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The Darkness Inside Me

von

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Nel buio.


 

Im Dunkeln.

18. Februar 2013
 

Weit nach Mitternacht blieb der Schlaf aus, sie fand keine Ruhe. Im Dunklen saß sie daher auf der letzten Stufe, seitlich an die Wand gelehnt und warf dann und wann einen Blick auf die Uhrzeit, wenn sie das Smartphone nicht gerade nervös in den Händen drehte.

Vivi zermarterte sich den Kopf darüber, was gestern vorgefallen war, wodurch ihre Freundin eine solche Kehrtwendung durchmachte. Ein Tag und alles schien verändert.

Die Absagen spielten eine Rolle. Sie waren untypisch. Erst eine Verabredung mit Zorro, dann das geplante Essen mit einem Abstecher in der Bar. Abgesagt, ohne nennenswerte Erklärung, bloß um dann doch noch aufzutauchen, sich jedoch allein an der Theke zu betrinken (wenn es denn überhaupt möglich war). Vivi hatte dementsprechend gehandelt, versucht etwas aus ihrer Freundin heraus zu kitzeln. Erfolglos, sie hatte keinen Zugang gefunden und schließlich nach mehreren Anläufen aufgegeben. Die Abweisung war deutlich gewesen.

Allerdings blieben die Sorgen, wurden stärker, es lag in ihrer Natur. Einfach zu Bett gehen, seelenruhig schlafen und auf den nächsten Morgen hoffen, nochmals in Ruhe das Gespräch suchen – das funktionierte nicht, das war sie nicht. Und selbst wenn ihre Freundin weiterhin Schweigen vorzog, so wartete Vivi wenigstens auf ihre Heimkehr (ob sie Nami dann ohne Gegenwehr ziehen ließ oder nicht, blieb offen).

Auf jeden Fall war etwas weitaus Größeres vorgefallen. Warum sonst verhielt sich Nami so merkwürdig? So ungewöhnlich ruhig? Wo war das Temperament abgeblieben? Das lautstarke Aufregen? Stattdessen blieb sie still, verschlossen. Ein ungewohntes Bild, mit dem Vivi wenig anzufangen wusste. Ihre Freundin zeigte schließlich offen, was in ihr vor sich ging.

Gröbere Abweichungen warfen immer Fragen auf.

Und so verging noch eine Weile, bis sie schließlich die Türe und dumpfe Geräusche vernahm. Von unten erkannte Vivi einen leichten Lichtschein und für einen Augenblick hielt Vivi unbewusst die Luft an. Gespannt wartend, doch als die Dunkelheit verblasste, brummte sie leise. Zu lange schon hatte sie dort gesessen und musste mehrmals blinzeln, ihre Augen mussten sich erst wieder an die Helligkeit gewöhnen.

Ein Knarzen, die Treppe hatte ihre Tücken. „Du bist wach“, stellte Nami verblüfft fest, woraufhin Vivi schwach lächelte.

„Was hast du erwartet? Ich sei schlafen gegangen?“, entgegnete sie sanft, hörte bloß ein Schnaufen. Ohne ein weiteres Wort ging Nami an ihr vorbei, zeigte dabei keinerlei Anzeichen, dass sie auf ein Gespräch aus war.

„Entweder hat Vergo den Vogel abgeschossen“, begann Vivi schließlich, warf dabei den Kopf zurück, um etwaige Reaktionen aufzunehmen, „oder du hattest einen üblen Streit mit Robin. Einen sehr üblen.“ Es war nicht viel, doch erspähte Vivi einen kurzen Ruck, ein zaghafteres Weitergehen.

Robin.

Also doch. Zwischen ihnen lag etwas im Busch, doch was?

„Gute Nacht.“

„Nami …“

„Lass mich in Ruhe. Bitte!“, war alles, das Vivi zu hören bekam, ehe Nami in ihrem Zimmer verschwand und Vivi seufzend zurückblieb. Nein, für heute gab jeder weitere Versuch keinen Sinn.
 

Ausgelaugt beugte sie sich vor, vergrub das Gesicht in den Handflächen. Mit jedem Tag verstand sie weniger. Dass die Trennung schwer wog, nahm sie ihrer Freundin ab, aber den Rest? Die plötzliche Abschottung, der kurzfristige Aufbruch? Einer Trennung wegen flüchtete Nami aus der Stadt? Irgendetwas, und das spürte sie, lief falsch. Bislang war ihr Nami nie ausgewichen, sie hatte ihr immer alles erzählt, sobald eine Beziehung in die Brüche gegangen war. Warum schwieg sie dieses Mal?

Nun gut, Robin war von Haus aus eine Nummer größer, die Gefühle weitaus intensiver. Bloß was war zwischen ihnen vorgefallen? Auf die Frage hin hatte sie stets eisernes Schweigen geerntet. Abgesehen von der Trennung hatte sie nichts erfahren. Keine nennenswerte Andeutung. Einfach nichts und das binnen zwei Tagen. Obwohl sich Robin gar nicht im Land befunden hatte.

Grübelnd sah sie sich um. Vivi saß auf der Bettkante ihrer Freundin. Schnüffeln war nicht ihre Art, das würde sie nie tun, dennoch hoffte sie auf einen Anstoß. Einen kleinen, der ihr zu verstehen half. Die Sorge nahm sie mit, auch ihren Vater, der genauso überrascht wurde. Der sich genauso sorgte und seine Gedanken machte, seit er von Aufbruch gehört hatte.
 

„Was ist passiert?“, wisperte sie sanft, als sie sich am Bett niederließ und Nami besorgt betrachtete, die mit dem Rücken zu ihr lag. Wo sie den ganzen Tag über gewesen war, wusste Vivi nicht, umso überraschter war sie dann gewesen, als sie klitschnass nach Hause gekommen war. Unter der Kapuze lugten noch immer nasse Strähnen hervor.

Dieses Mal ließ Vivi sie nicht so einfach durchkommen. Und ihre Freundin musste das erahnen, denn nach einer Weile durchbrach sie das Schweigen und Vivi spürte sogleich ein unangenehmes Ziehen.

„Wir haben uns getrennt.“

Obwohl der Verdacht naheliegend gewesen war, blinzelte sie ungläubig, suchte nach Worten. Irgendetwas lief verdammt nochmal falsch! Egal wie sie es drehte und wendete, es ergab in ihren Augen einfach keinen Sinn, nicht wenn die beiden zusammen gesehen wurden. Einfach nichts deutete auf ein Zerwürfnis hin, auf einen Grund für eine plötzliche Trennung.

„Warum?“, war also alles, das Vivi zustande brachte.

„Wir sind gescheitert, hat nicht funktioniert.“ Verständnislos zogen sich Vivis Brauen zusammen.

„Was hat sie getan?“

„Ist unwichtig.“


 

Ein Fehltritt? Hatte Robin eine Affäre?

Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Nein, ein Seitensprung passte nicht. Wenn sich Robin schon auf eine Beziehung einließ, dann zweifelte Vivi an einem Fehltritt. An einer anderen Frau, einfach weil ihr gerade danach gewesen war. Hinzu kam ein Punkt, der Vivi besonders arg aufstieß.

Robin hatte ihre Reise frühzeitig abgebrochen, hatte sich hierher begeben. Das allein machte die Angelegenheit wesentlich verschwommener.

Mehr und mehr erhielt Vivi das Gefühl weitaus weniger zu wissen als andere. Verstärkt durch Sanji, der vorhin unerwartet aufgetaucht war und mit Nami reden wollte. Ihr Verschwinden hatte ihn sichtlich geschockt, die Sprache verschlagen und Vivi war alles andere als auf den Kopf gefallen. Er wusste etwas, das man ihr verschwieg.

Ihr Gefühl log nie.

Die Frage, was ihr vorbehalten wurde, wog schwer.
 

20. Februar
 

Gestresst kam Sanji zur Tür hereingeschneit. Ausgerechnet heute hatten ihn Patty und Carne unnötig lang aufgehalten. „Und?“, fragte er hoffnungsvoll, als er seinen Mitbewohner ins Auge fasste. Das Handy in den Händen haltend saß dieser sichtlich erschöpft am Sofa.

Nichts – ein einfach genuscheltes Wort, mit verdammt bedrückender Tragweite. Ernüchternd sank der Koch gegen den Türrahmen. Wenn Zorro schon scheiterte, was sollte er dann ausrichten? Noch vor Kurzem hatte er große Reden geschwungen, hatte Robin gut zugeredet.

Und heute? Heute begriff er mehr denn je den angerichteten Schaden.
 

„Aufgeben, sie in Ruhe lassen … ist wohl unsere einzige Lösung“, knurrte Zorro verstimmt. Er war wütend, aber richtete sie sich nicht gegen ihre Freundin. Das wusste Sanji. Vielmehr gegen sich selbst. „Nami ignoriert mich und Vivi ist keine Hilfe.“ Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Ist meine Schuld. Vielleicht … nein! Ich hätte mich sofort auf ihre Seite schlagen müssen. Ihr davon erzählen oder wenigstens Robin zur Wahrheit drängen!“
 

„Wer weiß, am Ende wäre es ähnlich abgelaufen.“
 

„Auf jeden Fall wäre uns dieser Mistkerl erspart geblieben! Ich will mir lieber nicht ausmalen, inwieweit er sie ausnutzt, ihr falsche Gedanken einpflanzt!“ Er wurde lauter. „Der hat das perfekt eingefädelt, das Vertrauen in uns alle zerstört. Anders herum hätte sie vielleicht eher erklären lassen, sie wäre nicht einfach abgehaut.“
 

„Dein schlechtes Gewissen setzt dir ordentlich zu.“ Nachdem Sanji eingeweiht worden war, hatte er des Öfteren mit ihm darüber gesprochen. Was Bonney anging, aber auch sein drückendes Gewissen Nami gegenüber. Zorro spielte liebend gern das gefühlskalte Arschloch, aber war er loyal. Seine Freunde hatten einen hohen Stellenwert, für sie nahm er alles in Kauf. Und in Nami hatte er rasch eine gute Freundin gefunden. Das Geheimnis wahren, hatte ihn zwischendurch aufgefressen, das hatte Sanji mitbekommen. Auch in der Bar, wenn er die beiden beobachtet hatte.

Eine Zwickmühle.

Einerseits hatte er für das Wohl der Frau, die er liebte, geschwiegen, andererseits hatte er nicht gewollt die Beziehung einer Freundin zu zerstören. Zumal die Liebe, die Nami für Robin empfand, für sie alle sichtbar war. Das Endergebnis wäre stets dasselbe gewesen. Wer weiß, ob sie andersherum wirklich mit ihnen gesprochen hätte.
 

„Nachdem Bonney in Sicherheit gewesen ist, habe ich noch groß die Klappe aufgemacht. Franky verdeutlicht ich würde im Fall der Fälle immer hinter Nami stehen. Dann kam dieser Mistkerl daher …“
 

„Egal wie du es drehst und wendest, am Ende hat Robin all das eingeleitet. Es wäre so oder so rausgekommen. Genauso gut hättest du nie davon erfahren können.“ Er stieß sich ab, fischte die Zigarettenpackung aus der Hosentasche heraus und verschwand Richtung Küche. Wissend, dass ihm der andere folgte.

Die Packung war fast leer, momentan rauchte er mehr denn je.
 

Seine Schicht neigte sich dem Ende entgegen. Bloß noch eine Stunde, aber auf den Feierabend freuen, fiel ihm schwer. Denn seit ihrem Auftauchen behielt er Nami im Auge, die schon geraume Zeit an der Theke saß und trank.

Natürlich kannte er ihre Trinkfestigkeit. Was ihm eher auf den Magen schlug, war die Art und Weise, wie sie an der Bar saß und einen Drink nach dem anderen orderte. Allein. Die anderen mehr oder weniger ignorierend. Vor gut einer halben Stunde hatte Vivi resignierend aufgegeben, war am Ende ohne sie aufgebrochen.

Irgendetwas lag in der Luft. Davon rührte das dumpfe Gefühl, der wage Verdacht.

Nun, da wesentlich weniger los war, gesellte er sich zu ihr. Dabei beugte er sich, auf den Unterarmen abgestützt, vor. Vermutlich wäre Ignorieren die bessere Entscheidung gewesen.

„Ärger im Paradies?“, fragte er stattdessen unverblümt. Im selben Moment hoffend, sie würde in eine Schimpftirade über ihren Vater oder ihren Vorgesetzten verfallen.

Sie sah nicht auf, schwenkte lediglich das Glas.

„Was ist los? Du säufst wie ein Loch, bist den anderen gegenüber abweisend. Was ist passiert? Hat der Alte wieder Mist gebaut?“

„Hat er nicht.“

„Du weißt, du kannst mir alles erzählen.“ Leicht zog er die Brauen zusammen. Nami lachte verbittert. Bevor er allerdings in der Lage war darauf einzugehen, sah er aus dem Augenwinkel heraus den Koch. Es verwunderte Zorro das er heute noch auftauchte. Dementsprechend beschloss er später nachzuhaken.

„Was hat dich hierher verirrt?“

„Nicht deine Visage“, grinste er provokant, allerdings änderte sich sein Ausdruck rasch als er sich neben Nami gesellte. „Ah, dich zu sehen, lässt alle Strapazen vergessen“, trällerte er liebestoll. „Deine Nachricht hat mir den Abend versüßt. Gestehst du mir deine Liebe?“

Zorros Augenbraue schwang in die Höhe.

„Ehrlich gesagt, will ich mit euch beiden reden.“
 

„Für die Hilfe bin ich dankbar, doch mein Mitleid für sie hat Grenzen“, verdeutlichte Zorro erneut. „Seit ich die Wahrheit kenne, habe ich mit dem Ausgang gerechnet, versteh mich nicht falsch. So etwas lässt sich eben nicht ewig unter den Teppich kehren. Robin hat gewusst, worauf sie sich einlässt.“ Während Sanji rauchte, hatte sich Zorro ein Bier geholt, mit dem er ratlos auf und ab marschierte.
 

„Haben alle, aber genauso haben wir die Beziehung unterstützt, du hast Robin gelassen.“ Sanjis Sichtweise unterschied sich in gewissem Maße zwar von seinem Freund, aber hätte Zorro anderes gewollt, hätte er jederzeit die Notbremse ziehen können. Hatte er nicht. Also brachten solche Gedanken nichts. „Wir können nur abwarten. Sie kehrt zurück.“
 

„Sollte sie. In zwei Wochen. Was dann?“ Fragend hob Sanji seine Braue, woraufhin Zorro seufzte. „Franky hat eben seine Kontakte. Bloß habe ich ein ungutes Gefühl. Nami kann genauso gut gar nicht wiederkommen.“

Nickend sah Sanji aus dem Fenster. Darüber hatte er bereits nachgedacht. Momentan fiel ihm merklich schwer Nami einzuschätzen. Denn es wäre passend. Zumal ihr Verschwinden und das Ignorieren eine deutliche Sprache war. Andererseits verstand er den Schritt. Plötzlich stand ihre Welt Kopf. Ihre Liebe entpuppte sich als Mörderin, Freunde waren involviert und halfen durchaus bei der Vertuschung. Sich verraten zu fühlen war verständlich und manchmal half Abstand.
 

„Was ist mit Vivi?“ Diese hatte ihn schockiert. Immerhin hatte Sanji vorgehabt, mit Nami ein halbwegs klärendes Gespräch zu führen. Vermitteln, ihr vielleicht eine andere Sichtweise bieten, sich im besten Fall einfach zu erklären, damit sie eher verstand, was ihn, aber in erster Linie Zorro dazu veranlasst hatte. Oder Robin. Stattdessen hatte er von ihrer Abreise erfahren.
 

„Schweigt, aber glaub mir, sie stehen in Kontakt.“ Zorro trank einen Schluck, sah ihn allerdings ernst an. „Sie stellt Fragen.“

Natürlich stellte Vivi Fragen. Eine andere Reaktion hatte Sanji nicht erwartet.
 

„Wunderst du dich? Nami verändert sich schlagartig. Robin taucht auf und sucht sie. Anschließend macht sie sich komplett rar und wir stehen nacheinander auf der Matte. Da würdest selbst du dir Fragen stellen“, gab er nüchtern zurück. „Vivi darf die Wahrheit nie erfahren.“ Und ein Gefühl sagte Sanji, das Nami ähnlich dachte. Er bezweifelte einfach, dass sie Vivi jemals davon erzählen würde. Sie in die Angelegenheit hineinzog. Nicht als Freundin und schon gar nicht als Tochter des Bürgermeisters.
 

Als der letzte Gast endlich aufgebrochen war, tauschte er einen kurzen Blick mit dem Koch aus, der ihm beim Aufräumen half. Beide hatten dasselbe Gefühl. Die Alarmglocken waren unüberhörbar. Ihre Freundin, die meist für Kleinigkeiten in die Luft ging, zögerte sichtlich. Als ob sie abwog.

„Okay“, setzte Zorro an, nahm das nächste Glas zum Abtrocknen zur Hand, „mach den Mund auf.“ Das Warten nervte ihn durchaus, also konnten sie das Gespräch auch währenddessen führen. Er kümmerte sich um den Thekenbereich, Sanji hatten den Rest unter Kontrolle.

Er hörte wie sie Luft holte.

„Wie lange deckt ihr Robin?“, fragte sie offen heraus, ohne einen anzusehen. „Seit Ferrara oder schon länger?“ Überrumpelt stieß Sanji einen Stuhl um, während Zorros Bewegungen wesentlich langsamer wurden. „Keine weiteren Lügen“, setzte sie nach, als Zorro sich tatsächlich dabei erhaschte zur Ausrede anzusetzen. „Die damalige Nacht … es gab verdammt viele Zufälle, oder? Bonney taucht ab, du bist nicht arbeiten gegangen, Robins Autounfall, der Brand … lange habe ich mir nichts dabei gedacht. Was soll’s, ein Haufen Zufälle. Ist halt dumm gelaufen.“ Ein nichtssagendes Schulterzucken folgte. Was wollte sie hören?

„Wer hat dir das gesagt?“ Sanji hatte den Stuhl aufgestellt, kam nun zu ihnen. Im Gegensatz zu Zorro fasste er sich wesentlich schneller. Zeigen keinerlei Anzeichen nach Ausreden zu suchen.

„Ist dir bewusst, dass du mit einer Frau flirtest, die deine Brüder auf dem Gewissen hat?“

„Die ich nie gemocht habe, aber ja, dessen bin ich mir bewusst“, erklärte sich der Koch und ließ sich neben ihr auf einem der Hocker nieder. Den geschockten Blick quittierte er mit einem seichten Lächeln, während er aus der Gewohnheit heraus eine Zigarette anzündete.

„Macht die Sache nicht besser“, brummte Zorro und stellte das Glas ab, den Lappen warf er sich über die Schulter. „Was ist vorgefallen, Nami? Wer hat dir das gesagt?“

„Es gab nie einen Unfall“, stellte Nami traurig fest, wobei ihr Blick zwischen den beiden hin und her huschte. „Ihr verneint nicht.“ Zorro wich nicht aus, ganzgleich wie unwohl er sich fühlte. Am Ende spürte er gar Erleichterung, wenn sie auch bittersüß nachhallte. Die Wahrheit war ans Tageslicht gekommen, sein Schweigen vorüber.

„Nein“, bestätigte er daher, „und was Robin angeht, wissen wir erst seit jener Nacht Bescheid.“

„Und Franky. Und Kalifa. Kaku.“

Er nickte bloß.

„Ich kann mir vorstell-“

„Kannst du nicht, Sanji!“, unterbrach sie ihn harsch. Er verstummte, erkannte eine auflodernde Wut in ihren Augen. Die Reaktion passte schon eher. „Denkst du, du weißt, wie ich mich fühle? Herauszufinden, dass meine Freundin Menschen tötet? Oder das Gefühl, dass die eigenen Freunde die Wahrheit kennen und ihr noch bei der Vertuschung helfen? Während du selbst im Dunklen tappst? Hat sie euch auch noch amüsiert? Meine Ahnungslosigkeit?“

„Es hat uns nie Spaß bereitet“, warf Zorro ein. „Glaub mir, dabei zuzusehen hat mir keinesfalls Spaß gemacht. Schon gar nicht das Lügen.“

„Ich habe dir vertraut.“ Die Enttäuschung stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Du bist ein ehrlicher, geradliniger Kerl, der zu seinen Worten und Taten steht … warum also zweifeln oder hinterfragen? Geschickt eingefädelt. Schicken wir Zorro vor, ihm traut sie, er lügt nie.“

Zorro verzog keine Miene, starrte lediglich. Um die Schwere wusste er, sie drückte seit Wochen belastend auf seiner Brust. Diesen Moment hatte er sich nie herbeigewünscht. „Sie haben Bonney gerettet.“ Ein Tropfen auf dem heißen Stein, das wusste er. Denn gerade interessierte sie sich nicht dafür. Gerade spielte einzig und allein die Tatsache, dass er Robin geholfen, ihr Wohl vorgezogen hatte, eine tragende Rolle.

„Hättest du uns geglaubt?“, stellte Sanji plötzlich in den Raum, wodurch sich Nami fragend zu ihm drehte. „Sei ehrlich, was hättest du getan? Auf uns gehört und Robin ohne stichhaltige Beweise fallen gelassen? Oder frage dich, was du an seiner Stelle getan hättest.“ Sanft sah er sie an, beugte sich leicht vor. „Versetze dich in seine Lage. Stell dir vor, jemand hilft dir Robin vor einem großen Übel zu retten und will als Dank einzig und allein deine Verschwiegenheit. Den Mund halten und sie lebt, ist in Sicherheit. Ein Preis auf Kosten einer Freundin, ich weiß, aber die Liebe hat nun mal ihre eigenen Regeln. Und wärst du in ernsthafter Gefahr gewesen, hätte er sofort reagiert. Sollte dir klar sein.“

Mürrisch verzog Zorro das Gesicht, verschränkte demonstrativ die Arme. Ausgerechnet der Giftmischer sprach über seine Gefühle, half ihm sich zu erklären.

Indes blinzelte Nami unglaubwürdig. „Wow, du hast mich umgestimmt. Alles vergeben und vergessen. Liebe entschuldigt sämtliche Fehler.“ Belustigt gluckste sie. „Bei deiner Familiengeschichte überraschen mich deine Worte keineswegs. Ist bei dir total normal.“

„Hör auf, ihm gegenüber gehässig werden, bringt nichts!“ Zorro verstand Nami, voll und ganz, aber die Anspielung ging ihm eine Spur zu weit.

„Dutzende Tote, Vertuschungen und plötzlich verbünden sich zwei Streithähne.“


 

„Ich hasse diese Zwickmühle!“ Zorro öffnete den Kühlschrank und für einen Moment fragte sich Sanji, ob er noch ein Bier oder lieber etwas zum Essen wollte. Immerhin stand er eine Weile einfach da, ehe er doch ein Bier vorzog und die Kühlschranktür mit Schwung schloss. „Natürlich habe ich Bonneys Wohlergehen im Auge. Als ob ich nicht alle Szenarien durchgehe. Mir ist bewusst, was ein Fehltritt bedeutet. Im schlimmsten Fall bin nicht nur ich tot, sondern auch sie. Freundschaft hin oder her.“ Er brummte tief. Für keine Sekunde zog er Frankys Worte ins Lächerliche. Aber am Ende war Bonney eben doch nicht der einzige Grund. Zorro verstand sehr wohl den Ernst der Lage. Was der Umgang mit diesen Leuten bedeutete. „Seit ich in der Bar arbeite, kenne ich die Truppe. Schon vorher habe ich sie beobachtet, mit ihnen gesprochen, Franky gehört zum Inventar. Und Robin …“
 

„Beide hegen ernsthafte Gefühle. Sie lieben sich und du hast nicht vorgehabt die Beziehung zu zerstören.“ Beide dachten ähnlich. Ihnen ging es gar nicht zu sehr um das Geheimnis selbst. Was man auch immer davon hielt, die Gefühle waren da und sie waren glücklich. „Ich habe ihnen mehr Zeit eingeräumt. Natürlich ist die Beziehung zum Scheitern verurteilt gewesen, aber Robin hat bisher ziemlich versteckt agiert, hat sich nie in die Karten sehen lassen. Ohne Trafalgar … sie hätte es noch lange genug geheim gehalten.“
 

„Die Beziehung ist vom Tisch, seien wir ehrlich. Nami lenkt nie und nimmer ein, was sogar das beste für sie ist. Was, wenn jemand herausfindet, wie er Robin eiskalt erwischen kann?“ Natürlich bestand die Gefahr. Gerieten solche Informationen an die falschen Leute? Trafalgar legte es wenigstens nur auf den Bruch der zwei aus, nicht auf ein Blutbad. „Sag mal, hast du eigentlich Bedenken? Fragst du dich nicht auch, ob Robin irgendwann doch … du weißt schon, darüber nachdenkt die Reißleine zu ziehen?“, fragte Zorro äußerst leise, fast eine Spur beklemmend.
 

Sanji schnippte den Stummel aus dem Fenster. Eine naheliegende Befürchtung. Allerdings schüttelte er bestimmend den Kopf. „Nein, meine Angst dreht sich um Kalifa.“
 

23. Februar 2013
 

Ungeduldig klopfte Vivi. Vielleicht ein Fehler, aber wollte sie Antworten, erschien ihr der Besuch als unumgänglich. Zudem hatte sie sowieso hergemusst, ein Katzensprung also.

Die Stimme hören reichte aus und beim Betreten des Büros begrüßte sie Robin mit einem knappen Ciao. Dem fragenden Blick nach hatte sie überhaupt nicht mit Vivi gerechnet. Verständlich, auch wenn sie etwas für ihre Abschlussarbeit gebraucht hatte, hatte sie sich stets zuvor gemeldet. Gefragt, ob Robin ein paar Minuten erübrigen konnte.

Nicht hierbei. Vivi hatte durchaus mit dem Gedanken gespielt, ihn allerdings rasch verworfen. Vermutlich hätte Robin abgeblockt, eine Ausrede gefunden.

Während Vivi zum Tisch ging und ihre Tasche auf einem der Stühle fallen ließ, lehnte Robin fast auffordernd zurück.

„Was zum Teufel hast du angestellt?!“, begann Vivi fassungslos und warf die Arme in die Luft. „Und wehe du kommst mit einem bescheuerten Seitensprung daher, dann reiß ich dir den Kopf ab. Wenn du Nami für irgendeine daher gelaufene Frau abservierst! Ihr kann kaum die Schuld gegeben werden, wenn sie deinetwegen aus dem Land flüchtet und nach Hause fährt. Dann noch mit dem beschissenen Arschloch!“ Lautstark machte Vivi deutlich, was sie davon hielt, auch wenn es alles andere als richtig war, einfach aufzutauchen, sich auf diese Weise einzumischen. Aber mittlerweile fand sie keinen anderen Weg, die anderen wichen aus und von Nami erhielt sie sowieso keine Antwort.
 

Ungerührt sah Robin zu ihr. „Sie wird schon ihre Gründe haben, warum sie dir nichts sagt.“ Eine Kälte lag in ihrer Stimme, die Vivi unausweichlich einen unangenehmen Schauer über den Rücken jagte. „Und mir wäre neu, dass ich sie zur Flucht gedrängt habe. Ist ihre Entscheidung, findest du nicht?“
 

„Denkst du, ich sehe zu? Ich nehme hin, was du mit ihr gemacht hast? Du bist der Grund für ihren plötzlichen Wandel“, fand Vivi dennoch den Mut, stemmte sich am Schreibtisch ab. „Was läuft hier?“
 

„Stell dir vor, Prinzesschen, Paare trennen sich und redet sie nicht mit dir, ist das dein Problem, nicht meines. Die Gründe gehen dich nichts an. Wenn du keinen anderen Grund für deinen Besuch hast, solltest du jetzt besser gehen.“ Eine Weile starrten sie einander an, ehe Vivi angewidert das Gesicht verzog.
 

„Mittlerweile bereue ich es, Nami auf diese Gala geschleppt zu haben. Dann wärst du ihr erspart geblieben.“ Da, für eine Sekunde hatte Vivi geglaubt, etwas gesehen zu haben. Etwas in den Augen der anderen, aber vielleicht reines Wunschdenken. Eine Einbildung. Was hatte sie sich anderes erwartet. Gut, ihr Auftreten war eine Spur zu viel gewesen, eventuell hätte sie es besser lösen können, aber es ging nicht anders. Denn das Gefühl absichtlich im Dunkeln gelassen zu werden, nagte an ihr.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  BurglarCat
2021-09-07T18:21:01+00:00 07.09.2021 20:21
eine wirklich verdammt schwierige Lage und du schaffst es ebenso gut wie immer diese Stimmung auch spürbar zu machen. Die schwere und die Verzweiflung. Kommt alles zusammen in diesem Fall und gerade für Vivi ist es wohl ziemlich unfair das alles so zu erleben und mitzubekommen. Auf der einen Seite kann man Nami verstehen, auf der anderen Seite ist es aber nicht zwingend besser als das was Zorro und Sanja gemacht haben. Nur anders. Immerhin sind die beiden beste Freunde und Vivi mit ihrem Verhalten derart vor den Kopf zu stoßen macht es sicherlich nicht wirklich besser. Eher können da nun von Vivis Seite vielleicht Zweifel aufkommen.
Bin sehr gespannt wie es weiter gehen wird und wie Nami den anderen begegnen wird. So oder so dürfte diese Geschichte Spuren hinterlassen. Am Ende ist lediglich die Frage wie spürbar diese sein werden. Hoffnung habe ich nicht viel, allerdings wäre eine Aussprache dennoch etwas das schön wäre. Dennoch sehe ich momentan nicht wie das alles passieren kann oder wohin genau uns dein Plan führen wird.
In jedem Fall wie immer sehr schön geschrieben aber das weißt du ja ;)
Von:  Dark777
2020-05-24T19:30:13+00:00 24.05.2020 21:30
Schweres Kapitel, die Gefühlslage wird immer beklemmender. Oft sieht man in Geschichten nur die Sichtweise der ein oder zwei Hauptcharaktere, vergisst aber schnell welche Auswirkungen gewisse Handlungen auf die Leute um einen herum haben. Es ist eine verzwickte Angelegenheit die einfach nicht ins Reine gebracht werden kann, du hast das gut dargestellt. Robin und Nami können nach all dem nicht mehr zusammenfinden. Liebe ist nicht alles, wer kann schon einer Auftragsmörderin verzeihen? Ich könnte es nicht.

Wie immer genial geschrieben, bitte mehr davon V(~_^)!


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