Farewell Goodbye
“Tai…”, sie sprach den Namen immer wieder aus, fast wie ein Gebet. Immer und immer wieder. Den Namen von dem, den sie liebte.
Gedankenverloren starrte sie hinaus. Nun waren schon drei Monate vergangen… Vor drei Monaten hatte sie sich entschlossen zu gehen und alles hinter sich zu lassen. Doch ihn konnte sie immer noch nicht vergessen. Warum? War das wirklich Liebe? Sie lächelte. Ja, genauso wird es doch immer erzählt. Das kleine, naive Mädchen, dass sich in den falschen Kerl verknallt hat. Unglaublich, dachte Sora. Ich bin also nichts weiter als ein Klischee? “Miss Takenouchi?!” Sora schreckte auf. “Würden sie uns bitte mit ihrer Anwesenheit beehren? Ja? Sehr gut!” Sora hatte vollkommen vergessen, wo sie war. Sie hatte an dieser Schule ein Stipendium bekommen, aufgrund ihrer Fähigkeiten. (Beruhig dich!) Ein paar weitere Schüler um sie herum kicherten.
Sie versuchte sich auf das Geschehen vorne zu konzentrieren, doch es gelang ihr einfach nicht. In der Mittagspause schlenderte sie über die Flure. Dies war eine angesehene Schule, und doch war alles wie immer: Um sie herum eine große, schwatzende Masse und mitten drin sie. Ganz allein und leer.
Warum war sie fortgegangen? Nun, sie wollte es sich nicht eingestehen, doch sie war davongelaufen. Warum? Immer wieder stieg in ihr die Frage und die damit verbundene Bitterkeit in ihr auf. Sie hatte etwas gesehen…
Sie verscheucht den Gedanken wie eine Mücke aus ihrem Kopf. Ich sollte lieber von vorn beginnen. Wann fing es eigentlich an? So sicher war sie sich da nicht, wahrscheinlich war dieses Gefühl schon immer da. “Tai…”, murmelte sie einmal mehr.
Sie konnte nicht beschreiben, was es war, und doch war es da. Tai, der immer wieder in ihr Leben getreten war. Tai, der sich nie zurückhalten konnte. Tai, der in ihre Hut gekotzt hatte… Sie musste lachen. Das erste Mal seit langem. Ja, sie liebte ihn, und dafür musste sie bezahlen.
Sie erinnerte sich noch genau an diesen Abend. Sie hatte sich mit Yolei zum shoppen verabredet. Yolei hielt nicht viel von Pünktlichkeit und so war Sora sich selbst überlassen. Es war ein warmer Sommerabend. Die Luft war schwül, und selbst in der Stadt hörte man die Zikaden. Leicht benommen von der Hitze sah sie sich um. Und ( war es Schicksal?! Zufall?! Sie wusste es nicht.) dann sah sie ihn da stehen. Mit dem Rücken zu einer Hauswand stand er da und verschnaufte. Einmal mehr konnte sie nicht ihren Blick abwenden. Sie wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen, doch sie entschied sich dafür, cool zu ihm herüberzuschlendern. Da tauchte unvermittelt Mimi neben ihm auf. Sie strahlte ihn an, hielt zwei Eis in der Hand. Sora stutzte. Es war nichts dabei, schließlich war Tai auch mit ihr befreundet. Aber eigentlich hatte er nichts mit ihr am Hut.
Waren sie allein? Oder war noch Matt dabei? Sie sah sich um, doch er war nirgends zusehen. Mimi und Tai?! ALLEIN?! Sie spürte einen Stich in ihrem Herzen, doch sie versuchte es zu ignorieren. Doch dazu hatte sie keine Zeit, denn was jetzt geschah nahm ihr schließlich den letzten Funken Beherrschung.
Es geschah unvermittelt. Einfach so. Vor allen Leuten. Mimi küsste Tai direkt vor Sora´ s Augen. Auf den Mund , und dass ziemlich lange.
Sora spürte einen Dumpfen Schmerz, als wäre sie k.o. gegangen. Ein leiser Schrei entfuhr ihr und verhallte ungehört in der Menschenmenge. Sie wandte sich ab und rannte so schnell sie konnte ohne Ziel in irgendeine Richtung. Einfach fort. Sie floh.
Zu Hause angekommen, lies sie sich leise an der Tür hinabgleiten und war froh, dass sie niemand sah, als die Tränen endlich einsetzten…
Mit leerem Blick ließ sie sich nun neben einem Fenster nieder. “Idiot!”, sagte sie leise und schluckte. Sie hatte sich halt was eingebildet. Sie hatte wirklich gedacht, er fühle genauso wie sie. Doch dass war alles eine Lüge gewesen…
Danach ging alles sehr schnell. Sie hatte schon vor langer Zeit ein Angebot für ein Stipendium an dieser bekannten Kunsthochschule bekommen, doch nicht wirklich dafür entschlossen, es anzunehmen. Doch nach diesem Ereignis wollte sie nur noch weg, sie wollte fliehen. Sie erhielt schnell das Einverständnis ihrer Eltern und ihre Koffer waren längst gepackt. Ohne ihren Freunde Bescheid zu sagen, wollte sie verschwinden. Sie wollte sich nicht verabschieden und IHN wollte sie nicht noch mal sehen. Sie hätte es nicht gekonnt.
Der Tag der Abreise kam, alles war gut durchdacht. Lediglich Kari hatte sie
von ihren Plänen mitgeteilt. Doch das war nun auch egal.
Sie stand am Bahnsteig, ihre Eltern hinter sich. Nun war der Zeitpunkt des Abschieds gekommen. Eine letzte Umarmung, noch ein Kuss, dann musste sie los. Zum letzten Mal drehte sie sich um. Ein letztes Mal, so hoffte sie. “Der Zug auf Gleis 2 fährt jeden Moment ab. Bitte begeben sie sich in den Zug”, dröhnte es aus den Lautsprechern.
Sora machte sich bereit. Entschlossen ging sie auf den Zug zu. “SORA!!!”
Eine nur zu bekannte Stimme erschallte. Nein, dachte sie. Ruf nicht meinen Namen!
“SORA!!!”, hörte sie noch einmal. Völlig außer Atem blieb Tai neben ihr stehen. “Wo willst du hin?”, keuchte er. Sie versuchte ihm nicht in die Augen zu schauen, vergeblich. Bitte versuch nicht mich aufzuhalten, ich könnte bleiben wollen…
“Ich gehe.”, sagte sie nur. “Du kannst jetzt nicht gehen!” rief Tai. “Ich habe ein Stipendium angeboten bekommen, an einer sehr guten Schule…”, sagte sie schwach. “Komm, lass den Scheiß! Komm mit nach Hause!” Er hielt sie an den Schultern fest. Bitte… lass mich, dachte sie. Sie entwandt sich sanft, aber bestimmt seinem Griff. “Ich gehe.”, sagte sie noch einmal. Er schaute sie an: “Dann ist es also war. Aber…” er blickte zu Boden. “Ich muss gehen Tai, lass mich los.” Lange konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. “Wann kommst du wieder?”, fragte er nun leiser. “Ich… Ich komme vielleicht nie wieder.” Er starrte sie an. “Ich könnte dort studieren.” Er wollte etwas einwenden, doch sie schüttelte den Kopf. “Bitte.” Er sah ihr nun direkt in die Augen . Waren das etwa Tränen, was sich dort in seinen Augen spiegelte? “Warum?”, fragte er gefasst. Tausende von Worten stiegen in Sora auf und verschwanden sogleich. “Gleis zwei: Zug kurz vor der Abfahrt. Bitte einsteigen!” Sie merkte, dass sie weinte. Doch jetzt war es zu spät. Sie beugte sich vor, und tat es. Sie küsste den überraschten Tai unter Tränen. Für einen kurzen Moment war alles vergessen, doch er währte nicht lange. Ihre Lippen lösten sich. “Weil ich dich liebe.”, sagte sie und stieg in den nun langsam anfahrenden Zug. Sie ließ sich am Fenster nieder und ließ den Tränen freien Lauf. Der Zug wurde schneller und sie ließ mit ihm den immer kleiner werdenden Tai mit hinter sich…
Sora nahm ihr Spiegelbild im Fenster war. Schau dich an, du heulst ja schon wieder, sprach sie zu sich selbst. Sie ging weiter. Vielleicht würde es ihr an der frischen Luft besser gehen.. Sie brauchte einfach nur Ablenkung. Draußen ließ sie sich in der Nähe des Haupttors nieder. Eine Menschenmenge hatte sich gebildet und es war ein ziemlich großer Tumult. Sora interessierte sich nicht sonderlich dafür. Irgendjemand brüllte etwas. Anscheinend hatte sich jemand ohne Erlaubnis Zutritt verschafft und wurde jetzt von Lehrern aufgehalten. So ein Idiot, dachte sie und ging auf die Menschenmenge zu. Sie musste sich durchkämpfen, um einigermaßen etwas sehen zu können, doch der Anblick, der sich ihr bot, war überraschend. Dort, inmitten der Menschen menge war Tai, der heftig mit einem Lehrer aneinander geraten war. Er spähte in die Menge, als sich plötzlich ihre Blicke trafen. “ICH LIEBE DICH, SORA!!!”, schrie er ihr entgegen. Völlig verblüfft fing sie an zu lachen. Das konnte doch nicht wahr sein, dachte sie. So ein Idiot! Sie fühlte sich irgendwie erlöst von all dem, was sie bedrückte. Er war hier, das zählte. Er ist zwar ein Idiot, aber er ist mein Idiot, dachte sie und rannte auf ihn zu…
~The end ~
