Zum Inhalt der Seite

Für immer beste Freunde

Ich liebe dich wie einen Bruder
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]


 

🍥🍥🍥
 

Heute reden alle schon wieder über die Uchihas. Oder, besser gesagt, darüber, dass es sie nicht mehr gibt. Sobald Sasuke den Klassenraum betritt, werden alle still. Das unruhige Rascheln hört plötzlich auf, bis sich einige wenige wieder im Stande fühlen zur alltäglichen Unterhaltung rüberzuwechseln, und dann raschelt es wieder. Sasuke seufzt genervt, setzt sich auf seinen Platz neben mir und senkt seinen Kopf auf den Tisch. Das wiederholt sich seit zwei Wochen. Wenn meine Familie ausgerottet worden wäre, würde ich vermutlich nie wieder in die Schule kommen. Aber Sasuke tut es. Dafür respektiere ich ihn.
 

Sasuke und ich sind die ewigen Sitznachbarn, die sich anfangs wirklich nicht leiden konnten. Ich war als einzige in der Klasse ein Waisenkind und aus dem Grund wurde ich von Anfang an ausgegrenzt. Keiner wollte mit mir etwas zu tun haben. Und nur Sasuke hing mit mir gezwungenermaßen rum. Die Sitznachbarschaft zwang ihn dazu. Da er trotz seiner ansprechenden Äußerlichkeiten leicht antisozial ist, fand er ebenfalls keine bessere Bekanntschaft als mich. Und so verblieben wir: Ein sehr unbeliebtes Duo, dem der letzte Tisch der dritten Reihe für immer überlassen wurde. Seitdem vergingen fast acht Jahre und mittlerweile fanden wir raus, wie der eine mit der Art des jeweils anderen umzugehen hat. Durch die spitzesten Kanten und Ecken gelang uns dennoch eine ziemlich innige Freundschaft. Dafür bin ich dem Schicksal unendlich dankbar.
 

Der plötzliche Verlust seiner Familie hat Sasukes Leben komplett auf den Kopf gestellt. Ich muss zusehen, wie mein einziger Freund unter dieser schweren Last jeden Tag noch ein bisschen mehr anknackst. Glücklicherweise akzeptierte er ganz spontan meine Einladung und zur Zeit schläft er bei mir. So kann ich auf ihn mehr oder weniger rund um die Uhr aufpassen. Er hat es ja auch nötig, er schottet sich von der Außenwelt komplett ab: Er isst nichts, er trinkt nichts und auf der Straße läuft er manchmal gegen die Laternen oder Mülltonnen. Trotzdem geht er weiterhin in die Schule. Was heißt eigentlich "geht", er ist halt körperlich anwesend. Ich sagte ihm, dass er sich bei der Schulleitung befreien lassen sollte. Schließlich hat sein Bruder seine Eltern umgebracht. Aber nein, er wollte keine Befreiung vom Unterricht. Ich hätte es ja für ihn geklärt, aber auch das verweigerte er, warum auch immer. Na dann halt nicht… Jetzt schläft er eh und passt so oder so nicht auf. Hätte er sich befreien lassen, könnte er zuhause schlafen. Obwohl er so intelligent ist, kommt er manchmal total unsinnig rüber.
 

„Gehen wir?“ lässt er spontan ab.

„Wieso?“ erwidere ich automatisch. Eigentlich war das zu erwartet. Sein desinteressierter Blick verriet mir lange, dass er mit dieser Anfrage spätestens in der Mittagspause auf mich zukommt.

„Weil ich keinen Bock mehr habe.“ Natürlich hast du keinen Bock, du schläfst ja auf dem Tisch!

„Okay. Gehen wir.“
 

Sasuke schnappt seine Sachen und macht sich zielstrebig nach draußen. Ich folge ihm. Nun laufen wir stumm nebeneinander. Sasuke will sich nicht melden und ich traue mich nicht. Nicht, dass ich ungewollt was falsches sage.
 

„Was wollen wir zum Abendbrot?“ Ich leite das Gespräch ein.

„Mir egal, entscheide du“, kommt desinteressiert zurück.

„Dann essen wir halt Instant-Ramen.“

„Von mir aus.“
 

Auf dem Weg nach Hause halten wir bei einem Supermarkt an. Ich muss ja die Minutennudeln organisieren. Jeder kriegt eine Packung. Vom Supermarkt aus dauert es nicht lange zu meiner Wohnung und bereits nach fünfzehn Minuten liegt Sasuke im Bett und lässt sich vom Fernsehen berieseln. Während er abhängt, räume ich ein bisschen auf. Morgen geht die Kontrolle durch die gesamte Wohngruppe durch. Ich möchte mich grundsätzlich nicht mit ihnen anlegen, besonders nicht jetzt. In den letzten Wochen bin ich häufiger aufgefallen. Und da Sasuke hier quasi unerlaubt schläft, möchte ich nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf mich lenken.
 

So, jetzt ist die Wohnung sauber. Oh, Sasuke ist eingepennt. Aha… okay, und was mach ich dann? Es gäbe Hausaufgaben, aber ne… hmmm, Sasuke sieht grad so friedlich aus. Das ist sehr erfreulich. Während der letzten zwei Wochen wirkt er nur noch angespannt und genervt. Ich möchte diesen schönen Moment bitte festhalten. Wo ist mein Skizzenbuch? Ach, da drüben liegt er!
 

Zack-zack-zack…
 

Die leichten Bleistiftstriche füllen langsam die Leere auf dem elfenbeinfarbenen Blatt. Noch eine Skizze von Sasuke in meiner Kollektion. Irgendwie häufen sich seit dem letzen halben Jahr Skizzen von ihm in meinem Block. Hier sitzt er auf der Fensterbank, hier liegt er auf dem Fußboden, hier ist sein Porträt… er hat an sich nichts dagegen mein Modell zu sein. Er sprach sich jedenfalls nie dagegen aus. Ist schon nice sowas, oder? Ich meine, der Typ hat halt eine erstaunliche Anatomie und ein sehr schönes symmetrisches Gesicht. Für jeden Zeichner wäre er ein Geschenk. Warte? Finde ich Sasuke etwa schön? Keine Ahnung, ich frage mich bloß warum ich neulich so viel Skizzen von ihm mache.
 

„Kritzelst du schon wieder von mir ab?“ Anscheinend wurde der Mann auf dem Bild wach.

„Ja…?“ Ich klinge auf einmal so fragend.

„Zeig mal“, fordert er mich auf.
 

Ich setze mich auf die Bettkante und drücke ihm das Buch in die Hand.
 

„Nicht schlecht, Naruto“, sagt er mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. „Du wirst wirklich besser. Sag mal, warum skizzierst du mich so oft?“

„Hab ich mich auch gefragt.“

„Und?“

„Ich weiß es nicht.“

„Irgendwie finde ich es etwas unheimlich. Besonders während ich schlafe. Das hat schon was…“

„Ummm“, murmele ich etwas bejahend. Er hat schon recht, es ist leicht unheimlich. „Soll ich damit aufhören?“

„Nein.“ Er führt seinen Blick nachdenklich in eine andere Richtung. „Deine Aufmerksamkeit ist schon schmeichelhaft. Und ich mag die Ergebnisse eh. Also nicht aufhören. Und ich hab Hunger.“ Plötzlicher Themenwechsel.

„Bin schon auf dem Weg.“
 

Ich setze den Wasserkocher auf. Deine Aufmerksamkeit ist schon schmeichelhaft. Was soll denn bitte schön das heißen? Irgendwie ist der Satz unheimlicher als die Tatsache, dass ich ihn beim Schlafen skizziere, oder? Naja, egal jetzt essen wir. Oh man, Sasuke hat seine Portion schon wieder inhaliert. Jetzt starrt er den Fernseher an. Was zur Hölle guckt er da?
 

Jugendliche ohne Eltern.
 

Oh nein, das ist nicht gut. Verdammt, bitte nicht dieser gläserne Blick! Nicht erstarren!
 

„Schalt um“, werfe ich.
 

Keine Antwort. Shit. Gib die Fernbedienung her! Gib sie verdammt noch mal her! Klick! Der Fernseher ist aus. Gott sei Dank!
 

„Hey! Ich wollte doch…“ Der Rest des Satzes blieb in seinem Hals stecken.
 

Plötzlich verdeckt er sein Gesicht mit den Armen und bricht weinend zusammen. Sasuke, bitte nicht weinen, okay? Tut mir leid, aber ich komm immer noch nicht so damit richtig klar! Es tut unfassbar weh, dich so kaputt zu sehen! Was soll ich denn machen?! Keine Ahnung… ich fühl mich absolut nutzlos.
 

Ich krieche zu ihm und wickele die Arme um seine Schulter. Das ist das einzige, was ich ihm gerade anbieten kann. Komischerweise wehrt er sich gar nicht. Ganz im Gegenteil. Er schmiegt sich an mir und macht einen sehr schutzbedürftigen Eindruck. Also war das gut so?
 

Er hat sich Gott sei Dank relativ schnell beruhigt. Anscheinend war das wirklich gut von mir. Wir sitzen immer noch umarmt. Er möchte irgendwie mein Schoß nicht verlassen. Neben uns liegt ein neues Band von Shokugeki no Soma, das ich noch nicht durchgeguckt habe. Sasuke schaut sich ausnahmsweise die neuen Manga-Kapitel mit mir an. Ansonsten sagt er, dass ihn irgendwas an der Manga-Kunst richtig schlimm anwidert. Dafür hat er aber recht viel Spaß mit dem Büchlein. Anfangs las nur ich vor und jetzt macht Sasuke sogar mit. Er liest sogar für ein Mädchen! Ich wusste gar nicht, dass seine Stimme solche hohen Töne erreicht. Diese ganze Situation ist ziemlich abstrus, aber okay. Hauptsache er hat Spaß und lacht und beleidigt mich. So, wie ein Sasuke zu sein hat. Es fühlt sich gut an, ihn wieder zurück zu haben, sei es nur für eine einzige Stunde.
 

Als der Abend den Ausklang nahm, erinnerte sich Sasuke doch an die momentanen Probleme. Er setzte sich von mir weg und sagt seit einer ganzen Weile wieder nicht. Angeblich macht er Hausaufgaben, aber ich sehe, dass er überhaupt nicht produktiv ist: Er liegt auf der Tischplatte und kritzelt nachdenklich in seinem Block. Er wirkt schon wieder so abgeschirmt. Soll ich ihn aus seiner Trance rausholen? Nein, er grübelt über irgendwas und ich möchte ihn nicht dabei belästigen.
 

Mittlerweile ist es schon spät geworden. Wir liegen beide schlafbereit. Ich gewährte ihm mein Bett für die Zeit und benutze selbst das alte Futon. Es ist richtig still. Ich versuche seit einiger Zeit vergeblich einzuschlafen, aber es bringt nichts. Plötzlich hüpft Sasuke auf meine Matratze und verwüstet meine aufwendige Deckenverpackung.
 

„Was machst du?“ frag ich verwirrt.

„Du bist so warm“, sagt er leise und kriecht in mein Deckenkokon.

„Und du bist so komisch!“ werfe ich ihm mit einem etwas spottenden Unterton.

„Umarm mich bitte.“

„Ääähm…?“

„Bitte…“, unterbricht er mich. Plötzlich zittert seine Stimme. Er hört sich so an, als würde er gleich zusammenzubrechen. Oh nein-nein!
 

Ich umschlinge wortlos die Arme um seinen Oberkörper. Seine pechschwarzen Haare sind sich überall auf meiner Brust verstreut. Er atmet hörbar und ist eindeutig sehr reizbar. Und ja, er ist in Tränen ausgebrochen. Er zuckt krampfhaft zusammen und schmiegt sich so verzweifelt an mir. Instinktiv drücke ich ihn näher ran. Es tut einfach unfassbar weh. Er ist doch normalerweise so stark und baut mich auf! Heute muss ich ein Stück davon zurückgeben.
 

Irgendwann schlief er trotz ununterbrechbarem Tränenfluss ein. Sein Atem und die Kühlschrankgeräusche unterbrechen die nächtliche Stille. Mein T-Shirt ist im Bereich von seinen Augen unangenehm feucht. Obwohl es komisch ist, ruhen meine Arme auf seinem Oberkörper und ich habe jetzt keine Absichten diese Umarmung zu lösen.
 

Heute Nacht konnte ich doch nicht schlafen. Die ganze Nacht dachte ich darüber, was heute zwischen uns ablief. Es war sehr ungewöhnlich und Sasukes heutigen Handlungen verwirrten mich ein wenig. Aber wenn diese kuriose Umarmung ihm ein Stück Erlösung beschert, dann ist es doch sehr schön. Dann kann ich ihm tatsächlich ein wenig helfen. Außerdem werde ich für Sasukes Wohl alles machen, was ich kann. Das steht für mich seit heute Nacht eindeutig fest.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  lula-chan
2018-02-28T16:19:17+00:00 28.02.2018 17:19
Ein sehr schönes Kapitel. Es hat mir gut gefallen.
Jeder hat sein Ventil und wenn das geöffnet wird, kommen seine ganzen Gefühle hervor. Für Sasuke scheint dieses Ventil Naruto zu sein.
Schön auch die Entscheidung Narutos für Sasuke da zu sein. So sieht eine echte Freundschaft aus.

LG
Von:  Onlyknow3
2018-02-27T12:58:21+00:00 27.02.2018 13:58
Kann mich dem von MAC01 nur anschliessen.
Mach weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  MAC01
2018-02-26T23:56:54+00:00 27.02.2018 00:56
Ich finde den Anfang deiner Geschichte unglaublich schön geschrieben. Auf der einen Seite die traurige Schönheit, wie du Sasuke skizzierst, mit all seinem Schmerz und seinem Leid. Es ist so gut nachvollziehbar und so realistisch beschrieben, dass es mir selbst weh tut ihn so zu sehen.
Auf der anderen Seite die tröstende Schönheit dieser einzigartigen Freundschaft. Diese Vertrautheit zwischen den beiden. Wie Naruto alles für Sasuke tut und ihn nicht alleine lässt. Wie Sasuke schließlich beginnt sich zu öffnen und Naruto zeigt, was in ihm vorgeht... sehr stark und gut geschrieben.

Das Deutsch nicht deine Muttersprache ist merkt man eigentlich nicht. Die paar wenige Fehler, die ich gefunden habe, hätten jedem Muttersprachler unterlaufen können und stören nicht wirklich den Lesefluß.
Antwort von:  suugakusan
27.02.2018 17:51
Wow, so viel Positives auf einmal! Ich bin wirklich froh, dass die Geschichte dir gefällt, und versuche mindestens genauso gut weiterzumachen :)


Zurück