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Seelenkrank

von

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ein ewiger Teufelskreis

 

Jojo sorgte sich um Lukas, mehr als sie es sonst tat. Natürlich kannte sie seine Narben vor allem an den Armen, doch war ihr keineswegs entgangen, dass er sich neue Verletzungen zugefügt hatte und das machte ihr Angst. Dennoch fiel es ihr schwer ihn darauf anzusprechen. Sie verkroch sich in ihrem Zimmer, weil sie ihm einerseits helfen wollte, doch seine Launen auch kaum mehr ertrug. Immer hatten alle in ihr das kleine Mädchen gesehen, das ja eh von all dem Scheiß nichts mitbekommen sollte, doch sie hatten sich bitterlich geirrt, denn das kleine Mädchen hatte viel zu viel gesehen. Auch, wenn es den einen anderen gab, der bemüht war ihr Gesicht vor der Grausamkeit zu bewahren. Ihre Mum weilte nicht mehr unter den Lebenden, ihr Vater schaffte es sie und Lukas perfekt von seinem Leben auszuschließen, tja und Lukas? Zudem musste man ja nicht mehr sonderlich viel sagen. Sicher versuchte er immer der tolle große Bruder zu sein, doch Jojo bezweifelte, dass er jemals das ersetzen konnte, was ihr fehlte. Sie liebte und vergötterte ihn, dennoch wurde dem jungen Mädchen alles zu viel, was sich gerade unter diesem Dach abspielte. Sie konnte nichts mit Liebe anfangen, denn dafür hatte sie zu viele Beziehungen zerbrechen sehen. Jojo stand kurz vor ihrem siebzehnten Geburtstag und dann auch  kurz davor ihr Abitur zu absolvieren, doch was dann? Sie hatte nicht mal Pläne, wie es weitergehen sollte. Jojo knotete ihre langen Haare zu einem lässigen Dutt zusammen und beschloss ihren nach Räucherstäbchen duftenden Tempel mal zu verlassen. Kurz vor der Veranda hielt sie inne, denn Lukas und Jule schienen in ein Gespräch vertieft zu sein.

Es drehte sich wieder mal alles um Lukas und, dass es ihm schlecht ging, doch was war mit ihr? Fragte er auch nur einmal nach ihrem Befinden?

„Hey Schwesterchen, alles okay?", fragte Lukas. Na gut, er schien sich doch ein bisschen für sie zu interessieren.

„Es ist gerade alles komisch Lukas. Ich komme mit der Situation nicht klar und nebenher muss ich irgendwie noch lernen."

Er seufzte.

„Ich weiß und das tut mir auch echt leid. Kann ich dir etwas Gutes tun?"

Und jetzt, ganz plötzlich brach es aus ihr heraus.

„Ja, du könntest mal aufhören, dich nur immer um dich zu kümmern...es dreht sich grad alles um dich und das nervt voll!"

Lukas kniff die Augen zusammen.

„Ach ja? Ich muss mich gerade mit nem aufmüpfigem Halbbruder rumärgern und verschone dich damit. Wo geht es denn da bitte um mich?"

„Abgesehen davon, ist dir vielleicht mal in den Sinn gekommen, dass es auch noch anderen Menschen in diesem Haus mies gehen könnte? Wenn du Fabi gerade nicht umsorgst, sitzt du doch auch nur rum und heulst, wie schlimm alles ist."

Jetzt hatte sie ihn verärgert.

„Weil es mir gerade bis hier oben steht Jojo! Wenn es dir gerade nich passt, wie ich bin, geh doch. Ich zwinge keinen mit mir zusammen zu wohnen. Du hast dir das damals ausgesucht."

„Ach jetzt soll ich zu Papa? Manchmal wäre ich da auch gern. Er würde sich sicher um mich kümmern und mich fragen, ob ich vielleicht Hilfe beim Lernen brauche!"

Lukas lachte höhnisch.

„Dann bitte, viel Spaß mit ihm."

„Warum kannst du dich nicht einfach mit ihm vertragen?"

„Weil es nich geht."

Wieder baute sich diese rasende Wut in ihr auf. Nein, du kannst es nicht, weil dir dein scheiß Ego im Wege steht. Sie kämpfte mit den Tränen.

„Wenn du mich wirklich magst, würdest du es wenigstens versuchen!", schrie sie jetzt fast.

„Ach, glaubst du nich, dass ich das versucht habe? Jojo, er hasst mich!"

„Nur, weil du ihn schon abgeschrieben hast! Das ist auch der Grund, warum Mama gegangen ist...du bist arrogant und stur!"

Aus Lukas seinem ohnehin schon blassem Gesicht wich auch noch der Rest der Farbe und er schaute seine Schwester schon fast hasserfüllt an.

„Machst du mich jetzt ernsthaft für Mamas Tod verantwortlich?"

Sie nickte. Dann tat er etwas, das ihr einen gewaltigen Stich ins Herz versetzte, er rief Papa an, stellte auf laut und das ohnehin schon verzweifelte Mädchen musste mit anhören, dass ihr blöder Vater zu beschäftigt war und deshalb nicht herkommen konnte. Er ließ sich auch nicht erweichen, als sie unter Tränen selbst mit ihm sprach.

„Was hab ich nur für ne beschissene Familie."

Juhu, ihr Bruder hasste sie jetzt auch. In einer Woche war Jojos erste Prüfung, zwar nur Deutsch, aber sie musste ein bisschen lernen. Doch stimmte es nicht? Wenn Lukas normaler gewesen wäre, wäre ihre Mum nicht nach Schottland geflogen und das Flugzeug wäre ohne sie abgestürzt.

 

Das war perfekt, genau diesen Satz hatte ich schon immer von meiner Schwester hören wollen. Ich schickte Jule weg, weil ich mich sammeln musste. Wie um alles in der Welt hatte sie das zu mir sagen können? Scheinbar war ich nicht mehr ihr großer Lieblingsbruder und sie sah selbst, wie verkorkst ich war. Bis vor kurzem hatte ich den Schein noch wahren können und ihr eine halbwegs heile Welt präsentieren können, doch der Vorhang war gefallen. Ich konnte Johanna nicht unter die Augen treten und auch sie schien mich zu meiden, schließlich bot das Haus ja genügend Platz. Doch es machte mich auch verdammt wütend, dass sie unseren Dad mir vorzog. Er hatte sich nie um meine Schwester gekümmert und mir, der immer für Johanna da gewesen war, wird die Schuld in die Schuhe geschoben, dass ich am Tod unserer Mum schuld bin. Das konnte nicht sein. Doch zum Glück ging es mit Fabi aufwärts. Er kam immer öfter, um sich mit mir zu unterhalten, doch ich konnte oder wollte im Moment nicht viel reden.

„Wäre es okay, wenn ich bis heut Abend in die Stadt fahre?"

In mir braute sich eine dunkle Vorahnung zusammen, doch immerhin war er wieder klar im Kopf.

„Bitte, bitte versprich mir, dass du keinen Mist baust Fabi."

Er nickte und grinste.

„Versprochen, ich muss nur mal raus hier, bin so in zwei Stunden wieder da."

Ich drückte ihn kurz an mich und ließ ihn gehen.

 

Auf dem Weg ins Haus wäre ich fast mit Johanna zusammengestoßen. Ich holte meine Zigaretten und wollte zurück in den Garten. Meine Schwester schien etwas zu kochen. Mich jedoch interessierte das nicht im Geringsten. Sie wollte das ausfechten, also schön. So leid es mir tat, auch ich konnte anders. Ich beschloss dann ein Bier zu trinken und hoffte, dass Fabi zurückkam. Im Fernseher lief nur Quatsch und ich bangte schon, er könnte wieder einen Rückfall gehabt haben. Doch er kam zum Wohnzimmer hereinspaziert. Mann, war ich froh darüber. Ich schaute ihm prüfend in die Augen und stellte fest, dass er tatsächlich nichts genommen hatte.

„Zufrieden?", witzelte er. Ich nickte.

„Lukas, ich hab mich glaub ich noch nie richtig bedankt. Es ist toll jemanden wie dich zu haben, der nicht die Hoffnung aufgibt. Ich war echt am Arsch."

Ich musste grinsen.

„Ich weiß. Aber heyy, jetzt geht es dir wieder gut."

„Und was ist mit dir? Geht es dir gut?", fragte mein kleiner Bruder auf einmal. Ich schluckte den Kloß hinunter und nickte.

„Klar."

 

Jojo beschloss nicht mehr für Deutsch zu lernen, brachte irgendwie ohnehin nichts. Stattdessen genoss sie mit ihrer Freundin Nina das Partyleben. Sie kam und ging, wann sie wollte und Lukas sagte nichts dazu. Das machte sie rasend und sie provozierte ihn immer weiter, indem sie sich in auffällige und sehr gewagte Outfits warf. So dachte sie zumindest.

Jojo flirtete, was das Zeug hielt und war bei den Jungs nicht gerade unbeliebt. Sie tat alles dafür, dass sie ihr Bruder wieder wahrnahm, egal auf welche Weise. Johanna entwickelte sich zur ultimativen Partyqueen und Nina zog mit ihr mit. Egal, wo die Mädchen auftauchten, waren sie die Stars und alle, vor allem die Jungs rissen sich darum, wer mit ihnen tanzte oder die beiden auf einen Drink einlud.

Nebenher begann die erste Prüfungswoche. Deutsch war okay, Englisch schaffte Jojo auch noch, doch dann näherte sich Mathe und sie sah schwarz. Sie konnte es nicht, so sehr sie sich auch bemühte. Früher hätte ihr Lukas geholfen, doch das tat er nicht. Sie hatte ihn auch nicht um Hilfe gebeten. Am nächsten Morgen erwachte Jojo mit zittrigen Händen und voller Panik. Keiner war munter, als sie das Haus verließ, um ihr Glück zu wünschen. Sie unterdrückte die Tränen.

Ab und zu hatte sie mit einem Klassenkameraden gelernt, hoffentlich reichte dieses Wissen, sonst war sie wirklich aufgeschmissen. Ihr Lampenfiber wurde nicht besser, als alle Schüler in der großen Halle saßen und die Aufgabenblätter verteilt wurden. Johanna las irgendetwas von Wahrscheinlichkeitsrechnung und bekam ein endgültiges Blackout. Sie schrieb zwar etwas auf ihr Blatt, doch hatte das wohl wenig mit der Aufgabe zu tun. Nach einer Stunde gab sie ab und machte sich auf dem schnellsten Weg nach Hause. Doch nein, nach einigen Minuten zögern beschloss sie ihren Dad besuchen zu gehen. Doch sie war keine fünf Minuten da, da schenkte er ihr schon wieder kaum mehr Beachtung und meinte nur, dass er viel zu tun habe. Er blätterte in irgendwelchen Unterlagen an seinem Schreibtisch und Jojo hockte auf dem Sofa. Nicht Mal was zum Trinken bot er ihr an. Vielleicht dacht er ja auch, dass sie sich selbst was holen könne, immerhin war das irgendwie auch noch ihr zu Hause. Das tat sie dann auch.

„Wie geht es dir?", fragte sie schließlich. Er schaute kurz von seiner Arbeit hoch.

„Gut und dir?"

„Ich glaub ich hab meine Matheprüfung heut in den Sand gesetzt", erwähnte Jojo so beiläufig wie möglich.

„Hat dir dein Bruder nicht beim Lernen geholfen?"

„Wir reden gerade nicht miteinander."

Jetzt schien sie seine Aufmerksamkeit geweckt zu haben.

„Warum nicht? Hat er dich verärgert?"

Sie schüttelte mit dem Kopf und auf einmal machte sich ein komisches Gefühl in der Magengegend breit. Sie konnte ihrem Vater unmöglich vom Grund des Streites erzählen. Plötzlich übermannte sie ein schlechtes Gewissen.

„Nee, ich hab ihm gesagt, dass er für Mamas Tod verantwortlich ist."

Plötzlich erhellte sich die Miene.

„Du stehst also doch auf meiner Seite, ich wusste es mein Liebling. Wenn dein Bruder nicht wäre, könnten wir noch immer eine glückliche Familie sein, Johanna. Er ist an allem Schuld. Schön, dass du das auch so siehst. Ich habe schon immer gewusst, dass du dich irgendwann änderst."

Die Worte ihres Vaters erschreckten das Mädchen und jetzt bereute sie das, was sie zu Lukas gesagt hatte. Ihr Bruder hatte Recht, Papa hasste ihn.

„Ähm, das meine ich nicht ganz so, ich würde Lukas nicht allein die Schuld geben."

„Johanna, du warst noch sehr jung und hast das nicht mitbekommen, aber Lukas und eure Mutter haben sich immer gestritten. Er hat sich sein Leben mit Drogen zerstört und wir mussten ihn sogar ins Krankenhaus bringen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schrecklich das alles für uns war. Komm her Kleines. Du kannst gern bleiben. Du musst nicht mehr zu ihm zurück, ich kann das vollkommen verstehen."

Erst jetzt wurde Johanna wirklich bewusst, was für ein Mensch ihr Vater war und das schockierte sie. Er hatte keine Ahnung, dass sie mehr wusste, als er dachte und sie wollte nur weg von hier.

„Ich geh dann mal, muss noch lernen."

Er umarmte sie und versuchte sie zu überreden, wieder hier her zu kommen.

Das war alles zu krass, deshalb rief Jojo Nina an und die Mädchen planten heute Abend Party zu machen. Doch heute war alles anders. Johanna, die sonst so cool und selbstbewusst war, fühlte sich heute uncool und klein. Da kam ein Typ, mit dem sie neulich schon mal was angefangen hatte und baggerte sie wieder an, doch Jojo gab ihm einen Korb. Da wurde er ausfällig und bedrängte sie. Verzweifelt suchte sie Nina, doch sie war irgendwo in der tanzenden Menge. Johanna flüchtete an die Bar und trank ihren Cocktail. Kurz vorher schrieb sie Lukas noch eine Nachricht, weil sie einfach hoffte, dass ihr Bruder sie wieder Mal retten würde. So wie er es immer tat. Nach einer Weile wurde ihr ganz schummrig und irgendwie gehorchte ihr Körper nicht mehr so ganz. Sie hatte das Verlangen zu tanzen und zu trinken. Den Typen fand sie dann auch gar nicht mehr so blöd. Sie wehrte sich auch nicht mehr, als er sie in eine Ecke zog und sie anfasste. Doch es fühlte sich nicht richtig an. Jojo wurde schwarz vor Augen und auf einmal packten sie zwei starke Arme, mehr wusste sie nicht mehr.

 

Jojo lag irgendwo. Es war gemütlich und warm, doch auf einmal spürte sie ein fürchterliches Übelkeitsgefühl. Irgendjemand reichte ihr einen Eimer oder sowas und sie musste sich übergeben. Dann schlief sie wieder ein. Doch sie erwachte erneut, weil ihr schlecht war. Langsam wurde sie dann klarer im Kopf und schaute sich um. Sie lag zu Hause auf dem Sofa im Wohnzimmer. Hatte Lukas sie etwa abgeholt? Jojo erholte sich allmählich und versuchte aufzustehen, doch das funktionierte irgendwie nicht so ganz. Soviel hatte sie doch gar nicht getrunken. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr Bruder auf dem Sofa neben ihr saß.

„Geht‘s dir wieder besser?"

Sie nickte. Lukas war wunderschön oder kam mir das nur so vor? Hübsch hatte sie ihn schon immer gefunden, doch das einzige, was sie wirklich erschreckte, waren seine traurigen traurigen Augen. So ganz ohne Glanz und ohne Lebensfreude.

„Hast du mich gestern geholt?"

„Wer denn sonst. Hast du noch was anderes genommen?", fragte er völlig ernst, ohne seine Miene zu verziehen.

„Keine Ahnung, nicht bewusst. Viel hab ich auch nicht getrunken, ehrlich. Meinst du jemand könnte mir etwas untergejubelt haben?"

„Möglich. Ich bin unten im Keller, falls du mich suchst, wir proben noch ein bisschen."

Jojo ertrug seine Traurigkeit fast nicht. Und dann die Spuren seiner Selbstzerstörung. Ging es ihm wirklich so schlecht? Und warum tat er nichts dagegen?

„Danke Lukas."

Jetzt lächelte er schwach. Sie kochte sich dann einen Tee und schaute Fernsehen. Die ganze Zeit überlegte sie, ob sie Lukas helfen sollte, aber wie? Lag es an Jule oder an Juka, dass er gerade so war? Jule war schon lang nicht mehr hier gewesen und irgendwie bezweifelte Jojo, dass sie demnächst herkommen würde. Dann dachte sie an die Zeit zurück, in der Lukas und ein Paar gewesen sind und sie musste sich eingestehen, dass sie nie ein schöneres Liebespaar gesehen hatte. Es schien, als wären die beiden füreinander geschaffen und seit der Trennung hatte Lukas zu kämpfen. Warum sagte er Juka nicht einfach, was er fühlte?

 

Unser Konzert stand vor der Tür und ich freute mich darauf, auch weil Juka versprochen hatte zu kommen. Ich konnte es kaum erwarten ihn widerzusehen. Meine Schwester schien mir aus welchen Gründen auch immer wieder gut gesonnen zu sein. Auch Jule ließ sich diesen Abend nicht entgehen. Ich trat mit schwarzer Jeans, meinem Misfitsshirt und Chucks auf. Doch mein Stimmungsbarometer sank mehr und mehr, denn der schöne Japaner, nach dem ich mich so sehr sehnte, tauchte nicht auf. Ich ließ den Schmerz in meinen Liedern heraus, doch er schien mich trotzdem zu zerfressen. Ich war am tiefsten Tiefpunkt meiner Lebenskarriere und meine Gedanken hätten zu diesem Zeitpunkt nicht finsterer sein können. Er hatte sicher jemanden kennengelernt, sonst wäre er hier, schwirrte es mir dauernd durch den Kopf und, als ich das Lied sang, das ich für Juka geschrieben hatte, schien ich innerlich zu explodieren und vollkommene Leere blieb zurück. Wortlos verließ ich die Bühne und torkelte an die Bar. Warum musste ich es immer so maßlos übertreiben? Ich hatte mich kaum noch unter Kontrolle und alles war mir egal. Eine Klinge durchbohrte mein Herz und ich befand mich an einem Abgrund. Mit einem Fuß hatte ich die Klippe schon fast überschritten, der andere fand noch Halt auf dem Boden, doch wie lange noch? Ich war Juka egal und er liebte mich nicht mehr, das hatte er heute bewiesen. Ich klammerte mich an meine Wodkaflasche, als wäre sie meine letzte Rettung. Jojo und Basti setzten sich zu mir.

„Geht es dir gut?"

Ich schaute die beiden mit finsterem Blick an.

„Ich bin ihm egal...er is nich gekommen, weil ich ihm egal bin."

Meine Schwester schien den Ernst der Lage schneller zu realisieren als mein Basti.

„Lukas, Juka ist sicher auf dem Weg."

Ich lachte trocken.

„Versuchst du mich aufzuheitern? Lieb von dir, aber ich bin ihm egal, jetzt weiß ich es endlich."

Ich bekam mit, wie Jojo und Basti verunsichert Blicke austauschten. Ich erhob mich und beschloss mit meiner Schnapsflasche zu gehen. Meine Schwester versuchte mich aufzuhalten, doch ich konnte sie abschütteln. Ich prallte gegen eine Wand aus kalter Nachtluft und blieb stehen, um erst mal wieder klarzukommen. Das war vermutlich mein Glück, wer weiß, was ich sonst dummes angestellt hätte. Ich hörte Jojo hinter mir meinen Namen rufen, doch ich lief weiter, als ich mich endlich gesammelt hatte. Doch dann prallte ich abermals gegen ein Hindernis, allerdings war dieses weit aus angenehmer, als die kalte Nachtluftwand. Zwei Arme umschlossen mich sanft und ich wurde ganz vorsichtig von der Klippe weggezogen. Sein Geruch umfing mich wie eine schützende Hülle. Ganz weit weg vernahm ich noch immer die Stimme meiner Schwester, die jedoch dann verstummte. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich vergrub mein Gesicht in seinen Haaren, ohne ihn auch nur einmal anzuschauen.

„Mann bin ich froh, dass du aufgetaucht bist", hörte ich Jojo sagen. Juka klang sehr besorgt.

„Wie schlimm ist es?", fragte er.

„So habe ich ihn noch nie gesehen, es scheint so, als wäre er in einer anderen Welt."

Jetzt riss ich mich aus der Umarmung und torkelte ein paar Schritte zurück.

„Ich bin vielleicht auch anwesend? Ihr müsst nich so reden, als wäre ich nich da!"

Jukas Blick traf sich mit meinem und klar, dass er wusste, was Sache war.

„Luki, es tut mir leid, ich hab den einen Flieger verpasst, aber jetzt bin ich hier. Lass uns feiern gehen, bitte."

Ich trank noch einen Schluck Wodka.

„Ja, es tut dir leid, schön. Mir auch...weißt du Juka, es is zum Kotzen, wenn man etwas verspricht und es dann nich hält!"

„Ich weiß, aber jetzt bin ich doch da und das war doch sicher nicht dein letztes Konzert."

Er wollte meine Hand nehmen. Meine Schwester schaute das Schauspiel mit an.

„Nö, das sicher nich, aber vielleicht war es wichtig für mich? Aber sicher hast du nen guten Grund gehabt mich zu versetzen!"

Ich zündete mir eine Zigarette an und trank noch einen Schluck. Dabei schwankte ich gefährlich und stützte mich an der Wand ab.

„Luki bitte. Was willst du denn noch von mir hören?"

„Den Grund Juka...den verfickten Grund…dass du mit nem anderem zusammen warst oder isses etwa nich so gewesen?"

Mein wunderschöner Japaner schaute mich irritiert an und dann trat noch eine Person zu uns. Ein Mann, auch nicht hässlich und er legte den Arm um Juka.

„Ich sag ja, es ist besonders schlimm", flüsterte Jojo Juka zu.

„Selbst, wenn es so gewesen wäre, bin ich dir diesbezüglich keine Rechenschaft schuldig, das weißt du genau. Doch wenn dich der Grund so brennend interessiert...ich war die meiste Zeit mit meiner Familie zusammen, weil wir uns so selten sehen. Und ab und zu hab ich was mit meinen Freunden unternommen. Ich hab einfach mein Leben dort genossen und einen Flieger später genommen. Ich bitte dich nicht um Verzeihung, weil ich dich nicht um Erlaubnis fragen muss", entgegnete Juka mit einem wütenden Unterton in seiner Stimme.

„Lass uns doch rein gehen Schatz", sagte der Fremde dann zu Juka.

Schatz? Echt jetzt?“, äffte ich den Kerl nach. Jetzt war ich der Klippe wieder bedenklich nahe und ein Stück Felsen brach unter mir weg. Ich rutschte ab und fiel. Auf einmal umgab Juka Kälte und mich wieder der Schmerz, der schon fast ein stiller Begleiter für mich geworden war. Ich wollte weg, nach Hause oder so. Ich begann zu rennen, allerdings kam ich nicht weit, denn ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Der Länge nach fiel ich hin, genau auf mein Kinn und der Schmerz trieb mir sogleich die Tränen in die Augen. Juka zog mich in ein Taxi und zu Hause dauerte es nicht lange, bis ich in meinem Bett eingeschlafen war.

Doch umso mehr enttäuschte es mich, als Juka am nächsten Morgen verschwunden war. Ich brach in Tränen aus und vergrub mich in den weichen Kissen. Er hatte also einen neuen Lover. Ich wurde ausgetauscht.

„Ist Juka schon lange weg?"

Jojo sah zu mir auf.

„Nee, glaub, der ist vor ner Stunde oder so erst gegangen."

Was?", entfuhr es mir und gerade wollte ich mich schon freuen, als mir wieder einfiel, dass er gestern diesen komischen Typen dabei gehabt hatte. Mein Magen krampfte sich zusammen.

„Ich glaub auch, dass er nochmal wiederkommen wollte."

Eine eigenartige Leere stieg in mir hoch und dennoch schien mein Körper vor Eifersucht zu beben. Was bildete sich dieser Schnösel eigentlich ein?

„Kann auch gern auf seine Anwesenheit verzichten", murmelte ich mehr zu mir selbst, als zu Jojo.

„Also ganz ehrlich, dein Verhalten gestern war nicht sehr nett."

Ich funkelte meine Schwester feindselig an und hockte mich hinaus in die Sonne. Das Gefühl wurde mit jeder Sekunde bedrückender. Ich zündete mir eine Zigarette an und schaute den Wolken zu. Eigentlich hatte ich ihm irgendwie deutlich machen wollen, dass mein Leben ohne ihn doch nicht so toll war, doch das konnte ich ja jetzt wohl vergessen. Ich kniff die Augen zusammen und nahm einen tiefen Zug. Warum nur konnte ich ihn nicht gehen lassen? Immerhin war er der Grund dafür, warum es mir so miserabel ging, doch ich behandelte ihn wie einen Gott, machte mich abhängig von ihm und bettelte ihn dauernd um Vergebung an. Doch was gab es zu vergeben? Etwa, dass ich schon mehrmals zugesehen hatte, wie er andere Typen abschleppte? Mein Frust auf Juka wuchs und im Moment überwog die Wut auf ihn. Und ich war unfähig dieses Gefühl unter Kontrolle zu bringen.

 

Er tauchte tatsächlich wieder auf, klopfte leise an meine Zimmertür und trat ohne Aufforderung ein.

„Hey Süßer, wie geht‘s dir?"

„Naja, geht so."

Juka nahm mich in die Arme und gab mir einen Kuss auf die Wange. Dann, als er die Bilder von uns erblickte, die ich noch nicht beiseite geräumt hatte, bekam sein hübsches Gesicht wieder diesen glücklichen Ausdruck. Er schaute so, als wären wir wieder ein Paar. Genau das trieb mich in den Wahnsinn, warum musste er so verflucht gut aussehen? Ich vermisste ihn so schrecklich. Vor allem fehlten mir seine liebevollen Berührungen und ich vermisste seinen Geruch, vermisste es mit ihm zu reden, so wie nur wir miteinander reden konnten. Mir fehlte einfach alles.

„Luki, willst du mir erzählen, was mit dir los ist?"

Jetzt fiel mir wieder ein, dass ich ja wütend auf ihn war. Und ich hockte noch immer in meinem Loch, ein Gefangener meiner selbst.

„Kannst du dir das nich denken?"

Juka seufzte.

„Ist es wegen Shey? Ja, ich bin wieder vergeben. Aber wir sind doch nur Freunde?"

In mir begann es zu brodeln und auch, wenn Juka das anders sah, fand ich das alles nicht fair.

„Ich hab keine Ahnung, was wir sind, doch ich glaube, wir sollten uns nicht mehr sehen."

Meine Stimme blieb noch ruhig.

„Moment mal, warst du nicht derjenige, der mir unter die Nase gerieben hat, dass er nur eine Freundschaft will?"

Verdammt, wie Recht er damit hatte.

„Was sollte ich auch anderes tun, du hast mich ja eh schon lange abgeschrieben. Von wegen ewige Liebe und so..."

„Was erwartest du denn von mir? Gefühle ändern sich Luki und ich würde natürlich gern weiter mit dir zusammen sein, aber ich weiß nicht ob es geht."

Das war mal ein Schlag in die Fresse. Als mir die Tränen in die Augen schossen, biss ich mir heftig auf die Unterlippe. Ich war kurz davor auszuflippen, weil ich diesen Schmerz nicht mehr aushielt. Alles in mir zerbrach. Ich hatte keine Kraft mehr.

„Ich frage mich nur, weshalb ich dann so viel Zeit und Kraft in unsere Beziehung gesteckt hab...", wisperte ich.

„Vielleicht, weil du wirklich an uns geglaubt hast!"

Genau jetzt brannte der Schalter in meinem Gehirn durch. Ich griff nach der Kiste mit den Bildern und feuerte sie durch das Zimmer. Ich taumelte zum Couchtisch, auf dem noch das Küchenmesser lag, mit dem ich Pizza geschnitten hatte. Ich lachte traurig und wog das Messer in meinen Händen hin und her. Die Tränen hielt ich noch immer erfolgreich zurück. Vorsichtig fuhr ich mit dem Mittelfinger über die Klinge und spürte Jukas Blick auf mir ruhen. Spiegelte sich da etwa ein Anflug von Furcht in seinen Augen? Der Drang mich selbst  zu verletzen war groß. War ich wirklich wieder so weit unten? Ich mied Jukas Blick.

„Das is jetzt wohl nich mehr wichtig."

„Außerdem ist es alles andere als fair, dass du mir für alles die Schuld gibst! Du führst dich auch oft genug ziemlich bescheuert auf…aber das scheint dann egal zu sein. Ich weiß nicht, ob ich damit noch umgehen kann."

Eine unsichtbare Kugel wurde abgefeuert und bohrt sich in mein Gehirn. Traf mitten ins Zentrum meiner Gefühle. Mit ausdruckslosen, leeren Augen musterte ich Juka.

„Ich habe dich nie darum gebeten mich vor irgendwas zu bewahren und soll ich dir mal was verraten? So bescheuert bin ich erst, seitdem ich dich kenne...du hast mich erst glauben lassen, dass du in mir was ganz Besonderes siehst und dann...Puff...zerplatzte die Blase..."

Juka schüttelte nur mit dem Kopf.

„Das meine ich...ist wohl besser, wenn ich gehe."

„Ja geh einfach...warum sollten wir das alles auch ausdiskutieren? Ich bin ja nur der Trottel, den du sitzen lässt!", schrie ich ihn jetzt an.

„Da hast du wohl Recht. Liebe ändert sich und ich fand unsere Zeit wundervoll, doch es sollte nicht sein Luki. In einer Beziehung steht der Mensch, den ich liebe an erster Stelle und nicht die Freunde oder meine Familie. Das solltest du auch lernen, dann wirst vielleicht auch du in der Lage sein eine Beziehung zu führen."

Sprachlos schaute ich Juka an.

„Spinnst du jetzt? Nur, weil ich nicht dein braves Schoßhündchen sein wollte, servierst du mich ab? Fick dich Juka, ganz ehrlich...und hör endlich auf mich Luki zu nennen. Der, der verrückt is, bin nich ich sondern du..."

„Ach ja? Dennoch kannst du nicht leugnen, dass du mich noch immer attraktiv findest und es auf der Stelle mit mir treiben würdest!", entgegnete er und war dabei verdammt sexy. Ich musste standhaft bleiben, sonst würde er mich vollends zerstören.

„Nen scheiß würde ich tun", antwortete ich. Doch da kam er grinsend auf mich zu und zog mich an sich. Unsere Lippen berührten sich beinahe und mein Herz wummerte. Ich musste ihn ausschalten, sonst würde er mich höchstwahrscheinlich vergewaltigen. Also stieß ich ihn weg und taumelte zurück, dabei stolperte ich über meine eigenen Füße und schon spürte ich sein ganzes Gewicht auf mir. Ich konnte seine Erregung an meinem Oberschenkel fühlen und das erfüllte mich mit Lust. Doch noch bevor etwas geschah, schaffte ich es irgendwie mein Bein anzuwinkeln und ihm mein Knie in den Schritt zu stoßen. Juka heulte auf und rollte von mir runter. Schnell erhob ich mich. Wieder traten mir die Tränen in die Augen und dieses Mal hielt ich sie nicht zurück. Langsam fing auch Juka sich wieder.

„Oho, du widerstehst mir tatsächlich. Alle Achtung...aber jetzt will ich dich umso mehr."

Wieder kam er auf mich zu. In mir tobten Schmerz, Wut und Lust. Immer wieder führte ich mir vor Augen, was er mir angetan hatte und unterdrückte so meinen leidenschaftlichen Teil.

„Mich bekommst du nie wieder. Verschwinde einfach Juka", wisperte ich.

„Weißt du was? Das tue ich tatsächlich und dich lasse ich in deinem Scherbenhaufen zurück. Niemals wirst du es schaffen, deine Scherben wieder zusammenzufügen, denn dafür bist du schon zu kaputt. Du hast Recht Lukas...etwas, das schon zerstört ist, kann man nicht mehr reparieren."

Keine Umarmung, nicht mal ein letzter Blick, doch endlich war er weg. Und er hatte mir mein letztes bisschen Würde geraubt. Noch tiefer sinken konnte ich nicht. Ich fiel in den Abgrund und blieb am Boden liegen. Das einzige, was ich spürte, war das Zucken meines Körpers, weil ich bitterlich heulte. Und jetzt war es soweit, ich gab mich dem Drang hin, griff erneut nach dem Messer und schnitt mich dieses Mal am linken, tätowierten Arm. Heiße Tränen  tropften auf die Verletzung und die salzige Flüssigkeit vermischte sich mit dem Blut. Doch spürte ich nichts. Deshalb schnitt ich ein weiteres Mal in die helle Haut. Tiefer. Und endlich schien der Schmerz jetzt auch in meinem Gehirn anzukommen.

Ich verharrte noch einen Moment, dann sammelte ich alle Bilder wieder ein, packte sie in die Kiste und trug sie in den Garten zur Feuerstelle. Ich entfachte es und wartete darauf, dass es hoch genug brannte. Hinter einem Schleier aus Tränen begannen erst kleine, dann immer größere Flammen zu lodern. Mit zittrigen blutverschmierten Händen warf ich das erste Bild von Juka hinein. Doch die erhoffte Wirkung blieb aus. Es fühlte sich weder befreiend noch irgendwie gut an. Dennoch ließ ich kein Bild übrig. Wieder und wieder suchten mich diese Gefühlswellen heim. Irgendwann holte ich mir dann doch eine Flasche Wodka, weil ich es nicht mehr ertrug. Was war gerade passiert? Es begann und die Realität um mich herum rückte immer weiter weg. Okay, ich musste irgendetwas tun. Irgendwas, damit dieser Schmerz aufhörte. Ich eilte in mein Zimmer und hockte mich vor meinen Spiegel. Die kommende Woche hatte ich Urlaub, also warum nicht mal wieder was Verrücktes tun? Ich hatte noch ein Gramm Koks für die guten Tage und welcher Zeitpunkt wäre perfekter als jetzt? Ich zog eine Line und spürte Minuten später die positive Wirkung. Der Wodka und der Joint taten ebenfalls seine Wirkung. Wieder betrachtete ich mich im Spiegel. Eine Sache fehlte noch, um den Schmerz zumindest für eine Weile zu vergessen. In meiner Schmuckschatulle suchte ich nach meiner Rasierklinge und wurde fündig. Ich zog noch eine Line und trank noch mehr. Mein Herzschlag beschleunigte sich und mein Drogencocktail zeigte volle Wirkung. Vor diesem Moment hatte ich mich so sehr gefürchtet und insgeheim hatte ich gehofft, dass er nie wiederkommen würde. Doch ich hatte es heut schon einmal getan und konnte es wieder tun. Denn ich hatte mich selbst aufgegeben. Ich war am Ende. Fertig mit den Nerven und nicht mehr länger fähig diszipliniert zu sein. Ich kniete also vor meinem Spiegel und betrachtete meinen nackten tätowierten Oberkörper. Die letzte Verletzung lag Jahre zurück, von meinem Arm mal abgesehen, und die Narben waren sogar ein wenig verblasst. Also mal wieder Zeit oder? Ich fühlte mich mehr als benebelt und setzte die Klinge an. Der vertraute Schmerz ließ mich sogar ein bisschen Lächeln. Doch es ging noch tiefer. Ich biss die Zähne zusammen, ein zweiter Schnitt. Ein Dritter und ein Vierter. Blut rann über meine Brust. Ich erweckte meinen Joint ein zweites Mal zum Leben und nahm einen tiefen Zug. Wie ich diesen Trancezustand mochte. Noch frustrierter und verletzter zog ich mir ein Tanktop über und verkroch mich im Proberaum. Ich machte mir nicht die Mühe das Blut abzuwaschen. Sollten doch alle denken, was sie wollten. Doch verfolgte mich ein kleiner Schatten, aber ich versuchte meine Schwester zu ignorieren. Wie so oft in letzter Zeit setzte sie sich kommentarlos zu mir und lauschte meiner Musik. Dennoch schien mich ihr Blick zu durchbohren. Ein sanftes trauriges Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, als ich zu ihr aufsah. Ich stellte meine Gitarre neben mich und zündete mir eine Zigarette an.

„Wie lang willst du das noch machen Lukas?“, fragte sie leise. Ich zuckte mit den Schultern und nahm einen tiefen Zug.

„Bis es aufhört so weh zu tun…“, antwortete ich.

„Und was, wenn es niemals aufhört?“

„Dann gehe ich vermutlich daran zu Grunde…“

Jojo rückte näher zu mir und schmiegte sich an mich.

„Ich hoffe, ich kann das verhindern, wenn es soweit ist…hast du mir nicht was versprochen?“

Ich lachte traurig.

„Glaube niemals den Worten eines psychisch kaputtem Junkies…“, antwortete ich.

„Klar…hab vergessen, dass du dich zu dieser Sorte Mensch zählst…ich hab dich trotzdem lieb…“

 

Wie ein Zombie vegetierte ich vor mich hin, soff mir die letzten Gehirnzellen weg und nahm kaum wahr, was um mich herum geschah. Alle sorgten sich um mich, doch ich ignorierte ihre ängstlichen Blicke. Ich lebte mein kaputtes Leben irgendwie und tat alles dafür, um jeglichen Gefühlen aus dem Weg zu gehen.

Das einzige, was mich noch am Leben hielt, war die Musik. Ich hörte und spielte alles, was mich nicht an Juka erinnerte. Ab und zu redete ich wieder mit meinen Jungs oder mit Jojo. Jule hatte ich sicherlich vergrault und das bereute ich jetzt bitterlich, denn irgendwie wünschte ich sie mir her. Also überwand ich mich und schrieb ihr eine Nachricht. Überraschenderweise kam auch ziemlich schnell eine Antwort und später besuchte sie mich sogar noch. Ich umarmte sie unendlich lange. Sie wischte sich mit dem Ärmel ihrer Strickjacke über die Augen. Hatte sie etwa geweint?

„Schön dich zu sehen", begrüßte ich sie.

„Es ist auch schön dich zu sehen Lukas...ich hatte schon befürchtet, dich verloren zu haben."

Sie hatte mich also nicht aufgegeben, das gab mir irgendwie neuen Mut. Ich kochte uns einen Kaffee und da es heut draußen eher ungemütlich war, verbrachten wir den Nachmittag in meinem Zimmer.

„Bin ich verrückt Jule?"

Meine Freundin schaute mich lange mit nachdenklichem Blick an.

„Ich weiß nicht, ist nicht jeder von uns ein bisschen verrückt? Worauf willst du hinaus?"

„Das hat Juka gesagt und ich bin mir nicht sicher, ob er Recht hat."

Jule schaute mich lange an.

„Lass dir doch von ihm nicht solchen Mist einreden. Du bist toll."

Wir redeten unendlich lange. Jule motivierte mich wieder mehr weg zu gehen. Wir besuchten Konzerte, besichtigten Kunstausstellungen und unternahmen auch so viel miteinander. Doch es schien so, als würde der "Juka-Teil" in mir, der noch immer verrückt nach diesem Mann zu sein schien, für immer bestehen. Jule versuchte viel, um mich aufzumuntern. Auch entging mir nicht, wie sie immer wieder Annährungsversuche wagte, doch jegliche Gefühle blieben aus. Ich besaß keine Liebe und keine Leidenschaft mehr in mir.

 



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