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Dolch im Fleisch

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von

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Sie war wahnsinnig! Anders konnte man sie nicht beschreiben. Wie sie so dastand und leise vor sich hin lächelte, während diese durch und durch grausamen Worte über ihre Lippen kamen ... Sie sah mir seelenruhig in die Augen. Am liebsten wäre ich auf sie zugesprungen und hätte sie zusammengeschlagen. Aber der Mechanismus, der sich bei mir vor langer Zeit herausgebildet hatte, der Wut in Trauer und Kraftlosigkeit umwandelte, verfehlte auch diesmal nicht seine Wirkung.

In meinem Kopf hörte ich das Riff von einem Lied namens "Tsuki No Kioku", immer und immer wieder, wie in einer Endlosschleife. Es war traurig, passte sich meiner Stimmung perfekt an, ich war verzweifelt.

Geweint habe ich nicht, Tränen waren bei mir eine Fata Morgana. Sie scheinen da zu sein und verschwinden schnell wieder, doch existieren sie nie wirklich. Das Weinen hatte ich anscheinend verlernt, ich hatte es seit vier Jahren nicht mehr getan.

Dennoch war ich gerade in einer sehr hoffnungslosen Stimmung.

Dieses Weib verlangte von mir, meinen besten Freund zu töten. Und zwar schnellst möglich, denn sonst würde er mich töten. Weigern konnten wir uns beide nicht, die Art der Erpressung war zu krass.

Wir sollte uns gegenseitig umbringen, dem anderen möglichst zuvorkommen. Dem Sieger würde sein Herzenswunsch erfüllt. An sich schien die Entscheidung nicht schwer. Aber es war leider eine Tatsache, dass bei uns beiden der Herzenswunsch das Lebensziel war und schon mehrere Leute dafür sterben mussten.

Für Außenstehende klingt das verrückt, aber mein Freund und ich waren von der jeweiligen Sache besessen.

Das heißt, wir hatten die Wahl zwischen Pest und Cholera! Entweder man stellte sich zurück, würde getötet und eine Hand voll Menschen wäre umsonst gestorben oder man brachte den besten Freund um.

Warum verlangte diese Frau das überhaupt von uns? Warum gerade wir?

Nun, die Antwort war einfach. Die Spuren, die wir durch das Land gezogen hatten, ließen sie auf uns aufmerksam werden. Damals kannten er und ich uns noch nicht. Aber unsere Handlungsweisen wiesen Parallelen auf. Ich weiß nicht mehr, wann und wie wir uns kennen gelernt hatten. Es waren tragische Umstände, ich habe es schon verdrängt.

Und jetzt wollte diese Hexe testen, wie weit jeder von uns tatsächlich gehen würde.

Wir hatten beide eine Pistole in der Hand, es war ein Poker-Spiel. Und ich hasste sie! Wir konnten noch nicht mal sie töten, denn sie hatte eine Meute von Monstern unter sich, die auch ohne sie weitermachen würden, als wäre nichts geschehen.

Und diese Frau war das widerwärtigste Monster von allen. Solltest du dich gegen sie stellen, fändest du auf der ganzen Welt keinen Verbündeten mehr.

Da standen wir nun auf dieser Klippe, nahe dem Rand, unten rauschte die Wellen gegen die Felsen. Normalerweise hat Wasser eine beruhigende Wirkung auf mich, hier war das ganz und gar nicht der Fall.

Das Dilemma war zum Schreien! Zwei beste Freunde standen da und hielten die Waffen aufeinander, weil irgendeine Kuh das sagte.

Er sah mich an, sein Blick war entschlossen, seine Hände waren um den Griff gelegt, der Finger war am Abzug.

Ich war mal sehr naiv und dachte, dass in jedem Menschen das Gute irgendwann siegt, dass man mit Gesprächen alles regeln konnte. Einen Funken Hoffnung und Glaube daran hatte ich mir bis heute bewahrt.

Meine Waffe war auch auf ihn gerichtet. Alles um mich herum hatte ich ausgeblendet. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit liefen mir wieder Tränen über's Gesicht. Seinen Gesichtsausdruck in diesem Moment werde ich nie vergessen.

Er schien auch ein wenig abgelenkt. Ich lächelte unter Tränen ... und schoss.

Angeschlagen lief er rückwärts, Schritt für Schritt, eins, zwei, drei, vier, und dann war der Boden verschwunden. Während er rückwärts die Klippe runterstürzte, sah ich sein Gesicht. Er sah mir in die Augen und lächelte zum Abschied. In dem Moment biss ich in den Lauf und drückte ab - aber das Magazin war leer. Ich fiel auf die Knie.

Die Frau kam auf mich zu und sah sanft auf mich herab, wie sie es immer tat, wenn sie die nächste Grausamkeit aussprach. Sie wollte mir nun meinen Wunsch erfüllen. Bei ihren Fähigkeiten und Verbindungen wäre die Sache spätestens morgen erledigt gewesen. Aber ich lehnte ab. Sie schien verdutzt.

Ich legte den ganzen Hass, zu dem ich im Stande war, in einen einzigen Blick und sah sie an. Sie wich ein paar Schritte zurück. Sah für einen Moment verunsichert aus, dann kam sie wieder näher, lächelte in gewohnter Form und fragte, was ich stattdessen wollte.

Ich wette, sie hat bis heute nicht verstanden, warum ich mir die Lebensaufgabe von ihm zum Ziel gesetzt hatte - und allein erreichen wollte.

Doch sie war damit einverstanden - und setzte eine weitere Bedingung.

Ich akzeptierte, sie verschwand, ich stand am Rand der Klippe und sah nach unten. Das Wasser schäumte, ich sah nichts. Bis ich realisierte, dass einer der schwarzbraunen Felsen rot war. Ich hyperventilierte und brach zusammen. Ich weiß nicht, wie lange ich da lag. Vor Erschöpfung bin ich eingeschlafen ...

Nach vier Monaten hatte ich es geschafft. Ich kontaktierte sie ... und wurde eines ihrer Monster. Sie schien zufrieden. Und ich musste weiterleben.

Meinen Funken Hoffnung hatte ich für immer verloren. Dafür war ich nun zur Hülle eines Schmerzes geworden, den ich nie auslöschen konnte.

Wie einen ewigen Dolch im Fleisch ...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Rei-Hitoshima
2006-06-26T09:25:02+00:00 26.06.2006 11:25
Ein wahnsinnig intensive Story zu der ich Tsuki no kioku -fallen- gehört habe. Ohne zweifel hats foll gepasst. Also ich muss echt sagen das da richtig Atmosphere um mich aufstieg als ich das gelehsen habe.
Besonders weil wieder viel von dir drin steckt. Es ist eine arte ausleben einer Schuld, einer Wut und von Trauer. Das kommt so emens rüber das der leser sich auf jeden fall mitreißen lässt.
Mein Resumé: Wow was für ne Story!


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