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Dark pieces of my mind

Dürstere und sonderbare Kurzgeschichten
von

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Die Wanderung

Er ging die Straße hinunter, nichtahnend, wohin seine Füße ihn trugen. Er ging vorbei an kleinen Modebotiquen, Straßenverkäufern und riesigen Kaufhäusern. Mit ihm gingen tausend Leute: junge Mädchen mit Taschen, die von ihren Einkäufen gefüllt waren, alte Frauen, gestützt auf ihren Gehstock und Männer in Anzug und Kravatte, die immer wieder Hektisch auf die Uhr sahen. Doch er war nicht wie sie. Er kam und ging da und dort, doch keiner kannte ihn. Heute führte ihn sein Weg zu einer prächtigen barocken Kirche, vor der er bedächtig, mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen stehen blieb. Als er einige Minuten die mit Stuck verzierte Fassade des Bauwerks betrachtet hatte, schritt er würdevoll zu der mächtigen Pforte. Er passierte den Eingang und stand nun im von blaugrauen Dämmerlicht erfüllten Kirchenschiff. Auf denn Bänken knieten betend Leute und Kerzen, von gläubigen Christen entzündet, flackerten im schwachen Windzug. Er schritt weiter, das Haupt stolz erhoben und von seinem langen, weißbloden Haar umrahmt, den langen Mittelgang zum Altar entlang. Auf dessen Stufen stand eine junge Frau von zarter Gestalt. Sie trug ein dünnes, bis zum Boden reichendes Kleid und hatte den Kopf gesenkt. Leise sprach sie etwas vor sich hin. Er ging zu ihr und sie wandte ihm ihr schönes Gesicht hin. Als er in ihre schönen, hellbraunen Augen blickte, flüsterte sie:

"Vergebt mir, ich bitte euch. Endlich möchte ich schlafen. Bitte, vergebt mir."

Er nickte kaum merklich, dann fasste er in ihr Haar, zog ihr Köpchen zu sich heran und küsste ihre Lippen zärtlich. Als er dies getan hatte, lies er sie wieder los und blickte über den steinernen Altar auf das riesige Gemälde, das hinter jenem hing. Es zeigte einen wunderschönen Engel mit langem weißblonden Haar, der einen goldenen Kreuzstab in Händen hielt. Er löste den Blick von dem Gemälde, das sein Abbild war und drehte sich zurück zu der jungen Frau. Sie jedoch war versschwunden.

Da kam ein Lächelnüber seine Lippen und als er so da stand und den Leuten in den Bänken entgegenschaute, war es, als seien die Strahlen aus Licht, die durch die hohen Fenster hinter ihm fielen, goldene Flügel.

Leer in Gedanken

Der Mann sah aus seinem Fenster. Es war längst schon dunkel geworden. Im Zimmer war kein Licht. Er sah nach draußen. In weiter Ferne flackerte eine Kerze vor sich hin und er vernahm das leise Heulen des Windes, der um die Häuser strich und Baumwipfel bog. Der Mann stand da, vor der Glasscheibe, und wollte nicht denken. Vielleicht dachte er auch nicht, wer soll das wissen? Hinter ihm, in dem großen Zimmer, war alles leer. Leer in Gedanken. Das einzige was dort stand war ein großer, weißer Tisch mit einem kleinen weißen Stuhl davor. Auf dem Tisch lagen viele Blätter Papier, große, kleine, kleine, große. Doch alle waren sie leer. Leer, leer in Gedanken. Auf dem Tisch lag ein Glas mit Tusche. Die Tusche war rot, das Glas war umgefallen. Die Tusche floss über den Tisch, über das Papier. Rot, rot. Über das leere Papier, rot wie Blut, doch es blieb leer, leer in Gedanken. Die Tusche floss weiter bis zur Kante des großen, weißen Tisches, floss sie hinunter und tropfte auf den kleinen, weißen Stuhl. Sie bildete dort eine Lache. Eine Lache wie Blut, rubinrotes Blut. Auf dem Tisch lagen Federn und ein Federhalter lag in dem Glas, aus dem die Tusche ausgelaufen war. Er war rot. Rot wie Schmerzen. Schmerzen- Blut. Die Federn waren verklebt. Die rote Tusche. Sie lagen in der roten Tusche.

Der Raum war leer. Trotzdem. Gerade deshalb.

Der Mann hob die Hände, verdeckte sein Gesicht mit ihnen. Wollte nicht denken. Dachte.

Schmerz- Blut- Leere.

Das Flussufer. Es ist Herbst und die Blätter fallen. Der Wind heult leise und fährt durch die Wipfel der Baume. Er trägt den Geruch des Schnees mit sich. Doch noch ist alles trocken. Nur am Flussufer ist es nass. Nicht nass vom Wasser, das unten im Graben fließt, sondern nass von rotem Blut, das in der Abendsonne glitzert. Er liegt da, der Mann, und denkt nicht. Er liegt da mit ausdruckslosen Augen und einem wie zum Schrei geöffneten Mund, einem Schrei nach Freiheit. Die Finger seiner rechten Hand sind um ein Stück Papier geschlossen, doch es ist leer. Nur rot, rubinrot. Von Blut gefärbt. Doch leer, ohne Aussage, doch mit Aussage?

Wie ist er gestorben?

Ein Engel mit schwarzem Haar. Er liegt im Laub, rot, rubinrot von seinem Blut und seine schöne Augen schauen in die Ferne. Sie schauen weit über die flackernden Lichter hinfort. Und seine Ohren vernehmen das leise Heulen des Windes, doch sie hören auch die stumme Musik die im Hintergrund dieser Welt liegt.

Sind in seinen Augen Tränen? Oder sind sie leer?

Leer wie die Blätter Papier, die auf seinem Tisch lagen, leer wie das Papier, um das sich fest seine Finger schließen? Auch jetzt noch.

Wie ist er gestorben?

Er, der schöne Engel, der die Freiheit sucht.

Ist er gefallen, von oben herab?

Die Böschung hinab geschlittert?

Ist er gesprungen auf der Suche nach Freiheit?

Sein Kopf liegt auf einem großen Stein. Er ist rot, rot von Blut. Das Blut ist rubinrot. Es gleicht roter Tusche, die aus ihrem umgefallenen Glas läuft.

Blut- Rot.

Schmerzen- Blut.

Blut- Freiheit.

Licht. Das Licht steht am

Ende.

Der Weg in die Finsternis

Er ging den Weg, den Weg der Schatten. Die Dunkelheit hatte ihn hergerufen, hier an diesen finstersten Ort, wo es nur noch den Tod gab. Still lag der Friedhof und weiße Nebelschwaden lagen zwischen den zahllosen, grauen Grabsteinen, die sich überall auftaten. Er ging den Weg, seinen Weg, der ihn hinab führte ins Reich des Vergessens. Hinab, dorthin wo der Hauch des Todes allgegenwärtig war. Er schritt die steinernen, von Moos überzogenen Stufen hinunter und stand schließlich vor dem gusseisernen Tor, das ihn von der Gruft noch trennte. Mit zitternder Hand, aber entschlossen, drückte er die Klinke herab und quietschend, aus einem langen Schlaf erweckt, schwang das Portal zu der befremdlichen Welt auf. Über ihm hörte er, wie Raben aufgeschreckt flatterten und mit ihren krächzenden Stimmen seinen Namen riefen: "Aucun!! Aucun!!"

Schaudernd betrat er den Vorraum, der zu der eigentlichen Stätte des Todes führte. Schreckliche Schwärze umfing ihn, doch er fühlte sich dadurch beruhigt, denn auch er war die Schwärze, auch in seiner Seele wohnte sie. Er ging in der völligen Dunkelheit, von einer geheimnisvollen Kraft geleitet, zielsicher zu der weiteren Treppe, die in das endlose Labyrinth des Grabmahles überging, dessen Ende Aucun erstrebte. Denn dort wohnte sie.

Ganze Teppiche von Spinnweben streiften sein Gesicht, als er die Treppe hinunter ging und auch im feuchten Gang, der darauf folgte, musste er sich seinen Weg mühsam bahnen. Mit jedem Meter, den er weiter fortkam, wurde die Dunkelheit um ihn größer und die Anwesenheit des Unerklärlichen wurde immer deutlicher zu spüren. Dieses Unbegreifliche leitete ihn. Wegen diesem wusste er, wann er rechts und wann er links abbiegen musste. Modriger Geruch war nun zu vernehmen und feucht war es, sodass sich Aucun sicher sein konnte, dass Salpeter ihn von den Wänden her vergiftete. Doch wollte er dennoch nicht umkehren. Er wurde zunehmend benommener und sein Körper war von einer eisigen Kälte befallen, doch sehnte er sich trotzdem nach dem finstersten Ort am Ende, denn er erhoffte sich Frieden für seine Seele. Heilung für sein gebrochenes Herz.

Tausend und Abertausend Biegungen musste er machen, bis endlich ein Raume sich ihm auftat. Mit Tücher verhängt war dieser und von einem geheimnisvollen Lichte erleuchtet, für das es keinen Quell zu geben schien und das auch von einer unglaublichen Kälte erfüllt war, welche es unmöglich von dieser Welt kommen lies. Seiner unbefriedigten Sehnsucht weiter folgend, wehrte er mit den Händen die Tücher, die wie Geisterleiber, von der plötzlichen Bewegung erfasst, hin und her waberten, ab. Dies tat Aucun, bis er zum Zentrum des seltsamen Raumes kam. Dort blieb sein Atem ihm aus, denn unter der gigantischen, mit gotischen Bögen verzierten Kuppel saß auf einem riesigen, uralten steinernen Sarg sie. Sie, die er gehofft hatte zu finden.

Mit einem blütenweißen, schleierhaften Gewand bekleidet und von unzähligen nebulösen Schmetterlingen umflattert, saß sie da. Die Ruhe selbst. Er ging auf sie zu. Sie war die Finsternis, in der er völlig versinken wollte, sie war die Schwärze, die seine Seele zu heilen vermochte, und sie war das Nichts, in dem er auf ewig schlafen wollte.

"Aucun, ich habe dich erwartet.", erklang ihre Stimme tausendfach. "Aucun, dein Weg soll nicht vergebens sein."

Ihr langes Haar fiel ihr pechschwarz auf die schmalen Schultern und die silbriggrauen Augen funkelten ihm wie zwei ewige Sterne entgegen. Er sagte kein Wort. Er vermochte es nicht. Nur seine Füße gingen vorwärts, Schritt für Schritt, immer ihr entgegen. Als er nahe genug gekommen war, stand sie auf und hob ihre kleinen, zarten Hände, die so weiß wie Papier waren. Mit den schlanken Fingern der rechten Hand strich sie ihm sanft über die Wange und sprach dann traurig lächelnd, während sie sein Gesicht mit beiden Händen umfasste:

"Aucun, es ist bedauerlich, dass du meinem Ruf in so jungen Jahren Folge leisten musstest. Schade ist es um dein schönes Gesicht und deinen klugen Geist, doch deine schändliche Welt hat dich in so frühen Jahren verstoßen. Sie hat dein Wissen nicht anerkannt und deine zerbrechliche Seele mit Steinen beworfen. Abermillionen Tränen habe ich schon vergossen um diese unwürdige Schöpfung, doch zu ändern vermag ich nichts. Es ist mir nicht gegeben einzugreifen. Das Rad der Zeit drehet sich fort und ich warte auf die, die zu mir eilen, um Erlösung zu erlangen. Denn nur dies kann ich verschenken, den ewiglichen Schlafe aus dem es kein Erwachen gibt. Aucun, mein Kuss nimmt dir die Erinnerung an alles was war und schenkt dir die Ewigkeit."

Er blickte in ihre Augen, die trotz aller Trauer darin von unglaublicher Schönheit waren, dann antwortete er ihr mit ausdrucksloser Stimme:

"Herrin, ich weiß wohin ihr mich führet. Doch das ewige Vergessen ist, was ich ersehne. Das einzige ist es, was vermag mich zu erlösen von meiner unendlichen Qual. Ihr seid die einzige, an der es ist, mein Verlangen zu stillen. Deshalb kam ich, ungeachtet jedes Hindernisses, zu euch herab gestiegen. Euren Kuss erwarte ich, auf dass er mein zerbrochenes Herze heile."

Sie nickte leicht mit dem Kopf, wobei Strähnen schwarzen Haares auf ihre Stirn fielen. Dann küsste sie ihn sanft und mit offenen Augen. Auch die seinen waren weit aufgerissen und schauten in die ihren. Seine gesamte Seele schien in diesen silbernen Seen zu versinken. Es war ihm, als würde sie aus ihrem sterblichen Leibe gerissen und in den Ewigen seines Gegenübers gesogen. Aucun spürte wie er schwächer und schwächer wurde und das Leben allmählich seinen Körper verlies. Als der letzte Funke seines irdischen Daseins erloschen war, wurden seine Augen ausdruckslos und die Frau strich mit ihren Händen darüber, um sie zu schließen. Nachdem dies geschehen war, lies sie den nun leblosen Körper Aucuns sachte zu Boden gleiten und als er auf dem schneeweißen Marmorboden lag, faltete sie ihm die Hände. Mit unendlich süßer, jedoch von Trauer bewegter Stimmer sagte sie:

"In Pace requiescat."

Dann wandte sie sich um und stieg von den Schmetterlingen geleitet zurück auf den steinernen Sarg. Dort verwischten ihre Konturen im Flattern der hauchdünnen Insektenflügel und ihr Körper entschwand dieser Welt. Zurück blieb nur Schwärze, denn das geisterhafte Licht nahm sie mit sich. Aucun lies sie im ewigen Schlafe zurück.
 

IN PACE REQUIESCAT...



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