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Stirb Nicht Vor Mir

Die wahre Geschichte von Draco Malfoy und Ronald Weasley
von

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Doch meine Tränen sieht man nicht

11. Oktober 1997
 

Es war irgendwann am späten Nachmittag, als Draco das ständige an die Decke starren satt hatte. Er hatte furchtbar schlecht geschlafen. Sein schmerzender Fuß hatte ihn nicht zur Ruhe kommen lassen, sowie die Furcht vor Greifern oder dem Dunklen Lord selbst. Zwar hatte er die Eingangstür unten mit einigen Schutzzaubern belegt und auch seine eigene Schlafzimmertür – dennoch… Wenn wirklich jemand in das Haus einbrechen wollte, dann würde das denjenigen bestimmt nicht daran hindern. Er hatte sich die ganze Nacht Gedanken darüber gemacht. Gestern war er mit Weasley absichtlich länger appariert. Hatte im Verlauf seine Spuren verwischt. Er wusste zwar nicht genau, wo sie nun waren, aber wenn man sie finden wollte, wäre das sicherlich schon gestern passiert. Sie mussten einfach sicher sein. Sie mussten.

Denn sein Fuß würde nochmaliges Apparieren oder eine wilde Flucht nicht durchstehen. Er musste ihn verarzten, jedoch wusste er nicht wie. Es waren noch einige Stücke Leder und Stoff in seine Haut eingebrannt und an anderen Stellen fehlte die Haut oder war schwarz verbrannt. Es war grauenvoll. Er wollte sich seinen Fuß nicht noch einmal ansehen. Aber er musste.

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen setzte er sich auf und beugte sich zu seinem Fuß. Er schob die Decke beiseite und hielt abrupt die Luft an. Schmerzerfüllt wandte er sein Gesicht ab. Es war schrecklich.

Er wagte einen weiteren Blick und Tränen des Schmerzes trieben ihm in die Augen. Es tat schon alleine beim Hinsehen höllisch weh. Und bereitete ihm Panik. Was, wenn man ihm den Fuß abnehmen müsste? Nicht auszudenken…

Und wer würde ihm überhaupt helfen? Hier gab es keine Krankenstation, keine Heiler.

Nur Weasley.

Weasley.

Lieber würde er sterben als die Hilfe dieses Blutsverräters zu erbitten.

Aber mit Befehlen hatte er kein Problem. Er hatte immer noch Weasleys Zauberstab, das dürfte also ein Leichtes werden. Denn wenn er es zugeben müsste – seine Schmerzverträglichkeitsgrenze lag nicht sehr hoch. Seine zittrigen Finger legten sich an seine Schläfen. Er musste das Problem mit seinem Fuß schnellstmöglich angehen, bevor er sich noch weiter entzünden würde.

Außerdem brauchte er eine Dusche. Dringend. Er fühlte sich schmutzig und unrein. Hunger hatte er auch. Dass er durstig war, musste man erst gar nicht erwähnen.

In Hogwarts und zu Hause auf ihrem Anwesen stand immer ein Krug mit einem Becher auf seinem Nachttisch, welcher sich wie von Zauberhand immer wieder neu füllte. Das war der Vorteil daran, wenn man Hauselfen besaß.

Doch hier – von einem Krug weit und breit keine Spur. Wie tranken denn die Muggel? Und was tranken sie?

So viele Fragen, die ihm Kopfzerbrechen verursachten. Er war einfach unheimlich unsicher in dieser neuen Umgebung. Wenn er wenigstens nicht verletzt wäre und sich uneingeschränkt bewegen könnte! Es half alles nichts. Keuchend stützte er sich auf seinen dicken Ast und hievte sich irgendwie aus seinem neuen Bett. So humpelte er zur Tür und murmelte leise Beschwörungszauber, um die Schutzbanne auf seiner Tür los zu werden. Die eine Hand öffnete vorsichtig seine Tür, die andere hielt seinen Zauberstab fest umklammert. Die anderen beiden Zauberstäbe hatte er zuvor in seinem Zimmer gut versteckt. Es war schlichtweg lästig, drei Zauberstäbe zu halten. Lästig und gefährlich.

An der hellen Holzbalustrade stützte er sich ab und blickte hinunter in das Zimmer, wo Weasley schlief. Und das faule Wiesel schlief tatsächlich noch! Unfassbar!

Wenigstens musste er wohl die ganze Nacht gefroren haben, stellte Draco zu seiner vollen Zufriedenheit fest. Er war nämlich nur mit einer dünnen, braunen Tagesdecke zugedeckt und es sah sehr ungemütlich aus. Ganz ohne Feuer im Kamin. Da war Dracos Schlafplatz diese Nacht um einiges gemütlicher gewesen. Er hatte zwei Decken mit einem hellen Blättermuster und zwei dazu gehörige Kissen. Es war warm und angenehm gewesen im Gegensatz zu Weasleys Schlafsituation. Das erhellte sein Gemüt. Ihm ging es immer besser, sobald er wusste, dass es anderen schlechter ging als ihm.

Mit einem kurzen Schlenker seines Zauberstabs flog auf einmal Rons braune Decke in die Höhe und der Rotschopf saß schlagartig kerzengerade auf der Couch. Anscheinend war er wohl wacher, als Draco angenommen hatte.
 

„Mein Zauberstab! Wo ist er!“, verlangte Ron ungestüm zu wissen und Draco schüttelte warnend seinen Kopf.

„Du bekommst ihn. Wenn ich dir vertrauen kann.“

Zugegeben, hierbei handelte es sich um eine Notlüge. Als ob er in Salazars Namen vorhatte Weasley jemals seinen Zauberstab zurück zu geben. Nein. So dumm war er nicht. Dennoch musste er das Vertrauen des anderen irgendwie erschleichen. Er war es nicht wirklich gewohnt, alleine zu sein oder für sich selbst zu sorgen. Immer war er umgeben von Handlangern oder Bediensteten. Crabbe und Goyle, Zabini, Hauselfen.

Ganz auf sich allein gestellt zu sein behagte ihm nicht.

Ron jedoch schien nicht überzeugt von seinen Worten. Als ob er seine Worte durchschauen würde, verengte er seine Augen.
 

„Gerade du sprichst von Vertrauen?“, spottete er und verschränkte trotzig seine Arme vor der Brust.

Bei dieser Geste spürte Draco die Ungeduld in sich aufkeimen. Diese Unverschämtheit wollte er sich nicht bieten lassen. Doch jetzt hieß es diplomatisch vorzugehen. Er brauchte Weasley. Er wusste nicht wie lange, und in welchem Ausmaß. Aber er musste es geschickt anstellen.

„Ohne Vertrauen funktioniert das hier nicht, Weasley. Du hasst mich, ich hasse dich. Aber denkst du nicht, dass wir über diese kleine Unstimmigkeit hinwegsehen könnten? Du brauchst mich. Ich bin der einzige mit einem Zauberstab. Und ich brauche dich. Ich bin im Moment etwas…eingeschränkt.“
 

Demonstrativ deutete er mit seinem Zauberstab auf seinen Fuß, der alles andere als gesund aussah. Halb schwarz, verkohlt und blutig mit offenen Wunden war dies kein angenehmer Anblick.

Seine Worte hatte Draco mit Absicht etwas vertrauenserweckender gewählt, in Wahrheit ging es ihm hierbei aber alleine nur um seinen Vorteil. Er musste dem anderen vertrauen können. Aber wenn er Weasley nicht mehr bräuchte, würde er sich gegen ihn wenden oder ihn alleine lassen. Er hatte sich noch nicht entschieden. Die letzte Nacht hatte er genug Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Am vorteilhaftesten wäre es natürlich, wenn er über Weasley an Potter herankommen könnte. Aber in seinem Zustand war das undenkbar. Er konnte nicht noch einmal apparieren. Und alleine würde er es sicher nicht gegen Weasley, Potter und das Schlammblut aufnehmen können. Also hieß es Füße stillhalten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Bis sein linker Fuß endlich verheilt wäre und er sich einen weiteren Plan zurecht geschmiedet hatte. Aber fürs erste wären sie hier wohl sicher.

Und für diese Sicherheit würde er Weasley das Blaue vom Himmel herunter lügen. Er wollte ihm nicht zwingend das Gefühl geben, er wäre hier gefangen. Denn dann könnte er vergeblich auf dessen Kooperation warten und müsste selbst um seine Sicherheit fürchten. Weasley war nämlich nicht leicht gefangen zu halten. Er würde ihn irgendwann im Schlaf überfallen, seinen Zauberstab schnappen und disapparieren. Und das wollte er nicht. Der Grund, wieso er mit dem Zauberstab nicht herausrückte, war in erster Linie natürlich seine Sicherheit, und in zweiter Linie wäre Ron schneller weg als er blinzeln könnte.

Er musste ihm also das Gefühl geben, sie beide wären hier sicher.
 

Doch dieser ließ sich von seinen schlichtenden Worten keineswegs beeindrucken.

„Zuerst her mit meinem Zauberstab, danach lässt sich weiter reden!“, blaffte der Rothaarige ihn unfreundlich an und Draco schickte einen ungeduldigen Luftstoß herunter ins Wohnzimmer, der ihm die schmutzig roten, verfilzten Haare zu Berge pustete.

„Vergiss nicht, wer hier in der vorteilhafteren Position ist, Weasley!“, warnte er ihn ungeduldig.

„Ich gebe dir die Chance, dich zu beweisen. Also nutze sie!“

Wieder stützte er sich auf seinen urigen Gehstock und humpelte so gebieterisch wie es nur ging die Treppen hinunter.

„Du musst mir mit meinem Fuß helfen. Wenn du dich weigerst, mache ich es alleine. Aber glaub mir“, sein kalter Blick wurde eindringlich. „Wenn ich damit fertig bin, bin ich alles andere als gewillt ihn dir zurück zu geben.“

Ron hatte seine Arme immer noch verschränkt.

„Und zwing mich nicht dir weh zu tun, Weasley. Ich möchte unsere neue Vereinbarung nicht auf irgendwelche verbotenen Flüche aufbauen.“

„Drohst du mir mit dem Cruciatus?“, fragte er aufgebracht. Draco war schon die Treppe hinunter gehumpelt und stand nun Auge in Auge mit dem Rothaarigen.

„Oh, Weasley. Du glaubst doch nicht wirklich, dass der Cruciatus-Fluch der einzige ist, den ich von den dreien beherrsche, oder?“

Sein kaltes Grinsen wirkte gefährlich und Ron lief ein unangenehmer Schauer über den Rücken.

„Ich bin kein Mann von roher Gewalt. Ich nutze lieber andere Mittel und Wege, um an mein Ziel zu gelangen. Und welcher Fluch eignet sich da besser als der Imperio?“
 

Ron wusste nicht, was er von den plötzlich so strahlend grauen Augen und dem faszinierten Leuchten in ihnen halten sollte.

Instinktiv wich er einen vorsichtigen Schritt zurück, doch sein Blick bohrte sich stur und fest in Malfoys. Er wollte seinen Zauberstab zurück! Und dann würde er sofort wieder zu Harry und Hermine apparieren. Er hoffte, dass sie sich immer noch im Wald befanden, in dem früher die Quidditch Weltmeisterschaft stattgefunden hatte.

„Weasley, wenn du mir hilfst und dich an meine Anweisungen hältst, verspreche ich dir, dass ich keinen dieser Flüche bei dir anwenden werde. Wir sind beide nur dann in Sicherheit, wenn wir Hand in Hand arbeiten.“

Sein Ton war ruhiger geworden, seine grauen Augen waren jedoch immer noch kalt. Ron wusste, dass er ihm nicht trauen konnte. Er war ein Todesser!

Außerdem wollte er gar nicht hierbleiben!

Er wollte zurück! Und das am besten so schnell wie möglich, bevor Harry und Hermine wieder ihren Standort wechseln würden. Aber er wusste auch, dass Malfoy gefährlich sein konnte. Er hatte letztes Jahr die Todesser ins Schloss gelassen und hatte mit allen Mitteln versucht Dumbledore umzubringen! Und bei einem dieser Versuche wäre sogar er selbst fast umgekommen. Er wusste, dass er Vorsicht bei Malfoy walten lassen müsste. Große Vorsicht sogar. Deswegen hieß es mitspielen. Erst einmal. Auch wenn er eher der direkte Typ war und immer versuchte mit dem Kopf gegen die Wand zu gehen, musste er sich diesmal anpassen.

Und irgendwann den richtigen Moment abpassen. Dann wäre er hier schneller wieder raus, als dass Malfoy überhaupt noch ‚Imperio‘ aussprechen könnte.
 

„Von mir aus“, antwortete er mürrisch und beäugte Malfoy misstrauisch. Diesem fiel innerlich ein großer Stein vom Herzen und er musste ein erleichtertes Aufseufzen unterdrücken. Das war doch leichter gelaufen als gedacht. Doch der Schmerz in seinem Fuß, der schon bis zu seinem Knie pochte, schwächte ihn körperlich und geistig. Deswegen musste es schnell erledigt werden.

Erschöpft ließ er sich auf das senfgelbe Sofa, auf welchem der rothaarige Gryffindor heute geschlafen hatte, sinken und hielt seinen Zauberstab fest umklammert. Ron dagegen blickte eher ratlos drein.

„Und was willst du jetzt von mir?“

„Ist das nicht offensichtlich?“, gab Draco von sich und Ron bewegte seine Hände in einer hilflosen, genervten Geste.

„Ja, aber was soll ich machen? Ich bin kein Heiler und wir haben hier nichts, was uns helfen könnte.“

„Dann such, Weasley“, seufzte Draco entnervt. „Die Muggel müssen hier doch irgendetwas haben, oder? Erstmal muss die Wunde gesäubert werden, die Stoffreste müssen entfernt werden.“

Ron schluckte bei einem Blick auf Malfoys Fuß. Es sah so aus als ob der halbe Schuh sich in seinen Fuß gebrannt hätte. Ehrlich gesagt war er sehr dankbar dafür, nicht in Malfoys Schuhen zu stecken.

Draco überlegte kurz. Er hatte gestern hier im Erdgeschoss eine Küche und ein Badezimmer ausmachen können. „Such vielleicht in der Küche oder im Badezimmer hier unten.“
 

Alles andere als begeistert schlurfte Ron in die Küche und sah sich dort um. Jetzt, da die trüben Sonnenstrahlen des goldenen Herbstwetters durch das Fenster schienen, sah die Küche ganz schön aus. Sehr gemütlich und ordentlich. Das helle Holz war nicht alt und ließ den gesamten Raum hell und freundlich erscheinen. Es sah ganz anders aus als das Zimmer, in welchem er geschlafen hatte. Jede einzelne Schranktür öffnete und durchsuchte er. Auch einen weißen, brummenden Schrank, der innen sogar beleuchtet war. Und zu seiner großen Freude öffnete er schließlich einen, der mit Vorräten gefüllt war.

Sein Gesicht erhellte sich, als er sich die Dosen und Beutel alle ansah. Haferflocken, Nudeln, Reis, Bohnen, Mais, Dosenfrüchte und sogar Thunfisch gab es hier. Sein Tag war eindeutig gerettet. Denn die letzten Wochen fielen die Mahlzeiten recht karg aus. Es war schwer, Essen zu besorgen. Fische und Kaninchen zu fangen. Und am Ende des Tages, wenn sie irgendeine Beute erzielt hatten, schmeckte es dann auch nur bescheiden. Auch wenn Hermine sich alle Mühe gab.

Dass sie hier zumindest nicht verhungern müssten, erleichterte ihn ungemein. Er fühlte sich nämlich halb verhungert.
 

„Weasley! Wird’s bald? Wenn du dir weiter so viel Zeit lässt, muss mein armer Fuß amputiert werden!“

Ron zog eine Grimasse und freute sich heimlich über den Gedanken, wie Malfoy der Fuß abgenommen werden musste.

Als ob der andere seine Gedanken erraten könnte, kam aus dem Wohnzimmer ein genervtes Schnauben. Grinsend schüttelte Ron seinen Kopf und nahm in aller Seelenruhe eine Dose gebackener Bohnen in die Hand, um sie inständig zu bewundern. Wie lange hatte er keine gebackenen Bohnen mehr gehabt? Ein kitzelndes Gefühl an seinem Fuß ließ ihn innehalten und an sich hinabblicken. Das was er sah, beförderte einen hohen Schreckensschrei aus seiner Kehle. Eine kleine Armee von Hausspinnen marschierte gerade in die Küche, auf ihn zu! Und eine von ihnen hatte es sogar auf seinen Fuß geschafft.

„Aaaaaaahhhhh!“

Sofort ließ er die Dose fallen und stürzte aus der Küche, mit sehr großen Schritten über die Spinnen hinweg. Er hatte es ins Bad geschafft und wollte dort die Tür hinter sich verbarrikadieren, als ihm ein verräterisches Gelächter an seine Ohren drang. Malfoy!

Der kugelte sich auf dem Sofa und freute sich darüber, dass sein Plan Weasley Beine zu machen, seine Wirkung nicht verfehlt hatte.

Ron dagegen war gar nicht zum Lachen zumute. Leise Verwünschungen vor sich hinmurmelnd durchsuchte er die Schränke im Bad. Die Fliesen hatten einen exotisch türkisen Anstrich, die Dusche erinnerte ihn sehr an die aus Hermines Haus. Mit Glastüren zum Schieben.

Aus der Küche hatte er schon ein scharfes Messer, eine Schere und etwas, das aussah wie eine Salatzange, mitgenommen. Als er sich sämtliche Mullbinden und ein Wunddesinifizierungsspray – so stand es zumindest auf dem kleinen Plastikfläschchen – einsteckte, da fiel ihm eine Idee ein. Wenn er so tat, als ob er hier nichts gefunden hätte, könnte er unter diesem Vorwand noch in das Bad in Dracos Zimmer gehen. Dort könnte er nach seinem Zauberstab suchen!

Stolz auf sich und seinen glorreichen Plan setzte er ein ratloses Gesicht auf, bevor er zu Malfoy in das Wohnzimmer schlurfte.
 

„Malfoy, ich hab leider außer einer Schere und einer Zange nichts Brauchbares gefunden.“

Draco, der bis eben immer noch ein dreckiges Grinsen auf den Lippen gehabt hatte, weil er an Rons panischen Mädchenschrei denken musste, sah auf einmal alles andere als glücklich aus.

„Dann geh nach oben!“, herrschte er ihn unwirsch an. „Ich kann es nicht glauben, dass du dir gefühlte Stunden Zeit lässt und dann nur mit einer Schere zurück kommst!“, beschwerte er sich wütend, als Ron die Treppen hinauf lief und bei jedem von Dracos Worten eine nachäffende Grimasse zog.

„Wenn du nicht willst, dass ich heute eine Riesenspinne beschwöre, bringst du dieses Mal gefälligst etwas Brauchbares mit!“, rief er Ron herrisch hinterher.
 

Dieser lachte sich heimlich ins Fäustchen, als er die Tür des Schlafzimmers zuzog, aber nur anlehnte, damit Malfoy nicht misstrauisch werden würde und ihn mit irgendwelchen Flüchen überraschte. Tief Luft holend ließ er seinen Blick schnell durch das Zimmer schweifen. Dabei blieben seine Augen an dem großen Bett hängen. Schönes Blättermuster zierte die Decken…Moment…Das durfte doch nicht wahr sein. Hatte der Prinz heute tatsächlich mit zwei Decken und zwei Kissen geschlafen, während er sich heute Nacht seine armen Zehen abfrieren lassen musste! Hastig griff er unter beide Kissen. Ins Leere. Bückte sich, um unter das Bett zu sehen. Ins Nichts. Er versuchte so leise wie möglich die Matratzen anzuheben, um im Bettkasten nachzusehen. Wieder keine Spur.

Verdammt! Wo sollte er denn noch suchen? In der Kommode! Er war gerade bei der fünften Schublade angekommen, als er die schleppende Stimme hörte.

„Falls du deinen Zauberstab suchst, spar dir die Mühe! Hast du jetzt etwas gefunden, oder darf meine hübsche Acromantula endlich zu dir hinauf?“

„Ja,ja ich hab was!“, rief Ron hastig, um Malfoy zu beschwichtigen, bevor dieser auf dumme Gedanken kommen würde und hechtete eilig die Treppen hinunter. Stolz präsentierte er ihm die Mullbinden und das Desinfektionsspray, worauf dieser nur die Nase rümpfte.

„Und du denkst, das Muggelzeug hilft?“, fragte er skeptisch und Ron zuckte mit den Schultern, als er sich neben Malfoy auf das Sofa setzte.

„Es muss! Etwas anderes haben wir nicht.“

Das war eine Lüge. In seinem Rucksack, den er gestern bei seinem überstürzten Aufbruch mitgenommen hatte, lag noch ein kleines Fläschchen Diptam, das Hermine ihm vor einiger Zeit für Notfälle abgefüllt hatte. Doch als ob er seine kostbare Essenz an Malfoy verschwenden würde! Erstens brauchte er sie selbst für seine noch nicht ganz verheilte Wunde an der Schulter und zweitens – er wollte nur seine Pflicht tun, seinen Zauberstab erlangen und dann abhauen.

Prompt legte Malfoy seinen Fuß in Rons Schoß, der etwas hilflos dreinblickte. Er hatte die Mullbinden, die Schere, das Messer und die Zange bereit gelegt, worauf Draco etwas ängstlich dreinblickte.

Ron wusste nicht genau was er tun sollte, schaute hilflos zu Malfoy und dieser nickte bestätigend. Es musste getan werden. Auch wenn es bestialische Schmerzen bedeuten würde.

Tief Luft holend griff Ron erst mal nach der Zange und versuchte das größte Stück Leder von der verbrannten Haut zu ziehen.

Ein schmerzverzerrter Aufschrei ließ ihn erschrocken zusammen zucken, fast hätte er diese Stimme nicht Malfoy zuordnen können. Dieser krümmte sich vor Schmerz und seine Augen hatten sich mit heißen Tränen gefüllt. Zögerlich blickte Ron ihn an.

„Soll ich aufhören?“, fragte er vorsichtig und obwohl er am liebsten bejaht hätte, schüttelte Draco angestrengt den Kopf.

„Mach weiter“, zischte er gepresst durch seine Zähne, doch Ron war sich unschlüssig. Er griff nach einem Kissen mit buntem Blumenmuster und gab es Draco.

Dieser presste seine Augen zusammen und krallte seine Finger aus Furcht vor den kommenden Schmerzen in das Kissen.

„Mach schon!“, wies er ihn gepresst an. Ron setzte wieder an und zog an dem eingesengten Leder.

„Zieh!“, schrie Draco ihn nun ungeduldig an und Ron hatte sich so erschrocken, weil er so konzentriert war, dass er mit einem Mal das ganze Lederstück herausriss. Draco brüllte vor Schmerz, seine Augen vor Schock geweitet.

Der Magen drehte sich Ron um, als er sah, dass an dem Stück Leder noch Haut klebte. Doch er wusste, er musste da durch. Sie beide. Von Nahem betrachtet sah der Fuß wirklich um einiges schlimmer aus als gedacht. Zum ersten Mal hatte Malfoy wohl nicht übertrieben. Und Ron dachte schon, er spielte mal wieder Dramaqueen, als er von amputieren geklagt hatte.

„Press…press dir das Kissen aufs Gesicht“, wies er Draco an. „Ich kann mich bei dem Geschreie nicht konzentrieren.“
 

Es war schrecklich. Jemandem so weh tun zu müssen. Auch wenn es Malfoy war. Er hatte zwar gedacht, dass es ihm Spaß machen würde. Aber dem war nicht so. Die Wunde war jetzt wieder aufgerissen und blutete. Ohne ein Widerwort presste Draco sich das Kissen auf das Gesicht. Ron bemerkte, wie dessen Schultern bedrohlich zuckten. Weinte…Malfoy etwa? Nun, bei diesem Schmerz mehr als verständlich. Noch einmal versuchte Ron sich zusammen zu reißen, Luft zu holen und mit der Salatzange nach weiteren Stücken zu greifen. Im Hintergrund hörte er Malfoys gedämpftes Schreien und er spürte, wie dessen gesamter Körper von Schmerzimpulsen durchzuckt wurde.

Nach einer halben Stunde waren alle Stücke sauber entfernt, Malfoy neben ihm war ein Wrack und brachte nur noch ein gedämpftes Zischen zustande, als Ron den gesamten Fuß reinigte und desinfizierte. Die Wunde war so groß, dass keine Stelle seines Fußes unversehrt geblieben war. Es sah schrecklich aus. Rons Hose war blutverschmiert und die Stoff- und Lederfetzen, an denen Blut und Haut klebte, sahen alles andere als appetitlich aus.

Der Hunger, den Ron bis eben noch verspürt hatte, war der Erschöpfung gewichen. Ein Blick auf Malfoy versicherte ihm, dass dieser noch lebte, aber er schien der Ohnmacht nicht ganz fern zu sein. Jedenfalls schien er nicht wirklich mehr mit zu bekommen, was Ron da noch tat. Seine Augen waren geschlossen und er atmetet flach, wie ein verwundetes Tier. Dieser Anblick und der schreckliche Zustand seines Fußes regten Rons Mitgefühl an. Heimlich griff er in seinen Rucksack, der am Boden gegen das Sofa lehnte und fischte das Fläschchen Diptam heraus.

Er gab einige Tropfen davon auf die blutig klaffenden Wunden und ließ es dann wieder heimlich in seinem Rucksack verschwinden. Vor seinen Augen schlossen sich die offenen Wunden und Malfoy gab zum ersten Mal ein leises Seufzen von sich. Vorsichtig bandagierte Ron seinen Fuß. Als er fertig war, rührte er sich nicht, sondern gab Malfoy die Zeit, um sich zu erholen.
 

„Malfoy…schläfst du ein?“, fragte er nach einer Zeit, als Malfoys Atem immer stetiger und gleichmäßiger wurde.

„Nein“, murmelte dieser nur.

„Soll ich dich ins Bett bringen?“, fragte Ron zögerlich. Malfoy konnte doch nicht hier schlafen! Wo sollte dann er schlafen? Oben im Zimmer? Das wäre eine Idee…Dann könnte er auch in Ruhe nach seinem Zauberstab suchen.

„Du träumst wohl“, kam die langsame und schläfrige Antwort des Malfoy-Erben. Ron ließ ein Schnauben vernehmen. Als ob er sich darum riss, Malfoy mehr als nötig anzufassen! Auch er spürte, wie die Trägheit ihn übermannte. Es war schon Abend, draußen wurde es immer dunkler und der kurze Tag heute war ungeahnt anstrengend gewesen.

„Na gut…aber kein Wort zu niemandem“, hörte er Malfoys genuschelte leise Stimme und innerlich schüttelte Ron seinen Kopf. Er versuchte seine Arme um den schmalen Oberkörper zu legen und Malfoy auf sich zu ziehen. Dieser schlang entkräftet seine Arme um Rons Hals.

Er hoffte wirklich, dass Malfoy sich am nächsten Tag nicht an diese höchst peinliche Situation erinnern könnte. Aber er hatte nun mal ein zu großes Herz. Der Blonde wirkte auf einmal so zerbrechlich, wie konnte er ihn einfach so sitzend auf der Couch einschlafen lassen? Er war verletzt...

Egal wie er es sich auch schön redete, er hasste sich dafür, als er Malfoy die Treppen hoch trug. Hoffentlich würde sich dieser nicht daran gewöhnen. Das wäre das erste und letzte Mal in seinem Leben, dass er Malfoy auf seinen Armen irgendwo hintrug!

Im Schlafzimmer bettete er ihn vorsichtig auf das Ehebett und deckte ihn zu, da Malfoy keine Anstalten machte, dies selbst zu tun. Ron fürchtete schon, dass er ohnmächtig war. Doch er musste auch an sich und seinen Zauberstab denken. Er machte zwei Schritte zur Kommode und wollte gerade die sechste Schublade öffnen, bei welcher er vorhin noch nicht angekommen war, als er ein warnendes. „Wag es dir nicht“, hörte. Murrend drehte er sich um und sah wie Malfoy halb ohnmächtig im Bett lag, den Zauberstab hoch erhoben.

„Da ist er sowieso nicht“, flüsterte er schwächlich. „Und jetzt raus hier.“
 

Das war also die berühmt berüchtigte Malfoy- Dankbarkeit von der jeder sprach! Bevor Ron sich jedoch zum Gehen wandte, griff er nach der zweiten Decke auf dem Bett und stahl sich schnell durch die Tür, bevor Malfoy ihn beim Stibitzen erwischte. Unten im Wohnzimmer räumte er noch die blutigen Fetzen weg, warf sie in der Küche in den Müll. Dann zog er sich die blutige Hose aus und schob das kleine scharfe Messer, mit welchem er einige Stofffetzen heraus geschnitten hatte, gesäubert und desinfiziert unter sein Kissen. Falls ein Einbrecher oder Malfoy ihm zu nahe kommen würden, diente das als Zauberstabersatz. Erstmal.

Obwohl seine Kehle ausgetrocknet war, und er halb ausgehungert war, nahm er davon nicht wirklich etwas wahr. Zu intensiv war die Müdigkeit, die ihn überfiel, als er sich in die gemütliche Decke mit dem Blättermuster kuschelte und sich einem erholsamen Schlaf hingab.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Traumfaengero_-
2018-03-06T21:32:48+00:00 06.03.2018 22:32
Mega Cool! Das Kapitel war klasse! Ich habe es auf eins durchgelesen! Konnte gar nicht aufhören! Gruselig war es aber auch und eklig!

Ein ausführlicher Kommentar folgt die Tage.

Liebe Grüße
Deine Traumfänger
Antwort von:  YouLi
06.03.2018 23:01
Hey liebe Traumfänger,
es freut mich immer sehr von dir zu hören,
sei es in Form eines Kommentars oder einer ENS!
Ich bin froh, dass das neue Kapitel dir gefallen hat.
Genau diese eklige Wirkung sollte es teilweise auch haben X'D
Vielen Dank für deine Worte <3
Deine YouLi


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