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Sturm & Drang

von

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Der Termin

Kapitel 64
 

Einige Tage später...

Gregor hörte und sah seit drei Tagen nichts mehr von seiner geheimnisvollen Bekanntschaft. Sie schien wie vom Erdboden verschluckt. Vor dem Hospital stand sie ebenfalls nicht mehr.
 

„Ungewöhnlich...“, der kurzhaarige Arzt trat seinen Dienst mit einem unguten Gefühl an, obwohl er gute Neuigkeiten zu verkünden hatte. Unauffällig trat er bei seinem Lieblingspatienten ins Krankenzimmer ein. Kai tippte auf einem Handy herum.
 

„Wer hat das denn herein geschmuggelt?“, fragte er ihn mahnend, worauf dieser das Handy schnell verschwinden ließ.
 

„Du hast nichts gesehen.“
 

Fies grinsend kam er näher ans Bett. „Und was ich gesehen habe.“, er streckte schwungvoll seine Hand aus. „Strenge Bettruhe plus Handyverbot auf der Station...das weißt du.“, der Halbrusse händigte das Telefon aus.
 

„Lass mir wenigstens eine Möglichkeit am öffentlichen Leben teilzunehmen.“
 

„Schreibst du mit deiner Frau?“, grinste er breit.
 

„Und wenn schon!“, mit einem Ruck, zog der junge Mann das Telefon aus Gregor's Hand zu sich zurück.
 

„Wie dem auch sein...ich habe jetzt einen festen Termin für deine Operation.“
 

„...?“, abwartend schaute er Gregor an.
 

„Du bist Montag früh der erste auf meiner 'To-Do-Liste'. Um Acht Uhr geht es los.“
 

„Montag schon?“
 

„Ja. Oder hast du da einen Friseurtermin?“
 

Kai schnaufte. Natürlich hatte er keinen Friseurtermin.
 

„Du brauchst nichts weiter zu machen. Wir bereiten alles vor. Soll ich Hilary davon erzählen oder willst du selber?“
 

„Ich mache das! Wer operiert?“
 

„Wenn sich nichts mehr ändert, dann darf ich.“
 

„Gut.“
 

„Ich garantiere aber für nichts.“
 

„Guten Morgen!“, zwei sehr bekannte Stimmen begrüßten Gregor und Kai.
 

„Ach, hey ihr zwei! Ihr kommt gerade recht. Kai hat euch etwas zu erzählen und ich muss leeeeider zu meinem nächsten Patienten.“
 

„Hm? Was hast du denn zu erzählen?“, hakte Max gleich neugierig nach. Hilary und Emilia sahen ihn ebenfalls gespannt an.
 

„Montag ist es soweit.“
 

„Deine OP?“
 

„Ja.“
 

„Endlich! Und wenn du wieder raus bist, gehen wir erstmal ordentlich feiern!“
 

„Wenn ich hier rauskomme, richtig.“
 

„Denk' nicht so negativ. Wer, außer du, sollte Max denn sonst auf Trab halten?“
 

„Da wird sich sicher jemand anderes finden.“, Kai blieb ernst.
 

„Hey!“
 

„War doch nicht so gemeint, Max“, entschuldigte sich die brünette und der blonde schmollte.
 

„Bei eurem Pech bleibe ich euch noch eine Weile erhalten.“
 

„Hoffentlich!“, alle drei grinsten sich an. Hilary war überglücklich, dass es doch so schnell klappte mit dem Termin. Und das würde auch heißen, dass Kai schneller wieder Zuhause sein würde.

Mit der ausgelassenen Stimmung verbrachten sie einen Tag im Krankenhaus. Zum Glück war die Besuchszeit am Wochenende anders geregelt, als unter der Woche. So konnten die beiden schon vormittags zu ihm. Allerdings hatten Hilary und Kai noch einiges zu besprechen vor der entscheidenden Operation. Die brünette bat ihren blonden Freund mit Emilia ein Stück spazieren zu gehen, damit sie ungestört reden konnten.

Liebevoll legte sich Hilary's Hand auf seinen Arm. Sie hatte Angst um ihren Mann, keine Frage. Kai spürte es auch. Und auch er war unsicher darüber, wie die OP verlaufen würde. Nur konnte er es besser überspielen.
 

„Ich werde bei dir sein!“
 

„Das brauchst du nicht. Da muss ich alleine durch.“
 

„Aber-“
 

„Es ist schon schwer genug dem Tod ins Gesicht zu schauen, da musst du es nicht noch erschweren.“
 

„Du wirst das überstehen. Das sind alles erfahrene Ärzte, meinte Doktor Starck!“
 

„Er muss das sagen...“
 

„Ich glaube ihm aber...“, betroffen schaute die braunhaarige zu Boden. „Und wenn du aufwachst, werde ich da sein.“
 

„Du kannst nicht den ganzen Tag im Krankenhaus verbringen.“, er wollte einfach nicht, dass Hilary bei ihm sein würde. Früher störte es auch niemanden, ob er allein war oder nicht. Sie sollte ihn nicht schwach und verletzlich sehen. Niemand sollte das. Deswegen blockte er all ihre gut gemeinten Angebote ab.
 

„Wann wirst du denn genau operiert?“
 

„Früh.“, fasste er knapp zusammen.
 

„Die genaue Zeit!“
 

„...“, nun schwieg er ganz. Nein, sie sollte nichts wissen! Warum verstand sie ihn denn einfach nicht?

Es verging noch eine Weile, in der die Japanerin versuchte ihm die genaue Zeit zu entlocken, doch alles betteln half nichts. Kai blieb hart. Schließlich gab sie auf.

Als Gregor nach Schichtende wieder zu Kai ging, machte ihm der Halbrusse auch nochmal unmissverständlich klar, dass er seiner Frau die genaue Uhrzeit nicht mitteilen sollte. Das enttäuschte Hilary nur noch mehr. Wenn er sie vor dem Eingriff nicht mehr sehen wollte, konnte sie nichts machen. Sie respektierte seinen Wunsch, genau wie er ihre genauso respektierte. Am späten Nachmittag verabschiedeten sie sich und gingen. Gregor nahm die brünette an die Seite.
 

„Das kann ich gar nicht mit ansehen... Dieser Sturkopf. Es wird Kai zwar nicht passen aber...er wird um Acht in den OP gebracht. Vorher könntest du noch zu ihm. Er würde sich bestimmt freuen.“
 

„Er will das aber nicht...“
 

„Und? Kai ist ein guter Schauspieler, trotzdem hat er einen haiden Respekt vor dem Eingriff. Er freut sich bestimmt, wenn du vorher bei ihm bist...“, der Arzt zwinkerte ihr zu. „...dann kann er eh nichts dagegen machen.“, gluckste der Mann vor sich her. Scheinbar hatte er eine geheime Leidenschaft Kai ständig mit Sticheleien aufzuziehen.

Die beiden Gesprächspartner verließen das Hospital zusammen. Draußen kam ihnen Max mit Emilia entgegen. Gregor verabschiedete sich darauf zügig. So liefen die beiden Freunde auf direktem Weg nach Hause. Für Emilia waren die Besuche im Krankenhaus unglaublich langweilig. Egal wie viele Spielsachen ihre Mutter ihr einpackte, alles andere in dem Zimmer war doch interessanter. Anfassen durfte sie auch nichts. Am Haus angekommen, blieb Hilary mit ihrer Tochter im Garten, spielte und tobte dort mit ihr. Max verzog sich ins Warme. Er musste einige Mails beantworten und Dienstpläne schreiben.
 

Gregor hingegen fuhr mit seinem Auto durch halb Moskau. Dass Yulika sich nicht mehr meldetet und auch nicht mehr am Hospital stand, machte ihn stutzig. Was war auf einmal mit ihr los? War ihr gar etwas zugestoßen? Dann die Sache mit dem Abschlussfoto, er wollte wissen was passierte.

Als erstes fuhr er zur Universität, fragte sich mit einem alten Bild von Yulia nach Yulika durch. Hier hatte sie niemand gesehen. Frustriert fuhr er zu sich, suchte den Park vor seiner Wohnung ab.
 

„Auch nichts...“, besorgt ließ er sich auf die Bank hinter sich fallen und breitete die Arme aus.
 

„Na, Jungchen? Warum so betrübt? So schönes Wetter sollte man genießen, solange man kann.“, eine alte Frau mit Gehstock und Kopftuch sprach ihn an. Gregor sah auf.
 

„...ich suche eine Frau...sie hat ihr Gedächtnis verloren...und nun habe ich sie auch verloren...“
 

„Sie werden sie schon finden, da bin ich sicher.“, die Dame lächelte schwach und ging weiter.
 

„Nur wie...“, sollte er weiter suchen? Oder darauf warten, dass sie zu ihm kommt?
 

„Nicht einmal eine Telefonnummer habe ich von dir...“, er tippte sinnlos auf seinem Handy herum, ließ es wieder sinken. „Wie soll ich dich nur finden...“ Der Russe sah in den dämmernden Himmel. Dünne Wolken verschleierten das Abendrot, während das Rascheln und Rauschen der Bäume ihn beruhigte. Langsam sah er ein, dass er doch zu naiv an die ganze Sache herangegangen war. Seine Kollegen hatten ein weiteres Mal recht behalten. Und nun saß er wieder allein in der Gegend...
 

Es nahte der letzte Tag vor Kai's Herzoperation, Sonntag. Eigentlich ein Ruhetag, doch nicht im Krankenhaus. Der blau-haarige musste sich Blut abnehmen lassen und es wurden nochmals kleinere Untersuchungen durchgeführt um sicher zu gehen, dass dem Eingriff nichts mehr im Weg stand. Für Kai war das alles Zeitverschwendung. Sollten sie doch einfach die OP machen und ihn mit dem ganzen Heckmeck in Ruhe lassen. Gedankenversunken starrte er aus dem Fenster seines Zimmers. Nichts mehr lange, dann würde er sein Schicksal in Gregor's Hände legen. Es gab nichts was er noch tun konnte.

Am frühen Abend brachte die grimmige Schwester das Abendessen mit der drohenden Geste, ja nichts mehr danach zu essen bist zum nächsten Morgen. Sie nervte ihn so sehr.Er fühlte sich unterdrückt, bevormundet und erniedrigt, jedes Mal, wenn sie zu ihm ins Zimmer kam. Wie in seiner Kindheit.

Als die Schwester herausging, kamen seine Frau samt Anhang kurz herein.
 

„Hey, wir wollten dich nochmal besuchen vor deinem großen Tag.“, sagte der blonde ungewohnt ruhig. Hilary nickte.
 

„Dann könnt ihr jetzt wieder gehen.“, entfuhr es dem Russen eiskalt. So einen Abschied brauchte er nicht. Das Mitleid konnte er sich sparen.
 

„Ich drück dir trotzdem die Daumen für Morgen... Halt die Ihren steif!“, geknickt trottete Max aus dem Raum. Hilary sah verständnislos hinterher.
 

„Was soll das?“
 

„Ich brauche kein Mitleid.“
 

„Das war auch kein Mitleid, sondern echte Freundschaft! Max kennt dich seit Ewigkeiten und er weiß, wie sehr du das hasst! Sei nicht so mürrisch...er kann nichts dafür...genauso wie ich...“
 

Kai zog die Luft scharf ein. So meinte er es nicht.
 

„Kai...ich will dich nicht verlieren... Ich werde immer bei dir sein. Immer...“, überwältigt von ihren Gefühlen, liefen ihr Tränen über die Wange. Kai zeigte keine Anstalten, dem etwas entgegen zu setzen. Sie küsste ihn zum Abschied und beendete ihren, viel zu kurzen, Besuch. Wenn Kai jetzt schon so reagierte, wie sollte es da erst morgen vor der OP sein?
 

Am Abend langen Hilary, als auch Kai, wach in ihren Betten. Die braunhaarige versuchte alle Gedanken, dass die Operation für Kai nicht gut endete beiseite zu schieben und nur das positive zu suchen. Um die leere in ihrem Bett zu füllen, hatte sie jetzt eines seiner Shirts mit zu sich ins Bett geholt. Damit fühlte die junge Frau sich wohler, als würde er doch neben ihr liegen.
 

Auch Kai konnte nicht schlafen. Einerseits zermarterte er seinen Kopf darüber, wie es wohl sein würde, wenn er wirklich sterben würde. Aber, es würde ihn gar nicht mehr interessieren. Schließlich war er dann tot. Die anderen müssten damit klarkommen. Und da war der Knackpunkt. Hilary war ihm zu wichtig geworden, als dass es ihn kaltlassen würde, wenn er nach dem Eingriff nicht mehr aufwachen würde. Die beiden verbrachten eine so kurze Zeit miteinander, aber so intensiv und er fühlte sich noch nie so lebendig wie jetzt.

Andererseits sprach sein Magen Bände. Das Abendessen war ein Witz. Eine Scheibe Brot, dazu eine Scheibe Käse und Wurst. Und die Butter nicht zu vergessen. Das Stück ungefähr so groß, als hätte man ihm auf den Teller gespuckt. Davon sollte er satt werden. Ein Witz.

Vielleicht würde er sich bei Gregor beschweren, wenn er noch dazu käme. Jetzt war es schon weit nach Mitternacht und in ein paar Stunden war es schon soweit. Er versuchte, wenigstens das bisschen Zeit zu nutzen, um etwas zu schlafen.



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