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Der Glasgarten

von

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Falsche Frage

~ Falsche Frage ~
 


 


 

Aya brütete stumm über seiner Tasse Kaffee und beobachtete Schuldig dabei, wie dieser sich fertig machte um zu Schwarz zu gehen. Um diese Mission zu bestehen. Aya begrüßte das nicht, nicht in Ansätzen. Nicht, wenn er nicht dabei war und wachen konnte, dass ihm nichts passierte.

Doch wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passierte? Nicht groß...nicht bei diesem Team.

Dennoch…ein Restzweifel blieb, der ihn unruhig machte. Wie eine Glucke, das hatte er Crawford vorgeworfen und nun benahm er sich genauso.

Seufzend erhob er sich und gesellte sich langsam zu Schuldig in den Schlafbereich. Bleib hier, wollte er ihm sagen. Pass auf dich auf. Besonders in Angedenken an das, was Schuldig in Erinnerung gekommen war. Inwieweit würde sich das auf den Auftrag auswirken, auf Schuldigs Verhalten?
 

"Soll ich mitkommen?", fragte Aya scherzhaft, wusste im gleichen Moment jedoch, dass es nicht wirklich als Scherz gemeint war.
 

Schuldig war genauso unruhig.

Seine Gedanken waren unstet und nicht wie sonst ruhig, locker und ausgeglichen, wenn er zu einem Auftrag fuhr.

Ihm fehlte heute die Lässigkeit.

Angespannt lächelte er und legte seinen Kopf auf Rans Schulter ab.

"Ich bin doch schon groß", sagte er lächelnd in die rote Haarflut hinein. Das fehlte noch! Dass Ran mitging. Niemals. Das war ein Bereich in seinem Leben, den sein Partner nie von dieser ... seiner Seite ... der schwarzen Seite aus sehen sollte. Erschwerend kam hinzu, dass dieser Partner auch noch Ran war, nicht ein x-beliebiger, der mit der Materie nicht vertraut war.

In seinem Gedankengang stoppend erkannte er diese Tatsache teils als Nach-, aber auch als Vorteil an. Er brauchte nichts zu verheimlichen, denn er hatte die dunkle Seite als Erstes zu Gesicht bekommen, hatte sie Schuldig vielleicht sogar als Seite sichtbar gemacht...
 

„Na, aber nicht, dass dich ein großer, böser Mann mitnimmt…“, murmelte Aya ernst und strich Schuldig über den vergrabenen Schopf. Sicherlich hatte der Deutsche Gründe genug, ihn nicht dabei haben und er selbst ebenso viele Gründe, nicht dabei sein zu wollen, doch die Sorge um den anderen Mann schien genau das in den Hintergrund zu drängen. Die Sorge, dass etwas passieren könnte und würde. Und dass etwas…
 

„Was ist mit meinem Team? Werden sie auch dort sein?“, fragte Aya abgespannt. Er konnte ihnen nicht beistehen, wenn…und wenn doch, musste er mitgehen. Er musste es einfach.

Ja, erst in diesem Augenblick wurde ihm der verdrängte Konflikt richtig bewusst, in dem Weiß und er sich befanden. Weiß musste gegen Schwarz kämpfen auf Kritikers Geheiß. Sie hatten keine andere Wahl. Und Schwarz mussten sich verteidigen. Was, wenn die Konfrontation sich so sehr zuspitzte, dass die Situation außer Kontrolle geriet? Was dann?
 

"Nein, sie werden nicht dort sein", sagte Schuldig nachdem er kurz in den Gedanken von Takatori junior gestöbert hatte, der gemütlich zu Hause vor dem Fernseher saß.
 

"Aber was ... wenn sie das nächste Mal dabei sind?", fragte Schuldig nachdenklich, sein Gesicht wirkte ruhig. Das ewige Thema schon wieder. Würde es immer zwischen ihnen stehen?

Ja... solange Weiß für Kritiker arbeitete, wohl schon.

"Eine Lösung muss her, Ran", sagte er ernst und traurig zugleich. Sie brauchten dringend eine praktikable Lösung für das Problem. Weiß musste von Kritiker gelöst werden.
 

Aya wusste das nur zu genau und es machte ihm mit einem Male deutlich, dass ein Teil von ihm aufbegehren und seinem Team beistehen wollte. Der Teil, der über Jahre für die Menschen gekämpft hatte, die ihm eine zweite Familie geworden waren.

„Ich habe aber keine, die ich anbieten könnte. Kritiker hat zuviel Macht, als dass sie ins Ausland gehen könnten…selbst wenn…“, …ich das nicht ertragen würde, sie so weit von mir zu wissen, wollte er den Satz beenden, tat es aber nicht.

„Dazu müssten erst einmal Kritiker ausgeschaltet werden. Dann ginge es vielleicht.“
 

Schuldig zog Ran enger an sich und strich diesem über den Rücken, murmelte: „Ja vielleicht. Aber das ist nicht unser Ziel. Kritiker sind uns eigentlich egal", gab er zu.

Sanft kraulte er den Nacken spielte mit dem schweren Haar.

„Ich muss los, Ran. Bestimmt geht alles gut", versicherte er und gab dem Rothaarigen einen liebevollen, tröstenden Kuss auf die Schläfe.
 

Gut, dass Ran nicht mitging. Sicherer wäre es und wenn dieser ihn sehen würde... Nein, das wollte er nicht, er könnte ihm nicht ins Gesicht sehen, nicht jetzt ...jetzt nicht mehr.
 

Doch Aya hielt Schuldig noch an dessen Hand zurück, wollte sich noch nicht lösen. „Dann sag mir wenigstens, was es für ein Auftrag ist…wen erledigt ihr?“, fragte er sanft und strich dem Deutschen eine Haarsträhne zurück. Er sah ihm offen in die grünen Augen. Offen und dennoch verborgen in seinen Gedanken. Er wollte wenigstens die Sicherheit…
 

"Irgendein hohes Tier aus dem Verwaltungsrat einer Firma", sagte Schuldig leise, doch sein Blick war unstet, er fühlte sich nicht wohl. „Ran... ich will nicht mit dir über den Job sprechen. Ich will nicht, dass du ..."

Er brach ab löste sich von dem Mann. Er wollte nicht, dass Ran mit seiner Arbeit in Kontakt trat... so wie er die Dinge regelte, wie er sich fühlte, wenn er jemanden tötete, wer er war zu dieser Minute, in dieser Stunde wenn er tötete, wenn er... zu genießen anfing.

Er war heute ganz und gar nicht gestärkt für einen Auftrag, viel zu unsicher, viel zu bereit die Kontrolle abzugeben. Davor hatte er Angst. Ran schwächte ihn jetzt.
 

Aya nickte und sah das, was er angerichtet hatte. Er hatte seine Informationen, mehr brauchte er nicht. Nicht, wenn er Schuldig mit einer weiteren Fragerei nur quälen würde.

„Dann geh. Und wehe, du handelst dir auch nur einen Kratzer ein“, lächelte er wie im Spaß, meinte es jedoch ganz und gar nicht so locker, wie er es gesagt hatte.

Und ob er ein Auge auf Schuldig haben würde. Mehr als diesem lieb war.

Er wandte sich ab, machte es dem Telepathen einfacher, die Wohnung zu verlassen. Schweigend ging er in die Küche und setzte sich mit dem Blick nach draußen rücklings zu Schuldig, sich erneut seine Tasse Kaffee greifend und einen kalten, bitteren Schluck trinkend.
 

Mit hängenden Armen und leeren Händen stand Schuldig da und blickte Ran für einen Moment nickend nach. "Ich pass auf", murmelte er, der schlanken Gestalt nachsehend. Ihm war nicht wohl dabei, heute zu gehen. Er fühlte sich nicht gut, wie er wiederholt für sich selbst vermerkte.

Oder er redete sich das ein, weil er lieber hier geblieben wäre ... aber Blaumachen galt nicht. Nicht wenn Crawford den Blauen Brief persönlich vorbeibringen würde.

"Bis später", ein letzter ernster Blick und die Tür wurde von ihm geöffnet, fiel leise ins Schloss. Der Aufzug brachte ihn hinunter und er wählte den Sportwagen um zu ihrem Treffpunkt zu gelangen.

Er konnte seine Gedanken nicht auf den Auftrag lenken, seine Hände, mit Handschuhen bekleidet, fassten das Lenkrad fester. Er versuchte sich zu beruhigen.
 

Das, was Schuldig versuchte, spiegelte Aya in diesem Moment, doch wie auch seinem feurigen Pendant wollte ihm das nicht so Recht gelingen. Irgendein hohes Tier aus dem Verwaltungsrat einer Firma. Schwarz hatten den Auftrag. Aber Schwarz als Einheit würde gut funktionieren, oder? Und was, wenn Weiß doch dabei wäre? Was, wenn Schuldig entweder gelogen hatte um ihn zu beruhigen oder es in diesem Moment selbst nicht besser wusste? Er musste doch bei seinem Team sein… denn das war Weiß immer noch.

Bei seinen Freunden.
 

Frustriert erhob sich Aya und suchte mit nun um ein paar Grade gesunkener Laune nach seinem Handy. Hoffentlich…hoffentlich erreichte er sein Team noch. Er ließ es nervös umherstreifend klingeln. Einmal…zweimal…ein drittes Mal. Bis endlich…ENDLICH Omi abnahm.
 

"Ja?"

Omi sah auf das Display, sah die unbekannte Nummer und ahnte und hoffte zugleich, dass es Ran sein würde. Als sich dieser dann auch gleich zu erkennen gab, freute sich Omi Rans Stimme zu hören.

Er ging zurück zur Couch und machte es sich samt seinem Gesprächspartner - den er mittels des tragbaren Telefons mit sich trug - gemütlich.

"Alles klar bei euch?"
 

„Ja, alles klar bei uns…Schuldig ist ausgeflogen, ein Auftrag. Und bei euch? Wie geht es dir? Den anderen?“, fragte Aya. Er freute sich ebenso sehr, die Stimme des Jungen zu hören, die ihn in diesem Moment doch beruhigte. Langsam strich er sich durch seine Haare und kämmte sie mit den Fingern auseinander. Sein Blick fiel auf die geschnittenen Spitzen und er fühlte Erleichterung in sich. Weiß war anscheinend nicht auf Mission.
 

"Och naja nichts großes los hier, Yohji ist auch ausgeflogen", grinste Omi über diesen Ausdruck und zuckte dann die Schultern. "Ich sollte mit, aber habe keine große Lust gehabt. Draußen ist es eklig kalt."

Wie um sich dies noch zu verdeutlichen wickelte sich der junge Mann tiefer in die Decke bis nur noch ein blonder Schopf herauslugte.

"Wann wollt ihr denn kommen?"
 

„Morgen gegen Nachmittag. Je nachdem, wann Schuldig wieder da ist“, erwiderte Aya, von einem unbekannten Drang überwältigt, einfach nur Smalltalk mit Omi zu halten. Er vermisste sein Team, er machte sich Sorgen um Schuldig, war es da wirklich verwunderlich, dass er derart komische Gelüste entwickelte?

„Ich muss Youji morgen erst einmal den Kopf zurechtstutzen, dass er so viel weg ist, oder? Kann er sich denn überhaupt noch auf die Arbeit konzentrieren?“

Aya kam auf der Fensterbank zum Ruhen und warf einen langen Blick nach draußen. Kein Laut drang aus der stillen Wohnung, während er hier saß.
 

Omi wurde hellhörig.

"Wieso ... wenn er wieder da ist? Wird das was Größeres?", fragte er nach dem Auftrag von Schuldig hatte aber nicht wirkliches Interesse in seine Stimme gelegt, er wollte Aya nicht löchern, außerdem hatten sie heute frei und er hatte keineswegs Lust auch nur an Arbeit zu denken.

"Was Yohji angeht", redete er schnell weiter „... pendelt sich ein Rhythmus ein, was das Weggehen angeht. Er arbeitet im Laden, erledigt die Aufträge ... lässt dabei seine Wut aus und geht abends weg, dazwischen schläft er etwas und ...mit dem Essen spart er ... dafür trinkt er mehr."

Omi schwieg. Es war nichts Neues, aber dennoch machte ihnen der Blonde Sorgen.
 

Aya hatte Omi gerade die Frage nach Schuldig beantworten wollen, als er gewahr wurde, wie schlecht es Youji ging. Sorge um seinen Freund schwemmte in ihm hoch und in diesem Moment wurde die Sehnsucht, bei seinem Team zu sein und sich um sie zu sorgen, sehr groß.

„Ich werde ein paar Takte mit ihm wechseln…und ihn wieder zur Vernunft bringen“, erwiderte er zuversichtlicher, als er sich fühlte. Er wusste genau, warum es Youji schlechter ging. Er war nicht mehr da…hatte Youji seine Stütze entzogen, die der andere Mann wohl insgeheim doch an ihm gehabt hatte. Das zehrte an dessen Nerven.

„Wie sieht es denn mit dir aus? Und mit Ken? Wie geht es euch? Machen…Kritiker euch sehr zu schaffen?“, wollte Aya wissen.
 

"Ich ...nun ich glaube nicht, dass es etwas bringt, Ran, er tut so, als mache es ihm nichts aus ..." Omi dachte diesmal erst nach nachdem er gesprochen hatte. "OH entschuldige, Ran, wir tun uns alle noch etwas schwer, aber wir arbeiten daran", lächelte er etwas.
 

„Ich auch…ich arbeite auch daran“, murmelte Aya. „Ich suche nach einem Weg, euch da raus zu holen. Insofern ihr wollt. Ich habe Angst, dass Kritiker euch wegen mir noch mehr zusetzt.“ Er seufzte schwer. „Besonders Youji…nein, ihr alle habt es verdient, endlich euer eigenes Leben leben zu dürfen.“
 

Omi ruckelte sich etwas zurecht und sein Blick verlor sich auf dem stummen Fernsehbild, dass sein kaltes Licht in die abgedunkelte Wohnung entließ.

"Sie verhalten sich ruhig. Aber das heißt, dass wir beschattet werden, Ran", sagte er tonlos.
 

„Nicht mehr lange, Omi. Versprochen. Wir finden einen Weg. Wenn nicht ich alleine, dann mit Schuldig. Schwarz können euch vermutlich noch effektiver helfen.“

Auch wenn es ihm schon alleine sein Stolz unmenschlich erschwerte, sich ein weiteres Mal an das gegnerische Team zu wenden und sie um etwas zu bitten, das Gefahr lief, von vornherein abgeschlagen zu werden. Nein…Aya wollte das selbst erledigen und selbst eine Lösung für ihr Problem finden. Nur wie?
 

Vor allen Dingen brachte ihn die Sorge um sein Team auf ein ganz anderes Problem. Was war mit Schuldig? Würde er diese Mission heil überstehen? Ayas Blick fiel auf den weit entfernten Kleiderschrank, seine Gedanken hingegen schweiften zum Lederoberteil mit hohem, stehenden Kragen und langen Ärmeln, das sie in einem der Undergroundshops erstanden hatten. Dazu noch seine Lederhose und das Missionsoutfit wäre perfekt. Schwarz in schwarz würde ihn niemand erkennen, wenn er ein Auge auf den Deutschen warf. Niemand.
 

"Schwarz fragen ...hmm?", grübelte Omi nun selbst über diese Option, die ihm aber so gar nicht gefallen wollte.

Er sagte nichts mehr dazu. Wieviel Einfluss hatte Schuldig schon auf Ran?

Besser er verscheuchte diese untreuen Gedanken.

Tief einatmend lächelte Omi wieder, versuchte einen neuen Faden zu finden, denn er wollte Ran noch nicht gehen lassen. „Was machst du denn dann so alleine? Sicher ist dir seeehr langweilig, wenn Schuldig nicht da ist, oder?" hörte man deutlich die Anspielung auf ihr vermeintlich ausgelastetes Sexleben heraus und die Neugier die dahinter steckte.
 

„Ich warte darauf, dass Schuldig wieder zurückkommt“, erwiderte Aya ehrlich. „Im Prinzip kann ich ohne ihn das Loft nicht verlassen, eben weil überall Kritikeragenten sein könnten.“ Was einen großen Teil der unterschwelligen Frustration ausmachte, die in Aya schwelte. Es tat weh, das zuzugeben.

„Apropos…dir ist nicht zufällig eine Mission untergekommen, oder Omi? Gegen ein hohes Tier in einem der Verwaltungsräte einer großen Firma?“
 

Einen Moment musste Omi überlegen, aber nicht weil er nichts von einem derartigen Fall wusste, sondern ob es klug war gerade Ran davon in Kenntnis zu setzen. Stille herrschte in der Leitung.

"Ja, ist mir schon bekannt. Wir sollten ursprünglich heute darauf angesetzt sein, aber wurden dann vor zwei Tagen davon in Kenntnis gesetzt, dass es besser wäre, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Der Kerl war Kritiker wohl auch ein Dorn im Auge." Mehr sagte er nicht. Er hatte Angst, dass Ran aufspringen...

Ja und was?

Schuldig hinterherlaufen würde?

"Machst du dir solche Sorgen um ihn...?", fing er zögernd an.
 

Da hatte Omi mal wieder viel zu gut kombiniert…

Wiederum beherrschte kurzzeitige Stille die Leitung, bevor Aya antwortete.

„Ja und nein. Er ist momentan sehr unausgeglichen“, erzählte er, achtete jedoch darauf, nicht zuviel zu sagen. Er wollte Schuldig nicht bloßstellen. „Macht der Gewohnheit, Omi, ich kann eben nicht untätig hier herumsitzen und warten, dass er vielleicht nicht wiederkommt.“ Er verstummte. War das nicht wirklich ein Beweis, wie sehr ihm Schuldig ans Herz gewachsen war?

„Wie heißt denn der Mann, auf den ihr angesetzt wart?“, schloss er und hievte sich vom Sims, holte sich dann von der kleinen Ablage an der Couchecke Zettel und Stift.
 

Omi nannte den Namen, ein Chinese. Trotzdem war ihm nicht wohl dabei.

"Das heißt aber nicht, dass du ihm jetzt nachlaufen wirst, Aya!", übte er sich an dem strengen Tonfall, den er von ihrem Leader entlehnte. "Da mach ich mir dann Sorgen ... und lauf dir womöglich auch noch nach", warnte er Ran vor einer Unbedachtheit.

Aber Ran war ein Musterbeispiel für Sturheit und Omi wagte den Verdacht, dass ihr Leader sich mit Sicherheit nicht von einem Vorhaben abbringen ließ.

"Er kann bestimmt auf sich selbst aufpassen, ich hatte nicht den Eindruck, dass Schwarz keinen Teamgeist besäßen", grummelte Omi.
 

„Nein, ich werde ihm nicht hinterherlaufen, Omi“, beruhigte Aya sein Teammitglied. Nein, er lief Schuldig nicht hinterher, sondern passte auf, dass dieser sich nicht selbst gefährdete und sich von Erinnerungen überrollen ließ.

„Schwarz besitzen weit mehr Teamgeist, als wir es wohl immer vermutet haben“, lenkte er schließlich das Thema um und strich sich durch die schweren Haare. Wie war das eigentlich mit dem Deal zwischen Schuldig und ihm? Konnte er sich jetzt die Haare schneiden? Vermutlich nicht…noch nicht. Doch irgendwann würde er den Deutschen austricksen, da war er sich sicher!

„Allerdings wüsste ich gerne, wo diese Mission heute stattfindet…hast du da auch Informationen drüber?“
 

Ihm war nicht wohl dabei. Ganz und gar nicht wohl.

Energisch auf der Unterlippe kauend und die Stirn in tiefe Falten gezogen starrte Ayas Gesprächspartner vor sich hin. „Jaa, hab ich“, ließ er den Anderen zögernd wissen. Und plante selbst schon im Hinterkopf, was er ohne wenn und aber wohl tun musste, wenn er Aya den Ort des nächtlichen Einsatzes verriet.
 

„Wirst du sie mir auch sagen, Omi oder muss ich dich darum bitten?“, fragte Aya etwas ungehalten über die Hinhaltetaktik des Jüngeren, die er so überhaupt nicht schätzte. Nicht, wenn es ihm um etwas wirklich Wichtiges ging.

Natürlich war mit seinem Fortgang auch sein Status als Anführer gekippt worden. Es war nur natürlich, doch es frustrierte Aya mehr als er zugeben wollte.
 

Nach kurzem Überlegen rückte Omi nun doch damit heraus, hörte er das Missfallen über sein Verhalten aus Rans Stimme doch zu genau heraus. Er nannte ihm eine Adresse, die an eine Baustelle grenzte. Ein Bürogebäude, welches einen Anbau bekam; ein Leichtes dort einzudringen.

"Aber du machst keine Dummheiten, Aya?", fragte er trotzdem streng nach, aber rüstete sich innerlich schon in die Kälte hinaus zu müssen um die ganze Sache persönlich zu überwachen.
 

„Nein, Omi. Ich wollte mich nur noch einmal versichern. Und ich möchte nicht, dass DU dahingehen wirst um nachzusehen, ob ich auch dort bin. Wenn ich nachher von irgendwem hören sollte, dass du dagewesen bist und dich in Gefahr gebracht hast, dann hast du von mir ein Donnerwetter zu erwarten“, erwiderte Aya ernst und hoffte, dass der Jüngere sich wirklich daran halte würde und sich an ihm kein schlechtes Beispiel nehmen würde. Er hoffte es wirklich.
 

"Ja, ich merk es mir. Und wenn ich durch Zufall erfahren sollte, dass Kritiker oder sonst wer dich dort gesehen haben, dann erzähl ich das Yohji und Ken und das gibt dann genau denselben Anschiss", grimmte er wenig überzeugend.

Pah, wer war er denn, dass er sich von Aya aufhalten ließ, wenn es um dessen Sicherheit ging?
 

Omi versuchte also, gegen seine Autorität anzukommen…Aya lachte am anderen Ende der Leitung amüsiert auf und schüttelte den Kopf. Na da waren sie beide sich doch ähnlicher als gedacht. Viel, viel ähnlicher. Doch er würde seinen Kopf durchsetzen, schließlich galt es, Schuldig vor eventuellen Gefahren zu schützen. Schließlich war der Telepath noch lange nicht stabil genug.

„Ich sehe schon, wir bleiben jetzt beide zuhause sitzen und schauen uns einen Film an…“, lächelte er und spielte mit den Spitzen seiner langen Haare. „Allerdings muss ich jetzt auflegen…es rufen mich unabänderliche Geschäfte.“
 

"Das ist eine sehr gute Idee, Aya, wir sehen uns beide einen Film an! Komm doch her, oder besser ich komme zu dir!", schlug er vor.

Aber wusste gleich im selben Augenblick, dass seine Taktik bereits durchschaut war und sein Vorschlag wohl auf kein Gegeninteresse stoßen würde.
 

Doch Omi täuschte sich, das sagte alleine schon das Seufzen am anderen Ende der Leitung. „Du weißt, wie gerne ich das machen würde, Omi. Du weißt, wie sehr ich euch vermisse, doch es geht im Moment nicht“, antwortete Aya eine Spur ruhiger und ernster als zuvor. Ließ die Aufrichtigkeit und die Melancholie durchscheinen, mit der er es sagte.
 

"Ja ich weiß", sagte Omi traurig, aber er lächelte gleich wieder wollte nicht, dass Aya sich damit belastete. "Ich freu mich auf morgen!", vergaß er kurzzeitig in seinem Bemühen um gute Laune, dass Aya sich wohl sobald er aufgelegt hatte in die nächtliche Kälte stürzen würde um Schuldig zu folgen.
 

„Ich werde pünktlich um drei da sein“, bestätigte Aya nickend und verabschiedete sich schließlich von ihrem Jüngsten.

Und Omi sollte Recht behalten. Kaum landete der Hörer auf der Couch, machte sich Aya auf den Weg zum Schrank und griff sich die ihn wärmenden, nachtschwarzen Kleidungsstücke.

Der schwarze Rollkragenpullover, den er schon so oft auf Missionen getragen und damals mitgenommen hatte, als er ‚offiziell’ bei Schuldig eingezogen war. Dann ein langärmliges Lederoberteil mit Reißverschluss, das er sich nun anzog und die Taschen glatt strich.

Aya stutzte, als seine Finger Plastik streiften und er zog den Gegenstand hervor. Ein Kondom? Wer hatte…?

Kopfschüttelnd steckte er den Pariser wieder zurück und lächelte.

Er griff zu seiner Hose und schlüpfte in das noch kalte Leder. Auch hier grub er seine Hände in die Taschen und zog sie nach unten.

Er runzelte die Stirn, als er ein weiteres Kondom aus der Gesäßtasche fischte. Langsam erhärtete sich sein Verdacht…
 

Schließlich warf er sich seinen Mantel über und knöpfte das schwarze Leder zu. Erst danach suchte er den Schlüssel des Zweitwagens und fand ihn in dem kleinen Telefontisch am Sofa. Ebenso wie den Ersatzschlüssel zur Wohnung, der damals dort noch nicht gelegen hatte – das hatte Aya bei einem seiner sinnlosen Fluchtversuche herausgefunden.
 

Von der Couch ging er zum Waffentisch und tippte die ihm noch im Gedächtnis haftende Zahlenkombination ein, um sich zwei Pistolen und für seine Lederstiefel die gleiche Anzahl an Dolchen herauszuholen, bevor er den Deckel schloss und einen letzten, prüfenden Blick in den Spiegel warf und die Hände in seine Taschen vergrub.
 

„Was zur Hölle?“, fluchte er nur einen Moment später und förderte ein weiteres Kondom zu Tage. Na klar… „Schuldig!“, motzte er in die leere Wohnung. Wollte der andere Mann ihm subtil damit irgendetwas andeuten? Oder hatte er einfach den Satz ‚Wir sind schon wieder bereit’ anders verstanden, als Aya ihn gemeint hatte?
 

Gänzlich in Leder gekleidet, sah er aus wie zu Crashers Zeiten…nur dass sein Mantel mit den Reißverschlüssen an den Schultern fehlte. War das der Anfang seiner Vorliebe für diese Art von Kleidung gewesen? Vermutlich…vorher war er schließlich nie auf den Gedanken gekommen, so etwas anzuziehen.

Er verließ trotz der kleinen Kondomeskapade angespannt die Wohnung und machte sich schon darauf gefasst, Omi vor Schwarz’ Zugriff aus dem Weg zu cashen. Aber gut…
 

Er fuhr schweigend hinunter in die Tiefgarage und öffnete den Mittelklassewagen. Hätte ihm Schuldig nicht seinen Sportwagen dalassen können?

In Gedanken bereits bei dem, was ihn dort erwarten könnte, machte sich Aya auf den Weg zu der genannten Adresse, die er sich aus dem Stadtplan gesucht hatte, und stellte den Wagen unweit an der Baustelle ab. Zu Fuß machte er sich schließlich auf den Weg und lauschte den Geräuschen um sich herum.
 

Omi war schneller - gemessen an der Zeit, die er zum Anziehen brauchte. Er nahm keinerlei Waffen mit und zog sich höchstens warm an. Er hatte nicht vor, bewaffnet von Schwarz oder sonst jemandem aufgegriffen zu werden. Lediglich ein Handy führte er mit sich und das nötige Kleingeld für ein Taxi, welches er bestellte und das ihn in der Nähe des Einsatzortes von Schwarz brachte. Er stieg aus und machte sich auf den Weg, die kleine Karte auf seinem Display des Handys mit der Umgebung abgleichend.
 

Aya hatte kein solches Hilfsmittel, also musste er sich ganz auf seine Instinkte verlassen, die durch seine jahrelange Tätigkeit als Killer alles andere als verkümmert waren. Er wusste von ihren eigenen Aufträgen, wo man am Besten zuschlug, wie man vorging, was man berücksichtigte und machte sich dieses Wissen nun intensiv zunutze.

Wie gut jedoch, dass zahlreiche Bäume den Weg zum Gebäude säumten, sodass es für ihn möglich war, vollkommen unentdeckt zu bleiben. Wirklich perfekt.

Aya blieb in der Dunkelheit stehen und lauschte den minimalen Geräuschen, bevor er sich in den Schutz eines der Gebüsche begab, von denen er den vor ihm liegenden Platz genauestens beobachten konnte.
 

o~
 

Die Stahlträger ragten wie drohende Spitzen einer Festung in den nächtlichen Himmel hinauf. Im Seitentrakt wurde noch gearbeitet, schnell trocknender Beton wurde als Fundament in vorgefasste Areale geschüttet, die Arbeiter hatten die Anweisung heute Nacht ihr Pensum aufzuholen, welches sie am Tag zuvor nicht geschafft hatten. Es war 1.32 Uhr, als Schuldig auf seine Armbanduhr blickte. Zum wiederholten Mal, wie ihm verstimmt und auch mit dem Hauch von Nervosität auffiel.

Er war schlecht gelaunt. Er wollte nicht hier sein. Er wollte bei Ran sein. Und - was erschwerend hinzukam um seine Laune erheblich sinken zu lassen - er langweilte sich.

Denn er musste sich die Beine in den Bauch stehen um die Arbeiter im Auge zu behalten und dies leider auch noch bei dieser Hundekälte, die ihm bereits durch die Kleidung in die Knochen drang.

‚Brad! Beeilt euch, was braucht ihr eigentlich so lange?', fuhr er den Amerikaner missgelaunt an.

‚Stör mich nicht, Schuldig. Es müssen vorher einige Dinge geklärt werden, bis wir die Zielperson beseitigen werden.'

‚Na herrlich. Wie schön, dass es hier auch NUR saukalt ist...'

Ein verdrießliches Gesicht ziehend, beschloss er sich mit den Arbeitern zu vergnügen, spielte etwas mit ihren Gedanken, brachte sie dazu, ihre Kollegen zu ärgern, oder ihnen Worte einzuflüstern. Keine großen Gemeinheiten, aber dennoch kleine Boshaftigkeiten, die seine Laune minimal hoben.
 

Nach einiger Zeit ließ er es jedoch wieder sein. Es machte keinen wirklichen Spaß.

Er lehnte unweit der Arbeiter an einem Pfeiler und beobachtete das nächtliche Treiben, wartete, wie es sein Job heute Nacht war, auf die Zielperson, die sich laut Vorhersage hier in diesem Gebäude mit einem Geschäftspartner treffen wollte. Beide sollten beseitigt werden. Der eine ein Erpresser, der andere, derjenige, der erpresst wurde. Beide waren ihrem Auftraggeber ein Dorn im Auge. Ein Aussteiger und einer, der mit seinem Wissen Profit daraus schlagen wollte. Maden, allesamt.
 

Schuldig stieß gelangweilt die Luft aus, kramte sich eine Zigarette heran und zündete sie an. Er hatte keine große Angst entdeckt zu werden, dazu hatte er sein Netz aus Manipulation und geistiger Kontrolle heute Nacht zu kontrolliert ausgelegt. Keiner würde durch diese Maschen schlüpfen können ohne von ihm bemerkt zu werden.

Eine arrogante Sichtweise…sicher.
 

Langsam begann er wieder an Ran zu denken und ein Lächeln schlich sich auf die im Schatten liegenden Züge....
 

Wenn Schuldig jedoch gewusst hätte, dass das Objekt seiner Begierde nicht einmal fünfzig Meter von ihm entfernt in der Stille ausharrte und nun das Opfer erspähte, dem er schließlich lautlos folgte…wer wollte schon wissen, was der Deutsche dann getan hätte?

Aya verdrängte es im Moment. Viel zu sehr war er auf den Mann in den guten Fünfzigern konzentriert, der nervös einen der beleuchteten Wege entlang huschte. Er kannte ihn nicht, sah ihn gerade zum ersten Mal. Das war also das Opfer von Schwarz. Aya stellte nicht in Frage, warum. Nein. Das würde er nicht tun.

Sein Blick richtete sich auf die Baustelle, auf die von ihr dringenden, geschäftigen Laute. Zu laut für seinen Geschmack, dennoch gut, um seine eigenen Geräusche zu übertönen.

Und die Geräusche eines anderen, stummen Beobachters, dessen blonder Schopf sich unter einer schwarzen Mütze verborgen hatte, die dieser im Mantel seines Freundes erspäht und für sich beschlagnahmt hatte.
 

'Er kommt', unterrichtete Schuldig Crawford vom Eintreffen ihrer Zielperson - die unweigerlich zu ihrer zweiten Zielperson gehen würde, die im Inneren des Bürokomplexes wartete.

‚Fang ihn ab und erledige den Auftrag’, wies ihn ihr ‚allwissender’ Anführer an - wie Schuldig Crawford insgeheim in dieser Nacht titulierte.

‚Sehr gern.’

Schuldig löste sich von seinem Posten, den er vor einiger Zeit bezogen hatte und schlenderte dem Mann entgegen, der laut seiner Gedanken schrecklich nervös und ängstlich war.

Mit der Zigarette im Mundwinkel, lässig und souverän kam er heran, blieb stehen, als der Mann, der kleiner als er war und in einen korrekten Anzug samt Mantel gekleidet war, ebenfalls stehen blieb.

Wilde Gedanken strömten durch den Anzugträger, völlig konfus, von der Angst beherrscht, dass hier etwas nicht stimmte. "Sie sind spät", lächelte Schuldig wissend, die Hände in den Taschen seines Mantels vergraben, nur zog er langsam die Rechte hervor, schnippte die Asche von seiner Zigarette und blies den Rauch genüsslich in die kalte Nachtluft.

"Machen Sie Ihre Geschäfte stets zu so später Stunde?"
 

„Das geht Sie überhaupt nichts an!“, hörte Aya den Mann abweisend antworten, doch aus dieser Abweisung sprach nichts anderes als Angst. Angst vor dem fremden Mann, der dort vor ihm stand und seine Überlegenheit vollkommen auskostete.

Schuldig.

Aya verhielt sich völlig still in seinem Versteck und beobachtete, wie sich der rothaarige Telepath seinem Opfer gegenüber verhielt. Hätte es nicht einfach nur ein Kopfschuss sein können? Wieso musste er noch lange mit dem Mann spielen?
 

Weil es in seiner Natur liegt, erwiderte ihm eine innere Stimme und er musste ihr Recht geben. Schuldig war ein Spieler. Immer gewesen und würde es immer sein.

Stumm zog sich Aya in die Schatten zurück und beobachtete weiter.
 

Damit übersah er jedoch den zweiten Schatten, der sich nun einem ganz anderen Problem stellen musste. Dem, dass er selbst nicht entdeckt wurde, was er für einen Moment befürchtete, dann aber doch verwarf. Niemand wusste, dass er hier war um ihren Anführer zu decken, oder? Omi beruhigte sein schnell schlagendes Herz, versuchte es zumindest – mit mäßigem Erfolg.
 

Schuldig nickte ernst, aber mit der Spur von gespieltem Schuldbewusstsein auf sein Gesicht gesetzt. Tadelnd schüttelte er den Kopf, seufzte einmal und verengte dann die Augen.

"Sie sind eine Schande für die Firma, das wissen Sie doch sicher? Einen wie Sie, der keine Ehre mehr hat, einer wie Sie sollte sich selbst vom Antlitz dieser Welt befreien, finden Sie nicht? Eine Möglichkeit, Ihre Ehre wiederherzustellen", schlug er hilfsbereit vor.

„Takeshi-san wird mit Sicherheit nicht begeistert sein, wenn er von Ihrem Verrat erfährt ..."

So ging es weiter, er redete und redete auf den Mann ein, verstrickte dessen Worte in haltlose Lügen, bis der Mann in einer Spirale aus Zweifeln, Angst und Ausweglosigkeit gefangen war. "Sie sind ein kleines Licht, niemand wird sich um Sie kümmern, dafür ist diese Stadt zu groß, zu laut ... zu gefräßig ..."

Da hatte er gar nicht so Unrecht, wie er selbst befand.
 

Nichts desto trotz durfte er nicht zu viel Zeit vertrödeln. Er ließ den Mann voran gehen, lenkte ihn in die Richtung, an der er tot aufgefunden werden sollte...
 

Nagi verfluchte Schuldigs Spieltrieb, er beobachtete den Telepathen von seiner Position aus, sah jedoch einen Schatten der gerade zwischen den beiden Gebäuden verschwand.

Seine Augen erfassten diesen Schatten und die Lippen verzogen sich spöttisch ob des nächtlichen Beobachters. Zeugen waren höchstens lästig. Er würde sich darum kümmern...

Gewand ließ er sich die Mauer hinab gleiten und kam auf dem Asphalt auf, ging um das Gebäude herum um in die Gasse zu gelangen.
 

Es war unnötige Quälerei, die Schuldig diesem Mann antat, befand Aya im Stillen für sich, hielt sich jedoch davon ab einzugreifen. Das hier war nicht seine Sache. Trotz dessen folgte er den Beiden und ließ damit unwissentlich Omi alleine, der sich einem immer größeren Problem gegenübersah. Er hatte das untrügliche Gefühl, dass man ihn beobachtete. Ein schlechtes Zeichen, denn seine Instinkte täuschten ihn nie. Niemals.
 

Vorsichtig versuchte er, sich weiter in die Schatten zu stehlen. Dabei sah er nur noch, wie Aya dem Opfer folgte - Schuldig folgte. Nein…er durfte ihn doch jetzt nicht alleine lassen! Er musste doch…
 

Omi zuckte erschrocken zusammen, als er hinter sich ein Geräusch hörte. Wer…in aller Welt war das? Bitte nicht Berserker…bitte nicht Berserker, wisperte er in Gedanken verzweifelt.
 

Es war nicht Berserker.

Nagis schlanke Gestalt stand in der Mitte der Gasse, wusste sich dem Spitzel gegenüber, der noch im Dunkeln Schutz fand. Aber er wusste, dass er da war, er konnte diesen Jemand fast riechen. Das ausdruckslos wirkende Gesicht regte sich nur für einen Lidschlag, bevor er in traumwandlerischer Langsamkeit seine rechte Hand hob, sie mit der Handfläche nach oben, als hielt er eine Kostbarkeit in der Hand, vor sich ausstreckte. Die feingliedrigen Finger, schlossen sich langsam zur Faust, seine Konzentration, mit der er die Telekinese ausübte, in dieser Faust gebündelt, ließ er sie urplötzlich los und schleuderte den Zeugen an die nächste Wand.
 

Nein, es war wirklich nicht Berserker.

Omi stöhnte gepresst auf, als alle Luft aus seinen Lungen wich und er keuchend an der steinkalten Wand hing. Prodigy stand vor ihm, dessen Hand war erhoben…um ihn zu zerquetschen? Nein…

„…Nein….“, wisperte er, versuchte sich zu rechtfertigen, zu zeigen, dass er unbewaffnet war. Doch, würde dies Anklang finden? Nein. Wohl eher nicht, vermutlich genau das Gegenteil. Nun hatte Schwarz die Möglichkeit, einen von ihnen zu vernichten. Ohne großes Federlesens. Ohne Widerstand.

Ran…
 

Nagi ging näher und konnte in der Dunkelheit nur schemenhafte Umrisse eines zappelnden Mannes erahnen. Als er vor dem Mann stand, der ihm fast im gleichen Alter erschien, wusste er immer noch nicht, wen er hier vor sich hatte. Das geflüsterte "Nein" war nichts Neues in seiner Anwesenheit.

"Welche Organisation?", fragte er kurz angebunden und vermutete entweder einen Reporter, oder einen Angehörigen der anderen Untergrundorganisationen, aber auch eine Truppe von Kritiker käme in Frage.

Seine Stimme klang ruhig und gleichmäßig, als säße er im Hörsaal an der Universität und stelle eine Frage die Thematik betreffend.
 

Der Telekinet hatte ihn nicht erkannt? Omi keuchte leise und wurde sich dann erst bewusst, warum nicht. Vielleicht…vielleicht konnte er seine minimale Chance nutzen und den Schwarz davon überzeugen, ihn nicht zu töten, nur weil er ihn für den Falschen hielt.

Eine seiner Hände griff mühsam die Mütze und zog sie sich ruckartig vom blonden Schopf. Seine Haare wallten darunter hervor.

„Weiß“, erwiderte er gepresst und starrte seinem Feind in die ausdruckslosen Augen.
 

Stille.

Dann ein trockenes "Ich lach mich tot", das so dunkel und doch deutlich von einem irrwitzigen Verständnis von Humor durchsetzt war. Nagi fand es tatsächlich komisch, einen Weiß vor sich zu haben. Zumal Crawford davon nichts zu wissen schien. Ohne den vermeintlichen Weiß aus seinen Fängen zu lassen, trat er einen Schritt näher, den kaum älteren jungen Mann genauer in Augenschein nehmend. Das blonde Haar hing diesem leicht über das blass wirkende Gesicht und den festen Blick. Er hob seine linke Hand, schnippte dem Blonden das Haar aus dem Blickfeld.

"Crawford. Siehst du Störfaktoren, wie zum Beispiel… Weiß?", fragte er durch das Mikro.

Doch ihr Anführer verneinte, vermeldete, dass der Auftrag in der Endphase war.

"Entweder ich töte dich hier oder du hast mit unserem Auftrag nichts zu tun. Beides dürfte zu Crawfords fehlender Sicht über dich führen."
 

„Ich habe mit dem Auftrag nichts zu tun. Ich bin unbewaffnet hier und nicht involviert. Kein Grund, mich zu töten“, gab Omi versuchsweise zurück und versuchte, die Angst zu schlucken, die in ihm tobte. Aya…wo bist du, wenn ich dich brauche?

Verdammt. Verdammtverdammtverdammt. Das durfte doch nicht wahr sein. Nicht jetzt. Nicht, wenn er einfach nur gute Absichten hegte.

Noch reichlich verwirrt über die Geste des Jungen vor sich, starrte er diesem aufmüpfig in die grauen Augen. Er röchelte leise. Wenn der Schwarz doch endlich seine Kraft von ihm nehmen würde. Wenn er sich doch nur irgendwie erklären könnte. Ohne Aya auch gleich noch mit rein zu reiten…die Frage war jedoch, welchen Status Aya innerhalb von Schwarz innehatte. War er wirklich mit Schuldig liiert? So eng, dass es ihnen ihr Leben retten würde?
 

"Es gibt immer Gründe um einen von Euch zu töten", sagte Nagi uninteressiert und ohne Erkennen zu lassen, wie ernst er das meinte. Undurchschaubar ließ er den Weiß hart an der Mauer nach unten rutschten bis er den altbekannten Feind vor sich hatte. "Was willst du dann hier?" Seine blauvioletten Augen, dunkle alles verschluckende Seen voller Einsamkeit, durchbohrten mit ihrem Blick den vergeblich aufrecht erhaltenen Schutzmantel seines Gegenübers. Nagi wollte keine Ausflüchte, er wollte wissen, warum der Andere hier war.

Nichts rettete den jungen Mann vor der Wahrheit.
 

„Nichts“, gab Omi zurück, dankbar dafür, dass er nicht mehr über den Dingen schwebte, sondern auf dem Boden der Tatsachen gelandet war. „Ich wollte ihn nur beschatten. Das ist alles.“ Und das war noch nicht einmal gelogen. Er hatte das Opfer beschatten wollen, wie auch Ran. Doch seinen Anführer musste er ja nicht erwähnen. Auch wenn er sich sehnsüchtig wünschte, dass der ältere Mann hier war und ihm zur Seite stand. Er wünschte sich, dass er ihm half und ihn anschließend für seine außerordentliche Dummheit hierher zu kommen schalt.

Seine Augen glitten zu denen des Telekineten und hielten sich an ihnen fest.

„Und es gibt nie einen Grund, einen von uns am Leben zu halten, nicht wahr?“
 

Nagi lächelte minimal, fast kaum vorhanden war dieses äußere Zeichen von flüchtiger Anerkennung über diesen geäußerten Gedankengang des Weiß Agenten.

"Ich glaube dir nicht. Schuldig sollte die Wahrheit herausfinden, danach können wir für dich immer noch einen Verwendungszweck finden." Er trat einen Schritt zurück, damit Omi vor ihm laufen konnte.
 

Einen Verwendungszweck? Wie für Ran auch?, schoss es Omi bitter durch den Kopf. Das klang nicht gut. Ebenso wenig wie es gut klang, Ran für seinen eigenen Kopf zu verraten. Doch was blieb ihm anderes übrig? Er konnte sich schon vorstellen, mit welchen Methoden Schuldig ihn zum Sprechen bringen würde…und ob er es nun unfreiwillig mit Schmerzen oder freiwillig ohne verriet…

Omi seufzte leise.

„Ran ist hier. Ich bin ihm gefolgt“, presste er hervor und starrte dem Jungen, der doch noch gut zwei Jahre jünger war, als er selbst, feindselig in die Augen, tat jedoch keinen Schritt.
 

Eine feingeschwungene Braue hob sich in Erstaunen, doch die äußerliche Ruhe blieb. "Schuldig als Drohung funktioniert gut", sagte er beiläufig und ein amüsierter Ausdruck flackerte kurz in seinen Augen. Er nahm den Druck von dem Körper.

Fujimiya war also hier. Interessant.

Er sah, dass der Blondschopf tatsächlich unbewaffnet war. Also hatte er die Wahrheit gesagt und Nagi bezweifelte, dass er in diesem Punkt log. Viel zu widerwillig war er mit der Antwort herausgerückt, viel zu viel Furcht vor einem telepathischen Eingriff spiegelte sich in dem Gesicht wider.

"Fujimiya ist nicht wegen des Auftrages hier?", hakte er nach.
 

„Nein, ist er nicht. Zumindest glaube ich das nicht“, lautete die widerwillige Antwort. Was jedoch das Einzige bleiben würde, was Omi dazu sagte. Er brauchte den Spott des Anderen nicht. Das konnte der Telekinet sich sparen.

Wenn der Schwarz weitere Antworten wollte, dann sollte er sich an Ran persönlich wenden und nicht an ihn. Er wusste nichts über das Beziehungsgefüge zwischen Schuldig und seinem Anführer. Fast nichts.

Er verschränkte fröstelnd die Arme. „Kann ich jetzt gehen?“
 

Beinahe hätte Nagi gelacht. Aber eben nur beinahe. Die Kälte setzte dem Blonden augenscheinlich zu, wie lange er hier schon herumschlich, konnte sich Nagi bereits denken. Doch Schuldig hätte ihn entdeckt, es sei denn, Schuldig war zu abgelenkt gewesen...

"Nein, kannst du nicht. Du bist hier nicht beim Zuspätkommen erwischt worden" Sein trockener Tonfall änderte sich als er einen kühleren Anschlug um mit Crawford zu sprechen. "Seid ihr soweit? Wir sind über dem Zeitplan."

Crawford bestätigte das Ende des Einsatzes.

"Ich fahre mit Schuldig", kommentierte Nagi lediglich und wartete jedoch die Antwort Crawfords ab.

Zu Omi gewandt sagte er: "Geh voran, Parkplätze im hinteren Teil."
 

Und wer war Omi, dass er dieser allzu freundlichen Aufforderung nicht Folge leistete? Brav wie ein Schüler, der eben zu spät gekommen war, oder auch nicht. Denn sie waren hier ja nicht in der Schule, wie Naoe es so schön ausgedrückt hatte. Hier spielte sich der Ernst es normalen Lebens ab. Dass er nicht lachte.

Er ging vor, ließ sich zu den Fahrzeugen bugsieren, nur um dann unschlüssig stehen zu bleiben. Und nun? Wurde jetzt eine Allgemeinkonferenz abgehalten, was mit ihm geschehen sollte?
 

Nagi öffnete den Kofferraum von Schuldigs Wagen, trat einen Schritt zurück. "Wenn ich bitten darf." Höflich und kühl, mehr nicht, der Blick wieder durch den Anderen hindurchgehend, als würde er ihn nicht sehen.

"Wir werden eine kleine Spritztour machen. Keine Angst, ich habe nicht vor dich zu töten. Es liegt momentan kein Grund vor."
 

Omi starrte in den Kofferraum. Starrte den Telekineten an. Eine Spritztour? „Wohin fahren wir?“, fragte er misstrauisch nach.
 

"Wohin?", wiederholte Nagi nun tatsächlich erstaunt.

"Wohin fahrt ihr gewohnheitsmäßig, wenn ihr einen Einsatz beendet habt? Es ist Schuldigs Wagen. Wohin wird er fahren, wenn er fertig ist?" Nagi legte den Kopf schief, betrachtete sich den argwöhnischen jungen Mann. Es lag doch klar auf der Hand, wohin die Reise ging.
 

„Keine Ahnung? In den Freizeitpark für einen lauschigen Nachmittag vielleicht?“, spöttelte Omi zurück und funkelte dem anderen Jungen schnaubend entgegen. „Und warum soll ich jetzt noch mitkommen? Ich weiß nichts. Das wird sich auch Schuldig denken können. Und wenn ich etwas über die Verbindung der Beiden wüsste, ginge es dich garantiert nichts an. Das ist eine Sache zwischen Ran und Schuldig!“
 

Sofort verschloss sich Nagi vor diesem Spott. Er war ehrlich erstaunt gewesen, warum Omi diesen Zusammenhang nicht erkannte. Spott war das, was er erntete, wenn er länger mit diesem Weiß hier herumstand und sinnlos schwatzte.

"Mir geht es nicht um dein Wissen, oder um eine Verbindung. Mir geht es lediglich um die Probleme, die aus dieser Verbindung resultieren. Steig ein", wiederholte er sich. Und er hasste es, sich wiederholen zu müssen.
 

Omi ahnte, dass er es nicht länger herauszögern konnte und hievte sich stumm in den kalten Kofferraum. Na hoffentlich dauerte die Fahrt nicht allzu lange, denn so eisig wie es hier drin war, hielt er das nicht lange aus.

Hatten sie Ran damals auch so verschleppt? Das Universal-Entführungsprogramm von Schwarz…

Er legte sich vorsichtig auf seinen Rücken richtete die Augen an die Klappe. Verflucht noch mal. Wenn Ran das erfuhr…
 

Nagi zog seinen Mantel aus und warf ihn auf Omi, da es wohl noch etwas dauern konnte bevor der Telepath kam. "Versuch deine Gedanken zu verschließen", riet er wenig hilfreich und schloss den Kofferraum.

Ob der Weiß Agent diese Technik beherrschte oder nicht, war Nagi egal bis unbekannt.
 

Nach einer kleinen Weile kam dann auch der Besitzer des Wagens an, mit einem vorfreudigen Lächeln auf den Lippen. Nagi konnte sich schon denken, was in dem Kopf des Telepathen herumschwirrte. Herzchen mit Pfeilen drin, womöglich noch rosa bemalt.

"Ich fahre mit dir, ich möchte etwas mit dir besprechen", sagte er und Schuldig runzelte kurz die Stirn.

"Wie kommst du nach Hause?"

"Mit dem Taxi."

"Ich muss auf der Fahrt das Netz lösen, das ich gelegt habe."
 

Nagi nickte und sie stiegen ein. Ihn wunderte und erzürnte es, dass Schuldig so nachlässig war und sogar Omi im Kofferraum nicht registrierte. Gut, er war abgelenkt, aber dennoch...

"Fällt dir im Wagen nichts auf?"
 

Schuldig konzentrierte sich wieder auf Nagi.
 

Und Omi tat das Gleiche mit der minimalen Wärme, die ihm durch den Mantel zuteil wurde. Dafür war er wirklich dankbar, auch wenn er in Gedanken mehr als wüst auf Schwarz, den dämlichen Telekineten und letzten Endes auch auf den Telepathen fluchte. Auf seine eigene Dummheit, die ihn dazu gebracht hatte, Ran zu folgen. Auf Rans Dummheit, die ihm seinen Herzallerliebsten hatte folgen lassen. Nur weil er sich Sorgen um ihn machte. Dass er nicht lachte. Der Deutsche konnte gut und gerne auf sich alleine aufpassen.

Er wusste sowieso nicht, mit was Schuldig ihren Anführer rumgekriegt hatte. Mit was er ihn verdient hatte.

„Arschgesicht!“, fluchte er nun laut auf jeden und versetzte der Klappe einen wütenden Tritt.
 

Kurz darauf hörte Schuldig das Geräusch aus dem Kofferraum, und hatte auch sofort die Gedanken ihres unfreiwilligen Gastes erreicht. Und kurz darauf die Informationen gezogen die ihn interessierten.

Sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich rapide. Langsam wandte er den Blick zu Nagi, sein Kiefer malte, die Zähne zusammengepresst schauten sie sich für Momente an, bevor er den Blick wieder auf die Strecke zurücknahm.

"Ich glaube nicht, dass er mir gefolgt ist", knirschte Schuldig mit den Zähnen, und umkrampfte das Lenkrad etwas. Gott. Wenn das wirklich so war. Er konnte ... er konnte Ran nicht mehr ins Gesicht sehen. Wer war er denn, dass er einen Aufpasser brauchte?
 

Wie sollte er Ran beschützen, wenn dieser ihn für einen unfähigen Trottel hielt, wenn dieser ihm nicht vertraute, dass er den Auftrag bewältigen konnte. Es war, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weg gezogen. Fast blind für seine Umgebung und auch Nagis Worte fuhr er nach Hause.

Er wollte mit eigenen Augen sehen, dass Ran auf ihn wartete, dass er die Tür öffnete und sehen konnte, wie Ran gemütlich auf dem Sofa saß, oder wohl behalten im Bett lag.
 

Darauf konnte er lange warten, das wusste zumindest Omi. Der jetzt angespannt innehielt, als der Wagen anhielt und Türen aufgingen. Was auch immer ihn jetzt zu erwarten hatte…es konnte nichts Gutes sein. Nicht mit den beiden Schwarz. Ran….komm doch bitte zurück…komm doch bitte rechtzeitig, flehte er in Gedanken und erinnerte sich absurderweise daran, dass sowohl Ran als auch Schuldig morgen zum Kaffee eingeladen waren. Zum KAFFEE, wie gute alte Bekannte. Omi grauste es vor den kommenden Momenten, vor morgen, vor Schuldig. Vor Ran, wenn dieser ihn zu Gesicht bekam. WENN.
 

Schuldigs Gesicht wirkte wie eine in Stein gemeißelte Oberfläche. Er war in Gedanken dabei, sich Worte zu überlegen, Worte die seinen Stolz retten sollten, Worte, die dafür sorgen sollten, dass er selbst glaubte, dass Ran noch in der Wohnung auf ihn wartete, vielleicht schon eingeschlafen, warm in eine Decke gehüllt.

Nicht draußen in der Kälte, wo ihm Kritiker, oder sogar Schwarz auflauern hätte können. Wer wusste schon, wie schlecht Crawford auf Ran zu sprechen war, wie Farfarello sich verhielt. Er nicht. Er konnte Rans Gedanken nicht lesen, er hatte ihn nicht bemerkt. Ihm war selbst der weiße Fleck in seiner Wahrnehmung nicht aufgefallen.

War er von ihm beobachtet worden, wenn er tatsächlich dort am Schauplatz der nächtlichen Aktion gewesen war? Glaubte er, er wäre unfähig...?

Diese und schlimmere Gedanken kreisten in ihm während er die Sportausführung der schwarzen Corvette in die Tiefgarage lenkte, den Parkplatz, den sein Zweitwagen besetzte, leer vorfand.

Er sagte nichts, als Nagi ausstieg, die Türen mit einem leisen, angenehmen Geräusch zufielen und der Kofferraum sich öffnete.

Schuldig starrte hinein, sein lodernder Blick durchbohrte den Blondschopf der sichtlich frierend darin lag.
 

Der sich nun langsam in die Sitzende hoch hievte und Schuldig mit einem vorsichtigen Blick maß, den Mantel eng um die Schultern geschlungen.

„Was willst du von mir?“, fragte er ruhig und in diesem Moment konkurrierte jene alte Feindseligkeit zwischen ihnen mit den Erinnerungen an das letzte, erste Telefonat, das sie auf Rans Geheiß miteinander geführt hatten.

Auch wenn ihm noch ganz andere Fragen im Kopf herumschwirrten, die sich allesamt mit Ran befassten, die jedoch warten mussten.
 

Schuldigs dunkle Seite zog sich an diesen Worten nach oben. Erkannte das Wanken zwischen dem altbewährten Verhalten und dem bemüht Neutralen, welches Omi an den Tag legte. Er lächelte auf Omi herab, gewohntes Terrain, kein Grund zur Beunruhigung, sagte er sich im Innern.

"Frag ihn", wies er mit dem Kinn auf Nagi und wandte sich um.

Doch das Lächeln und alles was mit diesem gekommen war, fielen wie eine Maske von ihm ab, als er sich den Aufzügen zudrehte, die wenigen Schritte dorthin mit fast verletzlichem Gesichtsausdruck bewältigte.

Er fühlte sich beschissen. Zum einen verärgert, zum anderen in Sorge, aber es schmerzte auch Etwas in ihm. Wie peinlich war dies eigentlich? Ran lief ihm nach um was? Auf ihn aufzupassen? Oder war er vielleicht gar nicht hinter ihm hergelaufen, sondern wollte er ihn womöglich aufhalten?

Wild spekulierend und sehr unsicher, verdrängte er das Dunkle in ihm wieder und wieder, als es die Unsicherheit nutzen wollte um an die Oberfläche zu kommen.
 

Nagi hob die Hand, winkte ungehalten. "Komm raus."
 

Omi gehorchte. Was blieb ihm auch anderes übrig, als dem Befehl des Telekineten zu folgen und schließlich ihm und Schuldig zu folgen. Hinein in den Aufzug und ganz nach oben ins Penthouse, dessen Ausblick ihn in Staunen versetzte.
 

Weite.
 

Es gab keinen anderen Begriff, die Aufteilung dieses riesigen Raumes zu beschreiben. Platz, wohin das Auge sah. Nichts Beengendes, Kuscheliges, wie sie es hatten. Nein, das war Luxus pur, jedoch nicht durch das Ambiente, sondern ganz einfach durch den Raum. Und was für ein Ausblick auf die nächtliche Stadt. All die Lichter…
 

Als Omi bewusst wurde, dass seine Gedanken mehr als unpassend für seine jetzige Situation waren, räusperte er sich leise und blieb nun doch eingeschüchtert irgendwo in der Mitte des Raumes stehen. Was in aller Welt sollte er hier? Und wieso verhielt sich Schuldig so komisch? So ruhig?

„Also…was mache ich hier?“, wandte er sich neuen Mut fassend wieder an Naoe und bedachte diesen mit einem fragenden Blick. Auf ein Neues…
 

"Wir warten", antwortete Nagi und ging zu Schuldig, der sich an die Fensterfront zurückgezogen hatte um mit ihm zu reden. Omi war zumindest dem Anschein nach für den Moment vergessen.

"Crawford hatte Recht. Er macht Probleme. Jetzt noch. So etwas sollte nicht vorkommen, Schuldig. Egal aus welchen Gründen er gehandelt hat, es ist in deiner Verantwortung wenn etwas daneben geht. Wenn Crawford davon erfährt ..."

"Wird er nicht", zischte Schuldig und drehte den Kopf wie eine Puppe, die dazu befehligt wurde, langsam, sehr langsam und die grünen Iriden verschränkten sich mit kühlem Blauviolett.

"Er ist ein Risiko, das DU eingehst."

Nagis Stimme blieb ruhig, als würde er einen weisen Ratschlag erteilen, kaum wirkte er wirklich daran interessiert, dass Schuldig seine Beweggründe verstand. Doch er war es. Ihm lag etwas an dem Telepathen und ihm lag etwas an ihrem Team, samt ihrer Sicherheit. Vor allem ihrer Sicherheit, die durch Schuldig momentan sehr gefährdet war.
 

Aber das musste er dem Telepathen nicht erst sagen. Für Schuldig war in den letzten Tagen und Wochen einiges durcheinander geraten. Und es schien kein Ende zu nehmen. Seine Teammitglieder konnten sich nicht auf ihn verlassen, da er womöglich von einem Partner im Stillen begleitet wurde, der vom gegnerischen Team war. Er selbst hatte im Unterbewussten, im Privaten mit demütigenden Erinnerungen zu kämpfen ... und das alles nahm kein Ende. Es hörte einfach nicht auf.
 

Hinter seiner Stirn pochte es. Er wollte seine Ruhe haben.

‚Ich will jetzt nicht darüber sprechen, Nagi. Verstehst du das? Ich muss erst mit ihm ...'

Er verstummte auch in Gedanken und schüttelte den Kopf. Eine Tablette musste her.

Sein nächster Gang führte ihn in die Küche, wo er ein Glas Wasser füllte.
 

Omi beobachtete und belauschte die beiden Schwarz so gut es ging. Irgendwie fühlte er sich hier…überflüssig, einfach fehl am Platze. Regelrecht stehen gelassen, wie bestellt und nicht abgeholt. Wie auch immer. Na das war ja wunderbar. Und den Gedanken an Flucht, konnte er womöglich auch noch verwerfen. In Gegenwart Schuldigs und Naoes sicherlich kein Wunder.

Da machte er sich doch lieber auf den Weg zu einem der Sofas, bis er hinter sich in der Tür einen Schlüssel hörte.

Omi fuhr gespannt herum. Ja, er sah, was er hatte sehen wollen!
 

WEN er hatte sehen wollen!
 

„Ran!“, rief er, noch bevor sich der langhaarige Mann in die Wohnung schleichen konnte und hatte ihn innerhalb von Sekunden in seine Arme geschlossen. Wie ein Schraubstock presste er den Körper seines Freundes an sich und wollte nun nicht mehr loslassen. Nicht mehr. Gar nie mehr. Aya war da. Es würde gut werden. Alles…Aya war ja da.
 

„Was machst du hier, Omi?“, fragte die ruhige Stimme ihres Anführers verständnislos, während der Ältere Omi durch die Haare wuschelte. Was in aller Welt war passiert? Und wo war Schuldig?
 

Schuldig gefror.

Sowohl in seiner Haltung - das Glas vor sich - als auch in seinem Inneren. Er war da. Ihm ging es gut. Erleichterung mischte sich mit stärkerer Unsicherheit und dadurch Wut über sich selbst und Rans Unvermögen, ihm Vertrauen zu schenken.

Ein Gut, dass er so dringend benötigte.
 

Niemand sagte etwas. Schuldig schwieg, stand noch immer unsichtbar für Ran in der Küche, den Blick in Richtung Panoramaansicht der Stadt gerichtet, lehnte er an der Küchenzeile.
 

„Schuldig hat mich mitgenommen…“, tönte es sarkastisch aus dem großen Wohnraum und wurde schließlich mit einem überraschten Schnauben beantwortet.

„Tatsächlich?“, fragte Aya und hob bedeutsam eine Augenbraue. „Wo hat er dich denn aufgelesen?“

Es dauerte einen Moment, bis Omi die Verlegenheit ablegen konnte, die ihn anhand dieser Frage beschlich. Was hatte Ran am Telefon gesagt? Und was hatte er nicht beherzigt? Doch nun war es so oder so zu spät. Nun war er hier und Aya würde es erfahren.

„Bei Schwarz’ Auftrag…ich war dort, Ran, und habe dich beobachtet…“, gestand er schließlich ein und handelte sich dafür einen dunklen Blick ein.

„Du warst da? Was habe ich dir gesagt, Omi?“, fragte Aya streng und löste sich mit Nachdruck aus den Fängen seines Teamkollegen. „Dir hätte etwas passieren können!“

„Dir aber auch“, schmollte Omi zurück, fühlte sich anhand der Zurechtweisung verletzt. Aya seufzte ein weiteres Mal.

„Hätte es nicht. Ist Schuldig auch hier?“ Der blonde Weiß deutete mit einem Nicken auf die Küche und Aya wandte sich schweigend in die Richtung. Er wusste nicht, was ihn dort erwarten würde, wie Schuldig darauf reagieren würde, dass er ihm doch nachgegangen war. So wappnete er sich bestmöglich und ließ Omi mit einem beruhigenden Wuscheln in dem seidigen Schopf stehen.

Schritt für Schritt näherte er sich der Küche um schließlich zu sehen, dass Schuldig nicht alleine war. Der Telekinet. Na wundervoll. Aya wurde vorsichtig, ebenso wie seine Worte. Nein, ein Wort war es, ein Einziges.
 

„Schuldig?“
 

Dieser drehte den abgewandten Schopf nicht zur Stimme, die er jetzt dringender als irgendetwas sonst herbei gesehnt, aber auch gefürchtet hatte.

‚Geht in den Raum. Ich will alleine sein, Nagi. Pass auf, dass der Kleine da drin nicht ausflippt.'

Schuldig bat den Telekinet eher mit seinem stummen Blick, als dass er ihn in Gedanken befehligte. Doch Nagi verstand, nickte und ging zu Omi, berührte ihn ganz leicht, als habe er Angst ihn zu grob anzufassen am Ärmel seines eigenen Mantels und zog ihn mit. "Komm mit, wir werden uns etwas zurückziehen", sagte er wie beiläufig.
 

Aya hörte nur, wie sich die beiden Jüngeren in den stillen Raum begaben. Es war auch ihm nur mehr als Recht, nun mit Schuldig alleine zu sein. Auch wenn dieser ihn vorgeblich zu ignorieren schien.

Er blieb an der Anrichte gelehnt stehen und verschränkte locker die Arme. „Bin ich es nicht wert, dass du mir in die Augen siehst?“, fragte er ruhig. „Warum drehst du dich nicht um?“
 

Und Schuldig besah sich Ran, blickte ihm zunächst nicht in die Augen, in denen dieser wohl Enttäuschung sehen würde, aber auch die Unsicherheit, die er selbst so sehr fürchtete. Stattdessen fuhr Schuldigs Blick über die dunkle Kleidung nach oben, sah seine eigenen Waffen in den versteckten Fächern und unwillkürlich spannte sich etwas in ihm an. Als er den Blick stetig hob, die Lippen streifte, die Augen erreichte, war nichts in seinen zu lesen außer Müdigkeit.

Eine bleierne Müdigkeit.

"Muss ich jetzt immer um dein Vertrauen kämpfen? Jedes Mal? Jedes verdammte Mal?"

Er hielt den Blick für einen Moment, doch als sich Enttäuschung oder gar Angst in seine Augen schleichen wollte, drehte er sich abrupt um, nahm die Tablette, die er zuvor hergerichtet hatte und schluckte sie mit einem Schluck Wasser hinunter. Danach wischte er sich über die Stirn hinter der es so heftig zu pochen schien, als wollte jemand von dort ausbrechen.
 

Aya sah, dass er es war, der einen Schritt auf den anderen Mann zutun und die Kluft zwischen ihnen beiden überbrücken musste.

Von eisernem Willen getrieben näherte er sich Schuldig und stellte sich schließlich neben ihm.

„Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Ich wollte sehen, ob dir nichts passiert bei diesem Auftrag. Ob dir nicht die Erinnerungen an Kitamura im Weg stehen. Ich habe dir nicht misstraut. Zu keinem Zeitpunkt.“

Nein, nur den Worten des Telepathen, dass er schon groß war. Dass er es alleine konnte. Denen hatte er misstraut. „Ich wollte sicher sein, dass nicht noch jemand stirbt, der mir etwas bedeutet, während ich nichts tun kann und es später erfahren muss. Dann, wenn es zu spät ist“, fügte er schließlich leise an.
 

"Weißt du eigentlich wie gefährlich deine Aktion war?", fuhr Schuldig nun leidenschaftlich auf. Sein Kopf hämmerte wild gegen seine Aufregung an.

"Stell dir vor, ich hätte dich bemerkt und den Kopf verloren, das ganze Netz wäre zusammengebrochen. Und Crawford ... wenn der das rauskriegt! Ich will nicht, dass er Recht hat. Er soll einmal nicht Recht haben, ja?!" Schuldig fluchte ungehalten und kniff die Augen zusammen.

"Und das Schlimmste wäre gewesen ... wenn Weiß dort aufgetaucht wäre!" Er lachte freudlos auf und deutete auf den stillen Raum. "Nicht auszudenken, wenn sie beschlossen hätten, doch noch am Auftrag teilzunehmen und sie uns in die Quere gekommen wären ... und DU dich entscheiden hättest müssen."

Jetzt sah er Ran zum ersten Mal, seit er sich zu erklären versuchte direkt an. Stumm wusste er doch die Antwort schon. Wusste er wie Ran sich entscheiden würde. "Meinst du, es zerreißt mich nicht, zu wissen für wen du dich entscheidest?" Seine Stimme brach.

"Verdammt..."
 

Aya atmete tief ein. Er ließ seinen Blick über Schuldig schweifen und berührte den anderen Mann hauchzart an der Schläfe.

„Es ist aber nichts passiert. Du hast mich nicht gesehen und Crawford weiß nicht Bescheid. Weiß ist nicht aufgetaucht. Es ist nichts passiert. Dennoch…Schuldig…“, seine Augen suchten die des Deutschen. „…es wird zwangsläufig dazu kommen, dass ich irgendwann einmal wählen muss zwischen dir und meinem Team. Du kannst das nicht verhindern, indem du mich hier zurück lässt, damit ich warte, ob du wiederkommst oder auch nicht. Ob jemand meines Teams überlebt. Das geht nicht.

Meinst du, MICH zerreißt es nicht, beide Seiten zu sehen? Meinst du, mir würde es leicht fallen? Meinst du, es gibt hier ein Parameter, mit dem ich sagen kann, dass die eine Seite mehr wiegt als die andere? Ich will, dass keinem von euch etwas passiert. Doch bevor mich dieser Konflikt in Zwistigkeiten bringt, lösche ich ihn ganz aus. Du weißt, wie es in mir aussieht…“ Seine Hand glitt hinunter zum Herzen Schuldigs und blieb dort liegen.

„Doch was bringt es mir, wenn mich das nur fertig macht? Und dich gleich noch mit dazu? So kann es nicht weitergehen. So will ich nicht, dass es weitergeht. Ich will mich nicht für eine Seite entscheiden müssen. Ich will es nicht.“
 

Zunächst wollte Schuldig zurückweichen.

Nicht weil es ihm unangenehm war, dass Ran ihn berührte. Nein, vielmehr weil er spürte, dass Trotz in ihm aufkommen wollte. Sein Gesicht verbarg sich etwas hinter dem Vorhang aus feurig farbenem Haar, das ihm leicht ins Gesicht fiel, als er Ran ansah.

"Du wirst dich aber entscheiden müssen, früher oder später wird es dazu kommen und mit dieser Aktion heute, hättest du es schon provozieren können. Nur allein durch deine Anwesenheit, hätte alles aus dem Ruder laufen können, hätte es zum Chaos kommen können. Verstehst du, Ran?", fragte er und seine Mundwinkel hingen voller Verdruss nach unten.

"Wir umgehen in der Regel Weiß, oder haben etwas unseren Spaß mit ihnen, sofern Crawford sie im Plan vorgesehen hat. Schlimm dagegen ist es, wenn sie unplanmäßig auftreten - wie heute. Nagi hat gut daran getan den Kleinen einzupacken."

Schuldig atmete tief ein und erst jetzt wurde ihm die Wärme der Hand an seiner Brust bewusst, er ergriff sie, fuhr streichelnd mit seiner darüber. Und aus einem plötzlichen Impuls heraus zog er Ran an sich, senkte sein Gesicht zum roten Haar und barg es darin, sog tief Rans Geruch ein. Die Augen schließend genoss er die Sicherheit die ihn durchströmte, wenn er den anderen Mann nah bei sich wusste, im Arm oder an seiner Seite.
 

Aya ließ es zu, dass der andere Mann seine Nähe suchte und sich schier in ihr verkroch. Auch er schloss die Arme um die erschöpfte Gestalt, dennoch konnte er nicht verhindern, dass seine Gedanken zurück zu dem Auftrag glitten. Zu der Art, wie Schuldig tötete, wie er den Mann langsam, qualvoll hatte sterben lassen.

Seine Lippen fanden den Schopf des Deutschen und liebkosten ihn mit ihrer Sänfte, als Ausgleich für das, was nun unweigerlich folgen würde.

„Warum hast du ihn so grausam getötet, Schuldig?“, wisperte Aya sanft, verlangte innerlich nach Erklärung…damit er verstehen konnte.
 

Diese Frage gab Schuldig den Rest. Er zog sich komplett in sich selbst zurück, verdrängt, ja vertrieben von dieser Frage, die er nicht beantworten konnte. Es gab keine Antwort darauf.

Er fühlte sich gut damit wenn er es auf diese Weise tat, zog sich etwas in ihm nach oben, etwas Starkes.

Mit einem kühlen Lächeln und einem amüsierten Funkeln in den Augen löste er seinen Kopf von dem roten Haar und fasste Ran fester. Seine Hand kroch langsam über den festen Hintern und er hob Ran kurzerhand auf die Anrichte.

"Es macht mich an", antwortete er mit einem leisen, fast schon schnurrenden Laut in Rans Ohr. Und wie es ihn anmachte, diese Macht auszukosten, seinem Spieltrieb zu folgen, zu wissen, dass es keinen Ausweg mehr gab bis es vollendet war, bis der Körper still vor ihm lag. Erst dann war er der Gewinner, erst dann, hatte niemand mehr Macht über ihn.



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