Character Animation
Autor: Hepho
C5 Fiction: Mama from Sebastian Sarraute on Vimeo.
Die Braunhaarige ohrfeigte den Blauäugigen.Beim ersten Satz nehmen Erzähler und Leser eine einfache Beobachterfunktion ein: Wir kennen eine Eigenschaft pro Charakter, die uns hilft, die Figuren zu unterscheiden. Im zweiten Satz wird es schon spezieller, denn jetzt haben die Charaktere eine konkrete Beziehung zueinander. Beim dritten Satz sind wir so vertraut mit den Charakteren, dass wir ihre Beziehung und ihre Namen kennen. Der letzte Satz ist ein Sonderfall, denn hier stecken wir sogar in einem der Charaktere drin. Hilfe – ich bin ein Autor! HOLT MICH HIER RAUS! O.O
Die Mutter ohrfeigte ihren Sohn.
Charlotte ohrfeigte Yuriy.
Mum ohrfeigte mich.
»Bist du allein hier?« Seine Stimme kam einem Krächzen gleich. Urian räusperte sich.Ein Mann und eine Frau in einer Szene ist so ziemlich die dankbarste Konstellation, die man kriegen kann – abgesehen natürlich von einer Szene, in der ein Charakter allein unterwegs ist. Die Zwei-Männer-Konstellation oder Zwei-Frauen-Konstellation (that’s what she said) ist da schon schwieriger, aber mit der jeweils bezeichnendsten Eigenschaft der Figuren und einem entsprechenden Personalpronomen »er«, »sie« gut hinzukriegen.
»Wer sagt das denn?« Sie zwinkerte ihm zu. »Jean hat in der Regel nichts daran auszusetzen, dass ich unter vier Augen mit alten Freunden rede.«
Urians Magen machte einen Satz.
»Ist Lestard auch hier?«
Die Frau schüttelte überrascht den Kopf. »Ich habe ihn seit Monaten nicht gesehen.«
»Seit Monaten.« Die Worte hallten in Urians Gedanken nach. Das erste Gefühl, das sich einstellte, war Erleichterung, das zweite die Enttäuschung über eine verpasste Chance.
Mit einem unterdrückten Fluch auf den Lippen sackte er gegen die Mauer.
»Jean hatte in letzter Zeit mit ihm zu tun, nicht wahr?«, fragte er.
Sie presste die Lippen zusammen.
Eine Welle fremder Sorge streifte sein Bewusstsein. Ihre Sorge. Urian ertappte sich dabei, wie er ihre Geste nachahmte, und straffte sich.
»Wenn ich ihn richtig verstanden habe, hat Lestard wieder eine Menge fixer Ideen im Kopf«, gab sie mit belegter Stimme zu. »Um ehrlich zu sein, ist mir die Sache nicht ganz geheuer.«
(direkt kopiert aus »Perlmutt«, dank schamloser Faulheit meinerseits)
»Ich musste das meiste verkaufen, um zu überleben«, erklärte sie. »Hätte ich nicht Anwalt Valera, der mir monatlich zulasten des Büros eine kleine Pension schickt, ich hätte nicht gewusst, wohin ich gehen sollte.«Hier sieht man, dass die Geste einer Figur zwischen wörtlicher Rede plötzlich sehr viel wichtiger wird, einfach weil der Autor auf ein ständiges: »sagte Martín/er/ich/sie/Señora Marlasca« verzichtet. Und zugleich umgeht er auch die »Bredouille« mit der Namensnennung.
»Leben Sie alleine?«
Sie nickte.
»Das ist mein Haus. Der einzige Ort, an dem ich glücklich gewesen bin, obwohl das schon viele Jahre her ist. Ich habe immer hier gelebt, und hier werde ich auch sterben. Verzeihen Sie, dass ich Ihnen nichts angeboten habe. Ich bekomme schon lange keinen Besuch mehr und weiß gar nicht mehr, wie man mit Gästen umgeht. Möchten Sie Kaffee oder Tee?«
»Gar nichts, danke.«
Señora Marlasca lächelte und deutete auf meinen Sessel.
»Das war der Lieblingssessel meines Mannes. Da hat er sich immer hingesetzt, vors Feuer, und bis in die Nacht gelesen. Manchmal habe ich mich hierher gesetzt, neben ihn, und ihm zugehört. Er hat gern erzählt, damals wenigstens. Wir sind sehr glücklich gewesen in diesem Haus …«
»Was ist geschehen?«
Sie zuckte die Achseln und starrte in die Asche im Kamin.
»Sind Sie sicher, dass Sie diese Geschichte hören wollen?«
»Bitte.«
(aus: Carlos Ruiz Zafón: Das Spiel des Engels. Fischer Taschenbuch Verlag, 2010)
Lord Belzacs Augenbrauen hoben sich. Die von Park zogen sich zu einem dunklen Strich zusammen. Mums Hände zitterten. Es fiel mir schwer, mich von ihr loszureißen, und auch Brecas Blick ruhte auf ihr. Seine Hände breiteten sich über seine Knie, als er sich zurücklehnte. Ich war ihm dankbar für die Geste.Der Name "Adlard" kam in dem kurzen Dialogausschnitt ganze Sieben Male vor, sogar innerhalb der wörtlichen Rede. Hat's euch gestört, oder fandet ihr die Kanalisierung sinnvoll?
»Ich bin ganz Ohr, Mr Adlard«, sagte Lord Belzac. Sollte er Parks Abneigung teilen, ließ er sich das jedenfalls nicht anmerken.
»Mr Park und ich ziehen uns zurück. Sie vier und Mr Pilgrim bleiben hier.« Adlard warf mir einen Blick zu und lächelte schief. »Ich lasse mir auch nicht gern die Zeit stehlen.«
Ich stockte. Pilgrim also. Das war der Name des Gardisten.
Breca nickte, den Blick in eine unbestimmte Ferne gerichtet. Mum vergrub das Gesicht in den Händen. Ihre Schultern sackten herab. Ich konnte hören, wie sie den Atem ausstieß. Der Sekretär (ein einziges Mal!) wechselte einen Blick mit Park, der merklich angespannt war, und dem Gardisten.
Lord Belzacs Fingerspitzen tippten gegen seine Wange. »Wie ich sehe, findet Ihr Vorschlag allgemeine Zustimmung.«
Adlard neigte den Kopf.
Kriecherischer Spurschleicher, dachte ich.
»Sagen Sie nicht, Sie wollen Sich freiwillig den Geist zur Nase herausziehen lassen«, schnaubte Park. »Keine Tricks, Adlard!«
»Ist es ein Trick, Mr Adlard?« Lord Belzac stellte die Frage wachsam, aber nicht ablehnend.
»Natürlich, Sir.« Adlard sagte das vollkommen ernst.
Park musterte ihn aus schmalen Augen. Ich tat es ihm nach, doch Adlard ließ sich von uns nicht aus der Ruhe bringen.
Hendel katzbuckelte vor Jorrin.Der zweite Satz erklärt uns nur durch die Erwähnung von Jorrins hochrangigem Titel, weshalb Hendel überhaupt katzbuckelt: Es ist nicht unbedingt Jorrin selbst, der Hendel Respekt einflößt, sondern der Fakt, dass Jorrin die Garde repräsentiert.
Hendel katzbuckelte vor dem Gardehauptmann.