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Intrigo e amore

And it's with you that I want to stay forevermore
von
Koautor:  Coventina

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London - Forsche Fragen und deren Klärung

Kieran

Kieran tat sich den ganzen Abend schwer, das zu begreifen, was gerade vor sich ging. Er hatte es also wirklich geschafft, hier in London zum Arzt ausgebildet zu werden? Zumindest bekam er die Chance dazu... und dafür konnte er sehr dankbar sein... er konnte Dominico dankbar. Ohne ihn wäre er nie jetzt hier. Auch wenn alles andere, was mit diesem Mann zusammenhing, schmerzhafte Erinnerungen waren.

Die Frage, wer sich wohl hinter den Sponsoren verstecken könnte, verdrängte er etwas. Vielleicht lag es daran, dass er einen stillen, sehr leisen Verdacht hatte, den er aber nicht wagte ernsthaft zu denken. Oder waren es Hoffnungen? Aber dann würden... nein, lieber nicht darüber nachdenken!
 

Die Nacht zog sich und der nächste Tag auch. Doch schließlich stieg er hinauf in seine Kammer, um sich entsprechend vorzubereiten. Es war gut, dass er erst vor kurzem noch einmal Geld in Kleidungsstücke investiert hatte. Er konnte sich wirklich zum Hof passend kleiden und verließ pünktlich seine Wohnung, um zur exakten Uhrzeit am Palast anzukommen. Die Wachen ließen ihn durch, ein Diener geleitete ihn den Weg in die Gemächer des Arztes.

Der Diener klopfte, wartete auf Antwort, dann öffnete er die Tür und kündigte ihn an. „Er soll eintreten“, hörte er Dr. Chambers sagen und leistete den Worten Folge. Mit unverhohlener Neugierde sah er sich einen Moment um, bevor er auf Dr. Chambers zutrat und ihm die Hand gab, sich leicht verneigend den Mann begrüßte.
 

Dominico

Nico war bereits am frühen Nachmittag in die Stadt geritten. Er hatte es den ganzen Morgen kaum im Haus ausgehalten und hatte sich daher mit einigen Fechtübungen mit Amadeo bei Laune gehalten, doch sogar da hatte er mehrheitlich verloren, was auch nicht unbedingt zur Hebung seiner Laune beigetragen hatte. Obwohl er sich eigentlich wenig dafür interessierte, welchen Anzug er für den Abend wählte, so war er heute irgendwie pingelig. Frisch gewaschen aus dem Zuber, ein wenig mit Duftöl eingerieben stand er unschlüssig vor dem großen Spiegel und ließ sich inzwischen schon die dritte Kombination bringen. Eigentlich war er bei weitem nicht so eitel wie Alessio, doch er wollte einen guten Eindruck machen. Und nicht nur einen guten Eindruck sondern mehr. Er wollte.. naja, was eigentlich? Kieran in Verlegenheit bringen? Auf keinen Fall. Auftreten wie ein großspuriger Aufreißer? Um Gottes Willen. Nein, er wollte wie ein kompetenter Diplomat auftreten, der jedoch nicht davor zurückschreckte, seine Überzeugungskraft durch Taten zu unterstützen.

Er entschied sich schließlich für eine schwarze Hose mit Einlagen aus dunkelgrünem Brokat, einem normalen Hemd und darüber einer festen Jacke - ebenfalls in grünem Brokat und Schwarz. Der lange Umhang aus Wolle würde die Kleidung vor dem Regen schützen bis er im Palast eintraf.

John Chambers war überrascht Nico bereits eine Stunde vor Kierans Eintreffen bei sich begrüßen zu dürfen, doch Nico und er kannten sich ganz gut und so hatten sie keine Probleme sich mit Plaudereien die Zeit zu vertreiben. Obwohl Chambers instinktiv spürte, dass zwischen seinem neuen Lehrling und Lord Sforza eine andere Beziehung stand ,als nur das Interesse an Medizin, fragte er nicht nach. Es ging ihn nichts an. Man lernte diese Haltung schnell, denn viele Patienten dankten es einem nur zu gern, wenn man nicht über ihre körperlichen Leiden plauderte und am besten selbst gar nicht nachfragte, wenn es nicht unbedingt nötig war.

Dr. Chambers' Gemächer befanden sich im Dachgeschoss des Palastes, es war im Sommer dennoch angenehm temperiert. Außerdem hatte der Mediziner hier mehr als genug Platz, ungestört von anderen seinen Forschungen nachzugehen. Im vorderen Teil der Räumlichkeiten gab es einen Salon, in dem inzwischen das Abendessen aufgetragen wurde, zumindest der Teil, der kalt gegessen werden konnte. Weiter hinten gab es ein äußerst unbenutzt aussehndes Schlafzimmer und der Arbeitsraum, beziehungsweise die Bibliothek, die zwar längst nicht mehr für alle Bücher reichte, aber dennoch ihren Zweck tat. Außerdem befand sich in ihr auch eine Art Kuriositätenkabinett mit Mumienschädeln, Funden aus vergangenen Zeiten und all solchen Dingen. Als Kieran eine Stunde später an die Tür klopfte, bat John ihn herein, ohne die Augen von einer Schriftrolle zu nehmen, die er gerade interessiert studierte. Als Kieran neben ihm auftauchte, drehte er sich um und schüttelte ihm ebenso herzlich die Hand. "Ich hoffe, Ihr hattet eine gute Anreise. Und ich hoffe Ihr habt Hung-" Weiter kam er nicht, denn ein äußerst amüsierter Nico kam in den Salon spaziert, direkt aus dem Kabinett mit Johns heiligen Funden. "Im Ernst, wozu hebst du das auf?" In dem Glas, das er in der Hand hatte, schwammen riesige Würmer und Nico musterte sie angewiedert. Dann bemerkte er Kieran und hätte das Glas vor Schreck fast fallen gelassen. Er überwand den ersten Schreck beinahe im gleichen Atemzug und wandte sich wieder der Bibliothek zu. "Mr. Carney, wundervoll Sie hier zu sehen", rief er über die Schulter, während er das Glas wieder verstaute. Als er wiederkam, stand Chambers bei Kieran und sie begrüßten sich. Danach drehte sich John direkt zu Nico um. "Darf ich Euch Euren Spnsor vorstellen, Mr. Carney? Dominico Sforza hat sich freundlicher Weise bereit erklärt, euer Studium zu übernehmen." Scheinbar unbeteiligt neigte Nico den Kopf, doch in seinen Augen loderte es Am liebsten hätte er den Anstandswauwau aus dem Zimmer geschmissen, aber hier war es mher als nur wichtig, die Form zu wahren. Die Wände im Palast hatten Ohren und jedes falsche Wort konnte schon morgen den Henker bedeuten.
 

Kieran

Es war immer wieder beeindruckend, den Palast zu betreten, selbst wenn es nur der Trakt der Angestellten war. Der Diener, der ihn zu Mr. Chambers Räumlichkeiten geführt hatte, brachte ihn in Bereiche, wo er noch nie gewesen war, vorbei an Prunk, Gemälden und noch mehr Prunk.

Als er den Salon des Arztes betrat, wirkte dieser Raum auf ihn anders. Irgendwie wohnlicher, privater und es herrschte eine Atmosphäre von Betriebsamkeit. Das lag vielleicht auch daran, dass Mr. Chambers in eine Leinenrolle vertieft war, als er eintrat, von der dieser erst aufsah, als Kieran ihn begrüßte und ihm die Hand gab. Dafür war die Freude des anderen, ihn hier zu sehen, unverhohlen und ehrlich. Kieran lächelte.

Doch das Lächeln erstarb, als er eine Stimme hörte, die ihm durch und durch ging. Im Ernst, wozu hebst du das auf? Kieran, der eigentlich die beiden Fragen des Arztes mit "Ja" beantworten wollte, drehte sich ruckartig um und war sich nun nicht mehr sicher, ob er die Frage hinsichtlich seines Hungers nun immer noch mit "Ja" beantworten könnte.

Einen Moment trafen sich seine und Dominicos Augen und während Kierans Überraschung ihm deutlich ins Gesicht geschrieben stand, wahrte Dominico wie immer sein Gesicht. Lediglich seine Hände, die das Glas mit den präparierten Würmern fast fallen ließen, hätten ihn und seine Nervosität verraten können, aber Kieran war so perplex, dass er das kaum registrierte. Die Begrüßung des anderen erwiderte er mit einem automatischen, langgezogenen und leicht fragenden: "Ganz meinerseits, Lord Sforza." Während der andere offenbar das Glas zurückstellte, blickte Kieran irritiert zu Dr. Chambers stellte aber keine Frage, als er den Blick des Arztes sah, der ihn zur Geduld mahnte.

Kieran war nicht dumm und er konnte eins und eins zusammenzählen, aber er wollte es nicht wahrhaben. Dominico finanzierte ihm sein Studium? Woher das plötzliche Interesse, wo er ihm doch seit Monaten egal gewesen war und ihn wohl gänzlich vergessen hätte, wäre seine Familie nicht gezwungen gewesen, ihn zu kontaktieren?

Als Dominico zu ihnen herantrat, konnte Kieran nicht anders, als für sich festzustellen, dass Dominicco zwar etwas abgekämpft aussah, aber für ihn noch immer atemberaubend gut aussah. Wie sollte er diesen Abend überstehen?!?

Und nun, als Dominico zu ihnen gekommen war, bestätigte sich seine Vermutung, die er unbewusst wohl schon seit dem Vortag hatte: Dominico war der Sponsor - und Kieran hatte keine Ahnung, warum Dominico das tat. Von wegen: Gichtmittel!

Während Nico fast teilnahmslos wirkte, rauschte Kieran das Blut durch die Ohren und sein Herz drückt hart gegen seine Brust.

Wobei? Dominicos Augen wirkten anders. Das Grün war aufgewirbelt und dunkler als sonst, so als sei auch der andere wegen dieses Treffens nervös. Aber vermutlich bildete er es sich nur ein und der Wunsch war Vater des Gedanken.

In Kierans Kopf jedenfalls überschlugen sich die Gedanken. Es ging hier gerade um seine Zukunft, seinen Lebensrtraum, seine Hoffnungen. Es ging darum, sein Leben mit dem zu verbringen, was ihm Spaß machte, was ihn ausfüllte und befriedigte. Er dürfte das Angebot nicht aus gekränkter Eitelkeit und trotzig wie ein kleines Kind ausschlagen.

Gleichzeitig bedeutete das aber, dass Dominico ihn nun doch kaufte, oder? War er jetzt doch zur Hure geworden, wie Gregor ihn konsequent betitelte? Er hatte die Beine breit gemacht und dafür dürfte er studieren? Oder würde Dominico die Finanzierung für weitere sexuelle Gefälligkeiten als Druckmittel verwenden? Irgendwie glaubte er das nicht - wollte das nicht glauben. Dominico war so ehrlich zu ihm gewesen und sie waren sich so verdammt nah gewesen. Er begriff das, was gerade geschah, einfach nicht.

Er lächelte bemüht, als Dr. Chambers ihm Nico als seinen Sponsor vorstellte. Kieran war die Situation für sie beide hier bei Hofe klar. Er kannte Dominico, wusste viel von ihm. Aber der Arzt war ihm fremd, zwar sympathisch, aber fremd. Nico schien mit ihm befreundet zu sein, aber zwischen Schein und Sein war ein großer Unterschied. Er würde also genau überlegen müssen, was er sagte.

"Das freut mich", sagte er daher und es entsprach ja zumindest zur Hälfte der Wahrheit. Zumindest soweit, dass er sich freute, dass ihm jemand das Studium finanzieren wollte. Aber von Dominico hatte er diese Hilfe irgendwie nicht haben wollen. Er fühlte sich dabei irgendwie nicht wohl. "Ich freue mich, dass Ihr vorhabt, mich zu unterstützen." Er hasste es zu lügen. Denn er freute sich zwar, dass er unterstützt würde, aber irgendwie wollte er nicht von Dominico abhängig sein, ihm schon wieder - oder eher: noch mehr schuldig sein. Er sah Dominico eindringlich an, auf der Suche, in diesem Pokerface irgendeine Antwort auf die vielen Warum?s zu erlangen, die ihm auf der Seele brannten.

"Mich würde nur interessieren, woher Euer Wunsch dazu kommt, mir das Studium zu finanzieren, und welche Konsequenzen das für mich hat." Er wusste nicht so recht, ob er höflich genug blieb. "Ich hatte in letzter Zeit nicht den Eindruck, dass mein Können bei Euch einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte." Er wendete sich an Mr. Chambers. "Ihr müsst wissen, dass ich um Ostern herum dem König ein wenig geholfen habe und auch im Hause Sforza einen Abend tätig war. Und das ist ja nun schon eine ganze Weile her, so dass ich mich einfach nur frage, woher das plötzliche Interesse kommt." Er wusste, dass Dominico begriff, worauf er anspielte. "Ich möchte nicht undankbar erscheinen. Nein, ganz im Gegenteil!" Er sah wieder zu Dominico. "Aber es wundert mich doch ein wenig."
 

Dominico

Kieran wirkte überrumpelt als er Nico da stehen sah und während Nico ja genau gewusst hatte dass er im Verlaufe dieses Abends noch auf den jungen Mann treffen würde, so war Kieran deutlich geschockter, ihn hier zu sehen. Gut für Nico, denn so fiel dessen Unsicherheit nicht all zu sehr auf, da Kieran wesentlich unsicherer war. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt kam Nico langsam näher an den Tisch, auf dem noch immer die Schriftrolle lag, eine Abhandlung über das menschliche Gedärm. Ungeachtet von seiner eigenen Freude darüber, Kieran wieder zu sehen, war auch John scheinbar sehr erfreut. Und es war ja auch nicht so, dass Nico John dazu hatte drängen müssen, Kieran aufzunehmen. Der Arzt hatte wegen des Geldes gezaudert, nicht weil er nicht von Kierans Fähigkeiten beeindruckt gewesen war.

Kieran war gerade dabei, sich förmlich bei ihm zu bedanken und John wollte sie schon dazu anhalten sich doch an den Tisch zu setzen, als Kieran - wie Nico leise erwartet hatte - seine Klappe doch nicht halten konnte. Innerlich verdrehte Nico die Augen. Ihm war es eigentlich egal und Kieran diskutierte ja viel und gerne, doch Mr. Chambers war es äußerst peinlich. Nico hatte zwar in diesem Sinne keine höhere Stellung als der Hofarzt, doch Nicos Wort beim König zählte wesentlich mehr. Und jetzt, da der König seine Finanzen wegen drohender Kriege zusammenhielt, konnte John es sich nicht erlauben, einen Fürsprecher zu verlieren, nur weil ein vielversprechender junger Mann zu frech und zu direkt wurde.

Doch Nicos nachsichtiges Lächeln ließ ein wenig der Sorge von John abfallen, die er bei Kierans so herausfordenden Worten verspürt hatte. "Mein Wunsch? Ich glaube da versteht Ihr etwas falsch. Der Rittmeister seiner Majestät, dem Ihr dieses hervorragende Gichtmittel gegeben habt, kam einige Tage darauf zu Mr. Chambers, um ein ähnliches Mittel zu erbitten, da Mr. Forbes erst in einigen Tagen wieder am Hof zu erwarten gewesen war. Mr. Chambers wunderte sich über diese Zusammensetzung und beim nächsten Besuch von Mr. Forbes sprach er ihn darauf an, der widerrum auf euch verwies und ihm ein wenig eurer Geschichte berichtete. Vor allem die hervorragende Behandlung der Dienerschaft, auf die wir uns alle stützen, hat Mr Chambers sehr beeindruckt und er fasste den Wunsch, euch als Lehrling aufzunehmen. Es fehlte lediglich ein Geldgeber. Mr. Forbes unterstützt seinen eigenen Sohn und Mr. Chambers darf das Geld nicht aufbringen - die Dienerschaft ebensowenig, die jedoch ein großes Interesse an eurer Ausbildung hegt. Da Mr. Chambers ein guter Freund von mir ist, sprach er mich schließlich an, als ich wieder in London weilte - denn im Auftrag des Königs war ich eine ganze Zeit lang in Schottland unterwegs."

Damit beantwortete Nico Kierans Frage darauf, warum er Amadeo nicht geschickt hatte und warum er nicht selbst gekommen war. "Aufgrund dieser Pflicht im Dienst des Königs zu reisen, konnte ich nicht früher in das Geschehen eingreifen, falls ihr euch über das "plötzliche" Interesse wundert. Ich war schlicht und ergreifend nicht anwesend, um von eurem Talent zu erfahren." John strahlte inzwischen wie ein Honigkuchenpferd. Nico schmierte ihm ordentlich Honig ums Maul, von wegen es sei alles seine Idee gewesen.. aber im Grunde war er der Idee ja auch nachgegangen, nur eben der Geldgeber hatte gefehlt.

"Es ist außerdem nicht nur Lord Sforza, der Euch unterstützt. Es wurde ein Fond für dieses Studium hinterlegt, zu dem auch Eure Patienten im Palast etwas dazugegeben haben - Ihr habt also nicht nur einen Wohltäter Mr. Carney sondern viele, für die Lord Sforza heute nur als Vertreter fungiert. Natürlich sponsort er den größten Teil." Nico winkte ab. "Jeder trägt seinen Teil so dazu bei - so wie er kann, nicht wahr? Und jetzt sollten wir essen, sonst ist der Koch beleidigt." John lachte und Nico deutete zum Tisch, zu dem sie sich in Bewegung setzten. Als sie saßen, kamen zwei Diener und schenkten Wein ein, ehe sie eine herrliche gebratene Ente hereinbrachten, die zusammen mit ein wenig Brot und Gemüse einfach nur vorzüglich schmeckte. Kurz herrschte daher schweigen, bis die Dienerschaft wieder verschwunden war. "Ihr fragtet noch, welche Auswirkungen das auf Euch hat.. ich wüsste nicht, dass es da welche gibt. Der Fond ist bereits eingerichtet, er ist für euch. Ihr steht damit in keiner besonderen Schuld, falls ihr das meint. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass Lord Sforza euch im Laufe eures Studiums das ein oder andere Mal konsultieren oder auf eine seiner diplomatischen Reisen mitnehmen wird - aber das ist ja kaum als Bürde zu verstehen."

"Nein, vor allem nicht wenn es nach Spanien geht. Das ist alles nur eine große Feier.. aber der Hofarzt da, John, weißt du noch? Der mit den Mäusen?" Mr Chambers nickte eifrig "Ich habe noch nie einen so furchtbaren Geruch an einem Menschen wahrgenommen. Er muss im Mäusekot geschlafen haben..." Dann besann sich der Arzt und wandte sich wieder an Kieran. "Habt ihr noch weitere Fragen, Mr. Carney?"
 

Kieran

Dass seine Fragen Dr. Chambers unangenehm sein konnten, darüber hatte Kieran in seiner typischen Art gar nicht nachgedacht. Viel zu sehr war er verwirrt und brannte auf Antworten, die erklären würden, warum sich Dominico nie gemeldet hatte und nun hier so auftrat und ihm sein Studium finanzierte. Und ein wenig stieß es ihm gleich auf, als Dominico erst einmal damit begann, ihm zu erklären, dass er etwas falsch verstand. Aber je mehr der andere redete, desto bewusster war ihm, dass dieser „Vorwurf“ der Realität entsprach. Kieran merkte, dass er sich entspannte und das, was Dominico erzählte, klang zum einen logisch, zum anderen ziemlich schön, irgendwie.

Schön war das indirekte Lob. Es freute ihn, selbst wenn die vor Nettigkeit triefenden Worte nur zur Hälfte stimmten, so freute es ihn, dass die Dienerschaft wirklich bemerkte, dass er versuchte beste Arbeit zu leisten. Es machte ihn glücklich, dass er wirklich helfen konnte, aber auch zugleich ein wenig stolz, zumindest in dem Maße, in dem er in seiner ehrlichen Bescheidenheit fähig war. Und das, was er als logisch empfand war die Erklärung, weshalb sich Dominico nicht gemeldet hatte, ja offenbar gar nicht hatte melden können – der andere war auf einer Reise in Schottland gewesen. Kieran war es mit einem Mal viel leichter ums Herz und er musste sogar lächeln, als er in den Augen des anderen las, dass das die ehrliche Erklärung dafür war, dass er sich nicht gemeldet hatte. Es beruhigte ihn irgendwie, auch wenn noch immer auch etwas an ihm nagte, schließlich war es ja wirklich schon Monate her seit Cambridge. War er wirklich sooo lange in Schottland gewesen? Seine Mutter hatte ihm gesagt, dass Amadeo den Brief von ihm bereits vor etwa drei Wochen abgeholt hatte… Aber das schob er erst einmal zur Seite. Es war kein Grund da, weiter so starrköpfig zu sein. Und je mehr Dominico sprach, desto mehr begriff er, dass es da wirklich Menschen gab, die ihn einfach von sich aus unterstützen wollten, ohne Hintergedanken oder doppelten Boden. Und so langsam merkte er, wie er sich selbst blöd vorkam, so übereilt und unreflektiert seinen trotzigen Emotionen freien Lauf gelassen zu haben.

Er senkte den Blick, konnte den anderen nicht mehr ansehen, wohl auch, weil er dann vielleicht nicht mehr anders könnte, als den anderen mit einer gewissen Sehnsucht zu betrachten. So leicht ihm mit einem Mal das Herz geworden war, so schwer wurde es auch irgendwie wieder. Es war leichter, Nicos Nähe zu ertragen, wenn er vermeintlich ihn fallen gelassen hätte. Diese Situation war heute Abend wirklich eine Herausforderung für ihn... Hatte ihn die Wut und Enttäuschung über den anderen aufrecht gehalten und davon abgehalten, Trübsal zu blasen, so war sie mit den wenigen erklärenden Worten wie weggeblasen. Und was blieb war der Schmerz, die Sehnsucht, die er eigentlich doch gar nicht mehr spüren wollte. Er sah zu Dr. Chambers, als dieser erklärte, wie sich der Fond zusammensetzte, und lächelte diesen ehrlich an. Nun, wenn das Geld wirklich von denjenigen kam, denen er einmal geholfen hatte - und das hatte er bei Dominico ja auch getan – so würde er das wohl akzeptieren können. Gut, der größte Teil kam von Dominico. Aber vielleicht würde es ja für ihn irgendwie die Möglichkeit geben, diesem das Geld einfach irgendwann wieder zurückzugeben. Zumindest nahm er sich das für sich vor. Er war wirklich ein elendiger Sturkopf und manchmal einfach zu verbohrt. Aber solange man sich selbst erkannte und seine Fehler, war man auf dem richtigen Weg zu wachsen – das sagte seine Mutter immer. Vielleicht würde er später die Gelegenheit erhalten, sich bei Dominico zu entschuldigen. Vielleicht würden sie sich dann miteinander aussprechen, oder so. Ihm wäre das ein Bedürfnis.

„Entschuldigt, Mr. Chambers, meine Fragen, aber das alles hier hat mich ganz schön überrumpelt. Es passiert nicht so oft, dass sich so plötzlich eine Tür öffnet, hinter der all seine Träume wiederzufinden sind. Ich bin offenbar zu Unrecht ein wenig misstrauisch geworden, das passiert mir leider öfters.“ Er lächelte den Arzt an und wusste, dass Dominico seine indirekte Entschuldigung schon verstehen würde. Eine direkte würde er bestimmt nachholen, ganz gewiss, aber jetzt ging es erst einmal zum Essen.

Kieran war zunächst etwas still und nachdenklich, während die Diener das Essen brachten, das sich sehen lassen konnte. Er wusste gar nicht, ob er in letzter Zeit so etwas Leckeres bekommen hatte. Und während sein Magen eher von Übelkeit gezeugt hatte, als er Dominico vorhin erblickt hatte, so meldete sich nun doch langsam sein eigentlicher Hunger zurück. Er nickte auf die Worte, dass er wirklich keinerlei Verpflichtungen einging, und es beruhigte ihn, wohl auch weil er sich beruhigen wollte. Wenn man es genau betrachtete, war es natürlich schon hauptsächlich Dominico, der sich da für ihn in Unkosten stürzte, und auch wenn jener vorhin abgewunken hatte, würde Kieran das Gefühl nur schwer ausblenden können, dass er bei diesem erneut bzw. noch mehr in der Schuld stand. Als Dominico Spanien erwähnte, sah er ihn kurz an, musste dann lächeln und sah lieber wieder auf seinen Teller. Er kam sich immer noch dämlich vor. Jetzt aber nicht, weil er mal wieder etwas vorschnell gewesen war, sondern weil es ihm so großes Unbehagen bereitete, den anderen anzusehen. Es war wirklich ein Wechselbad von Gefühlen an diesem Abend. Warum konnte er sich nicht einfach freuen, den anderen zu sehen? Warum konnte er nicht einfach alle Emotionen ignorieren?

„Nein, ich denke nicht“, beantwortete er die Frage des Arztes, ob er noch Fragen habe. Alles andere würde sich finden, da war er sich sicher. Er lächelte. „Und was die Marotten von Ärzten betrifft, da kann ich auch Einiges erzählen!“ Er grinste leicht und sah kurz zu Dominico. Vielleicht sollte er sich einfach so geben, wie er normalerweise war. Einfach vergessen, was er in den letzten Wochen alles gedacht hatte, worunter er gelitten hatte. Es ging ja schließlich auch darum, Mr. Chambers ein gutes Bild von sich zu vermitteln, oder?

„Ich habe einen Arzt kennengelernt, der immer eine Katze für seine Behandlungen brauchte. Das ging dann sogar so weit, dass er den Leuten leichthin den Tod prophezeite, wenn seine Katze weggelaufen ist. Es gibt aber auch einige ‚Ärzte‘ die den Aberglauben der Menschen schamlos ausnutzen. Im Piemont sind wir einmal auf einen fahrenden Arzt gestoßen, der der reinste Blender war. Er hatte wirklich keinerlei Ahnung von irgendetwas Heilendem, außer davon, was Hanf bewirken kann. Er fuhr von Ort zu Ort und lud die Menschen zu einer Zeremonie ein, bei der sie ihre Schmerzen loswerden könnten. Er vollführte bei diesen Treffen wahre Kunststücke, aber das eigentliche Mittel waren die Hanfplätzchen, die er den Menschen zu essen gab und die bewirkten, dass die Menschen zum einen etwas in Trance versetzt wurden, zum anderen eben wirklich keine Schmerzen mehr empfanden. Zumindest einige Stunden und meist so lange, bis der Arzt wieder weitergefahren ist.“ Kieran erzählte ein paar Dinge, die er so erlebt hatte, teilweise Lustiges, teilweise Schlimmes. Dr. Chambers stieg in die Unterhaltung mit ein und es wurde eine nette Plauderei, bei der sie doch einiges zu lachen hatten. Die Stimmung wurde zusehends besser und auch Kieran wurde lockerer. Dennoch vermied er es, Dominico allzu lange anzusehen. Er konnte es einfach nicht.
 

Dominico

Es war in Kierans Gesicht förmlich abzulesen, dass in ihm mal wieder die Emotionen abwechselten. Vielleicht würde es sich mit der Zeit geben, dass Kieran das Temperament, für das Nico ihn eigentlich gerade mochte, etwas zurückschraubte, wenn sie nicht gerade zu zweit allein waren. Das Essen, das aufgetragen wurde, schmeckte nicht nur gut, sondern wirklich herrlich und Nico langte ordentlich zu. Er aß öfter mit John zusammen, doch heute hatte sich der Koch wirklich übertroffen. Als Kieran sich mehr oder weniger entschuldigte, musste Nico fast schon lachen. Ja, Kieran war wohl nicht nur manchmal, sondern eher immer misstrauisch. Vor allem wenn ihm scheinbar etwas Gutes passierte, war er immer der Mienung, dass es eigentlich nicht sein konnte und verteufelte es so lange, bis er sich absolut sicher sein konnte, dass es doch etwas Gutes war oder bis er keine andere Wahl hatte, als damit zu leben.

Jetzt akzeptierte er die Situation wohl und die Situation wurde wesentlich angenehmer. Die Stimmung lockerte sich, während Kieran und John gleichermaßen Geschichten zum Besten gaben, die Nico wohl eher dazu veranlassten, nie wieder einen Arzt aufzusuchen, sondern lieber zu sterben. Aber anscheinend hatten die beiden Mediziner den gleichen Humor und so war es doch auch gut, dass die beiden sich mehr oder weniger freiwillig gefunden hatten. Sie würden eine gute Arbeit zusammen leisten und bei John konnte Nico sicher sein, dass Kieran auch an keinen Quacksalber gekommen war. John würde ihm auch in Sachen Benimm einige Lehrstunden geben und Kieran würde lernen, sich sicherer am Hof und in dieser Gesellschaft zu bewegen, was sicher ein Vorteil sein würde, unabhängig davon, ob Kieran sich dabei wohl fühlte oder nicht - man tat das mehr, um zu überleben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  chaos-kao
2017-01-13T15:35:14+00:00 13.01.2017 16:35
Hui, das hat Nico aber geschickt eingefädelt! Schön, dass Kieran nun einen weiteren Lehrer gefunden hat - und dass Nico sich so niedlich um ihn kümmert - wenn auch über Umwege :)
Antwort von:  -Amber-
13.01.2017 17:08
Jaaa, das tut er. :]

Nächstes Kapitel ist schon in der Vorbereitung... ^^


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