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Seelenkrank

von

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Alice- das ist dein Dad

Ich nickte und nahm Jukas Hand. Ich zog mir nur eine Hose über und Juka tat es mir gleich. Wir stießen mit einem Glas Sekt an. Dann holte ich meine Gitarre und spielte für meinen schönen Japaner. Eine private Session nur für ihn ganz alleine. Plötzlich klingelte es an der Haustür und mich überkam das dumme Gefühl, dass es womöglich meine Mum mit ihren unerwarteten Besuchen sein könnte. Ich machte mir also nicht die Mühe schnell zur Tür zu kommen. Da ertönte die Klingel ein weiteres Mal. Ich verdrehte die Augen und öffnete, doch fast schlug ich sie im gleichen Moment wieder zu. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.

„Na du hast ja Mut hier aufzukreuzen. Was willst du?“

„Lukas, bitte, kann ich reinkommen?“

Ein höhnisches Lachen entfuhr mir.

„Nach deiner letzten Aktion sicher nich…du hast schon genug Chaos veranstaltet.“

„Ich meine es ernst…bitte…ich muss mit dir reden…unbedingt.“

Ich verdrehte die Augen ein weiteres Mal und ließ ihn ein. Juka warf mir einen fragenden Blick zu und ich winkte mit der Hand ab.

„Wenn ich mich recht besinne, hast du doch eher was mit meiner Schwester zu klären oder?“

„Ja auch, aber da du immer schaust, dass es Jojo gut geht komm ich da nicht drum herum. Zuerst…Flo und ich haben gesprochen…deine Schwester ist mir nicht egal und ich will sie um eine zweite Chance bitten…ich wollte dir das vorher sagen und du kannst mich nicht abhalten mit Jojo zu reden.“

„Wow Naoki, du hast echt Mumm…und was ist, wenn sie nich mit dir reden will?“

„Das entscheidest nicht du…sondern Jojo…aber vorher noch…ich weiß, dass ich mich wie ein Arsch verhalten hab. Es tut mir leid Lukas…aber manchmal ist Jojo auch nicht so einfach. Ich will es wieder gerade biegen, ehrlich.“

Jetzt wurde ich hellhörig, meinte es Naoki tatsächlich so? Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm trauen sollte, aber würde jemand einfach aus Langerweile mal schnell so weit reisen um sich einen Scherz zu erlauben? Wohl eher nicht und außerdem machte Naoki nicht gerade den Eindruck, als wäre er zum Scherzen aufgelegt, im Gegenteil, was auch immer er die letzten Monate getrieben hatte, das schien sehr an ihm zu nagen. Sein Äußeres wirkte zwar gepflegt und stylisch wie immer, aber innerlich schien es ihm richtig mies zu gehen, das verrieten die eingefallenen Augen und die dunklen Ringe darunter.

„Dann rede mit Jojo…aber erhoffe dir keine Freudensprünge ihrerseits.“

Er nickte und verschwand hinter der Tür zur Wohnung meiner Schwester. Juka hatte sich zurückgehalten, doch seine Augen schauten mich noch immer fragend an. Ich musste auf den Schock erst Mal eine rauchen.

„Da bin ich ja gespannt.“

Ich nickte geistesabwesend.

„Jepp…bin gespannt was mein Schwesterchen davon hält.“

 

Alice war schnell eingeschlafen und Jojo fühlte sich, als hätte sie gerade ein Zug überrollt, doch nach schlafen war ihr dennoch nicht. Jule kümmerte sich rührend um die kleine Maus und war ihr mehr als eine Hilfe. Doch das konnte sie von jedem hier behaupten und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hätte sie gerade von ihrem Bruder nie erwartet, dass er so einen Narren an seiner Nichte gefressen hatte. Gedanken an ihr Liebesleben zu verschwenden gab Jojo auf, denn das machte sie nur nachdenklich und ohnehin schien sie sich immer in die falschen Typen zu vergucken. Mit dem Babyfon in der Hand kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und setzte Tee auf. Da erhaschte sie im Augenwinkel eine Bewegung und drehte sich um und erstarrte augenblicklich, denn das, was sie da gerade sah, konnte unmöglich wirklich dort stehen. Und was, wenn er es doch war? Seine Erscheinung wirkte nahezu geisterhaft und schien gezeichnet von den letzten Monaten. Die schwarzen Haare verschwanden zur Hälfte unter der Kapuze seines Pullis. Jojo war nicht in der Lage zu sprechen, denn dann würde er vielleicht verschwinden. Mit langsamen zögernden Schritten kam er in ihre Richtung.

„Naja…Lukas hat sich auch nicht so gefreut mich zu sehen.“

Endlich fand sie ihre Sprache wieder.

„Wa-was um alles in der Welt tust du hier Naoki?“

Ein kaum merkliches Lächeln huschte über sein Gesicht.

„Das, was ich schon lange hätte tun sollen…mich bei dir entschuldigen und naja…vielleicht sollten wir das zusammen durchstehen, Jojo. Darf ich sie sehen? Unsere Tochter?“

Auf einmal wurde ihr schwindelig und ihre Hände suchten an der Sofalehne Halt. Jojo träumte noch immer, das war eindeutig nicht real. Sie zwickte sich, merkte jedoch, dass es sehr schmerzte und verzog das Gesicht. Naoki schmunzelte, als er mitbekam, was sie tat.

„Ich bin übrigens keine Einbildung…ich stehe hier…“

Er winkte ihr zu und sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

„Alice ist gerade eingeschlafen, aber du kannst gern hochgehen.“

Er folgte ihrer Handgeste und es war seltsam ihn dabei zu beobachten, wie er zum Schlafzimmer von Alice ging, um sie zu sehen. Was war passiert? Hatte Naoki auf einmal doch sowas wie ein Gewissen bekommen? Die Idee mit dem Tee verwarf Jojo schnell und trank den Wein, den sie gestern geöffnet hatte. Den Schock verdauen. In ihrem Kopf drehte sich alles. War Naoki nur da, um Alice zu sehen oder etwa auch ihretwegen? Das wollte und konnte sie fast nicht glauben. Wenige Minuten später kam er wieder zu ihr.

„Sie ist wunderschön…Können wir reden?“

Jojo nippte an ihrem Glas ohne ihm auch etwas anzubieten.

„Weißt du Naoki…du tauchst hier einfach auf und alles soll auf einmal wieder normal sein? Nur, weil du dich auf einmal entschieden hast, dass du Papa spielen willst?“, platzte es aus ihr heraus. Er setzte sich zu ihr und seine Augen wirkten müde.

„Ich hab nie gesagt, dass alles wieder normal wird…ich war ein Arsch, aber du warst auch nicht ganz fair…tust so, als würde dich die ganze Bandsache nicht stören und dann gehst du einfach weg aus Tokio und wälzt alles auf mich ab…als wäre alles meine Schuld…du wusstest vorher, dass ich die Band habe.“

„Was hätte ich denn tun sollen? Ich war nicht glücklich Naoki…ich vermisste mein Leben hier und war mir nicht sicher, ob ich dir diese Last aufbürden soll…denn die zweite Möglichkeit wäre gewesen, dass du mich begleitest…“

„Und woher wusstest du, dass ich nicht mit dir komme? Bist du auch nur einmal auf die Idee gekommen, mich danach zu fragen? Das kam dann Monate später, als dir aufgefallen ist, dass ich dir doch fehle oder was? Und dann das vor zwei Jahren…ich bin nicht dein Spielzeug, das du immer dann haben kannst, wenn du gerade Bock drauf hast…“

Sie verschluckte sich am Wein, das ging ja wohl zu weit.

„Was glaubst du eigentlich wer du bist Naoki? Spielzeug? Glaubst du wirklich ich sehe dich nur als netten Zeitvertreib? Du hast dich doch nicht mehr gemeldet…und ich renn dir nicht hinterher.“

„Ja…das Gefühl hab ich…du hast es nicht geschafft mir in 2 Jahren von Alice zu erzählen…warum? Dachtest du ihr seid mir egal? Jojo, du warst mir nie egal…immer gab es nur dich, seid ich dich kennenlernte…doch du bist so sprunghaft und es ist nicht so einfach dir alles Recht zu machen…ich dachte du willst mich irgendwann nicht mehr…und an dem Tag, als wir über Skype geredet haben…das war ein echt mieser Tag…davon gab es in den vergangenen Monaten mehr als genug und ich will nicht mehr…“

Die unsichtbare Kette, die ihr Herz zu zerdrücken drohte, lockerte sich ein bisschen. Sie war ihm also nicht egal?

„Um ehrlich zu sein, ja, ich dachte ich wäre dir egal…deshalb hab ich dir nichts von Alice erzählt…ich ich…Naoki…es tut mir leid…wenn ich gewusst hätte…“

„Wenn du was gewusst hättest? Dass ich doch nicht so ein Arsch bin? Und ich dachte du kennst mich Jojo…das enttäuscht mich schon…ich habe dir damals in Tokio Dinge erzählt, über die habe ich vorher nie mit anderen Mädchen gesprochen. Doch du denkst jetzt auch, dass ich ständig andere habe…und du hast auch geglaubt, dass ich schon eine andere geschwängert habe…das war gelogen…aber glaub was du willst.“

Jojos Groll auf Naoki verflog und jetzt wurde ihr immer mehr bewusst, dass auch sie sich ziemlich mies verhalten hatte und er Recht mit dem, was er ihr vorwarf hatte.

„Ja…ich war auch nicht fair dir gegenüber, das tut mir leid…“

„Naja immerhin…die letzten Monate waren einfach nur übel…unser Produzent dreht völlig am Rad…die Band geht immer mehr den Bach runter und wir alle haben noch immer nicht ganz überwunden, dass Kami nicht mehr da ist…aber ich will mir nicht mehr sagen lassen, was ich tun soll und was nicht…Hast du noch mehr Wein?“

Sie nickte und holte ein Glas für Naoki.

„Echt so schlimm?“

Naoki seufzte und prostete ihr zu.

„Auf was trinken wir?“, fragte er dann.

„Wie wär‘s auf einen Neuanfang?“

Jetzt endlich kehrte sein hübsches Lächeln zurück.

„Wirklich?“

„Naoki…ich hab dich doch auch nie vergessen und es tut mir mehr als leid, dass ich so schlecht von dir gedacht habe…aber ganz verübeln kannst du es mir nicht…doch jetzt sitzt du hier und erzählst mir all diese Dinge und möchtest Alice mit mir großziehen…das ist alles, was ich mir immer gewünscht habe.“

Ihr traten die Tränen in die Augen und Naoki nahm sie behutsam in seine Arme. Er roch wie immer und Jojo hatte ihn so sehr vermisst. Sie hatte niemals aufgehört ihn zu lieben. Sie strich ihm über die Wange und berührte seine wunderschönen Lippen. Er ergriff ihre Hand und küsste sie.

„Ich hab zwar echt keinen Plan vom Kinder erziehen, aber…wird schon schief gehen…hast du ihr von mir erzählt.“

Jojo bejahte seine Frage mit einem Nicken.

„Sie weiß, dass du ganz weit weg wohnst…aber glaub, das hat sie noch nicht so verstanden. Es ist schön dich hier zu haben….aber was ist gerade mit der Band und so, macht ihr überhaupt noch was?“

Naoki zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß nicht…Juka ist ja gerade erst Mal hier und weiß nicht, ob er überhaupt wieder nach Tokio will.“

Jojo lächelte.

„Möglich…aber nimm Lukas nicht so ernst…so ist er nun Mal.“

Jetzt setzte Naoki sein charmantes Lächeln auf.

„Glaubst du echt, dass ich mir von deinem Bruder was sagen lasse? Es gab eine Zeit, da mochten wir uns sehr, doch dann keine Ahnung…seit ich was mit dir hatte spinnt er…und du gehörst zu mir Jojo, genau wie Alice…wenn er ein Problem damit hat…“

„Nein…ich will nicht, dass das mit einer Prügelei endet. Rede morgen einfach noch Mal mit ihm. Lukas ist kein Arsch, sondern nur vorsichtig…“

„Darf ich dich küssen? Das will ich schon die ganze Zeit.“

Jojo musste lachen und zog Naoki an sich. Ihr Körper zuckte leicht zusammen, als er über ihren Rücken strich. Natürlich blieb es nicht nur bei dem Kuss, denn danach hatte sie sich so sehr gesehnt.

 

Naoki erwartete mich am nächsten Tag in meiner Wohnung und er sah ein bisschen weniger fertig aus. Ich bot ihm Kaffee an, den er dankend annahm. Dennoch schien er sich nicht ganz wohl in seiner Haut zu fühlen. Aber meiner Schwester ging es demnach gut, denn ich hatte keinerlei Beschwerden gehört, also beschloss ich Naoki auch nett zu behandeln. Denn auch ich konnte mich täuschen. Er wollte gerade zum Reden ansetzen, doch ich schüttelte mit dem Kopf und schluckte den Kaffee runter.

„Bevor du irgendwas sagst, hör mir bitte zu…ich bin ein schlimmer großer Bruder und hab euch gestern ein bisschen belauscht…ich finde es mutig von dir, dass du Jojo unterstützen möchtest und du hast meinen größten Respekt, denn glaub mir, das kleine Monster kann echt anstrengend sein…ich hab mich vielleicht in dir getäuscht Naoki und es gab mal ne Zeit, da haben wir uns echt gut verstanden…lass uns da ansetzen. Cheers.“

Spaßhaft prostete ich ihm mit meiner Tasse zu und er lachte nur.

„Du und Juka also wieder...“

Ich nickte.

„Ja letztendlich isses das Beste…mhh das klingt jetzt wie ne Notlösung, nein…ich hab‘s ohne ihn versucht und probiert ihn zu hassen, aber das ging nich….“

„Ohne dich war es unerträglich mit ihm…gerade bei Bandproben und so…ich hab ihn so oft verflucht. Ich hoffe ich bekomme das hin…mit Jojo und der Kleinen, irgendwie denke ich immer, dass ich was falsch mache.“

„Hey Naoki…glaub so viel kannst du gar nich falsch machen…immerhin bist du hier und denk, das bedeutet meiner Schwester viel. Und wir sind ja auch noch da. Bisher haben wir Jojo alle unterstützt und daran wird sich nichts ändern. Dir wird sicher niemand den Kopf abreißen, wenn dich das hier alles ein bisschen überfordert…ich könnt mir das nich mal im Traum vorstellen…glaub deshalb bin ich auch schwul.“

Naoki lachte.

„Naja…es ist schön zu wissen, dass wir alle an einem Strang ziehen.“

„Klar. Wie lang bleibst du eigentlich hier?“, fragte ich dann.

„Weiß nicht. Schon eine längere Zeit, weil in Tokio ist alles komisch gerade und meine Familie ist meist eh weg. Die reisen viel. Außerdem habe ich zuviel Party gehabt in den vergangenen Monaten…eine Pause tut gut.“



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