzelt kurz, beachtet ihn aber nicht weiter. Seine Aufmerksamkeit gilt seiner Ex-Freundin, die noch immer seinem Blick ausweicht.

„Aber das war doch nur im Spaß! Oder war es das nicht? Lief da etwa bereits etwas zwischen euch?“

Elsa schüttelt heftig den Kopf. „Nein! Es begann an diesem Abend. Dieser Kuss ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf! Egal, was ich gemacht habe, alle meine Gedanken drehten sich von da an nur noch um Viktor. Und ihm ging es genauso.“

Als Elsa kurz innehält, blickt Mario hinüber zu Viktor. Dieser nickt nur.

„Wirklich? Wegen so einer kleinen Sache? Verliebst du dich einfach in einen anderen? War ich dir so wenig wert?“

Rasch hebt Elsa den Kopf. „Nein, Mario! Das ist nicht wahr! Du hast mir sehr viel bedeutet und ich habe sehr lange sehr mit mir gekämpft, weil ich wusste, wie unfair es dir gegenüber war. Aber…“

„Aber?“

„Es war zwecklos. Ich konnte einfach nichts dagegen tun.“

Marios Blick wandert zu Viktor, seinem Nebenbuhler, den er bis eben noch gutgläubig seinen Freund genannt hätte.

„Warum hast du nichts dagegen getan?“

„Ich habe etwas getan“, antwortet Viktor ruhig, „Ich bin auf Abstand gegangen, 1.000km weit um genau zu sein.“ Er zuckt mit den Schultern. „Doch es hat nichts gebracht.“

„Ich habe wirklich alles versucht, dass unsere Beziehung wieder in Ordnung kommt, Mario“, lenkt Elsa seine Aufmerksamkeit wieder auf sich.

„Wie weit war das damals schon, als er gegangen ist? Habt ihr euch geküsst?“

Sie zittert wieder. Will er es wirklich so genau wissen?

„Ja“

Mario muss merklich schlucken.

„Miteinander geschlafen?“

Stumm mustert Elsa sein Gesicht. Es ist verzerrt vor Wut und Enttäuschung. Ihn so zu sehen, tut ihr unendlich weh. Kann sie es noch schlimmer machen?

„Ja“, haucht sie.

Marios Körper sackt in sich zusammen. Seine Schultern sinken ein, sein Blick wird plötzlich ganz leer. Er sieht zu Boden, als könnte er dort die einzelnen Schneeflocken zählen.

Elsa hält angespannt die Luft an.

Doch dann fängt Mario an zu lachen. Er legt den Kopf in den Nacken und lacht laut ein bitteres Lachen in den schwarzen Himmel.

„Konntest nichts dagegen tun, ja?“, wiederholt er höhnisch „Nun, dann ich ja wohl auch nichts dagegen tun.“

„Bitte verzeih mir.“ Nun rollt wirklich die erste Träne über ihre Wange.

Noch immer lachend schüttelt Mario den Kopf. „Irgendwann vielleicht, Elsa. Jetzt kann ich das noch nicht.“ Abrupt kehrt er zu seiner ernsten Miene zurück. Er stellt sich dicht vor Elsa, und sieht ihr tief in die Augen.

„Mit dieser Schuld musst du selbst fertig werden. Ich habe damit nichts zu tun.“

Über ihre Schulter hinweg fällt sein Blick auf Viktor, der ihn weiterhin ernst ansieht. Mit einem schnellen Schritt tritt Mario an Elsa vorbei und baut sich vor dem Älteren auf. Einen unendlichen Moment lang fechten die beiden ein stummes Blickduell aus. Schließlich gibt Viktor sich geschlagen: „Na los“, sagt er gefasst, „Ich werd’s überleben.“

Und bevor er es sich versieht, landet Marios Faust hart auf seiner Wange. Viktor taumelt, stützt sich an der Hauswand ab und keucht. Doch kein Wort des Protests kommt über seine Lippen. Mit zusammengebissen Zähnen sieht er Mario nur stumm an.

Dieser tritt einen Schritt zurück und blickt in den schwarzen Himmel. Er sieht zu, wie Elsa mit entsetztem Gesicht Viktor stützt und seine Wange befühlt. Doch es berührt ihn nicht mehr. Er fühlt sich eigenartig leicht ums Herz.

„Ich wünsche Euch“, sagt er beinahe feierlich, „das eure Beziehung besser endet als sie begonnen hat. Das ist das letzte, das ich euch als Freund wünschen kann.“

„Mario“, flüstert Elsa.

Der schüttelt erneut den Kopf. „Ich gehe. Wir sehen uns irgendwann wieder. Spätestens zum Spiel.“

Schuldbewusst greift sie nach Viktors Hand und drückt sie. Der Ring presst sich kalt in ihre Haut.

„Soll ich dich zum Hotel fahren?“, bietet sie mit leiser Stimme an, doch sie kann sich seine Antwort bereits denken.

Mario winkt ab. „Lass, Ich nehme ein Taxi.“

Viktor

“Wieder gehalten vom Torwart der Teufelskickers! Nur noch 5 Minuten zu spielen und immer noch keine Entscheidung. Es steht weiterhin 0:0. Die Mannschaften schenken sich wirklich nichts. Hier wird verbissen um jeden Meter gekämpft.
 

Noch einmal Gegenangriff der Gäste auf das Tor von Sapporo…. Ausgezeichnetes Kombinationsspiel zwischen den drei Stürmern. Gregor Daichi kämpft sich an Tanaka vorbei. Links kommt Eric Ikeda und bringt sich in Position. Wie oft haben diese Spieler es heute schon an vor diesem Tor versucht und sind doch jedes Mal an Uesugi gescheitert, der auch jetzt felsenfest auf seiner Linie steht… Spielt Daichi ab oder macht er es selber?... er fällt, kommt nicht zum Schuss. Was ist los? Ist da etwa Tanaka zu beherzt in die Konfrontation gegangen?...“
 

Dröhnend donnern die Buhh-Rufe über den Platz. Das Stadion tobt als der Schiedsrichter tatsächlich seine gelbe Karte hebt und den jungen Lieblingsspieler des Sapporo FC verwarnt. Die Rufe werden noch lauter, als er mit einer Hand auf den weißen Punkt deutet, der sich exakt 11 Meter vor Viktors Füßen befindet. Dieser knirscht kurz mit den Zähnen. Strafstoß, auch auch das noch.
 

„Hey Gregor, alles okay?“, fragt Eric und beugt sich zu seinem Teamkameraden hinunter.

Gregor schnürt sich seinen Schuh wieder neu und blickt siegesgewiss grinsend auf: „Kein Problem. Das Problem haben die jetzt.“

„Tja, wie steht es bei euch?“, murmelt Gordon und blickt unsicher auf das Tor, „Wer traut sich gegen Viktor?“

„Hmmm“, Eric streckt die Arme über seinem Kopf aus, „Wenn der Kerl mich halt nicht so gut kennen würde…“

„Das kann ich auch sagen. Gregor?“, wendet Gordon sich an den dritten Stürmer, „Traust du dich? Es ist unsere letzte Chance. Viktor hat bisher alles gehalten, was wir heute aufs Tor geballert haben. Der ist gut in Form.“

„Und du hast das gesamte Stadion gegen dich“, ergänzt Eric grinsend, „Ist das Ansporn genug?“

„Naja…“ Gregors Hand wandert zu seinem Hinterkopf. Etwas eingeschüchtert blickt er hoch auf die wogenden Ränge.

„Ich schieße“, ertönt es plötzlich hinter ihnen.

Verwirrt schauen die drei auf.

„Käpt‘n?“, entfährt es Gregor sofort, während Eric und Gordon nur fragend dreinschauen.

„Häh?“

„Ich werde den 11-Meter ausführen“, wiederholt Mario und fixiert mit entschlossener Miene das Tor und den Torwart darin, der seelenruhig und mit verschränkten Armen auf seinen nächsten Gegner wartet.

„Hn, so Torwart gegen Torwart, ja?“, feixt Gordon.

„Eher Käpt‘n gegen Ex-Käpt‘n“, grinst Eric und lässt insgeheim erleichtert seine Arme wieder sinken.

Gregor mustert seinen besten Freund nachdenklich. Ihm liegt etwas anderes auf der Zunge, aber er hält lieber den Mund. Mario mahlt mit den Kiefern, während er Viktor mit seinem Blick zu durchbohren scheint.
 

„Oh, das ist neu. Der Kapitän der Gäste meldet sich für den Strafstoß. Kein Stürmer, sondern der Keeper wird schießen. Ein Duell Torwart gegen Torwart? Traut Mario Hongo sich hier nicht etwas zu viel zu?“
 

Viktors Augen weiten sich überrascht, als er Mario mit dem Ball unter dem Arm vortreten sieht. Kurz weicht die Anspannung aus seinem Körper. Er richtet sich auf, legt den Kopf leicht schief und schaut seinen Gegenüber fragend an.

Mit stoischer Miene platziert Mario den Ball auf dem weißen Punkt, erhebt sich langsam und sieht erst dann Viktor fest in die Augen.

Einen langen Moment lang fechten die beiden ein stummes Blickduell aus. Schließlich senkt Viktor seine Augen und nickt. Er versteht.

Er lockert noch einmal die Finger, postiert sich auf der Torlinie und gibt ihm das Zeichen, dass er bereit ist.

Mario richtet sich ein letztes Mal die grüne Kappe, dann tritt er drei Schritte hinter den Ball zurück.

Das Dröhnen des Publikums verwischt und verschwindet im Hintergrund. Das hier ist ein Duell nur zwischen ihnen beiden, eine letzte Abrechnung für das, was in den letzten Monaten geschehen ist.

Der Schiedsrichter pfeift an.

Augenblicklich scannt Viktor Marios Bewegungen. Welche Ecke hat er sich ausgewählt? Wohin zeigen die Füße, wohin geht der Blick? Auch wenn er es verbergen will, jeder Schütze muss sein Ziel anvisieren. Und Mario ist ein verdammt schlechter Schütze. Viktor kann ihn lesen wie ein Buch: Seine Bewegungen, sein Blick, alles an dem Kapitän der Teufelskickers zeigt auf die linke untere Ecke. Mit einem siegessicheren Grinsen wirft er sich in einem langen Hechtsprung in den weit entfernten Winkel seines Tores, die Arme erwartungsvoll nach vorn ausgestreckt.

Doch kaum haben seine Füßen den Boden verlassen, durchfährt es ihn eiskalt. Mario verzögert seine Bewegung, hält eine Millisekunde inne und als er Viktor davonspringen sieht, lupft er den Ball kinderleicht und ungestört geradeaus ins Netz.

Für einen Augenblick ist es totenstill im Stadion. Bis das Publikum mit einem empörten Brüllen wieder zum Leben erwacht. Doch die Buhh-Rufe werden vom euphorischen Jubel seiner Mannschaft übertönt. Mario kommt einige Meter vor dem Tor zum Stehen und sieht den am Boden liegenden Viktor an. Der Torwart hat, wütend über seine eigene Naivität, die Hände im Rasen vergraben und blickt zerknirscht zu ihm auf. Er weiß, dass die Enttäuschung der Zuschauer ihm gilt.

„Viktor“, sagt Mario laut und deutet mit einer Hand auf ihn, „du hattest Unrecht: Jetzt erst sind wir quitt!“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das Nagai-Stadion in Osaka gibt es tatsächlich. Ich fand diesen Zufall zu schön, um ihn hier nicht aufzunehmen. Ich vermute aber, dass es nach einem anderen Nagai benannt wurde…🙄 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, endlich allein…. Oder kommt etwa wieder was dazwischen? Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, fertig. Viktor, der Störenfried, ist weg. Elsa kann zurück zu Mario. Alles wieder gut….

Aber warum steht in der Übersicht 50%? 🤔
… ist wohl doch noch nicht das Ende??? 😅 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So richtig elegant hat Elsa die Trennung also nicht hinbekommen.
Ob Gregor und Mario sie einfach so gehen lassen? Oder machen sie sich auf die Suche? Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich suche noch einen schönen Titel. Ideen? Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (111)
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Von:  Tasha88
2023-05-18T18:33:58+00:00 18.05.2023 20:33
Liebe Rike,

danke hierfür.
ich habe mir vorher lange GEdanken gemacht, warum ich dieses Kapitel eigentlich so mag - obwohl es nicht schön ist. obwohl es traurig ist, ein wenig das Herz bricht.
Dann kam mir die Antwort:
weil es sich jetzt vollständig anfühlt - zumindest für mich. natürlich passt es nicht einhundertprozentig mit der Geschichte sonst zusammen, aber für mich hat es sich vollständig angefühlt.
dieses Gespräch mit Mario, dass er endlich die Wahrheit erfährt. es fühlt sich richtiger an, als dass er viktor einen ball reinhaut und sagt - so, quitt. denn auch ein ruhiger Mario darf genauso reagieren wie hier im Kapitel.

doch trotzdem hätte mir auch die Geschichte so ausgereicht und sie war auch so sehr gut.
aber für mich ist es einfach nochmal ein Sahnebonbon ... und vllt bin ich ein wenig seltsam, dass ich mich darüber freue >.<
danke dir vielmals.
ich freue mich, dass du es geschrieben hast :)

Liebe grüße
tasha
Antwort von:  Centranthusalba
18.05.2023 21:05
Liebe Tasha,
Bitte, bitte.😊
Die Frage müsste ja eigentlich sein, warum hat mich Marios Reaktion in der Ursprungsgeschichte nicht so interessiert, dass ich es wert fand, den Konflikt noch einmal am Ende ‚eskalieren‘ zu lassen?
Wohl, weil es mich anfangs tatsächlich nicht interessiert hat.
Ich wollte Elsa und Viktor zusammenbekommen und am Ende sollten sie sich der Welt als Paar zeigen. Wie die Welt sich dabei fühlt (vor Allem der gehörnte Ex), lag wirklich nicht in meinem Fokus.
Das kam erst nach und nach auf, während unserer VIELEN Gespräche über die Geschichte. Und in deinen Geschichten hast du das Thema ja auch verarbeitet, natürlich mit einem stärkeren Fokus auf Mario.

Also so hätte es auch laufen können. Wobei hier natürlich die Frage nach Gregor offen bleibt. Wird Mario ihm davon erzählen? Vielleicht, vielleicht auch nicht.

So…. Jetzt bin ich aber wirklich endlich durch mit der Story!!!
Antwort von:  Tasha88
18.05.2023 21:26
💖💖💖💖
Ich würde ja sagen, wir beide haben uns gegenseitig sehr beeinflusst.
Ich liebe Viktor mehr udn du kannst zumindest Mario mehr abgewinnen 😂😂
Von:  Tasha88
2023-04-09T07:55:32+00:00 09.04.2023 09:55
Liebe Rike,

das war sie also. Die Geschichte. Die Geschichte, über die wir so richtig in Kontakt gekommen haben. Zu der ich dich (unbewusst) ermutigt habe. Unbewusst, aber sehr, sehr gerne :)
ich bin froh, dass ich dich getriezt ähm, natürlich motiviert - und dir vielleicht ein paar Mal in den Hintern getreten habe.

Du weißt (und zwar von vorne bis hinten) wie ich die GEschichte liebe - und Mario mir leidtut (das kann ich leider nicht abstreifen).

aber es war perfekt und ich bin froh, dass du diese Geschichte geschrieben und zu Ende gebracht hast - ich danke dir vielmals dafür :*

eines war aber nicht ganz perfekt - vllt auch zwei DInge.

Nr 1 - wo war die Szene, wo Elsa und Viktor es Mario und Gregor erzählen? Also die, wo hiervor kommen sollte? Ich will doch Marios Reaktion wissen!!!!

und Nr 2 - hmm .. gilt ein Tor gegen den Rivalen, gegen Viktor, gegen den Typen, der einem die Freundin ausgespannt hat, als "Quitt" - Mario lässt sich da fast zu leicht "auszahlen" - ich würde VIktor hassen XD
aber ich freue mich trotzdem, dass er DAS Tor geschossen hat :D

aber trotzdem - ich bin immer noch froh und dankbar - für alles.

Und jetzt aber weiter!!!!

Ich wünsche dir schöne Ostern ^^
Antwort von:  Centranthusalba
09.04.2023 10:11
Liebe Tasha,

Ich danke dir für deinen Kommentar hier. ☺️
Njaaaaa…. Also erzählen tun sie es ihnen nach dem letzten Kapitel. Das hätte irgendwie nur noch 3 Sätze ergeben, darum habe ich es ganz rausgelassen.
Wie Mario reagiert? Hmmm, ich stelle mir vor, dass er kaum reagiert. Eher so: aha, hm, so war das also. Und zieht dann die Mütze ins Gesicht. 🤷🏻‍♀️ Immerhin hat Elsa ja dann doch die Beziehung zu ihm beendet und hat sie nie mehr gemeldet. Da gibts für ihn also nichts mehr zurückzuholen.
Ich könnte mir vorstellen, dass dann über Nacht die Wut in ihm auf Viktor wächst. Und das ist seine Gelegenheit am nächsten Tag ihn zumindest zu demütigen. Er hätte ihm auch eine runterhauen können. Das hätte aber auch nur kurz gewirkt und Elsa auch nicht zurückgebracht.
Bei dir endete das auch immer mit einem Spiel. Sind halt Sportler durch und durch.😁

Viel Spaß dir noch 🙋🏻‍♀️
Antwort von:  Tasha88
09.04.2023 10:28
Hach, du kennst meinen Kopf ja 😂😂
Danke für deine Gedanken dazu noch 😉
Und ich sehe es wie du - Elsas Herz hat entschieden - sie gehört zu Viktor. Mario hatte keine Chance mehr. Richtig so 👍 - hier zumindest 😉

Und ja, in dieser Geschichte macht Viktor zumindest was Elsa betrifft seinem Namen alle Ehre 😜

Das Spiel zum Ende ist mir gar nicht aufgefallen 😂😂😂 mache ich das außer in richtige Entscheidung immer so? Du bist da sehr viel besser drinnen 😂😂😂
Von:  Tasha88
2023-04-08T16:25:55+00:00 08.04.2023 18:25
Ahhhhh 😱😱😱😱😱
Ich kann meine emotionen kaum in Worte fassen.
Und du kennst das meiste ja schon.

So, eine ganz gemeine Frage.
Wann kommt der Rest?
Antwort von:  Centranthusalba
08.04.2023 18:56
Jaja, schon gut 😌 ich weiß.
Wie wärs mit Morgen? Epilog steht ja seit einem Jahr. Kannst du dich für Marios Revanche noch so lange gedulden? 😉
Antwort von:  Tasha88
08.04.2023 19:00
😍😍😍💖💖💖
Von:  Tasha88
2023-03-25T11:19:07+00:00 25.03.2023 12:19
Getriezt? Ich würde es eher motivieren nennen 🤣🤣
Oh, ich habe es geliebt. Und Kevin ist der heimliche Idio... Hrmh Star in diesem Kapitel.
Ein perfektes Fangenspiel! Und immer Useugi San 🤣🤣🤣

Seit wann hat Viktor eigentlich einen Rollstuhl? 🧑‍🦽

Ansonsten ist das natürlich eine fiese Stelle aufzuhören!
Ich trieze, ähm, motiviere dich natürlich so lange weiter, bis das nächste Kapitel da ist 😜
Antwort von:  Centranthusalba
25.03.2023 12:37
so viel verrate ich: Kevin bleibt auch weiterhin der Star.

So einen Bürostuhl mit Rollen meine ich natürlich, wollte nur nicht schon wieder „Büro“ schreiben. 🧑‍🦽kam mir gar nicht in den Sinn.

Mal gucken, ob mir beim Staubsaugen einfällt, wie es weitergeht.😅
Antwort von:  Tasha88
25.03.2023 13:08
Schreibtischstuhl
Antwort von:  Tasha88
25.03.2023 13:08
Ach, wir überlassen das saufen unserem robby. Dafür räumt der die spülmaschine nicht aus 🤣
Antwort von:  Tasha88
25.03.2023 13:11
Saufen 🤣🤣🤣 meine Autokorrektur... Scheint meinte tiefen Bedürfnisse zu kennen 🤣🤣🤣
Saugen
Antwort von:  Centranthusalba
25.03.2023 13:37
Hab mich kurz gewundert 😂😂😂
Von:  Tasha88
2022-11-18T20:01:42+00:00 18.11.2022 21:01
Da sind sie ja, die Pinguine :D

ich kann mich aber zu dem Kapitel nur wiederholen:
Mein Gedanke war nur: ACH DU KACKE!!!
da zieht sich sogar in mir alles zusammen.
sie ist echt im A**** - sie kann ihrem Chef nicht einfach nein sagen um denen weiter aus dem weg zu gehen. Stattdessen wird sie nun auf sie treffen. ihren bruder und ihren Ex
gott oh gott oh gott ... mir wird auch anders o.O

Antwort von:  Centranthusalba
18.11.2022 21:27
Na irgendwann muss es doch rauskommen 😄
Und wenn Wlsa nicht zu den Kickers kommt, kommen die halt zu ihr 😅
Und so schlimm wirds nicht. Versprochen
Antwort von:  Tasha88
18.11.2022 21:30
irgendwie habe ich immer noch diese Zugszene im Kopf, die sicherlich nicht auftauchen wird ;)
Antwort von:  Tasha88
18.11.2022 21:31
und nicht so schlimm ...
ähm ... ist es doch schon
Elsa hat Mario das Herz gebrochen

so sehr ich diese Geschichte liebe, das bricht mein Herz trotzdem jedes Mal. ich kann es nicht abschalten, entschuldige >.<
Antwort von:  Centranthusalba
18.11.2022 22:11
Ich könnte ja ein Extra machen, für die Zugszene😄
Antwort von:  Tasha88
18.11.2022 22:36
wer könnte da nein sagen? ;)
aber tatsächlich würde ich sagen, schreib mal so weiter, wie es für dich passt ^^
ich bin jetzt schon sehr gespannt auf alles weitere!!!
Von:  Push
2022-11-12T00:20:56+00:00 12.11.2022 01:20
Oi, das hört sich nicht gut an…ich bleibe dabei, daß Elsa nicht “fully commited“ ist…Damn…es erinnert much an meine letzte Beziehung: er:“ich fand es so schön 24h am Tag mit dir zusammen zu sein!“ ich: (in Gedanken) ich fand es total furchtbar 24h am Tag mit dir zusammen zu sein“….😑


Vll taucht Kisho in der Geschichte auf und Elsa wird die beste Freundin….


Antwort von:  Centranthusalba
12.11.2022 13:48
Ich spoiler mal: nein, tut er nicht. Kein Kisho hier. 😂

Woran sieht du, dass Elsa nicht „fully commited“ ist? Ist es oben die Beschreibung ihres Alltags? Oder etwas in der Szene? (Dabei fängt sie doch eigentlich mit dem Heratsthema an…🤔)
Von:  Tasha88
2022-11-11T19:04:44+00:00 11.11.2022 20:04
Kenne ich die Ur-Szene schon so lange, wie es sie gibt?
Ich finde sie auf jeden Fall sooo schön ... und kitschig XD

am besten
Viktor: wir sind hier allein, schrei
Tatsache: ein paar Meter weiter steht das Brautpaar XD

aber man sieht richtig, wie überfordert Elsa im ersten Moment ist - und dann zeigt sich, dass ihr Herz einfach ihm gehört *-*
und jetzt freue ich mich auf die Pinguine ;)
Antwort von:  Centranthusalba
11.11.2022 20:15
Fast😆 Ich habe sie im Oktober oder November 2020 geschrieben. So in einem Rutsch in einer Stunde. Einmal runter und seit dem kaum verändert.

Aber immerhin weniger Leute als in der Fußgängerzone😆

Einen normalen Heiratsantrag kann Viktor nicht. Ich auch nicht….🤪

Ja, auf zu den Pinguinen. Vielleicht hat dann die Passwort-Szene auch nochmal eine Chance🤔
Antwort von:  Tasha88
11.11.2022 20:29
ich hoffe ja auf alles :D
Von:  Tasha88
2022-11-10T19:06:37+00:00 10.11.2022 20:06
Ach ja, was soll ich sagen ...
ich habe erst richtig breit gegrinst, als ich gesehen habe, es gibt ein neues Kapi. Noch breiter, als ich es gelesen habe. Leises Kichern am Ende vor Freude darüber ...
und jetzt Frustration, weil ich nicht weiterlesen kann XD

kommt denn als nächstes das Kapitel ??

hach, fast putzig, wie Viktor reagiert. Erstmal eine Entscheidung treffen.
und seine Sorgen bzgl Mario...
aber dann zeigt Elsa ihm mehr als eindeutig, was er ihr bedeutet :D
hat mir sehr gut gefallen ^^

Weiter so ;)
Antwort von:  Centranthusalba
10.11.2022 20:08
Jaaaa, als nächstes ist das Kapitel dran. 😉
Ich muss mich jetzt nur noch zwischen Stern und Schneeflocke entscheiden. Vielleicht schon dieses Wochenende.
Antwort von:  Centranthusalba
10.11.2022 20:09
Und ja, Viktor will immer einen Schritt voraus sein… erst dann greift er zum Hörer. 😎
Antwort von:  Tasha88
10.11.2022 20:48
vielleicht ist das jetzt so, weil ich schon so lange nichts mehr gelesen habe, aber ich liebe das Kapitel ^^
es ist einfach toll ^^
dieses Wochenende noch? hau in die Tasten ^^
mache ich jetzt auch noch. NaNoWriMo - die Zahlen müssen ja erreicht werden ^^
Antwort von:  Push
12.11.2022 00:51
Ich mag das Kapitel! Allerdings muss ich sagen, dass Elsa für mich immer mehr zum „Bösewicht“ der Geschichte wird. Sie ist passiv-aggressiv und hält Victor zurück, obwohl SIE ihre Angelegenheiten nicht im Griff hat… er ist praktisch ein Spielball…

BTW: du hast mich bei „Anniversary“ gefragt, ob Victor der Typ ist, der sich in die Küche zurück zieht 🤔:

1) er verlässt kurzentschlossen Freunde und Famile
2) er zieht ans kalte Ende von Japan
3) selbst seine engen Freunde kennen nicht seinen Wohnort
4) Conny weiß nicht wo er ist!!!
5) er lässt sich von Elsa emotional bevormunden…

Der Junge braucht Psychotherapie! 😹
Und ich liebe es!!!!!!!!
Antwort von:  Centranthusalba
12.11.2022 13:38
Hi Push, bist ja doch noch dabei!😁
Ich glaube du siehst das etwas zu eng. Sie sind beide glücklich miteinander. Es gibt halt nur diesen einen schwarzen Fleck und das ist wie ihre Beziehung begonnen hat. Sie haben nun mal andere betrogen und das ist noch nicht aus der Welt geschafft. Beide gehen etwas anders damit um. Viktor könnte die Meinung der anderen egal sein, aber Elsas ist es nicht. Darum will er sich hier sicher sein. Und Elsa möchte eigentlich nicht daran denken und ergreift eher die Flucht (Bad, auch wenn sie damit nicht weit kommt).
Sie kann es aber eigentlich, das sieht man ja an dem Häschen 😂.
Manch einer macht sich eben sehr viele Gedanken, was sein könnte und würde, handelt im kritischen Moment aber doch ganz anders. So ist Elsa hier. (Jedenfalls wollte ich sie so darstellen)

Und zum Thema abhauen und sich nicht melden: sieh es eher als Neuanfang. Und dann ist man so mit dem neuen Leben beschäftigt, dass das „sich mal wieder melden“ in den Hintergrund rückt…

Aber ansonsten kannst du dich gerne als Therapeutin betätigen. 😂
Von:  Tasha88
2022-10-08T13:33:42+00:00 08.10.2022 15:33
... hach ... der traurige Mario bricht mir das Herz T.T
aber sonst - gut, dass Elsa nicht bei dem Spiel vor Ort war, denn das hätte auch einen ganz schönen Knall geben können o.O

was ich mir bei dem Kapitel dachte war, das keiner von denen auch mal nur eine Sekunde einen Zusammenhang gesucht hat ... Viktor geht - von heute auf morgen, keiner weiß, wo er ist ...
ein paar Monate später verschwindet Elsa still und heimlich...
und keiner weiß wo sie ist - Poststempel??

aber das hatten wir schon oft - ich zerdenke zuviel ;p

und Elsa und Viktor - die beiden sind schon echt süß *-*

Antwort von:  Centranthusalba
08.10.2022 16:07
Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mir über den Poststempel Gedanken gemacht habe…😅
Ursprünglich hat sie Postkarten geschrieben… aber da ist ja ein Motiv drauf! Telefonnummern haben Vorwahlen…, tja… Habs dann bei den Briefen gelassen. Die dürften recht kurz ausfallen, wenn sie nicht vieles verrät…

Nein, den Zusammenhang sieht keiner, da sind alle Beteiligten genauso ahnungslos, wie die Leser hier vor 1 1/2 Jahren 😅

Knall kommt noch 😉
Antwort von:  Tasha88
08.10.2022 16:20
Bei deiner ersten Elsa x Viktor?
Antwort von:  Centranthusalba
08.10.2022 16:49
Ja, zu der Zeit so…
Antwort von:  Tasha88
10.10.2022 10:13
eine Zwischenfrage - was mir erst jetzt beim wiederholten lesen aufgefallen ist - wer ist eigentlich Alex?
einfach ein weiterer Spieler?
Antwort von:  Centranthusalba
10.10.2022 15:59
Ja, nur so eine Filler-Person. Der kam bei der Party auch schon mal vor.
Von:  Tasha88
2022-09-29T19:44:16+00:00 29.09.2022 21:44
Hach, dunkle Wolken im Paradies ... wärst du doch mal bei Mario geblieben, Elsa- der war nicht so Fußball-irre ;p
ne ne, in der GEschichte hier ist das schon ganz gut ^^
ich finde es gut, dass es diese dunkle Wolken gibt - denn wie du gesagt hattest, VIktor hat sich nicht geändert, nur weil er jetzt mti Elsa zusammen ist. UNd die Frage war/ist eben, was macht sie jetzt anders als Sarah? Und ja, die beiden haben ihre Lösung gefunden - und es ist eine sehr gute Lösung. Becky ist einfach eine sehr gute Freundin - und schön, dass Elsa sich nicht nur bei ihr sondern auch bei den anderen so wohl fühlt.

und dann wartet VIktor zu Hause :D tja, irgendwie verdient - so kann er auch mal seine eigene Medizin schmecken.
hat mir wieder gut gefallen das Kapitel - sehr gut - schon bei den Spoilern und im Ganzen noch viel mehr ^^
Antwort von:  Centranthusalba
30.09.2022 20:16
Och, wer weiß, was die beiden für Themen hatten 😅
Ich hätte es jetzt ein bisschen sehr plump gefunden, wenn die beiden sich blind und ohne Absprache für immer und ewig im Liebesparadies verlören…. Neeee, du weißt, ich bin nicht fürs pathetische. Alltag ist nun mal grau und nervig.
Manch einer kapiert es auch erst, wenn er seine eigene Medizin schmeckt 😉 Hat er ja dann auch…
Freue mich, dass es dir gefällt. Streits finde ich ungeheuer schwierig. Vielleicht sogar noch schwieriger als Lemon…. Obwohl… vielleicht bin ich da inzwischen geübt…😂🙈
Antwort von:  Tasha88
30.09.2022 20:23
Du weißt ja, lemon fällt mir schwer... Dabei sollte ich da geübter sein 😂😅
Antwort von:  Tasha88
30.09.2022 20:24
PS. Ich finde es genauso richtig - ja, irgendwann ist die rosarote Brille eben unten und dann müssen sie auch miteinander klar kommen


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