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Zerrissen zwischen den Welten

von

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Verkatert und mit einem dröhnenden Schädel erwachte ich am nächsten Tag aus meinem Koma. Zu mehr als die Augen zu öffnen war ich noch nicht in der Lage und so starrte ich die karge Steindecke an. Es gab kein Fenster in meinem Raum, ich hatte keine Vorstellung davon wie spät es war und eigentlich war es mir auch vollkommen egal. Ich versuchte nicht an den Abend zu denken, doch da ich meinem Hirn sonst nichts zu tun gab, wanderte es immer wieder zu dem Hass in Graumähnes Augen. Schließlich raffte ich mich auf und setzte mich auf die Bettkante. In mein Zimmer hatte ich es glücklicherweise geschafft, allerdings war ich viel zu erschöpft von allem gewesen, um mich auch noch auszuziehen. Ich blickte auf das zerknitterte blaue Kleid hinunter und sinnlose Wut und Scham flammte durch mich. Was hatte ich mir nur gedacht? Wem wollte ich etwas vormachen? Ich riss mir das Kleid vom Körper und achtete nicht auf die beunruhigenden Geräusche die es dabei von sich gab. Dann warf ich es auf den Boden und versetzte ihm auch noch einen Tritt. Wie hatte ich zulassen können, das Graumähne so mit mir redete? Warum hatte ich ihm nicht gleich dort sein viel zu großes Maul gestopft? Ebenso wütend, aber entschlossener legte ich meine Rüstung an, das flaue Gefühl im Magen verdrängend. Ich hatte mich ablenken lassen, war weich geworden. Wegen einem Menschen. Ich lachte freudlos auf. Ausgerechnet ich. Diesen Fehler würde ich nicht noch einmal begehen. Ich nahm den Eidsucher und den Wahrheitshüter auf. Ihr Gewicht gab mir meine innere Sicherheit zurück. Mag Graumähne von mir und der Horde denken was er wolle. Ich war Hochlord. Ernannt von Tirion Fordring persönlich. Aufrecht trat ich aus meinem Raum und ging mit weiten Schritten zum Altar. Ehrfürchtig kniete ich nieder und schloss meine Augen. Wie schon so unzählige Male davor blendete ich die Geräusche um mich herum aus und lauschte nur auf meine Innere Stimme. Ich hörte... Stille und verkniff mir ein Seufzen. Die Wut in meinem Bauch legte sich langsam und ich ließ die letzten Wochen vor meinem geistigen Auge Revue passieren. Ich hatte den Pfad des Lichts nicht verlassen, aber ihn in eine falsche Richtung eingeschlagen, wie ich bemerkte. Respekt und Geduld waren mir nicht abhanden gekommen, aber die am schwersten zu lernende Tugend des Mitgefühls war mir entglitten. Oder vielleicht sollte ich besser sagen, ich hatte sie falsch verwendet. Das Mitgefühl lehren wir unseren Schülern ganz zum Schluss, denn falsch angewandt bringt es oft mehr Schaden als Nutzen. Ein echter Paladin erkennt wer Hilfe benötigt und wer sich selbst helfen kann. Ich hatte das vergessen. Die Position des Hochlords hatte es mich vergessen lassen. Auch wenn ich versucht hatte mich davon nicht beeinflussen zu lassen, war ich doch Anmaßend und überheblich geworden. Ich hatte mir eingebildet den Schlachtzug gegen die Legion ganz allein gewinnen zu müssen und auch zu können. Die Selbe Überheblichkeit die auch den Scharlachroten Kreuzzug hervor gebracht hatte. Und dann waren da noch meine Gefühle für Khadgar. Ich hatte sie mir zwar gestanden, aber mich auch von ihnen schlecht beeinflussen lassen. Khadgar zu helfen und permanent für ihn da zu sein war mir richtig und normal vorgekommen. Dabei hatte ich übersehen wer wirklich meine Hilfe gebraucht hätte. Nun erlaubte ich mir ein Seufzen. Das war eine gute Lektion selbst als erfahrener Kämpfer seine Motive immer zu hinterfragen. Ich gedachte meiner Gefühle für Khadgar. Sie waren unverändert. Selbst jetzt vertieft in meine Andacht spürte ich mein Herz schneller schlagen. Doch nun hinterfragte ich sie zum ersten mal. Sie machten weder mich noch jemanden anderen glücklich und brachten mich nirgendwohin. Warum also sollte ich an ihnen festhalten? Konnte ich nicht einfach nur Bewunderung für den großen Erzmagier empfinden? Ihn vielleicht ein wenig anhimmeln, aber mehr auch nicht? Es wäre wohl ein hartes Stück Arbeit, aber was war in meinem Leben bisher kein hartes Stück Arbeit gewesen? Eine Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel. Es überraschte mich selbst wie hart mich offenbar die Entscheidung traf ihn aufzugeben.

"Wer mit dem Licht ist, ist niemals allein", rief ich mir ins Gedächtnis. Lächelnd öffnete ich die Augen und blickte nach oben.

"Danke", flüsterte ich und eine vertraute Wärme strömte durch mich hindurch. Langsam erhob ich mich und wandte mich um. Boros stand geduldig wartend hinter mir.

"Hochlord, ihr schient Nachzusinnen. Ich wollte Euch nicht stören", erklärte er mit einer Verbeugung. Ich nickte verstehend.

"Was gibt es Boros?"

"Ich wollte fragen, ob es Euch gut geht? Ihr wart gestern plötzlich verschwunden." Ich lächelte.

"Ja, mir geht es gut. Danke, dass Ihr Euch Sorgen gemacht habt, aber wir sollten uns nun Wichtigerem zuwenden." Ich ging an Boros vorbei und er folgte mir in geringem Abstand. Vor der Kundschafterkarte hatten sich bereits einige meiner Helden versammelt. Die Gespräche verstummten als ich hinzu trat.

"Was gibt es zu berichten?", fragte ich in die Runde. Ich sah wie Blicke getauscht wurden.

"Geht es Euch gut, Hochlord?", fragte Lady Liadrin stirnrunzelnd. Ich lächelte und nickte.

"Natürlich. Also, was gibt es zu berichten?" Wieder Blicke, aber außer der Matriarchin der Blutritter traute es sich keiner nochmal nachzufragen.

"Ähm, Ettins terrorisieren die Tauren im Hochberg immer mehr und halten inzwischen die Handelswege nach Donnertotem auf", fing Aponi an.

"Gut, kümmer dich darum. Ebenhorn hat genug mit den Harpyien zu kämpfen." Aponi nickte und ging ein paar Knappen herbei pfeifend.

"Was noch?" Ich hörte mir alle Sorgen und Probleme, sowie Beobachtungen und viele Belanglosigkeiten an. Auf jede reagierte ich angemessen und mit mehr emotionalen Abstand als zuvor. Als alle Helden fort waren, setzte ich mich an den großen Tisch und laß mir die liegen gebliebenen Papiere durch. Es ging mir gut, aber tief in mir, in dem dunklen Winkel den nicht einmal das Licht erhellen konnte fühlte ich, dass etwas fehlte.

So vergingen die Tage. Ich wägte die Aufträge ab und die Erfolgsmeldungen gaben mir recht. Allerdings verließ ich selbst das Sanktum nicht mehr. Die ersten Tage fiel es noch nicht weiter auf, aber nach einer Woche in denen ich das Sanktum nur durch die Kapelle des Hoffnungsvollen Lichts verlassen hatte, um mir in den östlichen Pestländern ein wenig die Beine zu vertreten, wurden die Meister aufmerksam.

"Mir ist aufgefallen, dass du keine Aufträge mehr selbst übernimmst", sagte Delas eines Tages aus heiterem Himmel. "Warum?" Ich saß noch über meinem Frühstück und seufzte leise.

"Das ist nicht nötig. Ihr erledigt alles perfekt." Ich hoffte, dass ihr das genügen würde, aber natürlich tat es das nicht.

"Mag sein, aber du gehst auch nicht mehr nach Dalaran oder Orgrimmar. Und sonst vergehen kaum 2 Tage, ohne dass du in Silbermond auftauchst. Also, was ist los?" Ich mochte Delas wirklich sehr, aber ihre direkte Art war manchmal wirklich anstrengend. "Ich fühl mich einfach derzeit hier wohler", sagte ich wage. Ich musste Delas nicht anschauen, um zu wissen, dass ihre Augenbraue hoch gewandert war. "Und hier gibt es genug für mich zu tun. Ich habe in den letzten Wochen viel vernachlässigt, weil ich permanent draußen unterwegs war. Das will ich nun nachholen." Delas brummte unzufrieden. Ich ergriff ihre Hand. "Mir geht es gut. Wirklich. Und jetzt zerbrich dir nicht länger meinen Kopf." Ich lächelte aufmunternd. Delas starrte mich weiterhin zweifelnd an, aber kam wohl zu dem Schluss, dass es nichts brachte mich weiter zu beackern. Sie nickte, stand auf und ging zu den Übungsatrappen. Ich widmete mich wieder meinem Frühstück und ging dann auf einen Spaziergang durch die Pestländer. Die Gegend war weder schön, noch war die Luft erfrischend, sondern durchsetzt mit dem Geruch von Verwesung und Schimmel. Aber es war einsam hier, und ruhig. Niemand verirrte sich zufällig hier her. Selbstverständlich hatte Delas recht. Ich zog mich mit voller Absicht zurück und war heilfroh, dass nur wenige wussten, dass die Kapelle des Hoffnungsvollen Lichts so einen weitläufigen Keller hatte. Es geschah nicht wirklich aus Verlegenheit oder weil ich Graumähne nicht über den Weg laufen wollte. Sondern weil mir mein Entschluss Khadgar nur noch mit neutralen Augen zu betrachten unendlich schwer viel. Ich dachte, dass es mir gut tun würde Abstand zu halten. Um weniger an ihn zu denken. Das war leider ein Irrtum. So sehr ich es auch versuchte, jeden Tag dachte ich an ihn. Und obwohl er inzwischen wertlos war, trug ich den Ring, welchen er mir für den Kampf gegen die eiserne Horde angefertigt hatte immernoch bei mir. Ich wollte ihn weg werfen, brachte es aber einfach nicht fertig. Und wie so oft ließ ich meine Hand in die Tasche gleiten und holte Thorasus, das steinerne Herz Draenors hervor. Der schmale Goldreif mit dem blutig roten Stein glänzte wie an dem Tag, als er ihn mir überreicht hatte. Ich seufzte bei seinem Anblick. Dass ich in diesen Dingen so einen schwachen Willen hatte überraschte mich sehr.

Ich machte mich auf den Rückweg. Als die Kapelle wieder in Sicht kam, hörte ich jemanden nach mir brüllen.

"Hochlord Silberdorn! Hochlord Silberdorn!" Ein Knappe rannte auf mich zu. "Hochlord! Eine wichtige Nachricht ist für Euch eingetroffen!" Ich streckte meine Hand aus. Der Knappe starrte sie verwirrt an.

"Nun? Gib mir die Nachricht."

"Oh nein nein! Ich hab sie nicht mitgebracht, sie liegt noch im Sanktum." Ich unterdrückte das Augenrollen. "Gut, lauf zurück, ich komme gleich nach." Der Knappe nickte, drehte sich um und sprintete zurück. Ich nahm mir vor logisches Denken mit in den Unterricht aufzunehmen und schlenderte an den trainierenden Paladinen vor der Kapelle vorbei und hinein in das unscheinbare Bauwerk. Im winzigen Kirchenschiff senkte sich langsam der Steinboden ab und bildete eine Rampe hinab ins Sanktum.



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