Zum Inhalt der Seite

O(h) und A(h) Romanze

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Folge 12 (Intrigen)

„Das ist doch schwachsinnig mit dieser Maikäfferfarbe!“ André warf frustrierend einen Stein ins Wasser des Brunnens.
 

„Sei froh, dass es nicht die Farbe einer Wanze ist.“ Oscar stellte einen Fuß auf den Rand des Brunnens und stützte sich leicht auf ihrem Bein ab.
 

André verschränkte seine Arme vor der Brust. „Jetzt wo sie Königin ist, muss sie meiner Meinung nach mehr Zeit damit verbringen unserem Land und dem Volke zu dienen. Aber stattdessen kümmert sie sich um ihr eigenes Wohl und gibt viel Geld für Kleider aus!“ Er lockerte seine Haltung und drehte sich zu Oscar um. „Hast du nicht irgendwann mal gesagt, dass dieses Geld von den Steuern der Bürger stammt? Aber sie amüsiert sich einfach damit!“ Frustriert setzte er sich auf den Rand des Brunnen. „Andauernd geht sie in die Oper und besucht Bälle, sie gibt es mit vollen Händen aus!“
 

„André, so solltest du nicht über sie reden“, sagte Oscar gelassen.
 

„Und wieso nicht?“ André sah sie verständnislos an. „Du selbst warst es doch, die sich Sorgen darüber machte, was die Menschen über die Königin denken könnten.“
 

„Darüber mache ich mir immer noch Sorgen.“ Oscar richtete sich auf und bewegte sich mit langsamen Schritten zurück in das Schlossgewölbe von Versailles. „Aber im Moment soll sie tun, was ihr gefällt. Königin zu sein ist nicht so einfach wie man es annimmt.“ Oscar blieb stehen und drehte sich um. „Marie Antoinette ist sehr einsam. Auch die schönste Rose verdorrt, wenn man sie nicht gießt. Wie soll ein Seemann auf hoher See sein Boot lenken, wenn Wolken die Sterne und den Mond verdecken?“
 

André erhob sich verwundert. „Sprichst du von Grafen Hans Axel von Fersen?“
 

„Alles was sie jetzt tut - In die Oper gehen, Bälle besuchen und Kleider kaufen, soll ihre Einsamkeit verdrängen. Komm, wir wollen nachsehen wie weit das Essen für morgen vorbereitet ist.“ Oscar klang irgendwie melancholisch und das verwunderte André noch mehr, denn in dieser Stimmung hatte er sie bisher noch nicht erlebt. Er folgte ihr und dachte darüber nach, warum sie so war. Auch Oscar versank in Grübeleien – allerdings über Marie Antoinette und ihren Gefühlen zu Graf von Fersen. Es würde bestimmt vergehen, denn die Zeit heilte die Wunden und es war gut so, dass Graf von Fersen fort war – so würde ihn Marie Antoinette irgendwann vergessen und ihre Pflichten als Königin wieder aufnehmen...
 


 


 

Oscar lag spät abends nach der Schießübung für das morgigen Duell mit dem Herzog de Germain, der einen kleinen Jungen in Paris erschossen hatte, im Garten des elterlichen Anwesens und dachte über die Geschehnisse des heutigen Nachmittags nach. Sie hatte den Herzog herausgefordert und nun bereitete sie sich seelisch und moralisch vor. Sie war so vertieft darin, dass sie nicht mitbekam wie André zu ihr kam. „Was ist, kannst du nicht schlafen?“, fragte er und sie hörte deutlich eine gewisse Sorge in seiner Stimme. „Mache dir meinetwegen keine Sorgen“, wollte sie ihn beruhigen.
 

„Wieso Sorgen?“ André ließ sich neben ihr nieder und zog seine Beine an sich. „Ich bin sicher, dass du gewinnst.“
 

Wenn es so war... Oscar atmete tief ein und aus. „Ich sehe da auch kein Problem.“
 

„Trotzdem wäre es besser, wenn du schlafen gehen würdest.“, bemerkte er, aber bekam nur einen flüchtigen Blick von ihr zur Antwort. André zeigte auf eine Gruppe Bäume in ihrer Nähe mit seinem Arm. „Weißt du noch, als du sieben warst, dann hast du unter diese Eiche dort einen Schatz vergraben. Du warst ziemlich stolz auf das Versteck.“
 

Oscar schloss ihre Augen. „Nein, das weiß ich nicht mehr.“ Wo will er damit hinaus?
 

„Es war ein Kreisel aus Blei und ein rotes Messer.“ André versuchte sich sogar in einem Lächeln. „Ob sie noch da sind?“
 

„Ich erinnere mich nicht.“ Was soll das? Er sollte lieber klar reden, was er wirklich will!
 

„Am besten verschwinden wir morgen früh durch die Hintertür, damit Großmutter von all dem nichts mitbekommt.“
 

Ah, jetzt kommen wir schon der Sache näher! „Girodel ist morgen mein Sekundant, du musst also nicht mitkommen.“
 

„Wie du willst, na schön.“ André seufzte schwer, seine Überredungskünste hatten fehlgeschlagen. Aber was hatte er denn anderes erwartet? Er stand auf. „Und trotzdem. Den einen Weg werde ich dich begleiten. Aber wie es scheint, willst du allein sein. Pass auf, dass du dir nicht die Schulter verkühlst.“
 

Anscheinend war ihm diese Sache sehr ernst... „André...“, hielt ihn Oscar auf, als er gehen wollte. Sie wollte wirklich nicht, dass er sich ihretwegen Sorgen machte.
 

„Was ist? Hast du etwa doch Angst vor morgen?“ Hatte er wieder diesen weichen Unterton mit einer Note von Melancholie in ihrer Stimme vernommen?
 

„Angst? Aber nein.“ Oscar schlug ihre Augen auf und saß auf. „Doch natürlich, ich habe Angst. Aber nicht so sehr vor meinem Gegner. Ich habe mehr Angst davor, plötzlich in eine Situation zu geraten, wenn es um sehr wichtiges geht: nämlich um die Würde des Menschen. Der Herzog ist ein bösartiger Mann. Für ihn sind arme und schwache Menschen ohne Bedeutung – er verachtet sie.“ Oscar erhob sich auf die Beine. „Wenn wir solchen Menschen erlauben sich so zu benehmen wie sie wollen, dann schadet es allen Adligen und das wirft auch Schatten auf die königliche Familie. Deshalb muss ich etwas unternehmen. Doch es fällt mir nicht leicht jemanden zu töten, auch wenn er ein schlechter Mensch ist.“ Oscar drehte sich um und hielt bei André an. „Falls ich das Duell morgen früh nicht überleben sollte, kannst du den Schatz, der sich unter der Eiche befindet, behalten. Ich vererbe ihn dir. Ein Kreisel aus Blei, ein rotes Messer und einen Zinnsoldaten.“ Sie schmunzelte etwas und ging langsam ins Haus. „Ich bin müde. Gute Nacht.“
 

Einen Zinnsoldaten? Also erinnerte sich Oscar doch noch an jenen Tag aus ihrer gemeinsamen Kindheit? André holte sie im Haus ein. „Oscar, warte einen Augenblick!“
 

„Was ist, André?“
 

„Also kannst du dich doch noch an die Schatzkiste erinnern?“ André kratzte sich leicht verlegen am Kopf, er wollte sie nicht länger unnötig aufhalten, aber eine Antwort darauf hätte er schon gerne gewusst.
 

Wieso war ihm das denn so wichtig? „Kann schon sein.“, sagte sie knapp und wollte ihren Weg zu ihrem Zimmer fortsetzen, als seine leisen Worte sie wieder aufhielten. „Ich kann die Schatzkiste nicht behalten... Ohne dich wird sie an Bedeutung verlieren... Es wird alles an Bedeutung verlieren, wenn du nicht mehr da sein wirst...“
 

„André...“ Oscar verschlug es die Sprache. Dass sie jemanden so wichtig war, hätte sie nicht gedacht. Besonders nicht ihrem Freund und treuen Begleiter. Sekunden der Stille schienen wie endlose Stunden zu vergehen, bis Oscar einen entstandenen Kloß in ihrem Hals herunterschluckte und ihre Sprache doch noch fand. „Ich werde zurückkehren, versprochen.“ Zaghaft legte sie ihm die Hand auf die Schulter, zog sich auf die Zehenspitzen zu ihm und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Schon alleine deinetwegen. Ich kann dich doch nicht deiner Großmutter ausgeliefert lassen.“ Sie schmunzelte, als er sie vollkommen verblüfft anschaute. „Gute Nacht.“, flüsterte sie noch einmal und ging errötet in ihr Zimmer. Diese Tat war für sie selbst überraschend, aber vielleicht würde es Andrés Sorge um sie zerstreuen und er würde nicht so traurig ausschauen. Denn in all den Jahren ihrer gemeinsamen Freundschaft hatte sie bereits eines festgestellt: Wenn er glücklich war, dann war sie das auch.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück