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An awkward guide how to love if you're slightly German

von

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Freund und Feind

Freitag, 14. Oktober
 

Ludwig stand fertig geduscht, in seinem besten Anzug am Fenster und ärgerte sich über die Unpünktlichkeit seines Bruders. Es war 19:13 Uhr und er beobachtete die Autos, die in gleichmäßiger Geschwindigkeit vor seinem Fenster vorbeifuhren. Seine Arme vor der Brust verschränkend und seufzend, lehnte er sich gegen den Fenstersims und beobachtete argwöhnisch die Menschen, die hektisch auf der anderen Straßenseite vorbeiliefen. 
 

Er war versucht, seinen Bruder anzurufen, doch er ließ das Handy besser an Ort und Stelle. Denn wenn er Gilbert nun anrief, würde sich dessen Ankunft nur noch mehr verzögern, daran war er mittlerweile gewöhnt. Auf seinen Bruder war nun mal einfach keinen Verlass. 
 

Erst, als der anthrazitgraue VW Phaeton vor seiner Haustür vorfuhr, erwachte Ludwig aus seinen Gedanken und er sah den hellgrauen Haarschopf aussteigen. Sein Bruder starrte zu seinem Fenster hinauf und machte eindeutige Bewegungen, dass er seinen Hintern vor die Tür schwingen sollte. Sehr zu Ludwigs Überraschung war auch sein Bruder gut gekleidet in einen blauen Anzug, der vermuten ließ, dass ihm dieser Abend auch sehr wichtig war. Tatsächlich überraschte Ludwig Gilberts Stilsicherheit bei seiner Kleiderwahl ein wenig.  
 

Ludwig war schon lange in Aufbruchsstimmung und nahm nur noch kurz den Blumenstrauß, den er vor gut einer Stunde vom Floristen an der Ecke gekauft hatte und sortierte die Primeln ein wenig. Wenn er die Verlobte seines Bruders treffen sollte, dann wollte er auch beweisen, dass er der Bedächtigere der beiden Brüder war. 
 

Ungeduldig öffnete ihm Gilbert die Beifahrertür und witzelte über den Blumenstrauß. 
 

»Glaubst du, dass du meine Ehre damit retten kannst, West?«  Gilberts Augen strahlten nahezu und er wirkte noch hibbeliger als sonst. 
 

»Ich dachte einfach, es ist eine nette Geste, Gil«, antwortete Ludwig und positionierte sich auf dem Beifahrersitz, die Blumen auf dem Schoß drapierend. Nachdem er sich vorschriftsgemäß angeschnallt hatte, beobachtete er seinen Bruder, wie dieser mechanisch in den Wagen kletterte und angestrengt das Lenkrad mit beiden Händen um krampft hielt. 
 

»Um ehrlich zu sein, ich bin wirklich nervös«, presste Gilbert zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und verzog das Gesicht zu einer Fratze. »Dass sie mich aushält, ist schon awesome, aber dann lernt sie heute noch meine vollkommen bekloppte Familie kennen… ich glaube, wir haben bald eine Braut mit kalten Füßen«, scherzte der Ältere. 
 

»Wenn du sie bisher nicht abschrecken konntest, ist deine Familie das geringere Übel. Vater und ich könnten deinen Ruf allerhöchstens aufpolieren, wenn sie erfährt, dass du nicht von Affen aufgezogen wurdest.«  Ludwig lächelte herausfordernd und lehnte sich entspannt in den Sitz zurück. 
 

»Das wird ja ein richtiger Kulturschock für Eliza. Wenn man bedenkt, dass sie auch jahrelang mit einem Affen zusammengelebt hat.«  Gilbert kicherte leise vor sich hin, auch wenn Ludwig nicht ganz verstand, was er damit gemeint hatte. 
 

»Du packst das, Gil.«  Ludwig lächelte schief und konzentrierte sich wieder auf die Sicht vor ihm. »Sag mal… du hast mir darauf gerade keine Antwort gegeben, aber, wir sind doch heute nur zu dritt, oder?«  Seine Gedanken waren noch immer bei Feliciano, aber er hatte nicht den Mumm, seinen Bruder ganz offen zu fragen, aus Furcht, dass er Wind von seinen Gefühlen bekommen könnte. Was das betraf, war Ludwig wirklich paranoid. 
 

»Ach, West. Worum machst du dir diesmal Gedanken? Hast du Angst, dass du das fünfte Rad am Wagen sein wirst? Du hättest eine Frau einladen sollen… Ich kann dir nicht versprechen, dass ich mich zurückhalten werde! Awesome me muss die Braut bezirzen, solange sie nicht endgültig eingefangen wurde.«  Gilbert startete den Wagen und zwinkerte seinem Bruder von der Seite zu. 
 

»Schwachkopf, darum geht’s mir doch gar nicht. Und du weißt, dass ich mir aus Frauen nichts mache!«  Ludwigs Wangen färbten sich rot. Unglücklicherweise wusste sein älterer Bruder von seiner sexuellen Neigung, weil er Ludwig damals mit seinem ersten Freund beim Fummeln erwischt hatte. 
 

»Ich weiß, aber ich habe ja keine Ahnung, welchen Typ von Kerl du bevorzugst. Ich meine… viele schwule Männer stehen ja auch auf eher weibliche Kerle. Nicht, dass ich irgendwie zu oft darüber nachdenke, aber vielleicht stehst du ja auf Kerle, die wie Frauen aussehen, so mit langen Haaren und schmaler Statur… Kiku würde sie vermutlich als Bishounen bezeichnen, der olle Otaku.«  Gilbert lachte leise und lenkte den Wagen in Richtung Südstadt.
 

»Was auch immer Bishounen sind…«  Ludwig schnalzte mit der Zunge. »Mir wäre es sowieso lieber, wenn meine Liebesangelegenheiten von dir unangetastet blieben. Du hast mir schon einmal jemanden vergrault, weißt du noch?«  
 

»Ah, du meinst diesen Kerl, der über Nacht geblieben war, als du deinen ersten Kneipenbesuch mit 18 hattest? Wie hieß er noch gleich…? Oh, … Fabian… Bauer…?« 
 

Ludwigs Wangen flammten bei dem Namen auf. Er würde nie im Leben dieses Erlebnis vergessen, bei dem er endlich in einer Szenenkneipe auf jemanden getroffen war, der nicht aussah, als würde er ‚Ich bin schwul und stolz darauf!‘ auf der Stirn tragen. Einer der ersten, bei denen er lange gerätselt hatte, ob er nicht ausversehen in diesem Etablissement gelandet war und schlussendlich hatten sie sich geküsst, bevor er sich vollkommen hatte zulaufen lassen und es fast zum Äußersten gekommen wäre.
 

Er hätte mit diesem merkwürdigen Individuum beinahe Sex gehabt, weil er nicht gewusst hatte, dass es sich bei ihm um einen masochistisch veranlagten Fetischisten gehandelt hatte, der auf Kaviar und Pinkelspiele stand. 
 

Ludwig war zwar bis heute echt froh gewesen, dass Gilbert das Ganze durch sein plötzliches Einschreiten unterbrochen hatte, doch zwischen den beiden war es seither ein Witz gewesen, dass Gilbert ihm sein Match versaut hatte. 
 

Gilbert hatte ihm am nächsten Tag ein fürstliches Frühstück bereitet, nachdem Fabian Bauer früher als geplant abgereist war. Ludwig hatte das ganze nie wirklich klargestellt und genoss die Schuldgefühle seines Bruders seither. 
 

»Vergessen wir deine Fehler«, antwortete Ludwig nur überheblich. 
 

»Wie ehrenvoll von dir, West. Wenn ich nur halb so selbstlos wäre wie du, würde Vater mir bestimmt mehr Geld zustecken«, witzelte Gilbert. 
 

»Vater schickt uns beiden monatlich denselben Betrag und das weißt du.«  Ludwig räusperte sich. Ihr Vater war ein Geschäftsmann auf Reisen und er ließ es sich auch nicht nehmen, seinen Söhnen trotz ihrer Adoleszenz einen beträchtlichen Geldbetrag monatlich zu schicken, quasi als Ersatz für seine körperliche Anwesenheit.
 

»Das behauptest du, aber er hat mich in meiner Jugend nach Österreich geschickt und nicht dich. Für mich spricht das ganze Bände… Andererseits… hätte er es nicht getan, würde ich heute nicht diese wundervolle Frau treffen. Vater hat sich ins eigene Fleisch geschnitten. Er dachte, das Jahr in Österreich würde mich reifen lassen, stattdessen habe ich einem Mädchen nachgestellt.«  Gilbert zwinkerte Ludwig zu. »Wer weiß, wen du getroffen hättest, wenn dein Arsch statt meiner in Österreich bei diesen Schluchtenscheißern gelandet wäre?«  
 

»Ich hätte garantiert weniger Ärger verursacht als du«, war Ludwig überzeugt und drehte den Strauß Blumen in seinen Händen. 
 

»Vielleicht wärst du dann aber auch der Rebell von uns geworden, wer weiß?«  Der Weißhaarige lächelte schmal. »Die waren dort drüben ganz anders, ich denke du unterschätzt die dort.«  
 

»Wenn du das sagst…«  Ludwig wirkte nicht sonderlich überzeugt und seine Mundwinkel zuckten unmerklich. 
 

»Hach, West…«  Gilbert fasste zu Ludwig hinüber und verwuschelte seine Frisur, begleitet von vielen Prosteten seitens des Blonden.
 

»Gilbert!«, raunte Ludwig und schüttelte seine Mähne aufgewühlt. »Du weißt, dass ich es hasse, wenn du an meinen Haaren rumspielst.«  
 

»Deine heilige Haarpracht, oh Prinz, werde ich fortan huldigen«, grinste Gilbert und konzentrierte sich wieder auf den Straßenverkehr. »Ich weiß gar nicht, wie du dich immer so über Kleinigkeiten aufregen kannst. Und du bist Lehrer, deine Schüler machen wahrscheinlich lauter so Zeug.« 
 

»Nichts ist schlimmer als pubertierende Kinder«, pflichtete Ludwig ihm bei, »Aber irgendwer muss die Jugend von heute ja formen. Sie entwickeln sich zu einem Haufen fauler Früchte.«  Ein ehrliches Lächeln legte sich auf seine Lippen und er ließ seinen Blick aus dem Fenster schweifen. 
 

Gilbert taxierte ihn einen Augenblick und lächelte dann stumm in sich hinein. »Du bist ein verdammter Weltverbesserer. Darum kann ich dich nicht ausstehen!«  

 
 

* * *
 

Es dauerte nicht lang, da erreichten sie das Restaurant, in dem sie mit Elizabeta Héderváry verabredet waren und Gilbert trat vor dem Lokal nervös von einem Fuß auf den anderen. »Bitte sag nichts, das mich vor ihr in den Schatten stellt, okay?«  
 

Ludwig legte den Kopf schief. »Warum sollte ich das tun? Du bist zwar mein dummer Bruder, der mein Lebtag immer gegen mich gearbeitet hat, doch ich will trotz allem, dass du glücklich wirst.«   Der Blonde stieß seinem großen Bruder liebevoll vor die Stirn. »Ich glaube nicht, dass sie nach allem noch abspringen wird. Sie kennt dich doch schon seit deiner Jugend, oder? Wie viel schlimmer soll sie noch von dir denken, Gil. Sie hat deinen Heiratsantrag angenommen, obwohl sie dich kennt. Nichts auf der Welt könnte euch noch voneinander trennen.«  
 

Vollkommen überrumpelt spürte Ludwig, wie sich die Arme seines Bruders um ihn legten und wie er von Gilbert in eine herzliche Umarmung gezogen wurde. 
 

»Das hasse ich so an dir, West.«  Gilberts Stimme klang gewöhnungsbedürftig, so ganz ohne jegliche Forderungen und ohne das übermächtige Selbstbewusstsein, das Gilberts Aura stärkte. 
 

»Ich weiß, Gil. Und jetzt will ich endlich deine Verlobte kennenlernen«, antwortete Ludwig, der seinem Bruder aufmunternd auf die Schultern klopfte.



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