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Seelenkrank

von

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Der charmante Barkeeper

Jojos vermeintlicher Traummann war zwar über alle Berge, aber dafür schien alles andere super zu laufen. Sie versuchte Naoki hinter sich zu lassen und zu ihrer Enttäuschung ließ er auch nichts mehr von sich hören. Dennoch wollte sie die gemeinsame Zeit mit ihm in guter Erinnerung behalten. Nur war es schwierig Alice zu erklären, dass ihr Papa vermutlich nie wieder kommen würde.

Im Kindergarten fühlte sie sich wohl und Jojo war mehr als froh, dass Nici ihre Bezugserzieherin war. Sie nutzte ihre Zeit wieder öfter, um auch mal wieder etwas für sich zu tun und Lukas und Jojo wechselten sich am Wochenende immer mit Babysitten ab.

Nina, Jule, Lena und Jojo besuchten ihre Lieblingsbar und es tat verdammt gut, total aufgetakelt vom anderen Geschlecht bewundert zu werden. Ihre Modelkarriere lief nebenher auch in voller Fahrt und mittlerweile war sie ein nicht mehr ganz so unbekanntes Gothic-Tattoomodel. Jojo hatte ab uns zu auch das eine oder andere Date gehabt, jedoch immer so, dass es vorerst vor Alice geheim blieb, denn sie wollte ihr nicht jeden Typen vorstellen, mit dem sie sich traf.

„Ey Jojo, der Kerl da an der Bar scheint dich echt scharf zu finden“, sagte Jule schon leicht beschwipst. Unauffällig drehte ich meinen Kopf und es war wie ein Déjà-vu. Kein Wunder, dass sie der Kerl so anschaute, sie kannten sich. Es war Levi. Doch er trug seine Haare anders. Seine Dreads hatte er abgeschnitten, scheinbar schon vor einer Weile denn seine Haare reichten ihm bis zu den Schultern. Und Jojo war mir nicht sicher, ob diese goldblonden Locken echt waren. Die leichte Lockenpracht vielleicht schon, aber diese Haarfarbe? Dennoch harmonierte sie perfekt mit seinen bernsteinfarbenen Augen und dem Whiskey in seinem Glas. Die ersten drei Knöpfe seines Hemdes standen offen und es schmiegte sich perfekt an seinen muskulösen Körper. Plötzlich erhob er sich und das Klacken seiner schwarzen Schlangenlederschuhe, die hoffentlich nicht echt waren, kam näher. Vor Jojo blieb er stehen und sie stellte etwas unbeholfen fest, dass der Stoff seines Hemdes sehr sehr durchsichtig war. Sie schluckte und ihre Freundinnen schienen Levi auch anzuschmachten. Er ergriff ihre Hand und küsste sie zärtlich. Ein leichter Schauer durchfuhr ihren Körper.

„Guten Abend Ladys, darf ich diese reizende Dame vielleicht auf einen Drink zur Bar entführen?“

„Klar doch“, antwortete Jule sofort und Jojo folgte Levis Bitte. Er bestellte ihr noch einen Wein, denn ihr Glas am Tisch war ohnehin leer. Konnte es sein, dass er den Moment abgepasst hatte?

„Schön dich zu sehen. Gut siehst du aus.“

„Danke. Mir geht es auch gut…und dir?“

„Ich kann nicht klagen. Wie geht es deiner Tochter? Sie müsste doch mittlerweile auch drei oder so sein.“

Levi erinnerte sich also, was hatte sie von einem Gentleman wie ihm auch anderes erwartet.

„Naja, sie ist jetzt vier…fast richtig geschätzt. Alice entwickelt sich prima, hätte echt nie gedacht, dass es so schön sein kann Mutter zu sein.“

Levi schenkte ihr ein bezauberndes Lächeln.

„Tja, so ändern sich die Dinge. Hast du ein Bild von ihr?“

Jojo zog ihr Handy hervor und durchsuchte die Galerie. Ihre Wahl fiel auf das Bild mit Lukas, wo die beiden auf dem Sofa schliefen, denn das mochte sie besonders.

„Wow, eine Süße…verzeih die Frage aber ist das dein Freund?“

Jojo schüttelte lachend den Kopf.

„Nein, das ist mein Bruder. Ich versuch sie zu erziehen und Lukas sorgt dafür, dass all meine Mühe umsonst ist…der coole Onkel eben, bei dem sie fast alles darf.“

„Ihr scheint euch sehr nahe zu stehen…du und dein Bruder meine ich.“

„Ja, das tun wir auch und ohne ihn wäre ich in den letzten Jahren ein bisschen verloren gewesen.“

Auf einmal erklang Musik von der kleinen Bühne. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass da eine Band spielte.

„Die Deftones spielen heute, kennst du die?“

„Vom Hören Sagen…aber ich könnte dir jetzt keinen Songtitel nennen.“

„Soviele Lieder sind mir auch nicht bekannt. Hast du Lust zu tanzen?“

„Ähm klar, warum nicht.“

Jojo winkte ihren Mädels zu und Nina streckte den Daumen nach oben. Zuerst bewegte sie sich eher langsam zur Musik, die recht schwer und gitarrenlastig klang und dennoch melodisch. Die helle Stimme des Sängers fand Jojo ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber es passte zum Rest. Levi und sie waren fast die einzigen auf der Tanzfläche, doch das störte sie nicht. Zwischen der urigen Theke, an der mehrere verwitterte Hocker aus Holz standen und den kleinen Tischen mit den wild dureinandergewürfelten Stühlen war die Bühne. Und naja, so besonders viel Platz blieb da gar nicht zum Tanzen, doch sie machten das Beste draus. Die Deftones stimmten ein Cover von Simple Man an. Jojo klatschte vergnügt in die Hände.

„Ahh ich liebe dieses Lied“, rief sie Levi zu und er grinste sie sehr charmant an. Eher ungewollt berührten sich unsere Körper und dann nahm er ihre Hand. Vorsichtig legte er sie um seine Hüfte und Jojos Puls schoss in die Höhe. Mit seinem Blick versicherte er sich, dass das, was tat in Ordnung ist. Er führte sie und sie tanzten zusammen. Jojo fühlte sich auf einmal wieder hübsch und begehrenswert. Dieses Gefühl genoss sie in vollen Zügen. Sie lachten viel, weil ihr hin und wieder ein Patzer unterlief. Levi drehte sie und ließ sie dann wieder sanft in seine Arme gleiten. Nach drei oder vier Liedern gönnten sie sich dann eine Pause und bestellten neue Drinks. Jojo kehrte wieder zu ihren Mädels zurück. Nina fächelte sich Luft zu und gab mir zu verstehen, dass ihre kleine Tanzeinlage echt heiß war. Jojo erzählte ihren Freudinnen auch, dass Levi und sie sich kannten. Nina sah ihre Freundin mit aufgerissenen Augen an.

„What? Das war Levi…Jojo, das ist langsam kein Zufall mehr. Bitte schnapp ihn dir dieses Mal.“

„Ich weiß nicht so richtig.“

„Trauerst du etwa noch immer deinem Naoki nach? Süße, vergiss ihn…es gibt Bessere“, mischte sich Jule ein und Jojo wusste, dass sie Recht hatte. Doch war sie sich nicht sicher, ob sie schon bereit für etwas Neues war.
 

Zu Hause schlich Jojo noch einmal in Alice Zimmer und schaute ihre kleine schlafende Schönheit an. Ohne Naoki wäre dieses kleine Wesen niemals auf der Welt und doch schaffte er es sie so traurig und wütend zu machen. Und was wäre, wenn Alice nicht wäre? Würde sie dann von einem One-Night-Stand zum nächsten ziehen? Sie liebte ihre Tochter mehr als alles andere auf der Welt und sie traf keine Schuld und dennoch erinnerte sie Jojo unweigerlich immer an den Mann, der sie hatte sitzen lassen. Doch dafür durfte Jojo sie niemals verantwortlich machen, denn sie wollte Alice mehr bieten und ihr eine liebevolle Mutter sein. Und dann war da noch Levi, der gutaussehende Gentleman, der die Hoffnung noch immer nicht aufgab. Doch Jojo war sich mehr als sicher, dass sie niemals etwas Ernsteres mit ihm anfangen konnte. Warum funktionierte das mit dieser ganzen Liebesscheiße immer in Filmen, nicht aber im wirklichen Leben? Warum mussten wir unter den Fehlern anderer leiden und warum verliebte man sich immer in die falschen Männer?
 

Jojo brachte Alice in den Kindergarten und fuhr dann weiter zur Arbeit, jedoch noch immer nicht wirklich gut gelaunt. Später fragte Lukas, ob er Alice abholen könne und Jojo kehrte in Lieblingsbar ein. Alleine. Dort bestellte sie Tequilla. Und auf einmal kam sie sich vor wie eines dieser armeseligen Mädchen in den Serien, die sie so mochte. Allein und verlassen. Ertränkt ihren Frust im Alkohol. Ihre Lippen verzogen sich zu einem traurigen Lächeln, als sie ihren zweiten Shot bestellte. Scheinbar schien heute Kitsch- und Lovesong Donnerstag zu sein. Und Nummer drei kam an die Reihe. Der blonde Baarkeeper, der ihr irgendwie noch nie aufgefallen war, zog seine Augenbrauen hoch.

„Es geht mich vermutlich nichts an, aber da scheint jemand nen echt miesen Tag gehabt zu haben.“

Jojo schaute den Typen an und versuchte so dämlich wie möglich zu lächeln.

„Ach wirklich? Was hat mich verraten, dass ich hier alleine aufkreuze? Ja, weißt du, ich hatte nicht nur einen beschissenen Tag, sonder gleich einen beschissenen Monat. Aber hey…das Leben geht weiter…und jetzt gönne ich mir eben Mal eine Pause, was ist daran so falsch?“

„Sorry meine Hübsche, ich wollte dir nicht zu nahe treten…weißt du, ich bin hier nur der Barkeeper und werde dafür bezahlt nett zu sein. Doch wenn dir das nicht passt, kann ich auch gern der arrogante Arsch raushängen lassen.“

Jetzt musste Jojo irgendwie lachen.

„Schon okay, ich entschuldige mich für mein Verhalten…schließlich kannst du nichts dazu. Ich bin übrigens Jojo.“

Was war bloß in sie gefahren? Sie verhielt sich doch sonst immer so schüchtern und jetzt flirtete sie ernsthaft mit dem Barkeeper?

„Ich weiß…ähm ich meine freut mich, ich bin Jayden…wenn du willst auch Jay, mir egal.“

Jojo kniff die Augen zusammen und fragte sich gerade, ob das wirklich passierte.

„Wie du weißt?“

Jayden rollte mit den Augen.

„Hallo, ich bin der Barkeeper und du kommst öfter her…ich hab gehört, wie dich deine Freundinnen neulich mit deinem Namen angesprochen haben.“

„Und das merkst du dir?“

„Klar…ein Viertel meines Gehirns ist für alle Cocktailnnamen und deren Zusammensetzung zuständig und in dem anderen Viertel speichere ich Namen.“

Kaum noch konnte sie ein Lachen unterdrücken.

„Sowas bescheuertes habe ich ja noch nie gehört…also kennst du dich nur mit Cocktails und Frauen aus.“

Jayden erhob den Zeigefinger und zog den ein wenig nach unten.

„Du hörst nicht zu…ich sagte Namen, nicht Frauennamen…außerdem, warum soll ich mir auch Frauennamen merken? Kommen ja schließlich auch männliche Besucher hier her.“

Ihr stieg eine leichte Röte ins Gesicht. Augenzwinkernd schob er ihr noch einen Tequila rüber.

„Nur, wenn du einen mit mir trinkst.“

„Sorry Baby, bin im Dienst und da trinke ich nie.“

Ihr Herz setzte einen Augenblick aus und irgendwie schien die Luft hier drinnen sehr dünn zu sein. Jojo fächelte sich mit einem Flyer Wind zu.

„Ich denke, ich sollte dann gehen…es ist schon spät.“

„Ich hoffe das liegt nicht an meiner aufdringlichen Art“, sagte er etwas enttäuscht.

„Nein, nur zu Hause wartet meine kleine Tochter auf mich“, platzte es aus ihr heraus und noch bevor sie sich bewusst werden lassen konnte, was sie da gerade gesagt hatte, war es schon zu spät. Sie saß noch immer auf dem Barhocker und irgendeine unsichtbare Kraft hielt sie dort.

„Wow…ich flirte hier mit dir und dann haust du sowas raus?“

„War ja klar, sobald eine Tussi ein Kind hat, ist sie für euch gestorben, weil warum sollte sich Mann auch mit einem so kleinen Nervenbündel herumschlagen, wenn man Tussen haben kann, die solche Probleme nicht haben!“

Jayden sah auf einmal sehr nachdenklich aus und schien ernsthaft über seine nächsten Worte nachzudenken. Dann schüttelte er mit dem Kopf uns strich mit der Hand seine Haare aus dem Gesicht.

„So war das nicht gemeint…ich hab mich eben nur gefragt, wo der Mann ist, der eigentlich an deiner Seite stehen sollte.“

Und das trieb ihr dann doch die Tränen in die Augen, doch sie wollte nicht mit Heulen anfangen.

„Tja, den gibt’s leider nicht…das heißt ihn gibt es schon, aber wir sind fertig miteinander…“

„Das tut mir leid…“

Jojo zuckte nur mit den Schultern und erhob sich endlich. Was für ein beschissener Abend. Sie ließ fünfzehn Euro an der Bar zurück und ging.

Glücklicherweise stellte ihr Bruder keine Fragen, sondern teilte ihr nur mit, dass Alice schlief und er fragte sie, ob sie noch hungrig sei. Jojo schüttelte nur mit dem Kopf und ging ins Bett.



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