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8. Türchen

Autor:  -Neya-
*~* Present *~*
 


Erdbär (22:43):
Ich hoffe echt, dass die Post es nicht verschlampt <__<
 
Störfaktor (22:43):
Wird sie schon nicht xD
 
Erdbär (22:43):
Na weiß man’s? °^°
Sag’s mir wenn’s da ist! <,<
 
Störfaktor (22:44):
*gg*
Ich geb dir schon bescheid wenn’s ankommt. Muss off...
 
Erdbär (22:44):
Schon? ,____,
 
Störfaktor (22:44):
Jap, morgen wieder Frühschicht ^^°
 
Erdbär (22:44):
ich mag deinen Chef ned --#
 
Störfaktor (22:44):
*lol* Gute N8 bis morgen *cuddle*
Benutzer Störfaktor ist offline
 
Erdbär (22:45):
Nacht...
 
 
Seufzend fahre ich meinen Computer runter und lehne mich in meinem Stuhl zurück. Toll, was mach ich jetzt? Im Gegensatz zu ihm habe ich Urlaub. Meine Augen verweilen auf dem Kalender.
 
Noch 3 Tage bis Weihnachten… hoffentlich bringt die Post das Päckchen pünktlich, sonst drehe ich echt am Rad!
Wenn ausgerechnet ein Weihnachtsgeschenk zu spät ankommt, ist das echt ne scheiß Situation. Und gerade bei ihm soll es pünktlich ankommen.
 
Hoffentlich hält er mich nicht für bescheuert, dass ich ihm ein Geschenk schicke. Okay, wir kennen uns gerade mal zwei Monate, vielleicht empfindet er das ja als aufdringlich… oder noch schlimmer, er mag es nicht und wirft es weg.

“Scheiße, scheiße…“
 
„Bist du immer noch auf?“, vernehme ich die Stimme meines Mitbewohners, der ein wenig verpennt im Türrahmen unseres Wohnzimmers steht. Mist, im Gegensatz zu mir, muss das arme Schwein ja morgen auch noch arbeiten.
 
„Ich bin eben off. Wollt gerade ins Bett“, gebe ich kleinlaut zurück und ordne meine verrenkten Knochen. Ich sollte es mir abgewöhnen, im Schneidersitz auf meinem Stuhl zu sitzen… irgendwann tun einem die Beine verdammt weh. Angeschlagen schlurfe ich in mein Zimmer.
 
Gelangweilt schalte ich die Glotze an und lasse mich in mein Bett plumpsen. Schlafen kann ich jetzt sowieso nicht…
 
Hoffentlich kommt es rechtzeitig an…
 
Der nächste Tag verlief recht ereignislos, mit Ausnahme dem Besuch meiner Eltern, die mich vor Weihnachten noch mal sehen wollten, da sie über die Feiertage wegfliegen.
 
Ein kurzer Blick auf die Uhr sagt mir, dass er eigentlich schon on sein müsste. Ins Wohnzimmer wuselnd, schalte ich den PC an und verfrachte mich mitsamt meiner angefressenen Pizza von heute Mittag davor.
 
Mein Mitbewohner liegt auf dem Sofa und guckt mal wieder seine Serien. Mich stört es eigentlich nicht, solange er mich dabei am PC rumwerkeln lässt. Nun mach schon, fahr hoch…
 
Unruhig tippe ich mit dem Zeigefinger mein Passwort ein und öffne mein ICQ.
 
 
Erdbär (17:58):
Ich seh dich °___°
 
Erdbär (17:59):
<__< *beiß*
...
 
Erdbär (18:01):
Hab ich dir was getan oder was? X_x
 
Störfaktor (18:07):
Sry, hab eben was bestellt o,o
 
Erdbär (18:08):
Mach das, wenn ich weg bin *drop*
 
Störfaktor (18:08):
oO“ ich muss vllt. Tickets bestellen, aber lass mal
 
Erdbär (18:09):
Wozu brauchst du Tickets? ,-,
 
Störfaktor (18:11):
Weil ich Weihnachten wegfahre? X,x
 
Erdbär (18:11):
...
Klasse...
 
Erdbär (18:12):
Und bis wann?
???
 
Störfaktor (18:13):
bis nach den Feiertagen o-O
was bist so angepisst?
 
Erdbär (18:13):
Bin ich nicht?!?
Wann fährst du los?
 
Störfaktor (18:13):
Morgen, damit ich abends da bin ö-ö
 
Erdbär (18:14):
Aha… dann viel Spaß
Benutzer Erdbär ist offline
 
„Arschloch…“, entfährt es mir und ich weiß nicht was ich jetzt lieber tun würde, entweder irgendwas kaputt treten oder heulen. Wieso muss er wegfahren? Das ist doch alles scheiße. Missmutig kaue ich auf meiner Unterlippe und fahre den PC runter.
 
Ein schrilles Piepsen, das eindeutig von meinem Handy ausgeht, lässt mich zusammen zucken. Ich kann mir schon denken wer das ist. Pff, du kannst mich mal…
 
„Alles klar?“, fragt mich mein Mitbewohner und sieht mich leicht verdutzt an.
 
„Ja sicher… du haust ja morgen auch ab... lasst mich nur alle alleine!“, fahre ich ihn an und verlasse Türen knallend den Raum.
 
Idioten, alle miteinander! Sollen sie doch fahren, interessiert mich doch nicht.
 
Am nächsten Tag habe ich den PC ausgelassen. Irgendwie hatte ich keine Lust mir die Abwesenheitsnachrichten anzutun. Das schlechte Gewissen nagt in mir und hat mich die halbe Nacht nicht schlafen lassen.
 
Du bist echt zu dämlich, weißt du das? Vergeigst echt alles…
 
Mein Mitbewohner hat sich nach dem Mittagessen verabschiedet. Hab mich noch mal entschuldigt, ist ja nicht seine Schuld, dass ich niemanden habe, mit dem ich dieses Jahr Weihnachten feiern kann…
Er besucht seine Freundin… die Glückliche…
 
Seufzend zappe ich durch die Kanäle. Wie erwartet nur kitschiger Müll, na herzlichen dank auch.
 
Maaan, was ist denn jetzt noch? Welcher Penner klingelt denn jetzt noch an der Tür? Frustriert kämpfe ich mich aus dem Kissenberg, den ich um mich herum errichtet habe und bahne mir meinen Weg zur Haustür.
 
Wenn das irgendwelche Zeugen Jehovas sind, dann haben sie sich ja den richtigen ausgesucht, ich hab nämlich eine gewaltig miese Laune! Mit einem angepissten Blick öffne ich die Haustür.
 
Vor mir steht ein ca. 1.80 Meter großer Kerl mit platinblonden Haaren und einer Reisetasche in der Hand… das glaub ich jetzt nicht.
 
Wie vom Donner gerührt starre ich mein Gegenüber an. Das sachte Grinsen auf seinem Gesicht lässt mir einen warmen Schauer über den Rücken laufen und ich könnte mich selbst dafür treten, dass ich hier herumstehe wie ein Eimer Putzwasser.
 
„Hey… bin ja gestern nicht mehr dazu gekommen dir zu sagen, dass dein Päckchen ankam.“
 
Oh Himmel Herr Gott, wie kann ein Mensch nur so eine Stimme haben… ganz ruhig bleiben, du bist seit nem halben Jahr auf Entzug und vor dir steht plötzlich das Objekt deiner feuchten Träume, das du gestern Abend noch angeschnauzt hast und…
 
„Äh… ja… rein kommen?“, stottere ich mir einen zusammen und ich merke wie mir die Schamesröte ins Gesicht schießt. Du Idiot, lässt den Armen da vor der Tür im Hausflur stehen. Die Nachbarn reden eh schon zuviel. Besitz ergreifend packe ich seinen Arm und ziehe ihn in die Wohnung.
 
Er lacht… oh Gott, lass ihn nicht mehr aufhören zu lachen. Diese Stimme macht mich wahnsinnig… der Kerl macht mich wahnsinnig!
 
Eines steht fest, freiwillig mache ich den PC die nächsten Tage garantiert nicht an… gedanklich sehe ich jetzt schon meine Telefonrechnung in die Höhe schnellen, wenn er wieder weg ist.

7. Türchen

Autor:  -Neya-
*~* Bell *~*
 
 
 
Wenn man Glocken klingen hört, dann passiert etwas Wunderbares… das hat zumindest mein kleiner Bruder immer behauptet, bevor er letztes Jahr im Alter von 5 Jahren von einem Auto angefahren wurde. Seit jenem Vorfall hat er das nicht mehr gesagt… er hat überhaupt nichts mehr gesagt.
 
Meine Eltern geben sich alle Mühe damit klar zu kommen, aber selbst mir mit meinen 13 Jahren ist klar, dass es nie wieder so normal werden wird wie früher.
Ich habe gelernt ihn auch so zu verstehen. Er spricht zwar nicht, aber ich weiß merkwürdiger weise immer, was er haben möchte oder was er tun will.
 
Manchmal komme ich mir vor wie ein Vermittler. Da mein Bruder noch nicht schreiben kann, kann er uns somit auch nicht mitteilen, was mit ihm los ist. Mutter muss immer wieder weinen, wenn sie ihn unbedacht etwas fragt und er keine Antwort gibt.
 
Früher war Weihnachten eines der Feste, auf das man sich das ganze Jahr über gefreut hat. Aber seit dem Unfall letzten Winter ist uns nicht wirklich nach feiern zumute. Nur meinen kleinen Bruders zuliebe, lassen wir uns das nicht groß anmerken.
Die ganze Familie sitzt wie immer beim Kaffee trinken, bevor wir hinterher in die Kirche gehen.
 
Man kann sagen, es ist schon wie eine Art Ritual, das sich jeden Heiligabend wiederholt. Nachdenklich rühre ich in meinem Kakao, während mein Bruder mit großen Augen auf sein Stück Käsekuchen guckt und dann zu mir rüber schielt.
 
Es ist, als wollte er mir damit sagen: So ein großes Stück schaff ich doch nicht alleine.
 
„Soll ich ein Stück nehmen?“, frage ich ohne groß nachzudenken und er nickt eifrig. Das er in seiner Situation noch so unbekümmert lächeln kann ist wirklich bemerkenswert.
 
Eine gute Stunde später begeben wir uns auf den Weg zur Kirche. Ein wenig gelangweilt beobachte ich das Krippenspiel und unterdrücke ein Gähnen. Als ich kleiner war, fand ich das immer sehr interessant, aber da es sich von Jahr zu Jahr immer wiederholt, wird es immer langweiliger.
 
Mein Bruder hält sich mit seinen Händen an der Rückenlehne der Sitzbank fest und guckt zwischen zwei älteren Herrschaften hindurch. Bald ist die Messe vorbei. Der Pastor hat wie immer seine Ansprache gehalten und noch das Abschiedsgebet mit uns gesprochen, ehe er uns entlassen hat.
 
Draußen ist es kalt und der Frost hat die alten Kirchenfenster regelrecht überzogen. Mein Atem steht in einer weißen Wolke vor meinem Gesicht, als mich jemand am Ärmel packt und daran zieht.
 
Ich blicke zur Seite und sehe in das Gesicht meins Bruders, der sich an mir festhält, da er auf dem glatten Weg ins Rutschen gekommen ist. „Du musst besser aufpassen“, meine ich nur knapp und er nickt beschämt.
 
Unsere Eltern und Verwandten gehen bereits den schmalen Weg vom Kirchengelände in Richtung Parkplatz. Resigniert greife ich nach der Hand meines Bruders und will hinterher gehen, als er sich mal wieder stur stellt und stehen bleibt.
 
„Was ist denn nun?“, frage ich ungeduldig und er deutet auf den großen Kirchturm. Meine Augen folgen seinem Zeigefinger. Gleich 18 Uhr. Was will er mir damit sagen?
Irritiert sehe ich zu ihm hinab, aber er steht mit großen Augen und geröteten Wangen dar und starrt hinauf zum Turm.
 
Wenig später klingen die großen Kirchenglocken. Wie jedes Jahr punkt 18 Uhr nach der Messe. Eine Gänsehaut bildet sich auf meinen Unterarmen und ich umklammere seine kleine Hand fester.
 
„Die Glocken klingen…“, wispert er leise und für einen Sekundenbruchteil bleibt mir das Herz stehen. Mit großen Augen starre ich ihn an, seine Hand bestimmt schon schmerzhaft quetschend. Es dauert eine Weile bis ich mich wieder gesammelt habe.
 
Hab ich mir das eingebildet, oder hat er…
 
„Ob die Weihnachtsengel an den Seilen ziehen?“, fragt er mich und sieht mich mit glänzenden Augen an.
 
„Bestimmt“, gebe ich leise zurück und lausche dem Geräusch der Kirchenglocken. Die sich bildenden Tränen in meinen Augenwinkeln wische ich mit der anderen Hand weg. An solch einem Tag darf man nicht weinen. Im Hinterkopf dringen die Worte meines Bruders zu mir vor und unwillkürlich muss ich anfangen zu lächeln.
 
Wenn man Glocken klingen hört, dann passiert etwas Wunderbares… also hört gut hin.

6. Türchen (Nikolaus)

Autor:  -Neya-
*~* Shoe *~*
 

 
„Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?“
 
Ich kann es nicht mehr hören. Wie oft will er mich das noch fragen. „Die Idee ist von mir, also kann sie ja nicht schlecht sein!“, gebe ich dreist zurück und schiele zwischen den Zweigen des kahlen Rosenstrauches hervor.
 
Das resignierte Seufzen hinter mir, trägt nicht gerade dazu bei, dass ich mich in meiner Ansicht bestätigt fühle. „Wenn es dir nicht passt, kannst du auch verschwinden“, knurre ich meinen besten Freund an, der hinter mir steht und sich an seinen langen Ohren kratzt.
 
„Ja sicher, und am Ende kriege ich Ärger, dass ich nicht auf dich aufgepasst habe“, murmelt er missvergnügt und setzt sich seine Mütze wieder auf. Der kalte Schnee unter unseren bloßen Füßen ist nicht gerade angenehm und ich hüpfe von einer Stelle auf die andere.
 
„Wenn die nicht bald hinmachen, frieren wir hier fest…“, stelle ich missvergnügt fest und lasse mich auf den Boden plumpsen.
 
„Mju, du verkühlst dich“, entgegnet Dwin besorgt und zieht an meinem Schwanz.
 
Oberstes Gebot: Ziehe niemals einem Kobold an seinem Anhängsel, wenn du ihn nicht wild machen willst.
 
Mit einer schnellen Bewegung greife ich nach dem Schnee und schleudere ihn meinem besten Freund entgegen. Verschreckt macht er einen Satz zurück und reißt sich seine Jacke an den Dornen auf.
 
„Du bist doch doof“, fährt er mich säuerlich an und betrachtet das große Loch an seinem Ärmel. Ich kann mir nur schlecht das Lachen verkneifen. Bei der Furie von Mutter kriegt er heute noch gewaltig Ärger. Geschieht ihm recht.
 
„Pscht!“ Da vorne tut sich was.
 
Na endlich kommen die Menschen aus ihrem Haus, hat ja lange genug gedauert. Mucksmäuschenstill verharren wir im Rosenstrauch und beobachten, wie die Kinder ein paar Schuhe vor die Haustür stellen und dann wieder im Inneren verschwinden.
 
„Na wer sagt’s denn.“ Zufrieden dreinblickend drehe ich mich nach Dwin um, der noch immer leicht skeptisch dreinblickt.
 
„Ich weiß nicht… am Ende ist das ganze nur erfunden.“ Mal wieder typisch. Wieso kommt er dann mit auf die Mission, wenn er eh Zweifel daran hat, dass die Geschichte wahr ist?
 
„Granny lügt nicht…“, wispere ich und fixiere die großen Schuhe auf dem Abtreter.
 
„Habe ich das behauptet? Sie hat nur… ein wenig zuviel Fantasie und in dem Alter wird man eh wunderlich. Ist wahrscheinlich nur wieder eines ihrer Hirngespinste“, meint Dwin mit wenig Begeisterung und ich drehe mich grummelnd zu ihm um.
 
„Dann glaub doch was du willst. Wenn der Schuh morgen voll ist mit Süßigkeiten, dann brauchst du dich am Auffuttern des Hirngespinstes nicht zu beteiligen“, gebe ich genervt zurück und halte Ausschau ob der dämliche Kläffer hier irgendwo herumschleicht.
 
Das würde uns echt noch fehlen, wenn der Hund hier auf uns lauert.
 
„Ist ja gut… dann müssen wir uns aber beeilen.“ Meine Güte ist der nervös. Als wäre es das erste Mal, dass wir bei den Menschen was mitgehen lassen.
 
Mit einem schelmischen Grinsen laufe ich los. Es muss schnell und reibungslos gehen, wenn wir den Schuh vor Einbruch der Dunkelheit bis zu unserem Erdloch geschleppt haben wollen. Es dämmert bereits und ich habe nicht wirklich Lust das schwere Teil bei Nacht durch den Wald zu hieven. Da es bereits angefangen hat zu schneien, dürften unsere Spuren bis morgen früh auch vom Neuschnee bedeckt sein.
 
Also ein perfekter Tag zum Stibitzen.
 
Warum wir überhaupt auf die Idee kommen einen Schuh zu klauen, der uns sowieso viel zu groß ist und eigentlich nur im Wege herumstehen wird?
 
Nun, meine Granny hat uns, besser gesagt mir vor einigen Tagen einen Floh ins Ohr gesetzt, über einen übergewichtigen Menschen, der am 6. Dezember umhergeht und Süßigkeiten in Schuhe packt.
 
Dumm nur, dass wir Kobolde keine Schuhe tragen, aber da wird ja jetzt Abhilfe für geschaffen. Schließlich sehe ich es ja nicht ein, dass die großen Leute hier die ganzen schönen Sachen für sich alleine haben. Ich sehe meinen Raubzug mehr wie eine Pionierstat!
 
„Pack du hinten an“, gebe ich Dwin zu verstehen, der sich unruhig umblickt und dann das hintere Ende des Schuhs anhebt. Nun aber schnell, bevor wir erwischt werden.
Die Beine in die Hand nehmend, huschen wir mit dem Schuh in Richtung Rosenstrauch, wo wir ihn durch das Loch im Gartenzaun quetschen. Ich kann es kaum erwarten, morgen den Berg von Süßkram zu sehen, und der ungläubige Dwin wird auch große Augen machen.
 
Das dumme Gesicht der Menschen möchte ich ja gerne sehen, wenn morgen einer ihrer Schuhe fehlt.
 

5. Türchen

Autor:  -Neya-
*~* Tree *~*
 
 
 
Schnee… der weiße Vorbote des nahenden Unglücks. Jedes Jahr zu dieser Zeit wiederholt sich der Kreislauf. Es wird kälter, der erste Schnee fällt vom Himmel und gegen Ende des Jahres beginnt es überall zu Beben, unsere Wohnungen fallen in sich zusammen und viele Familien stehen vor dem Nichts.
 
Es lässt sich nicht aufhalten, man kann nur hoffen, dass das eigene Haus, das eigene Leben, nicht bedroht ist, daher habe ich aus weiser Voraussicht eine kleine Wohnung für uns ausgesucht.
 
Das Dach ist schief und undicht und ringsum haben sich viele große Löcher gebildet. Sie ist nicht sehr schön und auch nicht besonders vor Wind geschützt, aber aufgrund dessen glaube ich, dass wir dieses Jahr keine Angst vor dem Beben haben müssen.
 
Meistens erwischt es nur die feinen Häuser, die großen Häuser, deren Dächer bis in den Himmel hinaufragen. Unser Haus ist zu kümmerlich und unansehnlich, sodass es garantiert nicht wie die anderen Häuser zusammenbrechen wird.
 
Es dämmert bereits und am Firmament sind die ersten blassen Sterne zu erkennen. Es wird zunehmend kälter, wenn die Sonne verschwindet ist es ratsam, sich nicht zu lange draußen herumzutreiben. Man verliert schnell das Gefühl für Zeit und Umgebung und so manch einer kam nicht mehr zurück.
 
Ein eisiger Wind wirbelt den Schnee vom hart gefrorenen Boden auf und treibt ihn mit sich fort. Nein, es ist besser, wenn man sich bei diesem Wetter nicht herumtreibt. Unruhig lasse ich mein Blick über die Landschaft gleiten. Es kann nicht mehr lange dauern, ein paar Tage vielleicht noch, bis das große Beben einsetzt, das die Gegend erschüttern lässt.
 
Wie viele arme Familien dann wieder ohne Haus dastehen, möchte ich mir nicht ausmalen. Das große Jammergeschrei klingt jetzt schon in meinen Ohren wider. Noch einen letzten Blick gen Himmel werfend, verkrieche ich mich tiefer in unser Haus, suche mir eine kleine Ecke, durch die der Wind nicht so hindurch pfeift.
 
Die Nacht ist still. Eine Unruhe hat mich gepackt. Es ist nicht gut, wenn es zu still wird, meistens ist das ein Zeichen dafür, dass alles den Atem anhält, da man das drohende Unglück bereits spüren kann.
 
Viel Schlaf bekomme ich nicht. Die Nervosität nagt in mir wie eine Ratte am Speck. Als der Morgen dämmert höre ich es nicht weit entfernt laut knacken. Ein Poltern und Rumsen durchbricht die eisige Stille und jeder weiß es. Sie sind da. Das Beben bahnt sich seinen Weg zu uns.
 
Panik breitet sich in uns aus, überall hört man es schrill kreischen und jammern. Mich weiter vorwagend, blicke ich hinaus.
 
Es ist da, bitte lieber Gott, lass es an uns vorbei ziehen.
 
Nach und nach stürzen die Häuser ein. Eins nach dem anderen fällt zur Seite und landet im kalten Schnee. Viele Nachbarn haben sich bereits in Sicherheit gebracht und müssen nun von weitem mit ansehen, wie ihr Zuhause ihnen zum Opfer fällt.
 
Es schnürt einem regelrecht die Kehle zu. Soviel Leid und Elend zu sehen, treibt einem die Angst in den Körper, sodass man am liebsten die Augen schließen möchte. In meinen Ohren klingt es laut wieder. Das laute Beben und Knacken, wie eine eintönige Untergangsmelodie.
 
Sie kommen näher. Ich halte gespannt den Atem an. Sie dürfen unser Haus nicht mitnehmen!
 
Der große, bärtige Mann vor mir reibt sich über seine gerötete Nase und holt anschließend mit seiner Axt aus.
 
RUMS!
 
Der erste Schlag durchfährt den Stamm der Tanne.
 
Schnell machen wir, dass wir davon kommen, ehe wir unter den zusammenkrachenden Bäumen begraben werden. Wehleidig lasse ich mich mit meiner Familie auf einer hohen Kiefer nieder, wo sich bereits zahlreiche Familien versammelt haben.
Auch dieses Jahr sind wir dem Beben nicht entkommen… auch dieses Jahr haben wir wieder alles verloren.
 
„Dieses Jahr ist es wieder schlimm mit den Vögeln. In jedem Baum sitzen die Spatzen und stören einen bei der Arbeit“, murmelt der bärtige Mann und holt abermals aus.

4. Türchen

Autor:  -Neya-

*~* Scarf *~*

 
 
 
Ungeduldig beobachte ich die Zeiger der großen Kirchturmuhr. Ich habe langsam das Gefühl, als würde Gott mich ärgern wollen, da die Zeiger sich keinen Zentimeter weiter bewegen. Bibbernd hüpfe ich von einem Bein auf das andere, während die kleinen Glöckchen an meiner Tasche leise bimmeln.
 
Es ist Anfang Dezember und obwohl wir keine Minusgrade haben, ist der Wind doch scheiße kalt. Aber ich wusste es ja mal wieder besser und bin mit einer dünneren Jacke raus, ohne meine Mütze und ohne mein Tuch.
 
Tja, Dummheit bestraft sich selbst. Ich sehe es schon kommen, dass ich morgen Halsschmerzen habe. Abermals wandert mein Blick zur Uhr.
 
Kurz vor 17 Uhr…
Resigniert halte ich Ausschau nach einem roten Haarschopf, der eigentlich schon vor einer guten Viertelstunde mit dem Bus hätte ankommen müssen.
Das ist mal wieder typisch für die öffentlichen Verkehrsmittel, wenn man sich bei denen auf eines verlasen kann, dann, dass sie immer zu spät sind.
 
Frustriert zünde ich mir eine Kippe an und inhaliere den Rauch tief ein. Wieso ist das nur so verdammt kalt? Wenn er nicht bald kommt, dann friere ich mir echt noch die Eier ab. Die Kippe im Mundwinkel hängend stecke ich meine Hände in die Hosentaschen. Auch nicht viel angenehmer, aber immer noch besser als gar kein Schutz vor dem Wind.
 
Eine vorwitzige grüne Haarsträhne fällt mir ins Gesicht und ich grummle missvergnügt. Soviel zum Thema Haarspray das bei jedem Wetter hält. Der Oberwitz des Jahres. Ich sehe bestimmt wieder aus wie ein Wischmopp.
 
„Nun komm schon“, entfährt es mir, als die Kirchturmuhr laut gongt und mir so langsam aber sicher der Geduldsfaden reißt. Man, mir ist kalt!
 
Ich will endlich nach Hause und mich vor die Heizung knallen. Okay, ganz ruhig. Wenn er in fünf Minuten nicht auftaucht, dann kann er zusehen, was er macht. Ich steh hier doch nicht den ganzen Nachmittag rum wie ein Depp und warte.
 
Einen letzten Zug nehmend, lasse ich den Filter auf den Boden fallen und trete mit einem meiner DocMartens drauf. Den missbilligenden Blick einer Passantin ignoriere ich. Blöde Kuh, glotz nicht so dämlich, noch nie ’nen grünhaarigen Kerl beim erfrieren gesehen, oder was?
 
Meine Laune sinkt derweil unter den Gefrierpunkt. Also gleich ist Schicht im Schacht, ich glaub ich spinn. Und natürlich muss ausgerechnet jetzt mein Handyakku leer sein. Toll gemacht Nico. Du schaffst es doch jedes Mal wieder.
 
Meine Lippen sind rau und spröde, kein Wunder bei den Temperaturen. Wie ich dieses Gefühl hasse, wenn man die ausgetrockneten Lippen aneinander reibt. Am liebsten würde ich sie mir jetzt aufkauen, aber dann donnert mir Sven eine vor den Bregen. Er hasst es, wenn ich das tue, dabei geschieht es meist eher unbewusst.
 
Nein, ich krieg n Kind. Der Bus. Na das wurde aber auch Zeit!
 
Ein kurzer Seitenblick zur Uhr und es ist bereits 7 Minuten nach. Soviel also dazu. Mit einem recht vorwurfsvollen Blick platziere ich mich vor der Fahrertür, als diese schon aufgeht und die ersten Leute aussteigen wollen.
 
„Wie wäre es, wenn sie nächstes Mal ein bisschen mehr aufs Gas treten?“, rufe ich hinauf zum Busfahrer, als mich auch schon eine Hand am Arm packt und mich mit sich reißt.
 
„Hey!“, protestiere ich und drehe mich wütend zu Sven um, der nun wieder mit dem Kopf schüttelt. Im Gegensatz zu mir hat er sich Wettergemäß angezogen. Toll…
 
„Du hast echt n Schaden“, bringt er leise hervor und fährt sich durch die Haare.
 
„Ja hallo? Du hast hier schließlich keine halbe Stunde herumgestanden und dir den Arsch abgefroren.“
 
„Hättest du auch nicht mit wärmeren Klamotten“, gibt er spitz zurück und ungewollt schießt mir die Schamesröte ins Gesicht. Sven grinst schelmisch, als er mir durch die Haare fährt – danke schön, dass du Idiot meine Frisur nun vollkommen ruinierst – und küsst mich sacht auf die Lippen.
 
„Blödmann“, murmle ich kleinlaut und lecke mir über die Unterlippe.
 
„Pass auf, wenn du weiterhin so charmant bist, setzt es was.“ Mit einem Grinsen wickelt er ein Ende seines langen Schals ab und schlingt mir das andere Ende um den Hals.
 
Manchmal ist er echt ein Idiot… weil er sich tatsächlich mit einem noch größeren Idioten wie mir abgibt.
 

3. Türchen

Autor:  -Neya-
*~* Snow *~*
 
 
 
Missmutig starre ich aus dem Fenster. Seit Tagen regnet es nun schon ununterbrochen und ich habe die Hoffnung bereit aufgegeben, dass es zu Heiligabend morgen noch schneien wird. Die Augen schließend lege ich meinen Kopf auf die Fensterbank und lasse die Arme baumeln.
 
„Was soll das werden? Ziemlich ungesunde Sitzhaltung“, vernehme ich eine Stimme hinter mir und hebe nur schlaff den Arm, um den lästigen Störenfried meinen Mittelfinger zu präsentieren.
 
Arschloch. Auf diese blöden Kommentare kann ich gut verzichten. Seufzend lehne ich mich in meinem Drehstuhl zurück und betrachte die Regentropfen, die gegen meine Fensterscheibe prasseln. Nein, es wird dieses Jahr wieder nicht schneien.
 
„Essen ist fertig“, sagt mein großer Bruder knapp und ich drehe mich mit einer Weltuntergangsmiene zum Türrahmen um. Essen… er weiß genau, dass ich in den Hungerstreik getreten bin, da wir unseren Skiurlaub abgesagt haben. Wenn wir gefahren wären, dann hätte ich endlich mal wieder Schnee zwischen den Fingern gehabt, aber so sitzen wir in unserer Wohnung und können aufgrund des Dreckwetters nicht einmal vor die Tür.
 
„Steffi!“, höre ich meine Mutter von unten brüllen – das Anzeichen dafür, dass sie langsam ungeduldig wird. Warum meine Eltern auf das familiäre Beisammensein beim Abendessen soviel Wert legen kapiere ich bis heute nicht.
 
Verstimmt setze ich mich in Bewegung und schlurfe in die Küche. Ein kurzer Blick auf den Tisch genügt mir, um mir den Appetit zu verderben.
 
„Igitt“, entfährt es mir und ich verziehe angewidert das Gesicht. Kartoffelsuppe, na wie herzig. Wieso füllen sie mir nicht gleich Rattengift in meinen Kakao?
 
„Was heißt hier igitt? Die ist lecker“, empört sich Mutter mal wieder und füllt mir eine ordentliche Portion auf.
 
Ja… sehr lecker, abgesehen von der Tatsache, dass ich keine Kartoffeln mag, hast du dir echt Mühe gegeben… Mein Abend ist so was von gelaufen. Mit knurrendem Magen gehe ich wenige Stunden später ins Bett. Viel gegessen habe ich nicht, aber Gott lob habe ich noch irgendwo ein paar Gummibärchen gefunden.
 
Der nächste Morgen fällt über mich her wie ein Rudel wilder Wölfe.
Grummelnd drehe ich mich unter der Bettdecke und starre auf meinen Digi-Wecker.
 
24. Dezember…
 
Seufzend rolle ich mich zusammen und drehe meinem Fenster den Rücken zu. Ich will gar nicht wissen wie es draußen aussieht.
 
Wieder ein Weihnachten ohne Schnee. Wenn es möglich wäre, würde ich auf das Essen, die Geschenke und den Baum verzichten, wenn es endlich mal wieder schneien würde. Nicht nur die paar Flocken die in wenigen Sekunden wieder schmelzen, sondern ein richtiges Schneegestöber wäre mal angebracht.
 
Aber die letzten drei Jahre hat es auch nicht geschneit, wieso sollte es dieses Jahr anders sein?
Das laute Klopfen an meiner Zimmertür lässt mich zusammenzucken.
 
„Nein!“, keife ich genervt und weiß genau, dass mein Protest einen Scheiß wert ist, wenn mein Bruder etwas von mir will. Der Kerl hat so was von keinen Anstand und Privatsphäre scheint für ihn ein Fremdbegriff zu sein.
Wieso müssen ältere Brüder nur immer solche Idioten sein?
 
Wie erwartet geht meine Zimmertür auf und ein schwarzer Stachelkopf schielt hinein. „Morgen“, flötet er übertrieben freundlich, was ich nur mit einem angesäuerten Grummeln quittiere.
 
„Raus… Sofort…“, knurre ich ihn so drohend wie nur möglich an, woraufhin er sich mal wieder ein Ei pellt und in mein Zimmer kommt. Sein schelmisches Grinsen verheißt nichts Gutes und ich mache mich innerlich mal wieder auf einen kleinen Geschwisterkampf bereit.
 
Was dann folgt, damit hätte ich am wenigsten gerechnet. Er holt aus und ich breite reflexartig meine Hände vor meinem Gesicht aus, als mich sogleich etwas Kaltes am Arm streift. Verdutzt blinzle ich und blicke hinab auf meine Bettdecke, wo ein kleiner weißer Schneeball liegt und einen nassen Fleck hinterlässt.
 
Schnee…
 
Augenblicklich springe ich auf und laufe im Nachthemd zum Fenster, den dummen Kommentar meines Bruders, ich möge ihm doch nicht mit so einem Anblick schockieren, dabei vollkommen ignorierend.
 
„Es schneit!“, kreische ich und laufe an meinem Bruder vorbei und stolpere die Treppe hinunter.
 
„Verrückte Ziege“, schreit er mir nach, aber für diese freundliche Betitelung werde ich mich später revanchieren, erst einmal muss ich den ersten Schnee in diesem Winter willkommen heißen.

2. Türchen

Autor:  -Neya-

*~* Star *~*

 
Dicke weiße Flocken fallen vom Nachthimmel. Ein eisiger Wind fährt durch die Zweige der riesigen Bäume und wirbelt den puderigen Schnee vom Boden auf. Die Himmel ist von dichten Wolken verhängt und selbst den Mond kann man nicht erkennen.
 
Unter einer alten Kiefer sitzend, blicke ich unter den Ästen hervor. Wieso bin ich weggelaufen? Warum habe ich nicht auf Mutter gehört. Es ist zu gefährlich für ein kleines Ding wie mich allein durch den Wald zu laufen. Nur war ich mal wieder viel zu eigensinnig und bin trotz aller Verbote heimlich aus dem Fester geklettert und hinaus gelaufen.
 
Wieso sieht der Wald nur so anders aus, wenn die Sonne untergegangen ist? Er wirkt viel dichter, unheimlicher… kälter…
 
Mich zusammenkauernd, betrachte ich den weißen Schnee. Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt im Schnee zu spielen. Ich war noch nie draußen wenn es kalt wurde… ich war so neugierig, dass ich es kaum noch ausgehalten habe.
 
Nun wird mir meine Neugierde zum Verhängnis. Ich bin allein mitten im tiefsten Wald und sitze unter einer Kiefer. Ob es hier Wölfe gibt? Mutter sprach oft davon, dass es gefährlich sei, zu der kalten Jahreszeit in den Wald zu gehen. Die Raubtiere sind hungrig und machen vor einem kleinen dummen Ding wie mir auch keinen Halt.
 
Ich habe Angst, ich will nach Hause. In den Ästen über mir sitzt ein kleiner Spatz der ebenfalls Unterschlupf vor dem Schneegestöber gesucht hat und döst vor sich hin. Er hat keine Angst davor zu erfrieren oder von einem Wolf gefressen zu werden, sonst würde er nicht so seelenruhig dort oben sitzen.
 
Meine Augen verweilen einige Zeit auf ihm, bevor ich meinen Blick wieder herab auf den weißen Boden senke. Noch vor wenigen Stunden hätte ich wohl alles daran gesetzt, den kleinen Spatz zu fangen. Vor wenigen Stunden war es noch hell… die Sonne schien und der Wald war nicht so groß und düster und unheimlich…
 
Es ist so kalt und ich bin müde. Aber man darf nicht einschlafen wenn es schneit. Mutter hat uns oft davor gewarnt, aber ich habe im Gegensatz zu meinen Geschwistern mal wieder nicht richtig zugehört. Ich war schon immer unruhig und habe Sachen gemacht, die ich nicht hätte tun sollen… aber es ist nie ernsthaft etwas dabei passiert.
 
Doch nun sitze ich hier im Wald und habe mich verlaufen. Ich weiß nicht wo ich bin, woher ich kam, wo unsere Hütte ist… Der Schnee hat alle Spuren bedeckt.
 
Es tut mir leid, ich will nie wieder ungezogen sein, aber bitte lieber Gott, ich will wieder nach Hause…
 
Der Schneesturm hat nachgelassen und die Flocken sind kleiner geworden. Alles beruhigt sich wieder um mich herum. Ich warte noch ein paar Minuten, dann krieche ich aus meinem Versteck und blicke mich um. Die großen Bäume sehen aus wie Geister mit ihrem weißen Mantel.
 
Der Himmel ist pechschwarz und der Schnee leuchtet grellweiß auf. Nichts ist zu sehen. Wie ich vermutet habe, alle Spuren sind verschwunden. Niedergeschlagen lasse ich den Kopf hängen. Ich finde hier nie wieder heraus und muss jämmerlich erfrieren. Wieso habe ich nicht auf Muter gehört?
 
Nie wieder werde ich das Haus verlassen wenn es schneit. Ich verspreche es.
 
In den Zweigen der Kiefer raschelt es und der kleine Spatz flattert hervor und verschwindet in der Dunkelheit. Meine Augen sehen ihm nach, bis der Nachthimmel ihn verschluckt. Dann erblicke ich ihn. Ein einzelner kleiner Stern scheint durch die dichte Wolkendecke hindurch.
 
Ein winziger kleiner Lichtpunkt in der Dunkelheit. Still setzte ich mich in den kalten Schnee und betrachte ihn. Ich fühle mich für einen kleinen Moment getröstet. Der Wald wirkt nicht mehr ganz so fremd und schaurig.
 
Im Gebüsch hinter mir höre ich es knacken und rascheln. Erschrocken springe ich auf und drehe mich um. Oh nein, jetzt kommt der Wolf und holt mich. Mit weit aufgerissenen Augen starre ich in die Richtung aus der die Geräusche kommen. Ein grauer Kopf taucht auf und ich brauche erst einen Moment, um zu begreifen, dass dort meine Mutter voller Sorge nach mir Ausschau hält.
 
Erleichtert, aber immer noch leicht verängstigt, laufe ich auf die kleine Gestalt zu, die aus der Dunkelheit hervortritt. Das kleine Glöckchen um meinem Hals bimmelt bei jedem Schritt und ich maunze vor Freude auf.
 
Dieses Mal hat der Wolf mich nicht geholt, ich habe Glück gehabt. Ich verspreche es dir Mutter, ich werde nie wieder weglaufen.

1. Türchen

Autor:  -Neya-

*~* Cookie *~*

 
 
Man siebe nach und nach das Mehl in die Schüssel und verrühre alles mit dem restlichen Teig. Am Ende hebe man vorsichtig das Eiweiß unter die Masse…
 
„Eiweiß unterheben?“, murmle ich und ziehe die Stirn kraus. Mein Blick wandert auf die volle Teigschüssel und dann wieder auf das alte Backbuch. Wo zum Teufel stand da, dass man das Eiweiß vom Eigelb trennen muss?!?
 
Verdammter Mist, ich kann doch nicht schon wieder bei meiner Mutter anrufen und sie fragen, was ich nun wieder falsch gemacht habe. Resigniert schnappe ich mir die Schüssel und vernichte den Inhalt wie die Ladung zuvor.
 
Für alle die es interessiert, was jemand wie ich, der noch nicht einmal den Toaster in Betrieb nehmen kann, ohne dabei die halbe Küche abzufackeln, hier mit einem Backbuch tut, dem sei gesagt, dass ich diese missliche Lage meinem Freund zu verdanken habe.
Seit Tagen jammert er rum, dass er auf der Arbeit soviel zu tun hat und nicht zum backen kommt und ja so gerne Kekse haben will, da die aus dem Laden nicht schmecken… kurz – er hat rumgeschmollt, sehr zu meinem Missfallen, da ich am Ende derjenige bin, der darunter zu leiden hat, wenn er mit seiner Sieben-Tage-Regenwetter Stimmung durch die Wohnung schlurft.
 
Tja, und was tut Mann in der Not? Man bietet sich an diese Aufgabe zu übernehmen. Hätte ich gewusst, was für einen Ärger es macht, ein paar lumpige Eier mit anderen Sachen zu vermischen, dann hätte ich die Finger davon gelassen, aber versprochen ist nun mal versprochen… wobei ich nun Grund zur Besorgnis habe, dass ich ihn mit meinen Backkünsten vergifte.
 
In den zwei Jahren die wir nun zusammen wohnen, habe ich bisher noch kein einziges Mal backen oder kochen müssen. Ich bin einfach ungeschickt und habe kein Talent dafür. Gut, Dosensuppe und Tiefkühlpizza kriege ich noch hin, aber da hört es auch schon auf.
 
„Scheiße“, entfährt es mir, als ich gegen die Tüte mit dem Mehl stoße und diese weit geöffnet auf den Boden knallt und einen staubigen weißen Teppich bildet.
 
Gaaanz ruhig bleiben Jan, nur nicht die Nerven verlieren.
 
Zähne knirschend betrachte ich das Chaos auf dem Boden, von der Spüle will ich gar nicht erst reden, da türmt sich bereits das Geschirr bis zur Decke. Ein kurzer Blick zur Uhr und eins steht fest. Wenn ich nicht schnellstmöglich aus dem Arsch komme, dann kommt er zurück, ehe ich auch nur einen lumpigen Keks gemacht habe.
 
Um den großen Mehlteppich herumschleichend, mache ich mich auf in Richtung Abstellkammer, um einen Besen und Kerbblech zu suchen. Hoffentlich ist genügend Mehl in der Tüte geblieben, sonst habe ich echt ein Problem. So wie ich aussehe gehe ich garantiert nicht ins Dorf und kaufe ein. Den Besen hervorziehend schließe ich die Tür ruckartig wieder, da mir sonst die Hälfte der Sachen entgegen geflogen wäre.
 
Memo an mich: Abstellkammer aufräumen!
 
Nachdem ich den Boden so gut es geht wieder sauber gekriegt habe - gut sauber sieht anders aus, aber man hinterlässt keine weißen Tapsen mehr in der Wohnung, also reicht das vorerst so hin - starte ich einen dritten Versuch.
 
So weit so gut, nachdem ich mir dieses Mal das Rezept komplett durchgelesen – und sogar einen kleinen Satz mit dem Wortlaut: Eiweiß vom Eigelb trennen – gefunden habe, kann es ja losgehen.
 
Das Radio spielt leise im Hintergrund und so langsam fange ich sogar selbst an zu glauben, dass ich es dieses Mal schaffe.
Den Mixer in die gelbliche Masse gestellt, drücke ich den Knopf und beginne alles zu verrühren.
 
RUMS!
 
Erschrocken fahre ich zusammen, als plötzlich ein lauter Knall die Wohnung durchfährt und reflexartig ziehe ich meinen Arm zurück. – Ganz böser Fehler!
 
Da der Mixer noch auf Hochtouren läuft und ich mit meiner Bewegung die Schüssel auf Halbmast gezogen habe, spritzt mir nun der Teig entgegen, während ein Großteil davon auf die Arbeitsfläche bröselt.
 
„Nicht doch!“ Panisch schalte ich den Mixer aus und blicke an mir herab. Na wunderbar, nicht nur Mehl im Gesicht und an den Klamotten, nun auch noch Teigreste. Mein Augenlid zuckt verräterisch. Dieser Knall kam eindeutig aus der Abstellkammer… War vielleicht doch nicht so gut den Besen da raus zu ziehen. Irgendwo dämmert es mir, dass ich nach meiner letzen Hausputzaktion diesen als Stützpfeiler missbraucht habe.
 
Die Augen schließend atme ich tief durch. Mein Blutdruck ist garantiert auf 180…
 
Wer denkt, dass meine Pechsträhne so langsam mal ein Ende nehmen müsste, der irrt gewaltig, denn zu meinem Unglück scheint mein Freund heute früher Schluss zu haben, da ich nur das Geräusch des Wohnungsschlüssels in der Tür höre und mir klar wird, dass ich nun auf frischer Tat ertappt worden bin.
 
„Jan?“, höre ich seine Stimme, als er in Richtung Küche kommt. Den Mixer fest in der Hand haltend starre ich weiterhin auf die Schüssel mit den Bröseln und würde am liebsten anfangen zu heulen. Scheiße, 23 Jahre alt und zu dämlich auch nur einmal etwas richtig zu machen.
 
Ein brünetter Wuschelkopf drückt die Küchentür auf und sieht mich erschrocken an. Mein Blick spricht scheinbar mehr als tausend Worte, da er just in diesem Augenblick in schallendes Gelächter ausbricht.
 
Na herzlichen Dank auch! Einen Schmollmund ziehend stelle ich den Mixer ab und beiße mir auf die Unterlippe. Ich sollte es in Erwägung ziehen, ein tiefes Loch unter dem Spülbecken auszuheben, in das ich mich in solchen Momenten verkriechen kann.
 
Eines steht fest – NIE WIEDER werde ich Kekse backen!

~*~ Holy Night ~*~ [Auftrags-FF für Cat-chan]

Autor:  -Neya-
 

~ *~ Holy Night ~*~

 

Erschüttert betrachte ich den Inhalt des kleinen Stoffbeutels, der mir heute von meinem vorübergehenden Arbeitgeber in die Hand gedrückt wurde. Das Wort Geschmacksverirrung hat in diesem Augenblick eine vollkommen neue Bedeutung für mich bekommen. „Ich bring ihn um…“, murmle ich angesäuert und lasse den Beutel achtlos auf den Boden plumpsen. Mit einem resignierten Seufzen lasse ich mich auf mein schon recht lädiertes Sofa fallen und starre geknickt an die schmutzige Decke meiner Rumpelkammer, oder besser gesagt meiner echt unterkühlten Einzimmerwohnung.

Meine zurzeit bescheidene Laune verdanke ich unter anderem meinen angeblichen Kumpel Lukas, der mir mit seiner so genannten Hilfe, das letzte bisschen meiner Selbstachtung, die sich in einem kümmerlichen 1.69 Meter großem Körper verkrochen hat, platt gewalzt hat. Wenn ich nicht so dringend Geld bräuchte, hätte ich ihn hier für zum Teufel gejagt. „Scheiße.“ Fluchend fahre ich mir durch die Haare und schließe die Augen.

Alles war so gut geplant, diese Woche wollte ich für meinen Traummann ein Weihnachtsgeschenk besorgen, für das ich mir die letzten Wochen mühsam mein eh schon knappes Einkommen beiseite gelegt habe – und was passiert?

Ein paar scheinbar gelangweilte Jugendliche hatten nichts Besseres zu tun, als einem bereits am Hungertuch nagenden Studenten die Scheibe mit Steinen einzuwerfen. Somit ging mein schönes Geld für die Reparatur drauf, denn bei diesen unmenschlichen Temperaturen nachts mit Durchzug zu schlafen wäre weniger gut für meine Gesundheit gewesen.

Tja, was tut Mensch in einer solchen Notsituation? Er greift verzweifelt nach dem letzten sich ihm hingehaltenen Strohhalm, selbst wenn dieser noch so zerknickt ist. Der so genannte Strohhalm entpuppte sich hinterher als eine Einwöchige Anstellung als Weihnachtself in der Kaufhauspassage. Die Bezahlung war zwar nicht so pralle aber wenigstens steh ich dann Heiligabend nicht mit leeren Händen vor Benny, denn das wäre echt das Letzte was ich will.

Zumal er einen gewissen Lebensstandard gewöhnt ist, seine Eltern sind immerhin schon recht vermögend. Manchmal ist es mir echt unangenehm, wenn er mich hier in dieser Bruchbude besuchen kommt, da will ich mich wenigstens nicht auch noch Weihnachten blamieren, reicht ja wenn ich das den Rest des Jahres tue.

Mein Blick wandert auf den Boden wo der beigefarbene Beutel liegt, aus dem eine grüne Mütze rauslugt. Das kleine silberne Glöckchen am Zipfel funkelt mich direkt spöttisch an. Gott bewahre, ich hoffe, dass mich morgen niemand in diesem Aufzug sieht, sonst springe ich freiwillig vom nächsten Hochhaus. Sollte ich die Woche ohne bleibende psychische Schäden überstehen, werde ich Lukas lynchen…

 Von wegen, ich kann dir auf die Schnelle einen Job besorgen, das ich nicht lache! Das ist kein Job sondern eine Zumutung und mein Ego kann ich hinterher in die Tonne treten, sollte mich dort jemand erkennen.

Das Klingeln des Telefons lässt mich zusammenzucken und ich erhebe mich widerwillig. Im Vorbeigehen trete ich noch einmal wütend gegen den Beutel und nehme verstimmt den Hörer ab.

„Was willst du?“, knurre ich in den Hörer, denn wer sonst außer Lukas sollte es sein, der sich erkundigen will, ob es mit der Jobvermittlung geklappt hat.

Für einen kurzen Moment ist es still am anderen Ende der Leitung, ehe ich ein leises Räuspern vernehme. „Soll ich später noch mal anrufen…“, höre ich Bennys Stimme und ich könnt mir selbst in den Arsch treten. Florian, du Rinznilpe! Du trittst auch wirklich in jedes Fettnäpfchen das sich dir anbietet.

Mit einem Schlag bin ich knallrot im Gesicht und meine Wangen glühen. Gott verdammt, wieso muss Benny  sich am Telefon nur so anbetungswürdig anhören?

„Nein! Ich… sorry, ich dacht es wäre jemand anders… also… am Telefon…“, stottere ich mir eine halbwegs verständliche Entschuldigung zusammen und könnt mir selbst eine Ohrfeige verpassen. Gott sei dank kann Benny mich nicht sehen, der würde mich wieder aufziehen, aufgrund meiner gesunden Gesichtsdurchblutung.

Ein warmer Schauer läuft mir über den Rücken, als ich sein warmes angenehmes Lachen höre und wenn ich nicht so angematscht wäre, würde mir wohl gleich die Hand in die Shorts kriechen. Innerlich noch Verwünschungen auf Lukas wettern, gehe ich mit dem Hörer zu meinem Bett und höre mir Bennys Pläne bezüglich Weihnachten an.

Es steht schon länger fest, dass wir zusammen feiern und ich freu mich schon seit Oktober wie ein kleines Kind darauf, da es das erste Weihnachten seit 2 Jahren ist, an dem ich nicht alleine hier  herum gammle und mich mit langweiligen Filmen und ner Tüte Chips am Leben erhalte. Dass er mir soeben eröffnet, dass seine Eltern uns zum Essen eingeladen haben lässt mich hart schlucken… jetzt muss ich auch noch ein weiteres Geschenk besorgen – fuck!

*~*~*~*~*

Unmenschlich, anders kann ich diesen Zustand in dem ich mich hier gerade befinde nicht beschreiben. Während aus zig Lautsprechern in ständiger Wiederholungsschleife ein und dieselbe CD abgespielt wird, drängelt sich ein gutes Dutzend halbwüchsiger kleiner Landplagen um einen herum, die unbedingt auf den Schoß von Herrn Wiesman wollen, der mit diesem Weihnachtsmannkostüm noch aufgedunsener aussieht als ohne.

Wenn ich mir so anhören, was Kinder zwischen 4 und 9 Jahren sich so wünschen, falle ich echt vom Glauben ab.

Meine Güte als ich in dem Alter war, da hab ich mir nur ein paar Spielzeugautos oder Bauklötze gewünscht – aber heutzutage scheinen Handys und Play Station der Renner zu sein.

Kopfschüttelnd hüpfe ich mit einem schon recht gezwungenen Lächeln um den Schauplatz herum, wobei die silbernen Glöckchen, die sowohl an meiner Mütze, als auch an dem komischen Mantelrock oder was auch immer das hier darstellen sollen befestigt sind.

Und noch dazu alles in grün! Ich trage normalerweise nur dunkle Farben, aber dieses knallige Blattgrün schlägt einem ja direkt aufs Gemüt, abgesehen davon sind diese falschen Elfenohren gewaltig unbequem und ich würde mir die Dinger am liebsten abreißen.

Der Kunstschnee der auf der Erhöhung verteilt wurde kotzt mich auch an. Richtiger Schnee ist dieses Jahr bestimmt nicht zu erwarten, aber dieses Kunstzeug regt mich irgendwie auf.

Resigniert lehne ich mich kurz gegen eine der Rentierattrappen, sorry Rudolf, und atme einmal tief durch. Ganz ruhig Flo… nur noch 6 Tage…

Erschrocken zucke ich zusammen, als etwas an meinem Ärmel zupft. Irritiert blicke ich nach unten, wo ein 5… vielleicht auch schon 6 Jahre alter Junge steht und mich mit großen Augen anguckt. „Bist du ne Fee?“, fragt er und wischt sich mit seinem Arm den Schnoddern unter der Nase weg.

Okay, ganz ruhig bleiben, jetzt bloß nicht in Panik geraten und verhindere körperlichen Kontakt mit diesem Wesen. „Nein, ich bin ein Weihnachtself“, entgegne ich und versuche so freundlich wie nur möglich zu sein und bücke mich ein Stückchen hinunter. Ich sollte Schauspieler werden, was ich hier leiste ist wirklich überdurchschnittlich für einen Muffelkopf wie mich.

„Sehen die alle so komisch aus?“, redet das Balg weiter und ich würde jetzt am liebsten schreien. Da muss man sich hier schon von einem Bettnässer anhören, dass man komisch aussieht, na herzlichen dank auch! Ich will Mittagspause – jetzt sofort!

Irgendwie schaffe ich es nicht darauf etwas halbwegs Nettes zu erwidern, nur mein Lächeln ziert weiterhin wie eine Maske mein Gesicht und ich hoffe, ich trage keine dauerhafte Lähmung davon.

Per Zufall wandert mein Blick auf die andere Seite der Passage… nein… Gott, bitte nicht!

Was um alles in der Welt macht denn Benny hier? Wieso kauft er nicht woanders ein, muss er denn ausgerechnet hierher kommen?

Panik breitet sich in mir aus und ich blicke mich gehetzt um. Wenn er mich in diesem Aufzug sieht, dann ist garantiert Schluss. Niemand gibt sich freiwillig mit so einer Witzfigur ab, nicht einmal aus Mitleid, diese Schande erträgt doch keiner. Reflexartig knie ich mich hin und starre den kleinen Jungen vor mir unruhig an. Einen guten Schutzschild bietet er mir zwar nicht, aber die Hauptsache ist, man sieht mein Gesicht nicht. Verdattert blicken mich die großen Kinderaugen an, scheinbar kann er sich keinen Reim auf mein Handeln bilden, aber solang er da stehen bleibt soll er meinetwegen denken was er will.

Bitte geh weiter, guck bloß nicht hierher. Nervös umklammere ich die Schultern des Jungen und schiele vorsichtig an ihm vorbei. Ist er weiter gegangen, oder hab ich ihn aus den Augen verloren? Ich schlucke hart und kaue auf meiner Unterlippe herum. Einige dunkelbraune Strähnen fallen mir ins Gesicht und ich versuche ungeduldig einen schwarzen Haarschopf in der Menge ausfindig zu machen. Nichts – keine Spur von Benny.

Erleichtert atme ich aus. „Gott sei dank…“, murmle ich und entspanne mich wieder. Ich blicke auf und habe das Gefühl, dass ich gerade dabei bin ein kleines Kind gewaltig zu schädigen.

Schnell lasse ich den Jungen los und räuspere mich laut. Mein erster Tag als Weihnachtself und ich hab jetzt schon das Verlangen mich in die nächste Klinik einweisen zu lassen.

*~*~*~*~*

 Hohn – Spott – Gesellschaftlich am Boden… das ist zumindest das Gefühl das Lukas mir gerade vermittelt, der mich nach meinem ersten Arbeitstag in der Kaufhauspassage abgeholt hat. Klar, ich würde es auch lustig finden, wenn der beste Freund in knallengen grünen Hosen und einem mehr als nur beknackten Hut neben mir herlaufen würde. „Halt’s Gesicht“, fauche ich ihn an und steige in seine Schrottkarosse von Auto.

Wenigstens muss ich so nicht mit der Straßenbahn fahren wie heute Morgen. Eines steht fest, morgen werde ich eine halbe Stunde früher fahren, damit ich mich im Kaufhaus umziehen kann und nicht wie heute in aller Eile im Kostüm in die Bahn hüpfe und dort von allen Seiten angestarrt werde wie ein Gestörter.

Man, ich bin jetzt schon froh, wenn dieser Wahnsinn ein Ende hat. Ich hoffe Benny weiß zu schätzen, was ich hier für ihn durchmache.

„Also ich finde grün steht dir hervorragend“, stichelt Lukas und zündet sich eine Zigarette an. Alles was er von mir daraufhin erhält ist ein mörderischer Blick mit einem dazugehörigen Schlag auf den Hinterkopf.

„Hey… Kampfküken laufen zu Fuß“, lacht Lukas und hebt schützend die Arme. Der sollte mal besser aufpassen, dass das Kampküken ihm nicht gleich gegen den Kopf fliegt. Schmollend schnalle ich mich an und zwacke die falschen Elfenohren ab. Gott, was für eine Erleichterung, wenn ich noch diese enge Hose loswerde, dann mach ich drei Kreuze.

„Benny war heut in der Passage…“, murmle ich und sehe Lukas mitleidig an, der nun den Motor startet und mich seltsam grinsend mustert.

Was? Ich hab schon wieder das Gefühl etwas entschieden Wichtiges verpasst zu haben. Nervös rutsche ich im Sitz herum und beobachte den vorbeirauschenden Verkehr. Wie ich diese Hetzerei vor den Feiertagen doch hasse, ich bin wirklich froh, wenn der Trubel vorbei ist und die Leute wieder normal werden.

„Und hast du dich geoutet?“, erkundigt Lukas sich interessiert und mir fällt dazu wirklich nichts mehr ein.

„Ja sicher, er will sich demnächst auch eins schneidern lassen, dann treten wir zusammen auf“, gifte ich zurück und schließe genervt die Augen. Das belustigte Lachen neben mir überhöre ich jetzt mal, ich habe keine Kraft mich nun auch noch verbal mit Lukas auseinander zu setzen.

Schlafen, mehr will ich heute nicht. Raus aus den Klamotten, rein in die Dusche und die Kinderbakterien abwaschen und vor dem zu Bett gehen noch ein kurzes Telefonat mit Benny halten.

*~*~*~*~*

Die folgenden Tage verliefen ähnlich wie der erste, nur dass ich das Gefühl habe, dass mich irgendwer beobachtet. Aber wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein, ich meine – welcher erwachsene Mensch würde nicht gucken, wenn ein männlicher Weihnachtself mit einem ungesunden Lächeln auf den Lippen zwischen Kleinkindern und Rentieren umher springen würde?

Aber einen Trost hat das ganze, denn heute ist mein letzter Tag!

Morgen gehe ich das Geschenk für Benny kaufen, denn das wird wirklich höchste zeit, schließlich haben wir übermorgen Heiligabend und normalerweise hasse ich es auf den letzten Drücker noch einzukaufen.

Die Menschen sind dann wie ein Rudel hungriger Wölfe, das sich auf die Restposten stürzt, da sie ihre Besorgungen bis zur letzten Minute vor sich her geschoben haben. Na das wird ein Spaß.

Seufzend begleite ich ein weiteres wartendes Kind nach oben zu dem unnormal kitschigen Thron auf dem der angebliche Weihnachtsmann sitzt und in seinem dicken Kostüm sehbar schwitzt. Na ich würde als Kind ja nicht da sitzen wollen, bäh!

Immer wieder wandert mein Blick auf die große Uhr. Noch knapp eine Stunde, dann heißt es – Tschüss Ohren, tschüss Unterleib abquetschende Hose und tschüss Herr Wiesman! 

Hoffentlich komme ich schnell hier raus, Benny wollte heute Abend noch mit mir ins Kino und vorher muss ich unbedingt noch unter die Dusche. Ein Ausruf aus den Lautsprechern reißt mich aus meinen Gedanken. „Der Mitarbeiter Florian Hennings möchte sich bitte beim Geschäftsleiter melden... Der Mitarbeiter-“

Häh? Was ist denn nun los?

Nervös blicke ich mich um und auf ein kurzes Nicken vom Weihnachtsmann husche ich hinten die Erhöhung runter und laufe in Richtung Büro. Großer Gott, was ist denn nun passiert? Ich hab doch nichts falsch gemacht, oder was will der Geschäftsleiter nun von mir?

Unruhig laufe ich die Rolltreppe hoch in die 3. Etage in der sich die Geschäftsleitung befindet.

Mein Herz schlägt unruhig in meinem Brustkorb und ich kann nur hoffen, dass ich nichts verbockt habe. Ich klopfe zweimal an die Tür ehe ich hibbelig den Raum betrete.

*~*~*~*~*

Gott verdammte scheiße!

Wie von der Tarantel gestochen hetze ich durch die Straßen. Ich hasse ihn! Ich wünsche ihm eine Grippe oder einen hässlich juckenden Ausschlag an den Hals! Was fällt diesem Anzugträger überhaupt ein, mich mit zwei Bastkörbchen durch die ganze Passage zu scheuchen um in den einzelnen Geschäften eine Schachtel Weihnachtskekse abzugeben?!

Schön, ich hab mein Geld bar auf die Hand gekriegt, aber dafür bin ich auch eine Stunde später raus gekommen. Und in 15 Minuten wollte Benny mich abholen – scheiße!

Aufgekratzt hüpfe ich von einem Bein auf das andere, als die Fußgängerampel auf rot überspringt. Irgendwie scheint sich die gesamte Welt gegen mich verschworen zu haben, noch nicht einmal umziehen konnte ich mich und friere mir nun den Arsch in dem Kostüm ab. Die belustigten Blicke der Passanten kratzen mich nicht wirklich, ich will nur schnellstmöglich nach Hause, mich umziehen und diesen Tag aus meinem Gedächtnis streichen.

„Nun komm schon“, rufe ich genervt aus und eine ältere Dame neben mir zuckt erschrocken zusammen.

Entschuldigend blicke ich zu ihr hinüber, als das Licht auf grün springt und ich loslaufe. Mein Blut rauscht in den Ohren und mein Hals schmerzt von der kalten Luft. Keuchend biege ich in eine Seitenstraße und sehe den großen Wohnblock vor mir.

Keine zeit, ich muss mich beeilen.

Aus meinem Rucksack krame ich nach meinem Hausschlüssel der sich selbstverständlich ganz unten befindet.

Meine Güte, was für ein Stress und das alles nur weil meine Scheibe zu Bruch ging. Ich hätte mir so eine schöne ruhige Woche machen können, aber nein. Angesäuert stecke ich den Schlüssel in die Eingangstür und sprinte den Flur in Richtung Treppe. Zwei Stufen auf einmal nehmend haste ich hoch in die nächste Etage.

Sollte ich jemals umziehen, werde ich mir ganz oben eine Wohnung nehmen, da besteht wenigstens nicht die Gefahr, dass irgendetwas zu Bruch geht.

Keuchend verlangsame ich mein Tempo und bleibe erschöpft vor meiner Haustür stehen. Hilfe, ich krieg gleich einen Herzkasper. Ein dünner Schweißfilm hat sich auf meiner Stirn gebildet und ich bin überrascht, dass meine Mütze noch da sitzt wo sie ist.

Mit zitternder Hand stecke ich den Schlüssel ins Schloss und hoffe, dass keiner meiner Nachbarn mich jetzt so gesehen hat. Das hätte mir zu meinem Glück auch noch gefehlt.

„Endlich“, stöhne ich erleichtert auf und schließe die Tür hinter mir.

Das erste was mir auffällt ist, dass im Wohnzimmer noch Licht brennt. Hab ich heute Morgen etwa das Licht angelassen? Meine Herrn, ich werde alt, meine Stromrechnung will ich wirklich nicht sehen, da wird mir jetzt schon ganz flau im Magen.

Erschöpft tapse ich meinen schmalen Flur entlang in Richtung Wohnzimmer. Erstmal raus aus den Sachen, duschen werde ich wahrscheinlich doch noch müssen, nach dem Sprint will ich nicht wissen, welchen Geruch mein Körper nun verströmt.

Mit einem dumpfen Plumpsgeräusch landet mein Rucksack auf dem Boden. Nein!

Ich hab Hallus, oh mein Gott, das ist ein schlechter Traum.

„Endlich sieht man dich mal aus der Nähe“, kommt es von Benny der grinsend auf meinem Sofa sitzt und eine angefangene Flasche Fanta vor sich stehen hat. Alles was ich zustande bringe ist ein undefinierbares Piepsgeräusch als mir die Situation immer klarer wird.

Benny… hier, in meinem Wohnzimmer… und ICH im Elfenkostüm. Herr, bitte erschieß mich!

Rot wie eine Tomate starre ich ihn an, unfähig mich zu bewegen. Ich könnte heulen, das darf doch nicht wahr sein, wieso hab ich Elch ihm auch vor einigen Wochen einen Zweitschlüssel gegeben? Wieso habe ich diesen Job angenommen und wieso krieg ich jetzt keinen Ton mehr heraus?

Eine Weile sieht er mich an, als warte er darauf, dass ich etwas sage oder zumindest irgendein Lebenszeichen von mir gebe, bis er dann schließlich aufsteht und auf mich zukommt.

Oh nein, er macht Schluss, natürlich macht er Schluss. Ich mach ihn ja zum Gespött seines Bekanntenkreises wenn das rauskommt.

„Du bist echt süß“, sagt er schließlich und nimmt mich grinsend in den Arm. Okay, Film zurück, was hat er da gerade gesagt? Süß? Will er mich verarschen, oder ist das sein ernst. Entweder muss ich nun an seinem Verstand zweifeln oder aber an meinem. Verdattert blicke ich ihn an, als er mich wieder loslässt. Scheinbar guck ich ziemlich bedeppert, sonst würde er jetzt nicht wieder lachen.

„Ich… kann’s erklären…“, murmle ich beschämt und beiße mir auf die Unterlippe. Okay, nun lass dir etwas Gutes einfallen, wenn du ihm nicht stecken willst, dass du diesen Schwachsinn mitgemacht hast, weil du knapp bei Kasse bist und ihm trotzdem ein Geschenk kaufen willst.

Benny schüttelt den Kopf entfernt mit einem belustigen Grinsen die falschen Ohren, ehe er sich zu mir herunterbeugt und anfängt mich fordernd zu küssen.

Im ersten Moment bin ich zu keiner Gegenreaktion fähig, dazu bin ich noch zu schockiert über sein Handeln, trotz meiner lächerlichen Erscheinung. Wenig später fliegt mein Hut auf den Boden und eine seiner Hände beginnt damit mir den Nacken zu kraulen.

Langsam entspanne ich mich und gehe auf die Berührungen ein. Nach einigen Minuten lässt er von mir ab und stupst mit seiner Nase gegen meine. „Ich liebe dich“, wispert er und küsst meine Nasenspitze.

Die Schamesröte kriecht mir bis hinauf zu den Ohrenspitzen. Gott, diesen Menschen hab ich nicht verdient, ich könnte heulen.

Ein komisches Bild muss es bestimmt abgeben, wie ein gut aussehender 1.85 Meter großer Traummann wie Benny einen mickrigen Weihnachtselfen wie mir eine Liebeserklärung macht.

Ins Kino sind wir heute nicht mehr gekommen, aber so schlimm finde ich es im Nachhinein nun doch nicht mehr, ich wurde immerhin großzügig dafür entschädigt. Nur diesen einen Satz kriege ich nicht aus meinem Kopf. Was meinte Benny mit /Endlich sieht man dich mal aus der Nähe/…

Ich richte mich halbwegs im Bett auf und taste im Dunkeln nach meiner Nachttischlampe. Ein leises Murmeln hinter mir ist das einzige was ich höre, ehe zwei Arme mich packen und zurückziehen. Kapitulierend lasse ich ihn gewähren und kuschle mich an den warmen Körper.

Dies ist die erste Nacht in der ich mal nicht friere.

„Benny…“, beginne ich zögernd und tippe ihn gegen die Wange.

„Hm?“

„Was meintest du eigentlich vorhin… mit dem endlich aus der Nähe sehen…?“, fahre ich leise fort und hab ein etwas mulmiges Gefühl was die Antwort anbelangt.

Warmer Atem streift mein Gesicht, als er leise lacht und sich ebenfalls an mich kuschelt.

„Lukas meinte ich sollte mir mal einen gewissen Elfen näher ansehen…“, flüstert er mir ins Ohr und haucht mir einen Kuss auf die Wange.

Wenn das Licht jetzt an gewesen wäre, dann wäre Benny garantiert zurückgeschreckt. Mein Augenlid zuckt verräterisch und ich beiße mir angepisst auf die Unterlippe.

Ich bring ihn um!

~*~ Ende ~*~

 

So... warum X-max? x__X

Weil Frau Cat es so wollte. *wusl*immer noch geschädigt sei von der Musik*

Also wenn wer ne FF haben möcht, ich schreib welche auf Wunsch für KTs °o°"


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