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Blutschwur

Bis in den Tod...
von

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Gründe

Es war der Geruch, der ihm von allem am vertrautesten war. Er hatte ihn schon durch seine Kindheit begleitet, wie ein roter Schatten, der an seinen Fersen zu haften schien. Manchmal überholte er ihn auch, erwartete ihn, wenn er den Ort des Geschehens erreicht hatte. Dieser metallische, leicht salzige Geruch, bei dem ihm jedes Mal der Speichel im Mund zusammenlief. Es fühlte sich anders als Hunger an, obwohl es diesem Gefühl ähnelte. Es ließ ihn unruhig werden, erregte ihn auf eine Weise, die seinen ganzen Körper vibrieren ließ und das Raubtier in ihm weckte.

Dieser Rausch war unbeschreiblich und es war manches Mal vorgekommen, dass er das Ausmaß seiner Raserei erst begriff, wenn er wieder zur Besinnung kam. Er hatte sich irgendwann angewöhnt, abzuschalten und dem Instinkt freien Lauf zu lassen – es war hilfreich, wenn man die eigenen Kameraden mordete. Das Letzte, was man bei solchen Missionen gebrauchen konnte, war ein Gewissen.

Doch heute war keiner dieser Tage, genau genommen waren diese Tage ohnehin selten geworden. Wann hatte er zuletzt jemanden getötet, der ihm vertraut hatte? Wann hatte er das letzte Mal diesen Ausdruck, der ihn einen Verräter schimpfte, in den Augen einer anderen Person gesehen?

Etwas fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden, als Kisame Samehada, dessen Stacheln aus den Bandagen hervorgebrochen waren, zurückzog und damit Fleisch und Sehnen endgültig zertrennte. Um ihn herum herrschte eine gespenstige Stille und er brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass es vorbei war. Seine Raubtieraugen lösten sich langsam von dem Kopf, der in einem blutigen Halsstumpf endete, und schweiften durch die Halle.

Er entdeckte zwei Raben, die es sich auf der Leiche eines jungen Mannes bequem gemacht hatten und krächzend darum zankten, wer sich an seinen Augen laben durfte. Kisame verzog für eine Sekunde das Gesicht, fand diese Aasgeier nach wie vor abstoßend.

„Wir sollten keine Zeit verlieren.“

Itachis ruhige Stimme ließ ihn den Kopf heben und er entdeckte ihn auf dem Geländer der oberen Etage sitzen. Im Gegensatz zu ihm selbst zierten nur wenige rote Schlieren seine Kleidung – es wunderte Kisame nicht, denn der Uchiha kämpfte vorwiegend mit Gen-Jutsu und tötete sehr präzise mit Kunai und Shuriken. Wieder war ihm aufgefallen, dass Itachi seine Kämpfe ohne jegliche Emotion zu Ende brachte. Da war keine Euphorie, keine Genugtuung…nicht einmal Missmut oder dergleichen.

Wenn er die Leichen um sie herum betrachtete, musste er nicht zweimal schauen, um zu wissen, welche Itachis Handschrift trugen. Er traf jedes Mal die Punkte, die den Gegner schnell und schmerzlos ins Jenseits schickten. Kein unnötiges Vergießen von Blut.

Er beobachtete den Jüngeren, wie er von dem Geländer sprang, ehe er Samehada auf seinem Rücken befestigte. Sein Atem ging immer noch hektisch, unregelmäßig…er kam nur langsam runter, wenn er einmal in Fahrt gekommen war.

„Schon klar“, brummte er, holte dann Plastikbeutel und Stoffsack hervor, die er mitgenommen hatte.

Ohne zu zögern, griff er in das Haar des abgetrennten Kopfes, sah noch einmal in dessen aufgerissene Augen, und stopfte ihn in die Tüte, ehe er diese in den Stoffsack schob. So würde hoffentlich nichts durchsiffen.

„Meinetwegen können wir los“, meinte er an seinen Partner gewandt.

Itachi nickte zustimmend und kehrte ihm den Rücken, wobei er noch einmal nachdenklich den Blick durchs Anwesen schweifen ließ. Ihre Feinde waren keine Shinobi gewesen und vielleicht störte das den Uchiha, denn Kisame nahm sehr wohl die kleine Falte zwischen den Brauen seines Partners wahr. Anderen Menschen wäre es wohl nicht aufgefallen, doch Kisame kannte ihn gut genug, um es zu bemerken.

Als Itachi seinen Blick auffing, glättete sich seine Miene wieder und er ging voran. Der Hüne sah ihm nur kurz nach, ehe er sich daran machte, zu ihm aufzuholen. Draußen dämmerte es bereits, sie sollten daher schnell zu ihrem Lager zurück – bevor jemand dieses Massaker entdeckte und ihnen folgen konnte.
 

„Ich kann immer noch nicht fassen, dass wir uns für Kakuzus Kopfgeldjagd einspannen lassen…“

Itachi antwortete nicht sofort, sondern fuhr fort, seine Kleidung im flackernden Feuerschein zu inspizieren. Ihn schien das Blut weit mehr zu stören, als es bei Kisame der Fall war. Auf die Wolken-Mäntel hatten sie verzichtet, schließlich musste niemand Akatsuki mit ihrer Tat in Verbindung bringen. Dank diesem San-nin wussten schon zu viele Leute von ihrer Organisation.

„Genau genommen hast du uns das eingebrockt“, kam es von dem Uchiha zurück.

Obwohl es zweifellos ein Vorwurf war, klang es nicht wie einer. Itachis Stimme verlor ihre Ruhe nicht und Kisame beobachtete ihn dabei, wie er sich schließlich das Shirt über den Kopf zog. Der Hüne seufzte genervt, wissend, dass der andere Recht hatte, immerhin hatte er ihn ja in das Bordell geschleppt. Zwar hatten sie Kakuzu den wahren Grund für ihre Ausgaben verschwiegen, doch der Alte hätte nicht mal Verständnis gehabt, wenn das Geld einem von ihnen das Leben gerettet hätte. Sie hätten sich kaum weigern können, schon gar nicht, weil Pain in diesem Fall voll und ganz hinter Kakuzu gestanden hatte. Befehl war Befehl.

„Schon gut“, erwiderte Kisame, da es keinen Sinn machte, deswegen zu diskutieren. „Ich sage schon nichts mehr. Morgen ist es sowieso erledigt. Wir liefern den Kopf dieses Kerls ab, kassieren das Geld und fertig.“

Er warf einen Blick zu Samehada, das bereits gesäubert und neu bandagiert am Baum lehnte. Daneben lag der Stoffbeutel, in dem der Kopf ihres Ziels steckte. Kisame sah wieder zu seinem Partner, der das eingetrocknete Blut im schwarzen Stoff fixierte. Unwillkürlich musterte er den jungen Mann vor sich, wobei er nicht umhinkam, festzustellen, wie sehr sich dieser in den letzten Jahren gemacht hatte. Obwohl er schon mit 13 relativ erwachsen gewesen war, machte er diesen Eindruck nun auch äußerlich. Trotzdem waren sie beide immer noch wie Tag und Nacht.

Im Gegensatz zu ihm wirkte Itachi schlank und drahtig – er würde nie so ein breites Kreuz wie er selbst kriegen. Auch die femininen Züge waren ihm geblieben, wenn auch alles Kindliche aus seinem Gesicht gewichen war. Er wirkte noch ernster als damals und nur selten milderte ein Lächeln diese Strenge. Es mussten schon wieder einige Wochen vergangen sein, seitdem er ihn in dieses Bordell mitgenommen hatte, und was auch immer er dort mit der Kleinen getrieben hatte, lockerer hatte es ihn nicht gemacht.

Kisame kam es ohnehin so vor, als würde sich der Uchiha wieder mehr verschließen, seitdem sie aus Konoha geflohen waren. Ihm ging diese Sache mit dem Bruder, den er ihm verschwiegen hatte, immer noch nicht ganz aus dem Kopf. Was hatte es damit auf sich?

„Warte mal, ich komme mit“, hielt er Itachi zurück, als sich dieser abwandte und in Richtung See gehen wollte.

Wenn das Feuer ausgehen würde, wäre das halb so wild, schließlich hatten sie ohnehin nicht vor, es die ganze Nacht brennen zu lassen. Es war warm genug und zudem würde es dann keine ungewollten Gäste anlocken. Samehada würde ihre Habseligkeiten schon verteidigen, sollte sich jemand Unerwünschtes nähern, darauf war in jedem Fall Verlass. Der Uchiha warf ihm einen Blick über die Schulter zu, nickte in knappem Einverständnis.
 

„Du solltest ganz ins Wasser gehen.“

Itachi warf ihm einen Blick zu, der Bände sprach, ging auch nicht weiter als bis zu den Knien ins Wasser. Er hatte sich die Hosenbeine hochgekrempelt, tunkte gerade ein weiteres Mal sein Shirt in den See, ehe er es auswrang. Kisame schnalzte unzufrieden mit der Zunge, wobei er kurz darüber nachdachte, den Uchiha in einem unbedachten Moment zu packen und ins Wasser zu werfen. Nun, die Umsetzung der Idee würde wohl nicht an Itachis Gewicht scheitern, wohl aber an einer Faust in Kisames Gesicht. Man durfte Itachis Kraft nicht unterschätzen, nur weil er nicht mit Muskeln bepackt war.

„Will ich wissen, woran du denkst?“

Gegen das zahnige Grinsen konnte er sich nicht wehren und er funkelte den Uchiha belustigt an.

„Eher nicht“, gab er zu und begann, sich auszuziehen.

Bevor er seine Kleidung waschen würde, wollte er erstmal eine Runde schwimmen. Zwar war der See nicht besonders groß, aber es würde schon reichen…außerdem würde er so auch das Blut, das unter anderem in seinen Haaren klebte, loswerden. Als auch das letzte Stück Stoff gefallen war, zögerte er nicht länger, sondern stürmte mit großen Schritten in den See. Schon bald verlor er den Boden unter den Füßen, tauchte direkt unter, um mit kräftigen Zügen bis auf den Grund zu schwimmen. Das Wasser war relativ sauber, was es noch angenehmer machte, sich wieder in seinem Element zu befinden. Dank seiner Kiemen konnte er so lange tauchen, wie er wollte, und aufgrund seiner speziellen Haut war er weitaus schneller als jeder andere Mensch. Ein paar Fische kamen ihm entgegen, stoben allerdings direkt auseinander, kaum dass sie ihn bemerkt hatten. Gerade hatten sie nichts vor ihm zu befürchten, denn er wollte bloß das Gefühl genießen.

Natürlich war dieser kleine See nichts gegen die Freiheit, die man im Meer verspürte, doch es war ein Anfang. Er genoss es, wie das Wasser seinen Körper angenehm umhüllte, wie er pfeilschnell den ganzen See erkundete, ihn beherrschte, denn keines der Tiere konnte es mit ihm aufnehmen.

Itachi wusste ja nicht, was er verpasste.

Das Zeitgefühl kam ihm vollkommen abhanden, so dass er erst nach einer ganzen Weile beschloss, wieder aufzutauchen. Er sah den Uchiha am Ufer sitzen, anscheinend hatte er auf ihn gewartet – und seine Kleidung gewaschen, denn diese lag nass und ausgebreitet im Gras. Abgesehen von seinen Shorts.

Kisame musste grinsen, als er das bemerkte; wie vorausschauend von ihm. Nicht, dass sich der Hüne geniert hätte, zur Not hatten sie ja auch noch die Mäntel.

Er schüttelte sich einmal, wobei die Wassertropfen aus seinen Haaren stoben, ehe er weiter auf den Uchiha zuging. Wie schon im Bordell fiel ihm auf, dass Itachi konsequent den Blick abgewandt hielt. Gut, er musste ihm ja nicht unbedingt in den Schritt starren, aber irgendwie war es doch normal, dass man hinguckte, oder? Und sei es nur ein flüchtiger Blick, um vergleichen zu können. Das machte jeder, vor allem in dem Alter, da gab es nichts zu schämen.
 

In aller Ruhe zog er sich die Shorts über, ehe er sich wieder zu dem Uchiha drehte – und dessen flüchtigen Seitenblick gerade noch so mitbekam. Kisame konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken, äußerte sich jedoch nicht dazu. Das war nicht das Thema, welches er hatte anschneiden wollen, und so ließ er sich neben seinen Partner fallen, blickte für einige Sekunden nachdenklich auf den See hinaus.

„Denkst du oft an ihn?“

Die Frage traf Itachi unvorbereitet, er merkte es ihm an, obwohl sein Partner ebenfalls starr auf den See hinausschaute.

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst“, unternahm er den Versuch, ihm auszuweichen.

Kisame schnaubte leise.

„Natürlich weißt du das“, erwiderte er lapidar. „Du hast nur keine Lust, mir zu antworten.“

Wieder beobachtete er den Uchiha, doch dessen Miene blieb ausdruckslos.

„In dem Fall verstehe ich nicht, warum du überhaupt damit anfängst. Ich sagte dir bereits, dass ich darüber nicht reden werde.“

Das klang so endgültig, dass die meisten wohl verstummt wären, um keinen Streit vom Zaun zu brechen. Kisame kannte Itachi allerdings nun schon einige Jahre und er hatte ein Gespür dafür entwickelt, wann er sich auf gefährlichem Terrain bewegte. Zumal er seinen Partner zwar respektierte, aber nicht fürchtete, was nicht viele Menschen von sich behaupten konnten. Wenn Kisame so an ihren Besuch in Konoha zurückdachte, wusste er auch, warum dies so war. Die Sharingan waren eine mächtige Waffe, doch Itachi benutzte sie ihm gegenüber nicht einmal mehr als Drohung.

„Und ich habe bisher nicht weiter nachgefragt“, gab Kisame zurück. „Das ändert aber nichts daran, dass du mir verschwiegen hast, dass es einen überlebenden Bruder, der dich um jeden Preis umbringen will, gibt. Das ist keine unbedeutende Kleinigkeit, Itachi.“

Etwas in den dunklen Augen seines Partners verdüsterte sich, machte deutlich, dass Kisame einen wunden Punkt getroffen hatte.

„Nein, das ist es nicht“, hörte er ihn sagen. „Aber es ist auch nicht dein Problem.“

Kisame lachte trocken auf.

„Und ich dachte, wir wären ein Team…von wegen Rückendeckung und so. Denkst du nicht, dass es mein Problem werden könnte, wenn der Knirps älter und stärker wird? Auch wenn er dir nichts entgegenzusetzen hatte, hat er ein verdammt großes Loch in die Wand gesprengt. Wie alt ist er? 14?“

„13…“, murmelte Itachi und brachte Kisame damit zum Kopfschütteln.

„Du weißt besser als ich, dass der Bengel Potenzial hat. Also…wieso hast du ihn verschont?“

Ihm entging nicht, wie Itachi die Lippen für einige Sekunden so fest aufeinanderpresste, dass es schon schmerzhaft aussah. Hatte er tatsächlich den einen Nerv getroffen, der Itachi wütend machen konnte? Falls dies so war, so hielt der Zustand nicht lange an, denn plötzlich entspannte sich die Mimik des Uchihas wieder und er ließ die Schultern sinken. Sein Blick fokussierte sich wieder auf den See vor ihnen, als er ihm doch noch antwortete.

„Gut“, meinte er so ruhig, dass Kisame dem Braten nicht traute. „Ich nenne dir den Grund.“

Das war doch viel zu einfach. Der Hüne behielt den Jüngeren misstrauisch im Auge, konnte nicht glauben, dass dieser so schnell seine Meinung geändert hatte, wo er gerade noch ausgesehen hatte, als würde er ihn gleich mit den Sharingan foltern.

„Wenn du mir von Miru erzählst.“

Kisames Kopf zuckte so ruckartig hoch, dass er seinen Nacken knacken hörte, und er sah seinen Partner ungläubig an. Hatte er sich verhört? Nein. Er hatte ihren Namen genannt. Einen der seltenen Namen, die er sich bis heute eingeprägt hatte. Ein Gesicht, das sich von den anderen unterschied. Eines seiner vielen Opfer…und eines der wenigen, die er nicht vergessen hatte.
 

„Ich weiß nicht, wie du auf diesen Namen kommst“, begann er langsam, nachdem er sich wieder gefasst hatte. „Aber viel gibt es da nicht zu erzählen. Ich habe sie getötet. Sie war nichts Besonderes.“

Itachi hatte sich ihm zugewandt, die dunklen Augen fest auf ihn geheftet und mit einem so undurchdringlichen Blick, als könnte er in seinen Kopf schauen. Es fühlte sich unangenehm an und Kisame fragte sich, wie er hatte zulassen können, dass der Spieß so schnell umgedreht wurde. Verdammte Miru…

„Nun, sie scheint besonders genug zu sein, da du ihren Namen mehr als einmal im Schlaf gemurmelt hast.“

Kisame spürte, wie seine Kehle eng wurde, denn er wusste, dass das keine Lüge war. Er bevorzugte es, nicht darüber nachzudenken und schon gar nicht darüber zu reden. Tot blieb tot. Wozu sich Gedanken darum machen? Ein Gewissen erschwerte alles…und dennoch zwang ihn sein Unterbewusstsein, sich damit auseinanderzusetzen. Auch Itachi war dies schon passiert, doch keiner von ihnen war darauf zu sprechen gekommen. Sie hatten die Privatsphäre des jeweils anderen respektiert – und Kisame verstand, was Itachi ihm hiermit sagen wollte.

Wenn er über seinen Bruder sprechen sollte, musste Kisame ihm zuerst einen Teil seines Lebens offenbaren. Das war fair und trotzdem ärgerte es ihn. Sicher, er konnte es dabei belassen, doch wollte er das?

Sein Kiefer malmte geräuschvoll, während er Itachis festen Blick erwiderte. Sie hatten solche Machtkämpfe lange nicht mehr ausgefochten, aber diesmal führte kein Weg daran vorbei.

„Sie war Mitglied der Chiffrier-Einheit von Kiri Gakure“, versuchte er sich sachlich zu fassen.

Eigentlich gab es dazu auch nicht viel mehr zu sagen, denn wie lange hatte er die junge Frau gekannt? Wenige Tage, in denen sie wenig miteinander gesprochen hatten…aber eben auch mehr als mit den anderen. Wenn er eine ehrliche Antwort von Itachi wollte, musste er wohl den Anfang machen.

„Es ist bereits einige Jahre her“, fuhr er fort. „Ich hatte den Befehl bekommen, diese Einheit auf einer Mission zu beschützen, damit niemand an die Informationen gelangen konnte.“

Kurz hielt er inne, auch wenn der weitere Verlauf der Geschichte Itachi nicht neu sein würde. Sein Partner wusste, was seine hauptsächliche Aufgabe gewesen war – er selbst hatte es ihm gesagt.

„Zuerst lief alles wie geplant, aber dann wurden wir von Konoha-nin abgefangen und schließlich eingekesselt. Es hätte keine Möglichkeit gegeben, alle zu befreien. Sie hätten Gefangene gemacht und die Informationen gegen Kiri genutzt. Du weißt, wie es ausgegangen ist, nicht wahr?“

Itachi zuckte nicht mal mit der Wimper, erwiderte seinen Blick ruhig.

„Du hast sie getötet, bevor sie in Konohas Hände fallen konnten.“

Kisame nickte, den altbekannten, bitteren Geschmack, den solche Erinnerungen mit sich brachten, auf der Zunge.

„Das war meine eigentliche Mission. Meine Kameraden zu töten, sollte es nötig sein. Dazu wurde ich ausgebildet…und ich habe nicht einmal dabei versagt.“

Für ein paar Sekunden herrschte Stille zwischen ihnen, auch wenn Kisame ahnte, dass es das nicht gewesen war. Die eigentliche Frage hatte er damit nicht beantwortet und er wusste nicht, was er überhaupt sagen sollte.

„Warum sie?“

Kisame atmete durch, richtete die Raubtieraugen an Itachi vorbei auf den See. Das Mondlicht spiegelte sich im düster wirkenden Wasser, das nur sanfte Wellen warf.

„Vermutlich, weil sie die Einzige war, die einen Menschen in mir sehen wollte“, brummte er zögerlich. „Ich weiß nicht, wie das bei euch war oder ist…aber in meiner Heimat wurden eher selten Freundschaften geschlossen. Der Starke frisst den Schwachen…unter diesem Motto sind wir aufgewachsen.“

Er zuckte die breiten Schultern, wandte den Blick nicht vom See ab.

„Ich war nie sonderlich beliebt in Kiri – nicht, dass ich mich darum bemüht hätte. Bindungen einzugehen, wäre bei meinen Missionen hinderlich gewesen. Also habe ich mich abgeschottet und sie reden lassen. Es war sehr viel einfacher, sie denken zu lassen, dass ich nur ein hirnloser Schläger bin.“

Es war gut, dass Itachi ihn nicht unterbrach, denn das machte es leichter. Kisame konnte sich nicht erinnern, dass er jemals jemandem davon erzählt hatte. So etwas hatte er stets mit sich selbst ausgemacht oder es einfach verdrängt.

„Ich weiß nicht, warum sie versucht hat, sich mit mir anzufreunden. Ich denke, sie war so ein naiver Gutmensch, der sich mit jedem gut verstehen muss. Keine Ahnung…ihre Freundlichkeit hat sie jedenfalls nicht davor bewahrt, von mir umgebracht zu werden.“

Er hatte sich oft eingeredet, dass sie nur eine von vielen gewesen war, doch letztendlich stimmte das nicht ganz. Selten hatte sich etwas in ihm gesträubt, einen Kameraden zu töten, und das, obwohl Miru und er sich kaum gekannt hatten. Anfangs hatte sich Kisame überwinden müssen, denn er war jung gewesen, aber nach ein paar Jahren war sein Handwerk Routine geworden. Er hatte seine Pflicht jedes Mal erfüllt.
 

„Du hast sie gemocht.“

Ein bitteres Grinsen legte sich auf seine Lippen, als Itachi unvermittelt wieder das Wort ergriff. Er drehte langsam den Kopf in seine Richtung, musterte ihn aus seinen Raubtieraugen.

„Vermutlich habe ich das“, gestand er. „Aber du siehst, was es ihr gebracht hat. Letztendlich hat ihr Leben keinen Wert für mich gehabt…oder zu wenig, gemessen an der Mission. Ich habe immer alles über meine Pflichten gestellt.“

Konnte Itachi das verstehen? War er jemals in seiner Situation gewesen? Obwohl sie bereits einige Jahre Partner waren, wusste er kaum etwas über den Uchiha. Mehr als andere, aber immer noch nicht genug, um sich ein komplettes Bild machen zu können.

„Denkst du manchmal darüber nach, was gewesen wäre, wenn du dich anders entschieden hättest?“, hörte er Itachi leise fragen.

Wieder empfand Kisame es als sehr schwierig, ihn einzuschätzen. Man sah ihm nicht an, was er davon hielt. Er saß einfach nur da und schaute ihn mit seinen schwarzen Augen an…er konnte den Ausdruck in ihnen nicht deuten. Da war etwas, das Kisame das Gefühl gab, dass Itachi ihn möglicherweise tatsächlich verstand.

„Manchmal“, gab er zu. „Aber ich bereue es nicht. Es gab keine andere Option.“

Der Uchiha nickte, als hätte er die Worte bereits erwartet. Wieder verstummten sie, blieben still nebeneinander sitzen, bis Itachi plötzlich die Beine anzog und den Kopf auf den Knien ablegte. Sein Blick wurde ein wenig abwesender, schweifte in die Ferne, ohne etwas zu fokussieren.

„Dasselbe trifft auf die Vernichtung meines Clans zu“, brach er die Stille und Kisame horchte auf. „Ich hatte Gründe, die mir keine andere Wahl ließen.“

Kisame glaubte nicht, dass der andere diese Gründe noch näher erläutern würde. Nicht heute. Dennoch fragte er sich, was jemanden wie Itachi, der seiner Erfahrung nach ein eher ruhiges, umgängliches Gemüt hatte, dazu bewog, seine komplette Familie auszurotten. Nun, bis auf einen.

Bevor er danach fragen konnte, grub der Uchiha die Finger in seine Arme und sein Blick kühlte merklich ab. So wie es auch heute der Fall gewesen war, als sie diese Männer getötet hatten. Zwei Seiten einer Medaille, kam es ihm wieder in den Sinn.

„Ich sagte es dir bereits. Sasuke muss überleben, weil er noch einen Nutzen für mich hat.“

Kisame hätte den Ausdruck, der sich nun auf den Zügen des Uchihas abzeichnete, am ehesten als verbissen beschrieben. Es machte den Anschein, als quälten ihn die eigenen Worte.

Abermals verkeilten sich ihre Blicke ineinander, doch diesmal leuchteten ihm die Sharingan entgegen. Mangekyou Sharingan.

Kisame machte keine Anstalten, zurückzuweichen – es kam ihm seltsamerweise nicht wie eine Warnung vor. Mehr hatte er das Gefühl, dass ihm der andere etwas damit sagen wollte. Sasukes Überleben hatte also etwas mit dem Bluterbe der Uchiha zu tun?

„Ich halte dich nicht für einen hirnlosen Schläger, Kisame“, sprach Itachi ruhig weiter. „Du wirst es daher sicherlich bemerkt haben…“

Kisame verengte leicht die Augen, ehe er ein knappes Nicken von sich gab.

„Dein Mangekyou Sharingan schadet deinem Körper.“

„Genau genommen beschädigt es meine Sehkraft.“

Kisame realisierte plötzlich, dass Itachi ihm gerade eine Schwäche offenbarte. Natürlich hatte er es bemerkt, doch dass sein Partner es ihm nun auch noch freiwillig bestätigte, zeugte davon, dass er ihm vertraute…und ihn achtete. Ein eigenartiges Gefühl stieg in ihm auf und er wusste nicht ganz, wie er damit umgehen sollte. Beinahe hätte er vergessen, dass das noch immer nicht erklärte, warum Sasukes Leben deswegen wichtig war.

„Wenn ich irgendwann an meinem Limit bin, werden die Augen meines Bruders alles sein, was mir noch helfen kann.“

Für einen Moment war Kisame wirklich sprachlos, denn was Itachi ihm da erzählte, das war…grausam. So gesehen stellte Sasuke nicht mehr als ein Lamm dar. Eines, das zur Schlachtbank geführt werden würde. Doch überraschte ihn das tatsächlich?

Trotz allem, was man sich über den Uchiha erzählte, wirkte dieser nicht wie der eiskalte Mörder, als den man ihn darstellte. Jetzt erzählte er ihm diese Geschichte – und wieder wollte es nicht so recht zusammenpassen. Licht und Schatten. Zwei Seiten einer Medaille. Er hatte es damals selbst gesagt und dennoch stellte der Uchiha einen Widerspruch nach dem anderen dar.

Doch war es bei ihm nicht genauso? Heute hatte er diese Männer wie ein Berserker zerrissen, seinem Blutrausch freien Lauf gegeben. Nun saß er mit dem Uchiha am See und tauschte mit ihm ihre Lebensgeschichten aus.
 

Als das raue Lachen aus ihm herausbrach, musste er Itachi nicht ansehen, um zu wissen, dass dieser ihn irritiert ansah. Er achtete nicht darauf, sondern lachte weiter, schüttelte den Kopf dabei. Erst nach einigen Sekunden endete das bellende Geräusch und er atmete durch, immer noch ein breites Grinsen auf den Lippen.

Es war kein amüsiertes Grinsen, mehr ein bitteres.

„Wir beide sind schon ziemlich verkorkst, nicht wahr?“, fragte er und warf dem anderen einen Blick zu.

Itachi musterte ihn seinerseits, als müsste er sich erneut ein Bild von ihm machen, ehe er ein Seufzen verlauten ließ.

„Das ist wohl nicht zu leugnen“, stimmte er zu und Kisame wusste nicht, warum er sich dennoch leichter fühlte.

Nicht, dass er sich sonst mit solchen Dingen allzu sehr belastete, aber trotzdem hatte das Gespräch gutgetan. Die Partnerschaft mit Itachi tat ihm gut, denn bislang hatte er keinen Kameraden wie ihn gehabt. Bislang hatte er keine Bindungen zugelassen, weil sie ihm im Wege gestanden hätten.

Es war eine ganz neue Erfahrung, mit jemandem zusammenzuarbeiten…und zusammenzuleben, denn das taten sie ja schließlich. Im Gegensatz zu früher war es nicht abzusehen, wann diese Partnerschaft enden würde.

Er musste nicht fürchten, dass Itachi in nächster Zeit starb, denn er war stark. Sie beide waren das und sie gaben sich Rückendeckung, was ihr Überleben noch einmal mehr sicherte. Es war gut, nicht allein zu sein. Selbst wenn ihre gemeinsame Zeit ein grausames Ende nehmen würde, würde es eine gute Erinnerung bleiben – für wen von ihnen beiden auch immer.

Man konnte nie wissen, was die Zukunft brachte, aber bisher funktionierte das mit ihnen beiden.

Kisame stützte sich mit den Händen im Gras ab, ließ sich etwas zurückfallen, während Itachi wieder auf den See hinausblickte.

„Na dann hoffen wir mal, dass diese verkorkste Partnerschaft noch etwas länger anhält, was?“

Itachi regte sich zunächst nicht, doch Kisame sah, wie seine Mimik wieder etwas milder wurde.

„Hoffen wir es.“

Und dem war nichts mehr hinzuzufügen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Es hat lange gedauert und es wird nun auch wieder lange dauern, da ich gefühlt zu nix komme... x.x
Zwar sind die nächsten beiden Kapitel schon so gut wie fertig, aber ich will alles noch mal überarbeiten (gut, wenn man eine fleißige Beta hat <3).
Jedenfalls wird's ab Mitte September wohl wieder ruhiger (keine JGA und Hochzeiten von Freunden mehr).
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen und freue mich wie immer auf Kommis!

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  LSiomha
2019-05-11T18:32:29+00:00 11.05.2019 20:32
Dieses Kapitel mag ich wirklich sehr.
Ich meine, Kisame planscht in einem See und Itachi zieht sich auch aus – zumindest teilweise – was will man mehr?
Nee, Spaß. (Obwohl ich es mir wirklich niedlich vorstelle, wenn Kisames knackiger, blauer Hintern im See abtaucht, hehe.)
Es ist einfach so einfühlsam und intim, wie immer, wenn sie mal über ihre Erfahrungen reden, über ihre Gründe.
Über Kisames Vergangenheit … geprägt davon, als ein herzloses Werkzeug zu dienen, seine Kameraden zu ermorden. Ich bin mir nicht sicher, aber Itachi ist es ähnlich ergangen. Vielleicht kann er Kisames kleine Existenzkrise ja nachvollziehen, ohne dass der sämtliche Details vor ihm auskotzt.
Und auf der anderen Seite … Itachi offenbart sich. Wortwörtlich, verdammt! Er vertraut sich Kisame an, und so klein dieser Teil ist, den er von sich preisgibt, so bedeutsam ist er auch. Und wie Kisame ihn sofort versteht, wie er den Wert des ihm Offenbarten bergreift und wie er versteht, was in Itachi vorgeht … es berührt mich.
Kisame sieht hinter Itachis Maske und zwar ist er nicht sicher, dass er das tut – schließlich ist es Itachi – aber er vermutet es und das ist so voller Tiefe. Weiß auch nicht wieso, aber ich bin gerade geflasht.
Und dann noch das Sinnieren über ihre Partnerschaft … eine "gute Erinnerung". Zu lesen, was Itachi ihm mittlerweile bedeutet, seine Wichtigkeit in Kisames bisher so einsamen Leben, das geht unter die Haut.
Ehrlich, an dieser Stelle tut es so weh zu wissen, wie es ausgeht. Itachi weiß es bestimmt auch schon, mindestens in groben Zügen, so wie er alles plant und arrangiert …

Aber gut. Bis dahin ist es ja wirklich noch ein Weilchen hin, genug Zeit, um sich noch den schönen Momenten zuzuwenden … wie Itachis verstohlenen Seitenblicken. Hehe. War die Prostituierte doch nicht so subtil, wa?
Von: abgemeldet
2017-08-04T20:05:31+00:00 04.08.2017 22:05
Schön, ein neues Kapitel! Und dann hat sich das Warten auch noch mehr als gelohnt. Ich musste schmunzeln, als Itachi dem nackten Kisame einen verräterischen Seitenblick zuwirft... Wie du die Beziehung der beiden beschreibst ist einfach herrlich ;)


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