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Seelenkrank

von

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Es könnte doch alles so schön sein, wenn…

Ich rauchte eine nach der anderen,  auch, wenn es  mir davon ganz bestimmt nicht besser gehen würde. Meine Mum kam mit einer großen Einkaufstüte in die Küche. Fast hätte ich sie doch glatt gefragt, wie ihr Wochenende gewesen sei, verkniff es mir aber dann.

„Hast du Johanna gesehen?“

Ich schüttelte mit dem Kopf.

„Du solltest dich vielleicht öfters mal um sie kümmern!“

Sie sah mich etwas pikiert an, weil mein Ton ihr nicht zu passen schien.

„Ich habe momentan viel um die Ohren und das weißt du.“

„Du hättest sie am Freitag mal sehen sollen! Ein verzweifeltes kleines Mädchen und dich kümmert es einen Scheiß, ja? Meinst du Jojo ist so blöd und bekommt nicht mit, was hier grad läuft?“

Sie blickte zu Boden.

„Aber warum sag ich dir das überhaupt.“

„Du kannst dich doch auch mal um sie kümmern.“

„Was meinst du, was ich mache. Meine Eltern sind ja nicht mal fähig sich um ihre kleine Tochter zu kümmern…von mir will ich gar nicht erst reden.“

„Mein Gott Lukas, ich habe gerade andere Sorgen!“, schrie sie mich hysterisch an.

„Na und? Meinst du ich nicht?“, schrie ich zurück und sie knallte mir eine. Ich ging rauf in mein Zimmer.

Plötzlich ging die Tür auf, ich dachte zuerst, dass es meine Mum sei, doch dann stand Nici vor mir. Ich freute mich riesig sie zu sehen und schloss sie in den Arm.

„Ist was passiert.“

Ich schüttelte den Kopf.

„Du kannst nicht lügen. Deine Mum?

„Ja, was denn sonst.“

Meine Stimme klang genervter als gewollt.

„Hast du deshalb jetzt schlechte Laune oder was?“

„Ich kann nicht mehr, verstehst du? Sollen sie sich doch endlich scheiden lassen!“

Ich haute mit der Faust auf den Boden. Nici sah mich mitfühlend an, wie immer in solchen Situationen.

„Tut mir leid, dass es jetzt schon so weit ist.“

„Ach, dir brauch nichts leid zu tun. Mich kotzt es einfach nur an, wie sie mit den Gefühlen anderer umgehen. Jojo ist auch total am Ende, doch das scheint sie gar nicht zu stören.“

Ich seufzte und griff wieder nach meiner Zigarettenschachtel.

„Ich habe meine Eltern noch nie so gehasst, wie jetzt.“

Nici küsste mich, doch ich war gerade nicht in Liebestimmung. Das war einfach alles viel zu real und ging nicht mehr spurlos an mir vorbei. Wie lange konnte ich das noch ertragen?

„Ich bewundere dich echt.“

Ich lächelte traurig und schloss meine Augen. Sie legte ihren Kopf auf meinen Bauch und ich strich über ihre langen roten Haare.

„Warum bewundern?“

„Naja, weil du damit so gut umgehen kannst.“

„Das täuscht nur. Du merkst doch selbst, wie es mir wirklich geht, also sprich nicht so.“

Sie schaute mich ein bisschen verwundert an.

„Toll bist du trotzdem.“

Ihre wunderschönen Augen blickten auf mich herab. An diesem Mädchen war wirklich alles perfekt. Und doch konnte ich sie nicht lieben. Doch warum klammerte ich mich dann überhaupt noch an unserer Beziehung fest?

Ich ging mit meiner Hand unter Nicis Oberteil, sie strich zärtlich über meinen Bauch und wir küssten uns leidenschaftlich. Auch sie startete den Versuch, mir meinen Pulli auszuziehen. Doch ich löste den Kuss und schob ihre Hände sanft weg. Meine Freundin schaute mich mehr als verwundert an.

„Ich glaube nich, dass du das willst…“, flüsterte ich beinahe und fühlte mich viel zu verletzlich.

„Ich verstehe nicht ganz…“, antwortete sie noch immer verwirrt. Die Stimmung kippte und es war wie so oft meine Schuld. Nicht Mal mein Liebesleben bekam ich auf die Reihe. Sie musterte mich noch immer und mir war klar, dass ich die Situation wohl erklären sollte. Doch ich wollte ihr die Narben nicht zeigen. Etwas nervös fingerte ich mir eine weitere Kippe aus meiner Schachtel.

„Ist auch besser so…lass uns noch nen Film schauen oder so“, schlug ich vor. Insgeheim wünschte ich mir irgendwie, dass sie nicht locker ließ, denn ein Teil von mir wollte mit ihr reden. Doch ihre Lippen blieben stumm. Das bewies mir nur wieder, dass Nici nicht mit mir umgehen konnte oder wollte. Ich realisierte kaum, was wir schauten und ließ es zu, als sie sich an mich kuschelte.

Schließlich fielen uns die Augen zu und ich war zu müde, um meine nächste Tat steuern zu können. Achtlos warf ich meinen Pullover über den Schreibtischstuhl. Nicis entsetzter Aufschrei katapultierte mich jedoch wieder ins Hier und Jetzt. Fuck!

„Oh mein Gott Lukas, warum tust du das?“

„Es macht mich noch unperfekter“, gab ich sarkastischer als gewollt zur Antwort. Sofort merkte ich, dass ihr das nahe ging und sie mit sich rang. Ich machte es nicht besser und immer mehr wurde sie wahrscheinlich davon überzeugt, dass ich kaputt war. Nicht länger der Traumboy, den sie sich wünschte. Ich schloss meine Augen und wusste, dass ich mich auch immer mehr von Nici entfernte.

„Findest du das toll? Befriedigt dich das auf eine Art und Weise? Denn das hab ich darüber gelesen…ich wollte es nicht wahrhaben, aber immer mehr glaube ich, dass dein Verhalten dem eines Borderliners gar nicht so unähnlich ist…“

Dunkelheit. Schmerz und dieses verhasste Wort. Ja, vielleicht war ich ein Borderliner, aber vielleicht auch nicht? Ich war ein psychisches Wrack und Nici trug wenig dazu bei, dass es mir besser ging. Mein Herz raste und ich wollte nicht hier mit ihr in meinem Zimmer sein.

„Und wenn es so wäre? Was dann Nici? Du fängst schon an wie meine Mutter…ja, im Internet steht viel und ich weiß selbst, dass Selbstverletzung einen krankhaften Beigeschmack mit sich bringt…aber vielleicht find ich es ja echt geil?“, gab ich zurück und stieß sie mit diesen Worten noch weiter von mir.

„Lukas…ich glaub du brauchst Hilfe…mein Papa könnte vielleicht…“, setzte sie an, doch ich schnitt ihr das Wort ab.

„Oh ja Papi wird alles für die kleine Prinzessin gerade biegen…“, zischte ich wütend und zog mir ein Schlafshirt über.

„Ja, weil er Ahnung davon hat und schon anderen geholfen hat…er kann dir helfen…“

„Dafür muss man aber bereit sein…und ich brauch keinen Psychiater, um zu analysieren, wo der Ursprung meiner Probleme liegt, Nici. Ich brauch niemanden, der mir erzählt, dass ich das irgendwann schaffe, dass ich stark bin und bla bla bla…“

„Dann lass dir wenigstens von mir helfen!“, erwiderte sie sichtlich verzweifelt.

„Versuche es doch…“

Sie zog mich zu sich ins Bett. Irgendwann versanken wir dann doch im Traumland und als ich meine Augen öffnete, schien die Sonne. Es war bereits ein Uhr mittags. Geschlafen hatte ich nicht besonders gut, denn das Gespräch saß mir noch immer in den Knochen.

„Guten Morgen Süße!“

Ich zündete mir eine Zigarette an.

„Wie kann man am frühen Morgen schon rauchen?“

„Es ist schon mittags, mein Schatz! Hast du mal geguckt, wie spät es ist!“

Plötzlich wurde sie leicht panisch.

„Oh Shit, wir müssen doch in die Schule.“

Ich machte eine lässige Bewegung mit der Hand.

„Ach komm schon, einmal schwänzen wirst du überleben.“

„Das ist nicht witzig Lukas. Ich geh jetzt in die Schule, du kannst es ja bleiben lassen.“

„Süße, jetzt mach mal keinen Stress. Hol dir einfach eine Krankschreibung, wenn es dich so sehr stört, aber lass uns den Tag genießen. Tue einmal was Verrücktes.“

„Kommst du mit zum Arzt? Ich hab echt ein bisschen Schiss.“

„Okay, aber jetzt geh’n wir duschen.“

Wir lachten uns an und ich trug Nici hinunter ins Bad. Sie, als auch ich verdrängten die Unterhaltung von letzter Nacht. Und wer weiß, vielleicht wollte Nici wirklich den Versuch starten und zu mir durchdringen.

Wir standen eine halbe Ewigkeit unter der Dusche, danach sah ich sie das erste Mal richtig ungeschminkt.

„So schlimm siehst du ungeschminkt doch gar nicht aus, wie du immer sagst!“    

Ich gab ihr einen Kuss.

„Naja find mich geschminkt trotzdem besser, aber ein Kerl versteht das eh nicht“, neckte sie mich. Wir machten uns noch etwas schönes zum Essen, dann besorgten wir Nicis Krankmeldung und anschließend brachte ich sie noch nach Hause. Plötzlich goss es wie aus Eimern.

„Darf ich heute Abend noch mal zu dir kommen?“, fragte ich ganz lieb.

„Schreib dir noch mal, weil ich eigentlich was mit Nadja unternehmen wollte. Nur, wenn ich darf.“

„Dann halt nicht!“, sagte ich beleidigt, doch konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.

„Schreib mir dann, okay!“,

„Klar mein Süßer!“

Sie gab mir noch einen langen Abschiedskuss.

Heute war schon Dienstag, morgen wieder in diese dämliche Schule. Ich wollte noch weg sein, bevor meine Mum wieder auftauchte, also hastete ich im Eiltempo die Stufen empor, schnappte meinen Rucksack, klatschte Handy und Zigaretten hinein und machte mich aus dem Staub. Ich musste unbedingt eine rauchen. Shit! Das verdammte Feuerzeug lag noch in meinem Zimmer, doch jetzt war es zu riskant noch einmal zurück zu gehen. Ich klingelte bei Flo und sein kleiner Bruder kam zur Tür.

„Is Flo da?“

„Ja, warte mal kurz. Ich hol ihn!“.

„Sag ihm er soll ein Feuerzeug mitbringen!“

„Klar mach ich!“

Echt putzig, der Kleine. Wie Flo ihn nur hassen kann, fragte ich mich echt. Kurze Zeit später erschien Flo mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.

„Tja, Lukas ist schon scheiße, wenn man eine rauchen will, aber kein Feuer hat.“

„Das sag ich dir. Gib mal bitte her, wenn ich jetzt keine rauchen kann, krepier ich.“

Ich nahm einen tiefen Zug.

„Wo wollen wir denn so früh am Tage hin?“

Ich überlegte einen Moment,

„Am besten zu Tim, da bekommen wir wenigstens Alkohol und so!“

„Willst jetzt schon damit anfangen?“

„Warum nicht? Ob ich nun Alkohol trinke oder einen rauche ist ja wohl egal!“

„Na wenn du meinst!“

Auf dem Weg zu Tim redeten wir nicht mehr viel miteinander.

Tim war sehr erfreut über unser Kommen. Ich drehte mir einen Joint und lies mir so nach und nach das Gehirn vernebeln. Flo wollte nicht so lange bleiben. Eigentlich war es mir schon fast egal, allerdings wollte ich Stress zu Hause vermeiden. Dann fiel mir was ein.

„Ey Flo, was hast du für ne Ausrede heute nich in der Schule zu sein?“

Mein Freund grinste und zog am Joint.

„Zählt kein Bock? Was soll ich da…weißt du, Kevin is krank und er darf alles…klar. Naja, glaub die ham nich mal gecheckt, dass ich zu Hause geblieben bin.“

Tim schüttelte nur mit dem Kopf.

„Die Jugend von heute.“

 

Als ich später wieder zu Hause ankam, erwartete mich ein Bild des Schreckens. Mein Vater schlug wie ein wildgewordenes Tier auf meine Mum ein. Sie schrie die ganze Zeit, er solle aufhören und er beschimpfte sie als Hure, obwohl er selbst nicht besser war. Sie tat mir auf einmal leid und es gab nur zwei Möglichkeiten, entweder ich ging dazwischen oder er würde sie wahrscheinlich zu Tode prügeln.

Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen.

„Lass Mutti in Ruhe!“

„Von dir lass ich mir gar nichts sagen. Sie ist eine Schlampe und vergnügt sich mit anderen Männern. Findest du das etwa gut?“

„Du bist doch auch nicht besser oder triffst du deine Sekretärin nur aus geschäftlichen Gründen?“

Jetzt hielt er Inne.

„Woher weißt du das?“

„Ich hab euch schon oft zusammen gesehen und blöd bin ja nich.“

Jetzt fing ich mir auch eine heftige Ohrfeige ein, aber er ließ meine Mum in Ruhe.

„Na schön, wenn ihr jetzt alle Bescheid wisst…ich gehe jetzt zu meiner Liebsten.“

Aufgelöst brach meine Mum in Tränen aus. Ich holte ein Kühlpad aus dem Gefrierfach und reichte ihn ihr in einem Waschlappen eingewickelt. Wir setzten uns ins Wohnzimmer und meine Mum sah mich an.

„Ich danke dir. Das war wirklich mutig…“

Ich erwiderte nichts und zündete mir eine Zigarette an.

„Ich habe nachgedacht.“

„Ach ja? Über was denn?“

Ich erhoffte mir, dass jetzt sowas kommen würde wie: „Du bist ja doch ganz okay, so wie du bist.“

„Ich werde die Tage die Scheidung einreichen und Klaus wird dann mit in die Wohnung ziehen.“

Ich nickte nur stumm und war wieder enttäuscht. Sie dachte nun Mal immer nur an sich und das musste ich wohl akzeptieren. Was wäre gewesen, wenn ich nicht rechtzeitig eingeschritten wäre?

„Ist das denn okay für dich?“

„Was willst du denn jetzt von mir hören? Meine Meinung spielt doch ohnehin keine Rolle mehr!“

„Ja, der Entschluss ist schon gefasst."

Es vergingen zwei Wochen, in der wir in der Schule noch ein paar Arbeiten schrieben und dann standen auch schon die Weihnachtsferien vor der Tür. Irgendwie freute ich mich, weil keine Schule war, aber Weihnachten an sich mied ich so gut es ging. Mit wem sollte ich auch feiern? Meinen Eltern? Darauf konnte ich gern verzichten. Deshalb quartierte ich mich bei Tim ein. Flo und ich verbrachten die Feiertage immer gemeinsam mit ihm, war auch fast wie ein idyllisches Familienfest.

Als wir klingelten, machte niemand auf. Wahrscheinlich lag der Idiot schon wieder voll breit in der Ecke. Ich klingelte noch Mal. Doch ohne Erfolg. Dann rief ich Tim auf dem Handy und komischerweise klingelte es ganz hier in der Nähe. Flo warf mir einen skeptischen Blick zu und wir folgten dem Klingeln. Eine Straße weiter hockte Tim zusammengekauert im Schneematsch und atmete schwach. Ich beugte mich hinunter zu ihm.

„Tim, was is passiert?“

„Hey Klei-ner…woll-te Kippen holn…da hat…mich son Wich-ser…verprügelt.“

Das Reden fiel ihm sichtlich schwer und Flo und ich stützten ihn, um ihn in seine Wohnung zu bringen.

„Fuck!“, entfuhr es mir. Tim war gar nicht so leicht, doch wir schafften es. Ich rief noch den Notarzt an, weil ich mir nicht sicher war, wie schlimm seine Verletzungen waren. Außerdem verlor er immer wieder das Bewusstsein. Der Rettungsdienst traf recht schnell ein und sie nahmen Tim mit ins Krankenhaus. In seinem Zustand hatte er immerhin noch zu uns sagen können, dass wir gern in seiner Wohnung bleiben konnten. Das kam mir mehr als gelegen. Ich war am Ende und holte den Wodka, denn das war das Einzige, was jetzt noch sinnvoll erschien. Flo prostete mir zu.

„Na dann…frohe Weihnachten“, sagte ich. Mein liebster Freund lächelte schwach.

„Tim wird schon wieder, keine Angst…er is’n Kämpfer.“
 

Flo und ich bedienten uns auch an Tims Drogenschrank und schossen uns richtig übel raus, sodass wir den nächsten Tag verpennten. Den ersten Weihnachtsfeiertag waren wir immer bei Basti eingeladen. Wir wussten zwar nicht, ob sie feierten, aber vorbeischauen wollten wir auf jeden Fall. Unser dritter im Bunde wirkte noch immer angeschlagen, doch er freute sich uns zu sehen. Von Tim erzählten wir ihm vorerst nichts.

Bastis Mum hatte gekocht und auch sie hatte uns eingeplant, wie wir an dem reich gedeckten Tisch erkennen konnten. Wir redeten über relativ normale Themen. Das Wetter, Politik und die neuesten Trennungsgeschichten im Hause Hollywood. Später gingen Flo und ich wieder in Tims Wohnung. Aber wir ließen es ruhiger angehen. Ich schnappte die Gitarre und spielte ein bisschen. Flo schaute mir dabei zu.

„Mann das mit Tim is voll zum Kotzen…“

Ich baute noch einen Joint.

„Mhh…geh morgen mal zu ihm…heut ging‘s ja nich…so ein Idiot…der hat bestimmt wieder Stress mit den Faschos angefangen oder so.“

„Meinst du die waren das?“

Ich zuckte mit den Schultern und trank einen Schluck Wodka.

„Wer macht sonst sone scheiße, wenn Weihnachten is.“

„Wie geht’s dir eigentlich?“, fragte mich Flo nach einem kurzen Moment des Zögerns.

„Will nich drüber reden…“, antwortete ich.

„Komm mal her…“

Flo zog mich an sich und ich rutschte näher zu ihm, ließ die Nähe zu, dir mir bei jedem anderen beinahe unerträglich schien.

„Irgendwas fehlt in meinem Leben Flo…warum bekomm ich es nich auf die Reihe ne Beziehung zu führen?“

„Ich hab aufgehört darüber nachzudenken. Für mich is das irgendwie eh zu viel. Bekomm es schon so nich gebacken, mich um meine Freunde zu kümmern, was soll ich da mit ner Beziehung“, witzelte er leicht. Ich piekte ihn in die Seite und er zuckte zusammen, doch entfuhr ihm ein beinahe kindliches Kichern.

„Hör auf…“, giggelte er, doch ich ärgerte ihn weiter und irgendwann kugelten wir uns auf dem Sofa herum, bis wir mit einem unsanften Aufprall auf dem Boden landeten. Noch immer kichernd lagen wir nebeneinander. Mein bester Freund stützte seinen Kopf in der Hand ab und schaute mich mit verschleiertem Blick an. Von der Kappelei war mir warm geworden und ich zog meinen Pulli aus. Zwar verdeckte mein Tanktop einen Teil meines Oberkörpers, doch längst nicht alles.

„Isses schwul, wenn ich dir sage, dass du nen echt heißes Schnittchen bist?“, kam es von Flo und ich musste herzhaft lachen.

„Mega schwul…aber danke…schauen wir noch nen Film an?“

Flo und ich kuschelten uns auf’s Sofa. Ich suchte seine Nähe, weil ich meiner Dunkelheit entfliehen wollte. Meinem Freund schien es nicht anders zu gehen, denn er machte es sich zwischen meinen Beinen bequem, lehnte sich an mich und verflocht seine eine Hand mit meiner. Meine andere Hand betätigte die Fernbedienung und ruhte anschließend auf Flos Arm. Ich streichelte ihn und hauchte hin und wieder einen Kuss auf sein zerzaustes Haar.

„Lukas…ich hab dich lieb…“

„Ich dich auch…danke, dass du die letzten beiden Tage halbwegs erträglich gemacht hast.“

„Für dich immer Sahnetörtchen…“

Ich grinste und umarmte meinen liebsten Freund. Was würde ich nur ohne diesen kleinen Chaoten tun.
 

Tim hatte nur einen Tag zur Beobachtung im Krankenhaus verbringen müssen und glücklicherweise war er ohne größere Schäden davongekommen. Nur eine Gehirnerschütterung. Deshalb musste er jetzt liegen und wir kümmerten uns ein bisschen um ihn. Doch eben weil Tim ein Kämpfer war, konnte er es nicht lassen zwei Tage später nach seinem Krankenhausaufenthalt wieder zu trinken. Ich redete auf ihn, dass er sich schonen sollte, doch er war eben ein sturer Esel.

„Wie is das eigentlich passiert?“, fragte ich dann.

„Ach, was weiß ich…wollte halt Kippen holen und da war da son besoffener Spinner. Hat mich dumm angelabert. Ich wollt ja geh’n, aber der kam mir nach…hat mich verfolgt. Dann hat er mich begrapscht und wollt mir dir Kohle aus der Arschtasche ziehen…da bin ich halt ein bisschen ausgeflippt.“

„Mhh und scheinbar war er auch stärker als du.“

„Ja irgendwie schon…ey Kleener, es is alles cool…mir geht’s wieder gut. Jetzt werd mal wieder locker.“

Ich schüttelte nur mit dem Kopf und zeigte ihm den Mittelfinger.

„Was läuft da eigentlich gerade für Hippi Goa Mucke?“, fragte Tim dann.

„Hab die Tage ne Band oder nee, eher nen DJ gefunden. Er nennt sich Pineal und macht halt instrumentale Musik…auch mal ne angenehme Abwechslung. Aber mach halt weg, wenn‘s dich nervt.“

Das tat Tim dann auch und wir hörten dasselbe wie immer- NIN oder Type o Negative.

Ich traf mich auch noch mit Nici, weil sie mich von einem schönen harmonischen Weihnachtsfest überzeugen wollte. Das Essen mit ihrer Familie zusammen war zwar irgendwie schön, aber ich fühlte mich so fehl am Platz. Ich gehörte hier nicht hin. Meine eigene Familie hatte ich in den Feiertagen gar nicht gesehen, nicht mal Jojo. Dabei hätte sich meine Schwester bestimmt gefreut, wenn ich Weihnachten mit ihr verbracht hätte. Aber ich konnte nicht. Diese Zeit zog mich einfach aufs übelste runter. Alles war immer so harmonisch und jeder tat, als wäre die Welt ein Paradies. Doch ich zu realistisch, um da mitzuspielen. Mein Leben war einfach zu unperfekt, als dass ich da gute Miene zum bösen Spiel machen konnte.

 Silvester feierten wir auch bei Tim und auch Nici wollte kommen. Sie hatte sich richtig schick gemacht und ich begrüßte sie mit einer innigen Umarmung und einem langen Kuss. Wir spielten Wer bin ich und später Blei gießen. Nici goss sowas wie eine Krone, was bedeutete, sie wird reich und bei mir kam ein Herz heraus. Wie süß, ich würde mich verlieben. Doch ich glaubte nicht an solchen Quatsch. Nici sah das natürlich als gutes Zeichen und meinte, dass unsere Liebe ewig sein würde. Auf einmal wurde sie ruhiger und schon fast ein bisschen traurig.

„Was‘n los?“, fragte ich.

„Meine Eltern haben irgendwie voll die Macke!“

Sie fiel mir um den Hals.

„Warum das denn? Haben sie dir gesagt, dass du dich von mir trennen sollst.“

„Red nich immer son Mist. Heute haben sie so gemeint, dass wir im März wieder nach Hennigsdorf ziehen wollen! Weil meinem Dad jetzt einfällt, dass der Weg in die Stadt doch nicht so weit ist und er auch jeden Tag fahren könnte. Da muss ich all das zurücklassen, was ich hier aufgebaut habe und vor allem dich! Ich will dich nicht verlieren!“

Nici legte ihren Kopf in meinen Schoß. Das kommt ja mal wieder alles schön zusammen. Tim richtet gerade nur Blödsinn an und meine Freundin zieht weg. Mein Leben war das reinste Chaos.

Da war ich schon wieder an dem Punkt angelangt, wo ich mich am liebsten zudröhnen würde. So war es immerhin ein bisschen erträglicher.

„Du hast doch ehe einen besseren Kerl als mich verdient!“

„Du bist echt bescheuert. Klingst ja fast so, als ob du mich loswerden willst!“

Ich wollte Nici nie im Leben loswerden, jedoch wusste ich auch nicht, was ich machen sollte. Auf dem Land, in so einem kleinen Dorf könnte sie so viele neue Leute kennen lernen.

 

Als die  Schule wieder losging, bemühte ich mich nicht besonders gut ins neue Jahr zu starten. Ich hatte einfach keinen Bock, etwas zu machen. Ich dachte nur noch an Nici.

Nach der Schule ging ich nach Hause, weil ich keine Lust auf Menschen hatte. Ich legte mich aufs Bett und hörte Musik. Pink Floyd mit Comfortably numb. Dieses Lied empfand ich als wunderschön und tottraurig zugleich und es brachte mich immer in einen sehr nachdenklichen Zustand. Ich hatte meine Familie jetzt eine Woche nicht gesehen und es fehlte mir auch irgendwie nicht, aber wie ging es meiner Schwester? Ich wollte so gern für sie da sein, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass sie von unseren Eltern gut behandelt wurde. Naja vielleicht versuchten sie Jojo auch auf ihre Seite zu ziehen? Dieser Gedanke schmerzte und ich hoffte nicht, dass Jojo es so weit kommen ließ.

So plätscherte das neue Jahr vor sich hin und wir trafen uns ab und zu im Jugendclub oder im Proberaum. Das kalte Wetter brachte mich noch um und ich hoffte, dass es bald wieder wärmer werden würde.

 

Frühling

Ich traf Nici auf dem Heimweg. Sie hatte schon die ganze Zeit nach mir gesucht.

„Wo warst denn, ich hab mir schon Sorgen gemacht?“

„Ist nicht so wichtig. Können wir noch was Schönes zusammen machen?“

„Mein Gott, ich will jetzt wissen, wo du warst. Ist das denn zu viel verlangt?“

„Bei Tim, okay. Hast du denn überhaupt kein Vertrauen mehr zu mir? Denkst du, ich nutze die Chance, dass du wegziehst und vögel mit 'ner andere rum?“

Sie brach weinend zusammen, ich konnte sie gerade so halten. Jetzt, da ich sie so traurig vorfand, wusste ich nicht, wie ich mich verhalten sollte. Ich war mir nicht mal mehr im Klaren, ob ich sie noch liebte. Tim kannte ich schon viel länger und dann das übliche Problem. Ich konnte und wollte mich nicht auch noch mit Beziehungsstress herumärgern müssen.

„Doch ich habe Vertrauen zu dir. Tut mir leid, ich bin einfach nur total aufgelöst. Ich will dich einfach nicht verlieren!“

Ich nahm sie in meine Arme. Der Gedanke, Nici bald nicht mehr zu haben war seltsam, aber es störte mich auch nicht besonders. Ich schlug vor, zu mir zu gehen, weil ich ehe alleine zu Hause war. Sie war damit einverstanden. Wir redeten nicht besonders viel miteinander. Sie streichelte mir über den Kopf und über den Rücken.

„Was hast du am Wochenende gemacht?“

„Das was ich am besten kann, mich betrinken.......naja und halt mit Flo und Tim einen geraucht, warum fragst du mich das immer wieder? Was erhoffst du dir davon?“

„Ich mach mir nur Sorgen um dich. Wann hörst du endlich ganz mit dem Mist auf?“

„Ich hab dir dazu schon eine Antwort gegeben, nimm es hin oder lass es bleiben!“

Ich stand auf und ging ans Fenster. Manchmal wusste ich wirklich nicht, was in ihr vorging. Wenn ich wollte, könnte ich echt ein schönes Leben führen, aber irgendwie rutschte ich immer von einem Extrem in das andere. Wahrscheinlich hatte ich es nicht anders verdient.

Der Tag, an dem Nici wegzog rückte immer näher und ich hatte noch keinen Plan, wie ich mich von ihr verabschieden sollte. Vielleicht war es besser, wenn sie wegkommt. Da war es in so einem kleinen Dorf doch ruhiger, jedoch vermisste ich sie jetzt schon. Nici ist aber anders als ich, vielleicht war sie sogar froh, dass sie wegzieht. Es hat in letzter Zeit ehe ganz schön bei uns gekriselt, haben uns viel rumgezofft. Was soll’s, dort findet sie doch bestimmt einen besseren Kerl, was soll sie dann noch mit mir. Aber es hat jetzt keinen Sinn, darüber zu grübeln, macht nur depressiv.

Es klingelte, meine Mum würde schon gehen.

„Flo ist unten, ich soll dich fragen, ob du mit raus kommst.“

„Sag ihm er soll noch einen Moment warten.“

Ich beeilte mich nicht, weil ich keinen Bock auf Schule hatte.

„Lukas?“

Meine Mum kam mir noch mal hinterhergelaufen,

„Kannst du mir was versprechen?“

„Was denn?“

„Dass du mal nicht so spät nach Hause kommst?“

„Ich denke schon!“

Wir lächelten uns an und ich war ein bisschen stolz auf mich, weil ich wusste, dass ich mein Versprechen halten würde, nicht nur wegen meiner Mum.

Flo und ich verbrachten unser Wochenende ohne viel Stress und wir hatten sogar richtig Spaß.

 

Mittwochmorgen, der Wecker klingelte so laut, dass ich vor Schreck im Bett saß. Doch die Müdigkeit ließ mich schnell wieder in die weichen Kissen zurücksinken.

Ich schleppte mich noch halb verpennt ins Bad hinunter und verbrachte etwa fünfzehn Minuten unter der Dusche. Irgendwann kam meine Mum und fragte mich, ob ich nicht bald fertig sei.

„Du brauchst dich gar nicht zu beschweren, du brauchst meist viel länger im Bad als ich. Aber das haben Frauen ja so an sich.“

Ich setzte ein breites Grinsen auf und ging in mein Zimmer um mich anzuziehen.

„Ach, Lukas, was gefällt dir denn so an diesen schwarzen Klamotten? Aber ich kann ja ehe reden, was ich will.“

Ich zuckte nur mit den Schultern und machte mich auf den Weg zur Schule. Flo wartete vor der Haustür schon auf mich.

„Leg mal nen Zahn zu, ich muss mir noch Zigaretten kaufen.“

Ich kramte in meiner Tasche und gönnte mir am nächsten Automaten eine Schachtel Luckys.

„Ach, Lukas, du wolltest doch bestimmt gerade eine Runde schmeißen?“

Flo grinste mich fies an.

„Doch nicht etwa für dich, du kleiner Schleimscheißer!“

Ich grinste noch fieser zurück, gab ihm aber eine Zigarette. Da war ich ja nicht so.

„Bald is das WGT, wie kommen wir eigentlich hin und wo pennen wir? Kommen ganz coole Bands.“

„Auf jeden Fall aufm Zeltplatz.“

 Tim wollte fahren, aber da wir nicht alle in sein Auto passten, beschlossen wir mit der Bahn zu fahren. Ich freute mich wie ein kleines Kind und hatte mich schon auf der Zugfahrt gestylt, natürlich im Batcaveoutfit. Für meinen Iro hatte ich heute morgen fast eine halbe Stunde gebraucht, aber das Resultat konnte sich sehen lassen und scheinbar war auch meine reizende Freundin hin und weg.

Leipzig war ein einziger Ausnahmezustand. Sowas hatte ich noch nie gesehen, so viele Gruftis auf einmal. Ich fühlte mich das erste Mal in meinem Leben nicht als Außenseiter. Als erstes machten wir uns auf den Weg zum Agragelände, um unsere Zelte aufzubauen. Das passierte recht schnell und ich schloss mein Zelt ab. Man konnte ja nie wissen. Dann hieß es Shoppingtime. In der Agrahalle waren hunderte von Ständen, die Klamotten, Schmuck und Musik verkauften. Wir liefen durch, nur war es irgendwie zu viel und wir waren ja noch ein paar Tage hier. Dann holten wir uns was zum Essen und zum trinken. Heute sollte ASP spielen und das wollten wir nicht verpassen.

Wir drängten uns recht weit vor und natürlich begann das Konzert mit Sing Child. Schon da tanzte die Menge und sang den Text mit. Doch leider verließ der Herr Spreng die Bühne viel zu schnell. Später gingen wir dann noch ins heidnische Dorf und lachten die Menschen aus, die ohne Karte davor anstehen mussten, um Eintritt zu bezahlen. Dort spielte eine Mittelalterband, die ich jedoch nicht kannte. Wir trafen auf einen Metstand, wo es Hanfmet gab. Der hatte eine rosarote Farbe und schmeckte vorzüglich, knallte aber auch ganz schön. In meinen Plateaustiefeln wurde mir mittlerweile ganz schön warm. Wir tranken aus der Flasche und hockten uns auf die Wiese, um Menschen zu beobachten. Es faszinierte mich, was manche Besucher für einen Aufwand betrieben haben mussten, um ihr Outfit zu entwerfen. Nachdem wir noch Hocico angeschaut hatten, holten wir uns noch was zum Essen und feierten im Dark Flower. Dort legte Sven Friedrich auf. Ich tanzte jedoch nicht so viel. Wir lernten ein paar Jungs aus den Staaten kennen, die dieses Jahr auch zum ersten Mal beim WGT waren.

Am nächsten Tag, nachdem wir uns wieder aufgehübscht hatten ging es nach dem Frühstück gleich zum nächsten Konzert- Eve of Destiny. Die kamen aus Japan und irgendwie hatte ihre elektronische Musik was. Ich verstand zwar keinen Brocken Japanisch, aber egal. Ich holte uns noch Bier und die anderen sicherten schon Mal gute Plätze. Als ich mir mit den drei Bechern einen Weg durch die Menschenmenge bahnte, wäre ich fast mit einem blonden großen Typen zusammengestoßen. Das Bier schwappte über und mir auf mein weißes, zerrissenes Oberteil. Ich fluchte und wollte den Kerl schon anstressen, doch der war weg. Nur als ich mich umdrehte, drehte auch er sich um und zwinkerte mir zu. Was für ein Idiot. Ich erzählte den anderen davon, als ich mich endlich durchgekämpft hatte. Wir prosteten uns zu. Das Konzert war mehr als abgefahren und der Sänger zog eine ziemlich skurrile Show ab. Seine knalligen roten Haare reichten bis über die Schultern und er trug ein schwarzes Stirnband. Er hatte sowas wie einen Netzanzug an und darüber einen Wickelrock. Die Gitarre vom Gitarristen war so rot, wie die Haare vom Sänger. Beide hüpften ein bisschen unkoordiniert auf der kleinen Bühne im Werk 2 rum und manchmal erweckte es den Anschein, als würden sie miteinander flirten.

Am letzten Tag gaben wir uns noch Schock und Zeraphine, gefolgt von der großen Abschlussparty im Dark Flower. Ein wirklich gelungenes Wochenende mit viel zu wenig Schlaf und ich freute mich wirklich auf eine richtige Dusche.

Nici brachten wir nach Hause und dann machten sich alle erst Mal auf den Heimweg. Bis auf Flo, er ging mit zu Tim.

 

Die nächsten Tage sollten wieder wärmer werden und ich traf mich mit Flo und Tim in der Stadt, weil das Wetter so schön war wollten wir es uns irgendwo gemütlich machen. Wir kauften noch genug Alkohol für den Abend und ließen uns mit einer großen Decke im Park nieder. Es war ein warmer Abend und die Sonne schien noch ganz schön heiß. Deshalb genoss ich später die kühle erfrischende Abendluft.

„Du Tim, was ist eigentlich mit dir und Alex?“, unterbrach ich das Schweigen.

„Ich bin im Moment auch nich sicher, hab sie ja immerhin schon zwei Wochen lang nich mehr gesehen. Vielleicht hat sie auch einen anderen besseren, als mich gefunden.“

„Ach glaub ich nich.“

„Nee jetzt mal im Ernst. Ich liebe diese Frau echt noch wahnsinnig, aber ich weiß ja nicht, was sie gerade von mir hält, weil wir das letzte Mal im Streit auseinander gegangen sind.“

„Na dann würde ich an deiner Stelle mal was machen, manchmal verstehe ich dich echt nich, aber das ist halt Tim!“

Tim schaute mit gesenktem Kopf zu Boden, Flo sagte zu ihm:

„Da rufe sie doch jetzt mal an und frag sie, ob sie nich Lust hat mit hierher zu kommen.“

Nach kurzem Nachdenken entfernte sich Tim ein kleines Stück von uns.

„Ey, ich hab euch doch erzählt, dass Nici wegzieht, nur irgendwie kümmert es mich gar nich…ist das nich komisch?“

„Dann solltest du dir mal Gedanken über deine Gefühle zu ihr machen!“, meinte Flo.

„Mhh, ich mag sie, aber ich weiß nich, ob ich sie liebe.“

„Du bekommst wenigstens die Mädchen, die du haben willst, manchmal würde ich mir wünschen, dass ich auch alles so einfach anpacken könnte, wie du!“

Ich musste mir das Lachen ein wenig verkneifen. Flo konnte ganz schön übertreiben, denn er war echt ein Hübscher, nur manchmal schien ihm sein Selbstbewusstsein abhanden gekommen zu sein.

„Du kannst so geil aussehen, wie du willst, wenn du etwas Falsches zu einem Mädel sagst bist du sowieso unten durch.“

„Stimmt da hast du auch wieder Recht!“

„Ja klar doch. Der Tim kommt ja gar nicht wieder. Wer weiß, was der mit Alex beim telefonieren macht!“

Flo und ich grinsten uns an.

„Lukas, wollen wir auf Ex trinken?“

Meine Flasche war noch halb voll.

„Na von mir aus. Auf Ex oder Nazi!“

Ich merkte, wie mir der Alkohol so allmählich in den Kopf stieg. 

„Kommt jemand mit Zigaretten holen?“

„Ich komm mit!“, sagte Flo. Ich streifte mir den Pullover über.

Wir liefen eine Weile schweigend nebeneinander her. Manchmal fragte ich mich, wen ich mehr mochte Basti, Flo oder Tim? Die letzten Monate waren hart gewesen, weil ich das erste Mal erlebt hatte, wie es war einen lieben Freund so am Ende zu sehn, wie Tim, als er verprügelt wurde und dann der Mist zu Hause. Aber Flo und Basti waren da. Beide kannte ich schon so lange und Tim war irgendwann zu uns gestoßen, doch gehörte er auch zu unserem Dreiergespann?

„Lukas, hast du dir mal überlegt, dass es tatsächlich was mit deinen Gefühlen zu tun haben könnte? Neulich hast du doch sowas gesagt…vielleicht stehst du ja echt auf Männer!“

Seine Worte trafen mich wie ein Blitzschlag.

„Kein Plan, das war nur so ein Gedanke.“

„Ja schon, aber vielleicht auch ein Gedanke, mit dem du dich mal befassen solltest!“

Wir waren am Automaten angelangt und ich holte Zigaretten.

„Boah Flo…wie soll ich das anstellen? Außerdem trägt das nich gerade zu meiner guten Entwicklung bei…dann bin ich nich nur ein Grufti, sondern ein schwuler Grufti…dann lassen mich meine Eltern einweisen oder so.“

„Ja, aber irgendwann musst du auch mal an dich denken Süßer…was willst du deinen Eltern noch beweisen? Du kannst sie nich ändern…vielleicht denken sie irgendwann anders von dir, aber wann haben sie dir jemals gezeigt, dass du ihnen noch wichtig bist?“

Die Wahrheit traf mich härter als gedacht und ich setzte mich auf die nächste Bank.

„Ich will die Hoffnung einfach nich aufgeben Flo…es sind doch meine Eltern…“

Flo schnorrte sich eine Zigarette und warf mir ein schwaches Lächeln zu.

„Ich hoffe du hast Recht.“

Nici hatte mir geschrieben und ich hatte ihr geantwortet, dass sie in den Park kommen sollte. Ein kleines Stück entfernt von meinen Freunden redeten wir. Flos Worte hallten noch immer in meinem Kopf, doch ich verdrängte sie.

„Wolltest du nich mit deinen Eltern wegfahren?“

„Ich kann einfach nicht, hab noch mal mit meinen Eltern geredet und wir haben beschlossen, dass ich bei meiner Oma bleiben darf. Sie haben halt doch ein bisschen Mitleid mit mir gehabt!“

Ich setzte mich hinter Nici und nahm sie auf meinen Schoß, so dass sie mit dem Gesicht zu mir schaute.

„Das klingt toll und bedeutet wohl, dass wir wieder mehr Zeit miteinander verbringen sollten!“

Wir küssten uns, ihre Hände glitten unter meinen Pullover und spielten an meinen Piercings in der Brustwarze. Ich genoss das.

„Ich liebe dich Lukas! Wo warst du eigentlich vorhin, ich hab dich gesucht.“

„Flo, Tim und ich waren die ganze Zeit im Park.“

„Gehen wir erst mal zu den anderen.“

„Gute Idee.“

„Bekomme ich eine Zigarette von dir?“

Sie setzte ein verführerisches Lächeln auf.

„Alles, was du willst!“

Ich steckte mir eine Zigarette an und reichte sie an Nici weiter, dann zündete ich mir eine eigene an. Sie nahm einen tiefen Zug, gab mir noch einen Kuss und dann schlenderten wir Hand in Hand zu unserer Gruppe.

Das war wieder einer dieser Momente im Leben, in denen ich so unsagbar glücklich war. Was konnte jetzt schon noch passieren? Immerhin hatte ich zwei der liebsten Menschen wieder, was wollte ich eigentlich mehr? Und egal, ob mich meine Eltern mochten oder nicht.

Tim war wieder da, in Begleitung von Alex. Die beiden schienen sich wieder versöhnt  zu haben, denn Tim lag mit dem Kopf in ihrem Schoß und sah sehr zufrieden aus.

Es waren noch ein paar Leute dazugekommen, Christian, unser kleiner Macho und Basti, dessen Anblick mich sehr erfreute, mit seinem großen Bruder Mike. Ich begrüßte alle und Basti war ganz erstaunt, als er Nici sah, freute sich jedoch. Ich legte mich zwischen Tim und Flo, wo ich vorhin auch war. Ich öffnete Nici und mir ein Bier und zündete mir erneut eine Zigarette an.

„Du Nici, meine kleine! Wie kommt es denn, das du jetzt doch nicht weggezogen bist?“, fragte Basti.

„Ich hatte keinen Bock, all das was ich hier aufgebaut habe hinter mir zu lassen und meine Eltern haben sogar Verständnis gezeigt!“

„Das ist eine weise Entscheidung!“, meinte Tim.

„Sonst wäre Lukas bestimmt noch schwul geworden!“

„Ey komm Tim, du musst unser kleines Geheimnis nicht so in der Öffentlichkeit preisgeben“, witzelte ich. Er verpasste mir eine von der Seite, nur zum Spaß. Doch Flo warf mir einen vielsagenden Blick zu.

„Ich muss dir auch mal was erzählen!“

Er zerrte mich von den anderen weg. Neugierig sah ich meinen Freund an.

„Weißte was, Alex hat mir vorhin erzählt, dass sie schwanger is. Es is auch sicher, dass das Kind von mir stammt.“

Ich war sprachlos, das hätte nicht erwartet. Vor lauter Euphorie sprang ich Tim um den Hals.

„Ey ich glaub’s nicht, du wirst echt Papa! Da will ich aber Patenonkel werden, dass das klar is!“

„Na klar, Alex hat bestimmt nichts dagegen einzuwenden.“

Als es dann schon dunkel wurde, beschlossen Nici und ich zu gehen, denn mit der Dunkelheit brach auch die Kälte herein. Ich nahm sie noch mit zu mir nach Hause.

„Es gibt zwei Dinge im Leben, ohne die ich nicht leben kann, das bist du und Zigaretten.“

Ich musste lachen.

„Du bist echt ein Oberspinner!“

Leise schlichen wir hinauf in mein Zimmer, da der Rest meiner Familie schon zu schlafen schien. Ich legte mich auf mein Bett, rauchte eine Zigarette und schloss die Augen. Nici legte sich neben mich. Sie wartete, bis ich aufgeraucht hatte. Dann zog sie mir den Pullover aus und streichelte zärtlich über meinen Bauch.

„Du hast den schönsten Bauch der Welt!“

„Danke, hübsche Frau!“

Sie setzte sich auf meine Oberschenkel und küsste mich vom Hals an abwärts. Irgendwann lag ich dann ganz nackt vor ihr und sie spielte mit meinem Körper. Das erregte mich ganz schön und ich erwiderte ihre Liebesspiele. Ich umkreiste ihre Brustwarzen mit der Zunge, was sie sehr genoss.

Ich hatte zwar schon mit vielen Mädchen geschlafen, doch mit Nici war das etwas ganz besonderes. Wir schliefen sanft miteinander, es war einfach wunderschön. Als wir dann wieder nebeneinander lagen, senkte sie ihren Kopf auf meine Brust und schlief ein. Ich dagegen lag noch lange Zeit wach.

Wenn es nur immer so schön bleiben könnte, wie die letzten paar Tagen. Doch ich wusste, dass es nicht so sein würde, weil mich meine Vergangenheit bald wieder einholen wird und das machte mir große Angst. Spätestens, wenn ich mich wieder mit einer Person, die mir sehr nahe liegt, streite, fange ich wieder mit dem Scheiß an und so langsam war mir auch bewusst, dass das mein Körper nicht mehr lange mitmachen würde. Ich weiß auch nicht, wie oft ich schon versucht habe, davon loszukommen, doch durch einen dummen Zufall hab ich dann doch wieder angefangen. Ich habe Nici zwar versprochen, dass ich aufhöre, aber ich wusste, dass ich es nicht schaffen könnte, wenn ich nicht ernsthaft bereit dazu war und dieser Gedanke machte mich innerlich immer mehr kaputt.



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