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An awkward guide how to love if you're slightly German

von

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Die Ruhe vor dem Sturm

Sonntag, 16. Oktober
 

Feliciano saß, in Ludwigs Trainingsjacke gekuschelt, auf dem Sofa und spielte mit seinem Handy herum, während der Deutsche neben ihm beschäftigt war, etwas in seinen Laptop einzutippen. Sie saßen schweigend nebeneinander, aber keinem von beiden war die Situation unangenehm, weil sie sich immer wieder vertraute Blicke zuwarfen und einander anlächelten. 
 

Ludwig war sehr gewissenhaft und hatte eine Bedingung gestellt, unter der Feliciano den Nachmittag bei ihm verbringen durfte: Er musste den neuen Test fertigstellen und dann konnten sie am Abend das tun, worauf Feliciano Lust hatte. Dass Ludwig die Arbeit dem Vergnügen vorzog, hatte Feliciano bereits von Gilbert erfahren, aber jetzt merkte er erst einmal, wie akkurat die Beschreibungen des Weißhaarigen waren.
 

Der Italiener war vom Typ her ganz anders und drückte sich gerne vor Aufgaben wie diesen, wenn er konnte und musste sie dann auf den letzten Drücker erledigen. Vielleicht würde Ludwig ja einen guten Einfluss auf ihn ausüben, dachte er. 
 

Im Moment akzeptierte er diese Situation anstandslos, weil er umgeben war von Ludwigs Geruch und seiner Wärme, und weil er seine wundgeküssten Lippen immer wieder abtastete, um sicher zu gehen, dass das alles kein Traum war. 
 

Sie hatten sich wirklich geküsst und sie saßen so dicht beieinander, dass Feliciano nur seine Hand ausstrecken musste, um das Objekt seiner Begierde zu berühren. Wann immer Ludwig in Gedanken verloren dasaß und nicht tippte, schlich sich Felicianos Hand in die des Blonden und entlockte ihm ein Lächeln. 
 

Ludwigs Lächeln war, wie ein heißer Sommertag an einem seiner Lieblingsstrände in Italien, dem Baia del Silenzio, der seinem Namen zwar nicht gerecht wurde, weil dort immer viel los war, an dem man aber die schönsten Sonnenuntergänge miterleben konnte. Ludwigs blaue Augen spiegelten das Meer wider und seine leicht geröteten Wangen den Abendhimmel, der alles in violette und rote Farben tauchte, bevor sich die Nacht über dem kleinen Fischerdorf hinabsenkte. 
 

In Felicianos Brust klopfte sein Herz so schnell, dass ihm die Aufregung irgendwann zu viel wurde und er den Blick abwenden musste, um nicht vollkommen verrückt zu werden. Er lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Handy und spielte ein wenig mit der Kamera herum. »Schau mal, Luddy«, murmelte er, während der den Selbstportraitmodus öffnete und die Kamera auf sie beide richtete. »Deine Muskeln kommen hier ja richtig zur Geltung.« 
 

Der Blonde ließ seinen Blick zur Kamera schweifen und hob eine Augenbraue. »Was wird das, wenn es fertig ist?« 
 

»Ich dachte… vielleicht kann ich ein Bild von uns beiden machen? Damit ich es anschauen kann, wenn ich wieder nach Hause muss.«  Er lachte leise und lehnte seinen Kopf an Ludwigs Schulter an. »Klingt das verrückt? Bestimmt.«  
 

»Wozu brauchst du ein Bild? Du kannst mich jederzeit in Person treffen, wenn du möchtest.«  Ludwig kräuselte die Stirn und starrte auf den Bildschirm, auf dem er sich und Feliciano sah. 
 

»Ve, ich weiß. Aber… darf ich trotzdem eins machen? Du siehst so atemberaubend aus und ich will diesen Moment einfach für immer festhalten.«  Auf diese Aussage hin errötete der Deutsche noch mehr, als er es ohnehin schon war und räusperte sich, weil ihm die Stimme zu versagen drohte.
 

»N-na gut. Aber wehe du postest es überall. Ich will nicht, dass es irgendwo in den Tiefen des Internets auftaucht. Du weißt ja, das Internet vergisst nicht«, belehrte er den Italiener und legte den Laptop zur Seite, um sich ein wenig in Position zu setzen. 
 

Feliciano nutzte die Gelegenheit und kuschelte sich an Ludwigs Brust, während der Deutsche ihm das Handy abnahm und ein bisschen mit dem Winkel spielte, ehe er sich ein wenig entspannte und für Feliciano lächelte.
 

Es dauerte einen Moment, bevor die Kamera fokussierte und einen Schnappschuss machte, aber das Foto war ihnen wirklich gelungen. Ludwig gab Feliciano sein Handy wieder, doch sie verharrten noch eine Weile in der Position, während Feliciano sein Gesicht an Ludwigs Brust gedrückt hatte und er seinen Arm um den Italiener gelegt hatte. 
 

Ludwig hatte das erste Mal seit Ewigkeiten das Bedürfnis, die Arbeit einfach beiseite zu schieben und stattdessen den Moment zu genießen. Er führte seine Hand unter Felicianos Kinn und hob sein Gesicht an, sodass er ihn küssen konnte. Süß und unschuldig, während der Italiener genüsslich seine Augen schloss. Es dauerte nur einen Moment, aber als sie sich voneinander lösten, kribbelte es in Ludwigs Magen, als würden tausende Schmetterlinge den Weg nach draußen suchen. 
 

Er räusperte sich und lächelte ungeschickt. »F-Feli…«, murmelte er und der Brünette legte den Kopf schief. 
 

»Ja, Luddy?«  Neugierige Augen waren auf ihn gerichtet und er spürte, wie eine ungewohnte Nervosität ihn überkam. 
 

»Ach, e-es ist nichts«, winkte er schließlich ab und wandte seinen Blick ab. 
 

Feliciano schlang seine Arme um Ludwigs Hals und setzte sich völlig unvermittelt auf seinen Schoß. »Du kannst mir alles sagen, Luddy«, flüsterte er an sein Ohr und ließ seine Lippen an Ludwigs Halsbeuge hinab wandern. 
 

»F-Feli… ich… ich muss weiterarbeiten«, stammelte der Deutsche nervös, als die Hände des Italieners seine Schultern abwärts bis zur Brust und unter das Tanktop wanderten. 
 

»Arbeiten, sagst du?«  Feliciano genoss sichtlich die Unruhe, in die er Ludwig offenbar manövrierte, denn der Deutsche legte seine großen Hände auf Felicianos Hüften ab und dieser Griff hielt ihn fest. Seine Taten straften seiner Worte Lügen. 
 

»Ja. Ich muss… unser Missgeschick von gestern in Ordnung bringen…«, stammelte der Blonde und spürte, wie Feliciano sein Oberteil, mit einem Grinsen auf den Lippen, hochschob und seine kalten Finger dabei Ludwigs Haut streiften. Augenblicklich sog er die Luft ein, weil die Berührungen ein Kribbeln auf seiner Haut auslösten und er darauf nicht vorbereitet gewesen war. 
 

Feliciano musste seine unbequeme Position ein wenig korrigieren, weshalb er seine Knie jetzt links und rechts von Ludwigs Oberschenkeln platzierte und so weit zu Ludwig hinüberrutschte, dass zwischen ihnen gerade genug Platz war um seine Hände über die definierten Bauchmuskeln gleiten zu lassen. Seine Lippen beschäftigten sich derweil damit, den Weg der Halsbeuge wieder hinauf zu küssen und endeten schließlich an Ludwigs Kinn. »Arbeiten…«, wiederholte Feliciano. 
 

»Ja, arbeiten«, keuchte Ludwig widerwillig und jeglicher Kontrolle entzogen fuhr er mit seinen flachen Handflächen Felicianos Rücken auf und ab. Er konnte nicht abstreiten, dass ihm in diesem Moment die Arbeit fernerlag als jemals zuvor. 
 

Gerade als Feliciano ihre Lippen miteinander verband und zärtlich auf Ludwigs Unterlippe herumknabberte, schreckten beide zusammen, als sie das Klingeln der Tür vernahmen. 
 

Mit vor Schock geweiteten Augen starrten sich die beiden an. »Erwartest du Besuch?«  Feliciano senkte augenblicklich seine Stimme und Ludwig schüttelte den Kopf. Sofort machte der Italiener Platz und ließ sein Gegenüber aufstehen. 
 

Ludwig brauchte einen Moment, um wieder Herr seiner Sinne zu werden, aber es klingelte erneut und danach noch einmal. »Ja, ich komme ja!«, rief er in Richtung Haustür. Bevor er in den Flur trat, sah er noch einmal kurz zu Feliciano zurück, der sich schwer atmend durch die Haare fuhr und den Deutschen nicht eine Sekunde aus den Augen ließ. 
 

Feliciano lächelte selig vor sich hin, während er seine Kleidung einigermaßen sortierte. Ihm war in der Hitze des Gefechts gar nicht aufgefallen, dass Ludwig ihn selbst ganz durcheinandergebracht hatte. Während er mit seinen Fingern die Konturen seiner Lippen nachfühlte, hörte er im Flur ein Gespräch mit. Es war die Stimme einer älteren Frau und die von Ludwig, die sich angeregt unterhielten.
 

»Nun, jedenfalls dachte ich, da es dir heute Morgen so schlecht ging… bringe ich dir etwas zum Mittag vorbei. Oder störe ich gerade?«  Die Stimme klang vorwitzig und als auch Feliciano seine Neugier nicht mehr im Zaum halten konnte, lugte er vom Wohnzimmer aus in den Flur, um Ludwigs ansehnlichen Rücken zu betrachten. 
 

Ludwig hatte die Tür gerade so weit geöffnet, dass er mit seinem Gegenüber sprechen und ihn sehen konnte, daher erkannte Feliciano auch nicht, mit wem er sich da unterhielt, aber sie klang recht sympathisch. 
 

»N-nein, Frau Koch. Sie stören nicht. Ich arbeite gerade an einem Projekt für die Kinder«, log er und strich sich durch das blonde Haar. 
 

»Na, dann störe ich ja doch. Jedenfalls bist du dann mit Essen versorgt. Es ist Linseneintopf, ich habe extra mehr Kartoffeln gekocht für dich. Ich hoffe er schmeckt dir.«  Feliciano sah, wie eine schmale Hand in Ludwigs Wange kniff und er unbeholfen vor sich hin kicherte. 
 

»Danke, Frau Koch.«  
 

»Herrje, nenn mich doch einmal im Leben Martha, Jungchen. Du bist zu verklemmt und ich will dir nichts Böses«, tadelte sie ihn und Ludwig seufze. 
 

»Jawohl, das werde ich«, antwortete Ludwig sichtlich widerwillig und sie drückte ihm die Schale mit dem Essen in die Hände. 
 

»Nanu, wer ist denn das?«  
 

Feliciano hing noch immer im Türrahmen und beobachtete die Szene, ehe ihm auffiel, dass zwei Augenpaare auf ihn gerichtet waren. Erst war da Ludwig, der ihn angespannt anstarrte und das andere Augenpaar gehörte einer schmächtigen, älteren Dame, die ein gepunktetes Kleid und graue Pantoletten mit Blumenornamenten trug. 
 

»D-das ist mein Arbeitskollege, Feliciano. Er hilft mir beim Projekt«, stammelte Ludwig und brauchte einen Moment um zu verarbeiten, dass Martha ihn nun vermutlich mit Fragen überhäufen würde. Sie hatte sich neulich bereits beschwert, dass Ludwig niemals Freunde mit nach Hause brachte und sie nur seinen Bruder kennen gelernt hatte. 
 

»Ciao, Bella. Ich bin Feliciano«, stellte sich der Italiener vor, ohne sich etwas dabei zu denken. Er kam nah genug, dass er Martha die Hand schütteln konnte und lächelte charmant. 
 

»Oh, und dann so ein hübscher, junger Mann. Sind Sie auch Lehrer?«  Martha lächelte verzückt und ging an Ludwig vorbei in dessen Wohnung. 
 

Der Blonde seufzte unmerklich und schloss die Haustür hinter sich. Jetzt war das Chaos perfekt…

 
 

* * *
 

Eine gute halbe Stunde später saßen sie auf der Couch, mit dampfenden Tassen in den Händen und plauderten über dies und das. Feliciano hatte mittlerweile erfahren, dass Martha eine alleinstehende alte Dame und seit vier Jahren die Nachbarin von Ludwig war. Sie hatte keine Kinder oder Enkelkinder und war früher als Sekretärin in der Firma ihres Mannes beschäftigt gewesen. Unglücklicherweise war dieser früh an Krebs verstorben und heute vertrieb sie sich die Zeit mit stricken, kochen und ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit im örtlichen Altenheim. 
 

Feliciano war fasziniert von ihr und lauschte ihren Worten, während er an seinem schwarzen Kaffee nippte. Zwar wanderte sein Blick hin und wieder zu Ludwig, aber der versuchte nach Möglichkeit keinen längeren Augenkontakt zu halten. Vermutlich wollte er sich vor seiner Nachbarin nicht entblößen oder er war noch nicht bereit, Feliciano als seinen festen Freund vorzustellen. 
 

Moment mal… waren sie nun fest zusammen? 
 

»Die Menschen dort sind wirklich lieb und es macht Spaß, sich mit ihnen zu beschäftigen. Viele von ihnen sind noch sehr agil«, erzählte Martha gerade über ihren Sportkurs im Altenheim und lächelte selig vor sich hin. 
 

Feliciano nickte aufmerksam. »Ich denke, sie freuen sich über die Beschäftigung! Ich habe mal in einem Kinderheim ausgeholfen und man kann gar nicht bemessen, wie viel einem die Bambinis zurückgeben.«  
 

Während Martha ihm beipflichtete, löste sich der Blick des Italieners von seiner Gesprächspartnerin und er musterte seinen blonden Arbeitskollegen von der Seite, der mit seinen Gedanken sehr fernab schien und aus dem Fenster starrte. 
 

Was Ludwig wohl in diesem Moment dachte? Wünschte er sich, dass sie beide wieder allein waren oder dachte er über seine Arbeit nach?
 

Feliciano rieb sich die Nase, bevor er Martha wieder lauschte. »Ich hätte auch gern in einem Kinderheim ausgeholfen, aber auf das Altenheim bin ich gekommen, als meine beste Freundin Lizzy von ihren Kindern dort abgeschoben wurde. Ich habe mich Tag und Nacht um sie gekümmert und bin mit den dortigen Pflegern quasi per du.«  Sie lächelte stolz. »Mittlerweile spricht Lizzy nicht mehr, aber ich weiß ganz genau, dass sie mir zuhört, wenn ich ihr von der Vergangenheit erzähle. Sie liebt die wilden Geschichten aus unserer Jugend.«  Ein melancholischer Ausdruck ergriff sie und ihr Blick schweifte ab. 
 

Ludwig horchte auf und lehnte sich zu Martha hinüber. »Ich bin mir sicher, dass sie sich sehr darüber freut, auch wenn sie es nicht mehr zum Ausdruck bringen kann.«  Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen. »Manchmal ist alles, was man für jemanden tun kann, da sein, wenn niemand sonst es aushalten würde, Martha.«  
 

Martha Koch hob überrascht die Hand vor den Mund und starrte Ludwig für einen Augenblick an. »Da… hast du recht. Und du hast mich Martha genannt! Hui!«  Ein Ausdruck purer Freude ließ ihre Augen strahlen, sodass sie Ludwigs Hände in ihre nahm und sie aufgeregt schüttelte. »Ich glaube, der junge Mann hier tut dir gut, Ludwig.«  
 

Ludwig, dessen Wangenfarbe sich von vornehmer Blässe zu rosé wandelte, verschluckte sich beinahe an seinem Kaffee. »Wie meinen? Ich… das war doch dein Wunsch, Martha! Oder etwa nicht?« 
 

»Natürlich und ich finde es gut, also mach dir nicht gleich in die Hose, Jungchen. Ich freue mich einfach, dass du nach all den Jahren doch den Mumm gefunden hast, mich nicht nur als eine nette Nachbarin und alte Frau zu betrachten.«  Sie lächelte warm und zwinkerte Feliciano zu. 
 

»Wie auch immer, ihr zwei Turteltäubchen… ich werde jetzt einen Mittagsschlaf machen gehen und meine Beine hochlegen, das Wasser in meinen Beinen bringt mich noch um und ich bin viel zu jung für diese hässlichen Thrombosestrümpfe, die mir der Arzt aufschwatzen will.«  
 

Ludwig zuckte bei dem Wort »Turteltäubchen« zusammen und wollte gerade etwas erwidern, als Martha ihm das Wort abschnitt. »Irgendwann wirst du verstehen, dass diese kleinen Details, auf die du so prächtig Acht gibst, vollkommen unbedeutend sind«, murmelte sie, während sie seinen Unterarm tätschelte. »Viel Spaß beim ‚Arbeiten‘, Jungs.«  
 

Der Deutsche begleitete sie noch zur Tür und murmelte irgendetwas vor sich hin, dass Feliciano vom Wohnzimmer aus nicht verstand, aber das störte ihn nicht sonderlich. Er öffnete klammheimlich das Nachrichtenprogramm auf seinem Handy und sandte Gilbert das Foto zu, das ihn und Ludwig zeigte, mit der kleinen aber feinen Bildunterschrift: »Melde gehorsam, ich war erfolgreich, Herr Beilschmidt« gefolgt von einem breit grinsenden Smiley.



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