Zum Inhalt der Seite

Dämonenherz

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Romeo und Julia

Norden von Shikoku, 1121

„Es wird Krieg geben.“ Die junge Frau legte ihre Wange an die Brust ihres Geliebten. „Heißt das, du wirst unsere Region verlassen und kämpfen müssen?“ Er strich ihr über das lange dunkle Haar. „Ich will nicht kämpfen, aber ich glaube kaum, dass Vater mir eine Wahl lassen wird.“ Er setzte sich auf die Liege und zog sie mit sich. „Im Übrigen sieht er es nicht gern, dass eine Menschenfrau schwanger von mir ist.“ Behutsam strich er über ihren Bauch, der die Wölbung einer Schwangeren im achten Monat aufwies. Sie lächelte. „Mach dir keine Sorgen. Solange wir leben, wird uns niemand trennen können.“ Er hauchte ihr einen Kuss auf den schlanken Hals. „Nicht einmal der Tod wird dazu in der Lage sein, Liebste. Ich bin mir sicher, es wird uns rasch gelingen, die Konflikte zu beenden und dann werden wir gemeinsam unser Kind aufziehen...“
 

Zwei Jahre später, Kyushu

„Immer noch keine Entspannung an der Nordfront, Vater.“ Er breitete den Plan aus und zeichnete die Konfliktzonen ein. „Die Schlangendämonen haben uns hintergangen.“, antwortete der Ältere, „Sie beanspruchen Hokkaido für sich und haben sich den Fledermäusen im Osten angeschlossen. Außerdem ist gut die Hälfte unserer menschlichen Verbündeten zu ihnen übergelaufen, sie plündern die Dörfer in Shikoku, um uns vom Nachschub abzuschneiden...“ „Shikoku!“, keuchte der junge Dämon, „Sayuri...“ Auf Inu Taishous Gesicht zeigte sich keine Regung. „Ihr Dorf wird seit drei Wochen belagert.“ Die Krallen seines Sohnes hinterließen auf dem Tisch tiefe Spuren. „Warum hast du mir nichts davon gesagt? Sie brauchen Hilfe!“ „Wir können uns keine Rücksichtnahme erlauben, wir brauchen alle verfügbaren Männer hier.“ „Dann gehe ich allein! Mit ein paar Menschen werde ich fertig...“ „Du bist unser bester Heerführer! Wir können die Nordfront nicht allein halten!“ „Bitte, gib mir eine Woche und ich bin wieder da!“ Der alte Hundedämon seufzte. „Versuch dein Glück, aber mach dir keine Hoffnungen mehr.“
 

„Dokkasou!“ Der Energiewirbel fegte eine Gruppe von zwanzig Männern aus dem Weg. „Sayuri!“ Der beißende Rauch und der Geruch von Blut, Angst und Tod überdeckte alles, er konnte sie nicht ausmachen. Die Schreie von sterbenden Menschen gellten in seinen empfindlichen Ohren. „Sayuri! Hörst du mich?!“ Keine Antwort. Er packte einen fliehenden Mann am Arm. „Wo ist die Tochter des Dorfvorstehers?“, fauchte er. Der Mann starrte ihn an. „Woher soll ich das wissen?“ Er riss sich los und brachte sich in Sicherheit.
 

„Sayuri!“, wisperte er und sank neben ihr auf die Knie. Langsam öffnete sie die Augen. „Liebster...“, wisperte sie. Er drückte sie an sich. „Verzeih mir...“ Sie strich ihm mit zitternden Fingern über die Wange. „Kümmer dich um unser Kind.“, wisperte sie. Ihr Blick flackerte zu dem bewusstlosen kleinen Mädchen, was sie an die Brust gedrückt hielt, dann wieder zu seinem Gesicht zurück, dann schloss sie die Augen. Es sollte das letzte Mal sein, dass er um jemanden weinte.
 

Er atmete tief durch und löschte die Überreste des Scheiterhaufens mit etwas Wasser. „Bringt sie in ein Dorf in der Nähe.“, sagte er zu einem Wolfdämonen, der zustimmend knurrte, sich das schlafende kleine Mädchen auf den Rücken schob und sich auf den Weg machte. Er selbst würde noch etwas zu erledigen haben.
 

Der Wachsoldat schob sich seinen Helm ins Genick und gähnte. Drei Wochen war es nun her, seit sie dieses jämmerliche Dorf mitsamt seinen Bewohnern dem Erdboden gleich gemacht hatten, doch die Nahrungsmittel, die sie erbeutet hatten, waren bereits aufgebraucht, und der Wein war ebenfalls fast alle. „Souryuuha!“ Es war das letzte, was der Straßenräuber in seinem Leben hörte. Kurz darauf erinnerten nur noch ein paar verstreute Knochen an die Existenz des Lagers.
 

Einige Jahre später

„Du, Jaken?“ Der Krötendämon wurde zum dritten Mal von der quengelnden Stimme des kleinen Mädchens aus dem Schlaf geschreckt und war dementsprechend unleidlich. „Ja?“, knurrte er. Sie hockte sich vor ihn hin. „Du reist doch schon lange mit Sesshomaru-sama, stimmt’s?“ Er nickte unwillig. „Warum hasst Sesshomaru-sama die Menschen so?“ „Weil Menschen verabscheuungswürdige minderwertige Kreaturen sind, und jetzt halt den Mund, es ist drei Uhr früh!“, fauchte er. Rin kicherte. „Na und?“ „Ich will schlafen! Verschwinde!“ Rin seufzte leise. „Mir ist aber kalt.“ Jaken war drauf und dran, ihr seinen Kopfstab an ebenjenen Kopf zu werfen, doch bevor er dies tun konnte, drückte Sesshomaru dem kleinen Mädchen wortlos seinen Pelz in die Hand und verschwand zurück ans Feuer. Dankbar rückte Rin ein Stück näher zu ihrem ‚Herrn’ und kuschelte sich an ihn. Entgegen aller von Jakens Erfahrungen stieß Sesshomaru sie nicht weg. „Wollt Ihr nicht schlafen?“, murmelte Rin und kuschelte sich dichter an den Dämon, der ihr unwillkürlich übers Haar strich. Genau genommen hatte sie ihn nie irgendwie schlafen sehen. „Ich schlafe nicht.“, sagte er knapp und schob sie nun doch ein Stück von sich weg.

Er kann den Brunnen benutzen!

„Wohin gehen wir? Ich kann nicht meeeehr...“ Inu Yasha ignorierte diesen Einwurf des kleinen Fuchsdämonen. „Ein Splitter, Kagome?“ Kagome beugte sich etwas näher zu ihm. „Einer.“, murmelte sie, „Wir...“ „Ich weiß, wir werden beobachtet von dem Knirps. Ich meine, sonst noch was?“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber dafür rieche ich eine Menge.“, sagte Inu Yasha, „Das gefällt mir nicht...“ „Hilfe!“ Ein ihnen nur zu gut bekanntes kleines Mädchen stolperte vor ihnen auf den Weg. Als sie Inu Yasha erkannte, lief sie zu ihm und fiel auf die Knie. „Ihr müsst mir helfen!“
 

„Wieso sollte ich dem kleinen Rotzblag helfen?!“, fauchte Inu Yasha, „Soll Sesshomaru sie doch beschützen, der alte Mistkerl!“ „Sitz!“, flötete Kagome, brachte ihn so zum Schweigen und hockte sich vor Rin. „Was ist denn, Kleines?“ Das Mädchen schniefte leise. „Wir sind von einem Sturm überrascht worden, und dann sind wir in eine Höhle gegangen, weil Sesshomaru-sama gesagt hat, draußen ist es zu gefährlich und da drin war es ganz dunkel und Jaken hat Feuer gemacht mit dem Kopfstab...“ Jaken knurrte leise, schien jedoch recht angetan von dem, was er Sango und Miroku vom Teller stibitzen konnte. „Und als er dann Feuer gemacht hat, waren da überall komische Viecher, die aussahen wie eine Mischung aus Mensch und Eidechse, und Sesshomaru-sama hat gesagt, dass wir abhauen sollen, und Jaken wollte nicht, aber ich hab ihn mitgezogen, und dann wollte Sesshomaru-sama nachkommen, das ist er aber nicht, und wir wussten nicht, was wir machen sollten, und Sesshomaru-sama ist ganz bestimmt in Gefahr, wir haben euch gesucht, weil Inu Yasha doch Sesshomaru-samas Bruder ist, und ich dachte, er hilft ihm bestimmt...“ „Das kannst du dir in die Haare schmieren.“, knurrte Sesshomarus Halbbruder, doch ein weiteres „Sitz!“ brachte ihn erneut zum Schweigen. „Natürlich helfen wir dir.“, sagte Kagome und schoss einen eisigen Blick zu Inu Yasha, „Aber erst mal gibt’s was zu Essen...“
 

„Na, wieder wach?“ Vorsichtig bewegte Sesshomaru seine über dem Kopf gefesselten Hände, doch ein stechender Schmerz in seiner verletzten Seite machte seinen Versuch zunichte. Kagura betrachtete ihren Gefangenen von Kopf bis Fuß. „Versuch es nicht, das Kraftfeld lähmt deine dämonischen Kräfte, und die Bleiketten tun ihr übriges...“ „Wenn mich dein sogenannter Meister absorbieren will, warum tut er’s dann nicht einfach?“, knurrte Sesshomaru. „Ja, das würde er ja schon...“, sagte Kagura und setzte sich vor ihm hin, „Aber leider bist du auch mit gelähmten Fähigkeiten ein harter Brocken. Also schwächen wir dich erst etwas... weißt du vielleicht, wie lange ein Dämon ohne Nahrung auskommen kann?“ „Ich hege keinerlei Bedürfnis, es auszuprobieren.“, knurrte der Gefangene.
 

„Sesshomaru-sama braucht keine Hilfe!“, fauchte Jaken, „Er kann sich sehr gut selbst verteidigen!“ „Halt die Klappe.“, seufzte Kagome, die keine Lust verspürte, sich dieselbe Leier den ganzen Tag anzuhören. „Inu Yasha, was riechst du?“ Keine Reaktion. „Inu Yasha!“, fauchte sie, „Willst du mich jetzt für immer mit eisigen Schweigen strafen oder würdest du gerne den Großteil unseres Weges aufrecht zurücklegen?“ Inu Yasha knurrte, gab ihr aber die Richtung an und fügte auch hinzu, dass er Sesshomarus Geruch zusammen mit Narakus wahrnahm.
 

„Du hast in den Dämonenkriegen gekämpft, nicht wahr?“ Kaguras Stimme riss ihn aus seinen mordlüsternen Gedanken, doch er nickte. Kagura kam näher. „Was macht deine Verletzung?“ „Es geht mir gut!“, fauchte Sesshomaru, doch im selben Moment verzog er das Gesicht. „Aha, es geht dir also gut.“ Kagura kam ein paar Schritte näher. Ohne auf seinen Protest zu achten zerriss sie den Rest seines Oberteils und bastelte daraus eine Art Verband. „Besser?“ „Es geht.“, sagte Sesshomaru so eisig er konnte, doch sein Widerstand ließ arg zu wünschen übrig, wie er festgestellt hatte. Naraku hatte es darauf angelegt, ihn körperlich und geistig zu brechen, was ihm bisher allerdings nur körperlich gelungen war – und auch da hatte es ihn nur ein paar Rippen gekostet. Das würde schnell wieder heilen. Was ihm mehr zu schaffen machte, war die Sorge um Rin. Er war nicht dumm, und als Rin ihm erzählt hatte, dass sie ihren Vater nicht kennen gelernt hatte und dass ihre Mutter gestorben war, als sie noch ein Kleinkind gewesen war, dass sie laut den Dorfleuten eines Tages von einem „streunenden Wolf“ ins Dorf gebracht worden war und dass die Dorfleute sie aufgrund ihrer höchst zweifelhaften Herkunft und einigen anderen Dingen, von denen sie ihm nichts hatte erzählen wollen (allerdings war Sesshomaru aufgefallen, dass sie sich bemühte, ihre Ohren stets von ihren Haaren bedeckt zu halten), nicht leiden konnten, war ihm durchaus klar gewesen, wer die Kleine wirklich war. Außerdem sah sie Sayuri erstaunlich ähnlich. Kagura seufzte und betrachtete ihn von Kopf bis Fuß. „Du hältst dich tapfer... wer ist die Kleine?“ „Das werd’ ich dir grade sagen.“, knurrte der Hundedämon. „Nun, zweifellos bedeutet sie dir eine Menge, und sie hat Hundeohren, also liegt der Verdacht nahe, dass sie deine Tochter ist. Wenn dem aber so ist, wieso hast du einen Halbdämon als Kind, wo du die Menschen doch so hasst? Wenn sie nicht deine Tochter ist, warum läuft sie dann mit dir herum, Halbdämonen hasst du doch auch...“ Er knurrte unwillig. „Das geht dich nichts an.“ „Oh doch, denn Naraku hat mir befohlen, sie zu finden und zu töten.“ „Lass deine Finger von ihr!“, fauchte Sesshomaru, und im selben Moment wusste er, dass er sich verraten hatte. Sie lächelte wissend. „Keine Sorge, dein kleines Geheimnis ist bei mir in guten Händen, aber Naraku ist nicht dumm. Wie du dich entsinnen wirst, habe ich dich einst darum gebeten, Naraku zu beseitigen. Wenn dir was am Leben deiner Tochter“ – sie betonte das Wort – „gelegen ist, dann tu das. Andernfalls lässt er sie so oder so töten, da kann ich nichts gegen machen, denn ich muss mich seinem Willen beugen. Ich bin in der Lage, dich zu befreien, denn Naraku wird morgen seine Burg verlassen, zu irgendeinem neuen wahnsinnigen Plan, da bekommt er nichts mit, und du bist in der Lage, Naraku zu töten, und damit können wir uns verbünden. Also, was sagst du dazu?“
 

Es regnete die ganze Nacht hindurch, und glücklicherweise fanden sie in ein paar verlassenen kleinen Holzhütten Unterschlupf. Gegen Morgen beruhigte es sich etwas, und Kagome wachte auf, weil auf dem Dach eine Amsel sang. Inu Yasha schlief inzwischen – er hatte vor der Hütte Wache gesessen – und sie kuschelte sich kurzerhand an ihn. Er legte im Schlaf einen Arm um sie, und sie musste lächeln. Inu Yasha murmelte etwas im Schlaf, was nach „Lauf weg, Kagome!“ klang. Sie streckte die Hand aus und begann, seine Ohren zu streicheln. Hunde mochten das, und er war immerhin ein halber Hundedämon. Inu Yasha schnurrte leise und beruhigte sich nach einer Weile wieder. Wann wohl der nächste Neumond war? Kagome hatte festgestellt, dass Inu Yasha sehr viel erträglicher war, wenn er ebenfalls seine menschliche Gestalt hatte. Er hatte sein Oberteil ausgezogen und Kagome ertappte sich dabei, wie sie den muskulösen Oberkörper des schlafenden Hanyou bewunderte. Er trug einige Narben, die er sich in Kämpfen eingefangen hatte – von den meisten wusste Kagome auch, wie sie entstanden waren. Inu Yasha blinzelte und öffnete die Augen. „Hm...?“ Kagome lächelte leicht und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Guten Morgen.“
 

Inu Yasha schnupperte in der Luft. „Was ist?“ Besorgt trat Kagome neben ihn. Glücklicherweise schien Inu Yasha nur froh darüber zu sein, endlich wieder Narakus Spur aufgenommen zu haben und betrachtete die Tatsache, Sesshomaru retten zu müssen lediglich als „lästige Pflicht“. Immerhin besser als gar nichts., dachte sich Kagome. Vielleicht würden die beiden Brüder sich dadurch etwas näher kommen, und demnächst konnte man gemeinsam gegen Naraku kämpfen? „Wir sind in der Nähe des Knochenfresserbrunnens...“, sagte Inu Yasha, „Aber das ist nicht gut, es stinkt nach Naraku!“
 

„Der Brunnen riecht Naraku.“, befand Inu Yasha. „Oh Gott!“, kiekste Kagome, „Ich muss nach Hause! Wenn er durch den Brunnen gegangen ist, dann...“ Sie drehte sich zu Sango und Miroku um, doch im selben Moment fiel ihr die hochgewachsene, weiß gekleidete Gestalt auf, die sich in aller Ruhe mit Rin unterhielt. Inu Yasha knurrte. „Ich dachte, du prügelst dich gerade mit Naraku und brauchst Hilfe.“ „Das hat sich offensichtlich erledigt.“, sagte Sesshomaru unterkühlt. Er hatte Rin auf dem Arm und Kagome bemerkte, wie er ihr einen fast zärtlichen Blick zuwarf. Als Sesshomaru bemerkte, dass Kagome ihn beobachtete, setzte er Rin rasch wieder ab und wandte sich dem Brunnen zu. „Versucht nicht, mir zu folgen, ihr würdet dabei allesamt sterben.“, sagte er, strich Rin über den Kopf und sprang in den Brunnen, folgte Naraku. Sofort versuchte Kagome, ihm zu folgen, doch Inu Yasha hielt sie zurück: „Lass mich zuerst!“ Er sprang ebenfalls in den Brunnen, kletterte jedoch nach kurzer Zeit wieder heraus: „Dieser elende Sturkopf hat den Brunnen versiegelt!“
 

Kagome fand keinen Schlaf. Ständig musste sie daran denken, was Naraku ihrer Familie antun konnte – oder bereits angetan hatte! Außerdem machte sie sich, aus welchem Grund auch immer, Sorgen um Sesshomaru. Inu Yasha setzte sich neben sie und legte die Arme um sie. „Mach dir keine Sorgen.“, sagte er, „Ich... bin mir sicher, deiner Familie geht’s gut...“ Kagome legte ihren Kopf an seine Schulter. „Ich... ja, sicher...“ Plötzlich kam ihr ein Gedanke. „Hattet ihr mal ein besseres Verhältnis, du und Sesshomaru?“ Inu Yasha druckste eine Weile herum. „Früher, ja.“, murmelte er, „Ich hab’ ihn bewundert... ich meine, ich war immer nur der kleine dumme Hanyou, der ja zu nichts zu gebrauchen war, und er war ein großer Krieger. Er hat in den Dämonenkriegen gekämpft, obwohl er eigentlich nicht wollte. Früher hatte er nichts gegen Menschen, im Gegenteil, er... hatte ein Verhältnis mit einer Menschenfrau, aber sie wurde von einer Räuberbande getötet – von Menschen eben, und deswegen hasst er die Menschen so.“ „Irgendwie verständlich.“, murmelte Kagome, „Und, ähm...“ „Keine weiteren Fragen.“, knurrte Inu Yasha.
 

„Nur ein anderer vollwertiger Dämon könnte Sesshomarus Siegel brechen, und vielleicht auch dafür sorgen, dass wir allesamt in deine Welt reisen können.“, sagte Sango, „Wir bräuchten also einen Dämon, der bereit wäre uns – oder zumindest dir – zu helfen, der Naraku hasst und der uns vielleicht sogar im Kampf unterstützt...“ Ein Lächeln breitete sich auf Kagomes Gesicht aus. „Ich glaube, ich habe eine Idee.“, sagte sie.
 

„Wenn er dich belästigt, dreh’ ich ihm den Hals um!“, knurrte Inu Yasha. Sango half Kagome auf Kiraras Rücken und reichte ihr ihren Bogen. „Sei vorsichtig.“, sagte sie, ohne sich von Inu Yashas verhaltenem Protest stören zu lassen, „Es gibt uns feindlich gesinnte Dämonen und Straßenräuber, und wir wissen nicht, wo er sich gerade aufhält. Kiraras Geruchssinn dürfte dir eine Hilfe sein. Viel Glück.“ Kagome kraulte Inu Yasha über die Ohren. „Mach dir keine Sorgen, ich schaff’ das schon.“, sagte sie.

Der Kuss eines (Halb-)dämons

Tokyo glich einer gigantischen Schuttwüste. Die meisten, die Narakus ersten Angriff überlebt hatten, waren von seinen etlichen neuen Abkömmlingen vernichtet worden oder geflohen. Überall schwirrten Saimyosho und Dämonen herum, und die düstere Aura, die über der ganzen Stadt lag, war so stark, dass es Sesshomaru nicht möglich war, ihren Ursprung zu orten. Im Übrigen roch es überall nach Blut und Staub, sodass Narakus Geruch nahezu vollständig überdeckt wurde. Sesshomaru hatte sich auf einen langen Kampf eingestellt. Er war in einer Ruine, die wohl mal eine Schule gewesen war, in Deckung gegangen und überlegte sich, wie er Naraku aus seinem Versteck locken sollte. Das Problem würde sich wohl langfristig von selbst lösen – Naraku würde sich das Vergnügen wohl nicht nehmen lassen, den mächtigen Herrn der Westernen Länder selbst zu töten.
 

Es war dunkel, und es war Vollmond. Kagome kuschelte sich dichter in ihren Umhang. Kirara maunzte leise und legte ihren Schwanz um sie, um sie warm zu halten. Irgendwo in der Nähe jaulte ein Wolf. Ein Wolf... Ein plötzlicher Schauder durchfuhr sie, als sie daran dachte, wie Rin zu Sesshomaru gekommen war. Sie hatte nur ihren Bogen, um sich zur Wehr zu setzen... Rasch stand sie auf und sammelte mehr Feuerholz, doch bevor sie zum Feuer zurückkehren konnte, richtete sich zwischen ihr und Kirara ein dunkler Schatten auf. Ein riesiger Wolf knurrte sie mit gefletschten Zähnen an. Erschrocken wich Kagome zurück. Der Wolf setzte zum Sprung an, doch bevor er sich auf sie stürzen konnte, wurde er am Nackenfell gepackt. „Hohes Feuer in der Wildnis ist ganz schön unvorsichtig, bringt der Köter dir das nicht bei?“ Koga half ihr auf. „Was machst du hier ganz allein?“ Kagome klapperten die Zähne. „Ich bin auf der Suche nach dir...“
 

„Für dich tu’ ich doch alles, Kagome!“ Inu Yasha knurrte. „Dann brich das Siegel!“ Koga warf ihm einen eisigen Blick zu und fuhr damit fort, Kagomes Hand zu streicheln. „Koga, bitte.“ Kagome schenkte ihm ihr süßestes Lächeln. Sofort machte sich Koga auf den Weg zum Brunnen.
 

„Ich will mitkommen!“ „Nichts da! Du bist viel zu klein!“ „Aber Shippo darf auch.“, murmelte Rin, „Und ich will zu Sesshomaru-sama!“ Kagome seufzte. „Kannst du mit einer Waffe umgehen?“ Rin schüttelte den Kopf. „Aber wehren kann ich mich trotzdem!“ „Meinetwegen, aber du bleibst immer in Inu Yashas Nähe, damit er auf dich aufpassen kann!“ Sango trat etwas näher zu Inu Yasha. „Sesshomaru hat Tenseiga zurückgelassen, weil er es im Kampf nicht brauchen kann.“, sagte sie leise, „Du kannst es doch führen, denke ich...? Würdest du mir einen Gefallen tun?“
 

„Ich glaub’ nicht, dass das geklappt hat...“, sagte eine Stimme, die er nicht kannte. „Doch, er atmet.“ Jemand umarmte ihn stürmisch. „Kohaku?“ Blinzelnd öffnete der Junge die Augen. „Schwester...?“
 

Ein Geräusch hinter ihm ließ Sesshomaru herumwirbeln. Ein kleiner Junge von etwa sechs Jahren starrte ihn aus großen Augen an. „Inu... Yasha...?“ Er hockte sich vor ihn. „Mein Name ist Sesshomaru. Inu Yasha ist mein Bruder. Woher kennst du ihn?“ „Er... ist doch immer zu uns gekommen...“, murmelte der Junge, „Um Kagome zu holen...“ „Deine Schwester?“ Der Kleine schniefte und nickte. Sesshomaru seufzte. Die Anwesenheit des Kleinen würde alles umso komplizierter machen. Obwohl er nur ein Mensch war. „Sesshomaru, du vergisst deine Deckung...“, sagte eine ihm wohlbekannte Stimme von hinter der Mauer. Eine Explosion zerriss die Luft und Sesshomaru war gerade noch in der Lage, sich über den schreienden Jungen zu werfen, bevor es seine ungeschützte Seite zerfetzte.
 

„Koga!“ „Geschafft...“, murmelte der Wolfsdämon, bevor er bewusstlos in Kagomes Armen zusammensank. Sie ließ ihn behutsam zu Boden gleiten und machte sich auf den Weg, um ihren Bogen zu holen.
 

Souta blinzelte. Überall hing Staub in der Luft, und sogar für eine menschliche Nase war der in der Luft hängende schwere kupferne Geruch frischen Blutes erkennbar. Etwas feuchtes verklebte seine linke Hand, und er stellte fest, dass der junge Mann, der offensichtlich ebenso wie Inu Yasha ein Dämon war, ihn zu Boden gedrückt hatte, um ihn vor herabfallenden Gebäudetrümmern zu schützen. „Hey...?“ Er reagierte nicht. Mit Mühe krabbelte Souta unter ihm hervor. Das Ding, was sie angegriffen hatte, ging offenbar davon aus, dass sie beide nicht mehr am Leben waren. Mit noch sehr viel mehr Mühe ignorierte er jeden Gedanken daran, was das Ding wohl mit seiner Mutter und mit Opa anstellen würde, wenn es sie fand, falls sie denn noch am Leben waren, und drehte seinen Retter vorsichtig auf den Rücken. Er war bewusstlos, oder, was in Anbetracht seiner Verletzungen, die er davongetragen hatte, sehr viel wahrscheinlicher war, tot. Nein, er atmete noch. „Hey! Hey, wachen Sie auf!“, murmelte der Junge. Sein Retter tat ihm den Gefallen nicht, doch um ihn mit in ihr Versteck zu nehmen, war er zu schwer, da er ihn würde tragen müssen. Also musste er vorher aufwachen. „Oyakata-sama, wachen Sie auf...“ „Souta!“ „Nee-chan...?“ Kagome umarmte ihn. „Meine Güte, du lebst!“, wisperte sie, „Geht es Mutter gut?“
 

Inu Yasha ließ sich neben seinem reglosen Bruder nieder und schloss die Augen. Unwillkürlich strichen seine Finger über die Hand des Älteren. „Wehe, du stirbst.“, sagte er leise. Kagome setzte sich neben ihn und wechselte den Verband an Sesshomarus Verletzungen. „Er schafft das schon. Er ist ein Youkai.“, sagte sie. Inu Yasha lächelte schwach. „Na klar.“ Kagome stellte fest, dass er sich offenbar tatsächlich Sorgen um seinen Bruder machte. Sie seufzte und legte kurzerhand ihren Kopf an seine Schulter.
 

„Das... mit deiner Mutter tut mir leid...“, sagte Inu Yasha leise. Kagome hatte sich nach draußen vor die Kellertreppe gesetzt. Es war, trotz der Zerstörung, die ringsum herrschte, eine recht friedliche Nacht. Der Vollmond schien am Himmel und es war angenehm warm, doch Kagome fand keine Ruhe. Es dauerte eine Weile, bis sie ein ersticktes „Schon gut“ murmelte. Inu Yasha setzte sich neben sie. „Nein.“, sagte er leise, „Nicht schon gut.“ Behutsam legte er die Arme um sie. Kagome spürte, wie sie zu zittern begann – allerdings nicht nur vor Trauer, sondern auch, weil sie sich nicht erinnern konnte, Inu Yasha jemals so nahe gewesen zu sein. Er nahm ihre Hand. „Ich weiß, wie sich das anfühlt, ja?“, sagte er leise, „Das ist nicht ‚schon gut’.“ Seine Finger waren sehr viel sanfter, als sie ihn sonst in Erinnerung hatte. Mit einem leisen Aufschluchzen ließ Kagome sich in seine Arme sinken.
 

Anschließend wusste sie nicht, wie lange sie geweint hatte, doch sie wusste mit Sicherheit, dass sie immer noch in Inu Yashas Armen lag. Inu Yashas Hand wanderte über ihre Wange und ihre Schulter. „Ist gut.“, sagte er leise, „Es ist besser, wenn du jetzt weinst, als wenn du es gar nicht tust. Dann kann es heilen...“ Zitternd drückte sich das Mädchen an ihn. „Inu Yasha...“, sagte sie leise, „Deine Mutter... erzählst du mir von ihr?“ Verwirrt sah ihr Gegenüber sie an. „Was?“ „Erzähl mir von deiner Mutter.“, sagte sie leise. Inu Yasha seufzte. „Ich... erinnere mich nicht sehr gut an sie... es ist lange her, seit sie gestorben ist, aber... sie hat mich immer beschützt. Ich meine, die anderen... konnten mich ja nicht leiden, weil ich...“ Er sah zur Seite. „Weil ich ja ein Halbdämon bin... und sie war... immer sanft und gutmütig, dabei hat sie wegen mir soviel mitgemacht...“ Seine Augen schimmerten verdächtig, doch er riss sich zusammen. Kagome strich ihm über die Wange, und, ganz ohne dass sie darüber nachdachten, berührten sich ihre Lippen. Als Inu Yasha sie sanft und zärtlich nach hinten auf den Boden drückte, wehrte sie sich nicht dagegen.
 

„Inu Yasha? Kagome-chan?“ Miroku spähte aus der halb vom Schutt bedeckten Tür, doch er brauchte aufgrund einiger Erfahrungen nicht viel mehr als Inu Yashas Oberteil auf dem Boden zu sehen, um zu wissen, dass er sich da lieber heraushielt.
 

„Was machen die zwei da so lange draußen?“, knurrte Sango, „Wir sollten nicht so viel draußen herumlaufen, das ist gefährlich, wenn Naraku sie findet...“ Miroku kam zurück. „Ich, ähm, glaube nicht, dass wir sie jetzt stören sollten.“ Sango hielt Kohaku die Ohren zu. „Was?!“ „Lass sie doch...“ Mit dem üblichen Lächeln ließ Miroku sich dicht neben sie sinken, doch diesmal hielt sie seine Hand fest, bevor er zum Zuge kommen konnte. „Nichts da!“ Miroku seufzte, doch diesmal zog er seine Hand bereitwillig zurück.
 

Das vereinsamte Metronetz von Tokio war zu Narakus Brutstätte geworden. Hier züchtete er seine Abkömmlinge und bereitete seine Angriffe vor. Nun jedoch wurde die sonst tödliche Stille durch das Geräusch leiser Schritte gestört. „Was willst du hier?“ Die zierliche Person legte mit erstaunlicher Schnelligkeit einen Pfeil an die Sehne ihres Bogens. „Ruf deine Schergen zurück, Naraku, ich bin hier, um dir ein Geschäft vorzuschlagen.“ „Sprich!“ „Ich werde dir helfen, Inu Yashas Freunde aus dm Weg zu räumen.“, fuhr die untote Miko fort, „Nur Inu Yasha selbst darf nichts geschehen. Ich will ihm selbst die Kehle durchschneiden.“ Naraku grinste leicht und zeigte dabei zwei Reihen makelloser weißer spitzer Zähne. „Einverstanden, Miko.“
 

„Ich liebe dich.“, murmelte Kagome und strich Inu Yasha durch das lange, silberweiße Haar. „Ich weiß.“, antwortete ihr Freund, „Ich dich auch...“ Mit der anderen Hand fuhr Kagome die Linie des Rosenkranzes nach, den Inu Yasha immer noch trug. „Kannst du mir das Ding nicht abnehmen?“, murmelte er. „Vielleicht.“, sagte Kagome mit einem schwachen Lächeln, „Auf jeden Fall sollten wir zurückgehen. Die anderen werden sich Sorgen machen.“
 

„Laut Inu Yashas Nase versteckt sich Naraku hier, in einem Chemiewerk am Rande der Stadt.“, sagte Kagome und zeigte die Stelle auf den Überresten eines Stadtplanes, den sie gefunden hatte, „Ich weiß, dass das Werk früher noch in Betrieb war, und deshalb müssen wir ganz besonders vorsichtig sein. Vermutlich befinden sich da noch fässerweise gefährliche Chemikalien, die er gegen uns einsetzen kann, aber an sich stehen unsere Chancen gar nicht mal so schlecht. Wir sind fünf Menschen, zwei Halbdämonen und als Dämonen haben wir Koga und seine Wölfe, das macht fünfzehn Dämonen...“ „Sechzehn.“, sagte eine schwache Stimme von hinten, und entgegen all ihrer Erwartungen ließ sich Sesshomaru zu ihnen sinken und wandte sich Koga zu: „Wenn der Herr der Wölfe es mir gestattet, wäre ich gerne wieder bereit, meinen Teil an Eurer Seite zu leisten.“ Koga grinste. „Immer wieder gerne.“
 

„Rin?“ Das Halbdämonenmädchen zuckte zusammen und drehte sich zu Koga um. Noch immer wurde ihr mulmig, wenn sie in die Nähe von Wölfen kam. Koga kniete sich vor sie. „Es tut mir leid, dass du meinetwegen verletzt wurdest.“, sagte er leise, „Es lag nicht in meiner Absicht, unschuldige Menschen zu töten und ich verspreche dir, dass so etwas nicht wieder vorkommen wird.“ Mit diesen Worten küsste er ihre Hand und gesellte sich anschließend wieder zu Inu Yasha, Kagome und den anderen, die ihren Angriff auf Narakus Versteck planten.
 

„Du und der Wolf, ihr kennt euch also schon länger.“ Noch immer gelang es Inu Yasha nicht ganz, die Kälte aus seiner Stimme zu verdrängen, genauso wenig wie Sesshomaru. „Wir haben in den Dämonenkriegen Seite an Seite gekämpft.“ „Inu Yasha, reiß dich zusammen.“, murmelte Kagome ihm ins Ohr, „Er ist dein Bruder, also bitte...“ Inu Yasha seufzte. „Warum hasst du die Menschen so?“ Sesshomaru antwortete nicht, doch sein Blick glitt zu Rin und wieder zurück. Kagome begriff. Rin war ein halber Hundedämon, wie sie bereits bewiesen hatte, und Sesshomaru kümmerte sich liebevoll um sie, als wäre sie seine Tochter. Wenn sie also seine Tochter war, war ihre Mutter ein Mensch, und da sie nicht bei ihnen war, war sie tot, also hatte Sesshomaru die Menschen nicht immer gehasst. Wenn er Rins Mutter nun wirklich geliebt hatte, und sie von, beispielsweise, einer Räuberbande getötet worden war, hatten damit Menschen sie getötet. Also hasste er die Menschen, weil sie seine Geliebte getötet hatten. Inu Yasha brauchte eine Weile länger, doch offensichtlich begriff auch er. „Oh. Ich verstehe.“ Er gab sich einen Ruck und umarmte seinen Bruder. Es dauerte eine Weile, doch dann erwiderte der Ältere seine Umarmung.
 

Die Eingangshalle des Forschungslabors war vollkommen leer. Einige Fässer standen in der Gegend herum, doch alles in allem war es dunkel und leer. Und vollkommen still. Zu still, befand Inu Yasha. Außerdem stieg ihm schon seit einiger Zeit der vertraute Geruch von Knochen und Graberde in die Nase. „Kikyo...?“, murmelte er. Kagome griff nach seiner Hand. „Ist sie hier?“ Inu Yasha nickte leicht. „Aber ich glaube nicht, dass sie hier ist, um uns zu helfen...“ Sie gingen ein Stück weiter, um die Produktionshalle zu erreichen. Auch hier war es fast dunkel und vollkommen still. Das einzige Geräusch war das Tapsen der Pfoten von Kogas Wölfen. Inu Yasha schnupperte erneut in der Luft. „Es riecht hier seltsam...“ Sango knurrte leise. „Um das festzustellen muss man kein Hund sein, aber es riecht nicht nach Miasma...“ „Da ist irgendein klebriges Zeugs auf dem Boden.“, sagte Shippo, „Das riecht komisch.“ In Kagome keimte ein Veracht auf. Sie hockte sich hin, tauchte ihre Finger hinein und schnupperte daran. Entsetzen erfasste sie. „Wir müssen irgendwo hin nach oben! Das ist Benzin!“ Inu Yasha hatte zwar keine Ahnung, was das war, doch er nahm Kagome auf den Arm und wollte gerade zum Sprung ansetzen, als von irgendwo aus dem Dunkel über ihnen ein Brandpfeil ein Fass traf und das Benzin sofort in Brand steckte.

Kikyos Ende

„Vorsicht!“ Sesshomaru packte Rin und Jaken am Kragen und brachte die beiden mit einem Sprung auf eine Empore aus der Gefahrenzone. „Bleibt hier. Jaken, pass auf sie auf.“ Der Rest hatte sich ebenfalls mehr oder weniger in Sicherheit gebracht – einer von Kogas Wölfen kämpfte mit einem brennenden Schwanz, doch Inu Yasha warf ihm seinen Feuerrattenmantel über den Kopf und brachte das Feuer so zum Erlöschen. Das Feuer erhellte nun die Halle, und so war für sie alle deutlich Kikyo erkennbar, die fünfzehn Meter über ihnen auf einen Stahlträger stand und bereits zum zweiten Mal ihren Bogen spannte. „Kikyo!“ Mit einem Satz war Inu Yasha bei ihr und schleuderte sie zur Seite, sodass der Pfeil ein paar Meter neben Sesshomaru in der Wand einschlug. „Kikyo, hör auf!“ Er hielt die Miko fest, doch sie entwand sich seinem Griff und richtete ihren Bogen auf ihn. „Hast du’s noch nicht begriffen, Inu Yasha?“, sagte sie mit einem süffisanten Lächeln, „Sitz!“ Mit einem erstickten Aufschrei stürzte Inu Yasha von dem Stahlträger, auf dem sie beide gesessen hatten, und schlug hart fünfzehn Meter weiter unten auf dem Boden auf. Er blieb reglos liegen. Koga vergewisserte sich, dass er noch am Leben war, schnappte sich Kagome, die Inu Yasha auf einem weiteren Stahlträger abgesetzt hatte und brachte sie auf einem Balkon in Sicherheit.
 

„Halt dich fest, Miroku!“ Sango brachte Kirara dazu, direkt über Kikyo vorbeizufliegen, sodass sie in der Lage war, die Miko am Kragen zu erwischen und ebenfalls in die Tiefe zu befördern. Kikyo jedoch schlug nicht auf dem Boden auf, sondern landete sanft und vollkommen gleichgültig auf dem in Flammen stehenden Boden. In ihren Augen erkannte Sango ein rotes Flackern. „Vorsicht, sie hat einen Dämonen in sich!“ In diesem Moment packte ein Klauententakel Narakus die Youkaijägerin und riss sie von Kiraras Rücken. „Sango!“ Miroku packte Kohaku am Kragen und Kirara an der Mähne. „Hinterher!“
 

„Sesshomaru...“ Sesshomaru ließ eine Hand auf dem Griff seines Schwertes, zog es jedoch nicht, als er sich zu Naraku umdrehte. Dieser lächelte. „Ich hätte nicht erwartet, dass du schon wieder kräftig genug bist, um noch einmal gegen mich anzutreten...“ Sesshomaru antwortete nicht. „Weißt du...“, sagte Naraku mit einem Lächeln, „Die Kleine ist doch Sayuris Tochter, nicht wahr?“ Sesshomaru knurrte. „Ich weiß nicht, wovon du redest.“ „Natürlich.“ Naraku kam noch einen Schritt näher. „Was wäre, wenn es gar nicht diese Räuberbande war, die Sayuri getötet hat?“ Er lächelte noch breiter. In seinen Augen glomm ein eisiges Flackern auf. „Was, wenn ich ganz genau wusste, wer sich in diesem Dorf befand, als ich es niederbrennen ließ?“
 

„Inu Yasha!“ Shippo zerrte am Ärmel seines Freundes. „Inu Yasha, wach auf!“ Inu Yasha stöhnte leise. „Shippo...?“ Blitzschnell richtete er sich auf. „Kagome!“ „Oben auf einem Balkon.“, sagte Shippo, „Aber Naraku hat Sango entführt!“
 

„Zuerst hatte ich ja vor, die Kleine auch zu töten.“, lächelte Naraku, „Aber dann ist mir aufgegangen, dass es durchaus möglich wäre, dass ich später noch ein Druckmittel für dich brauche... Also ließ ich nur deine kleine Schlampe verbrennen. Gut durchdacht, hm?“ Sesshomarus Klauen zuckten, doch noch immer zeigte er keine Regung. Naraku musste wohl noch eins draufsetzen. „Ich hörte, dass sich die Hure freiwillig den Räubern hingegeben hat, die sie schänden wollten.“, sagte er, „Vielleicht war sie ja gar nicht so schlecht, zu schade, dass ich nicht rechtzeitig...“
 

Ein ohrenbetäubendes Krachen ließ Kagome, die alles von oben beobachtete, hochschrecken. Naraku wurde durch die Luft und die nächste Wand geschleudert. Die riesige Gestalt eines weißen Hundes mit einem blauen Halbmond auf der Stirn setzte ihm nach. Sesshomaru! Kagome lief den Gang entlang. Sie musste einen Weg zu den beiden finden, um ihn zu unterstützen, während die anderen mit Narakus Abkömmlingen kämpften. „Nicht so schnell, meine Kleine!“ Ein Pfeil traf sie genau zwischen die Schulterblätter und mit einem leisen Wimmern sank Kagome zu Boden. Ihr wurde schwarz vor Augen und das letzte, was sie sah, war ein Wirbel aus rotem Stoff und zwei entsetzte bernsteinfarbene Augen.
 

„Sankon Tessou!“ Kikyo wich ihm geschickt aus. „Sitz!“ Erneut krachte Inu Yasha auf den Boden. „Kagome!“, stieß er hervor und versuchte, trotz des Rosenkranzes zu ihr zurückzukrabbeln, doch es gelang ihm nicht. Kikyo hockte sich vor ihn. „Gib’s auf. Du bist besiegt, Mischling, und du kannst sie ohnehin nicht mehr retten.“ „Kikyo.“, wisperte Inu Yasha, „Kikyo, hör auf damit...“ „Du winselst um Gnade? Ich bin enttäuscht von dir. Der Inu Yasha, den ich kannte, hätte das nicht getan. Du verweichlichst zusehends, und das ist alles die Schuld eines einfachen Menschenmädchens... meine Güte.“ Auf ihrer Wange zuckte ein Muskel. Inu Yashas Finger krallten sich um den Rosenkranz. „Lass mich zu ihr!“ „Irre ich mich oder hat die Wirkung meiner Anwesenheit und dieser Kette dich deiner dämonischen Kräfte beraubt?“, sagte sie, „Halt still, ich erlöse dich von deinem Leid...“ Sie zog einen Dolch. In diesem Moment durchschlug Sangos Hraikotsu mit einem Krachen die Wand hinter ihnen. Für einen Moment sah Kikyo der Waffe nach und ihre Kontrolle ließ nach. Diesen Moment nutzte Inu Yasha, um ihr den Dolch aus der Hand zu schlagen, sich wieder aufzurichten und Tessaiga zu ziehen. „Kaze no Kizu!“ Es zerfetzte den Körper der untoten Miko und schleuderte ihre Überreste hinunter in die Flammen.
 

Bei Sesshomaru und Naraku, die hinter einer zerfetzten Wand zwei Stockwerke höher kämpften, hatte sich das Blatt gewendet. Anfangs war Sesshomaru im Vorteil gewesen, da der Überraschungseffekt seiner Dämonengestalt und sein Hass ihm zusätzliche Kraft verliehen, doch Naraku hatte mit zwei oder drei empfindlichen Hieben seine Verletzung wieder aufgerissen und der Blutverlust schwächte Sesshomaru nun zusehends. Naraku schleuderte ihn mit einem Tritt vor die Brust vor den gähnenden Abgrund hinter ihm und auf den Boden. „Willst du nicht auch ein wenig um Gnade winseln, wie deine kleine Freundin?“ Er setzte ihm sein Schwert an die Kehle. „Grüß sie von mir!“ Etwas dunkles sirrte vor Sesshomaru durch die Luft. Mit einem Aufschrei wich Naraku zurück. Sein Schwert fiel an Sesshomaru vorbei nach unten – zusammen mit Narakus rechter Hand. Kohaku steckte sein Wurfeisen zurück in den Gürtel. Blitzschnell zog Sesshomaru Tokijin und rammte es Naraku bis ans Heft ins Herz. Anschließend zog er sein Schwert aus dem leblosen Körper und zog Kohaku mit sich auf einen sicheren Stahlträger.
 

„Kagome! Kagome, kannst du mich hören?“ Das Mädchen antwortete nicht. „Kagome.“, wisperte Inu Yasha und drückte sie an sich.
 

„Ist alles in Ordnung?“ Besorgt sah Sango zu Miroku. Dieser verzog das Gesicht. „Ja, ich... es geht schon...“ In diesem Moment zog sich ein glühender Schmerz seinen rechten Arm hoch, bis in seine Schulter. Mit einem Aufstöhnen sackte er auf Kiraras Rücken zusammen. „Houshi-sama!“ Sango wies Kirara an, auf einem Balkon zu landen. Kirara knurrte leise und besorgt und stupste Miroku, der ohne einen Laut von ihrem Rücken glitt, mit der Schnauze an. „Miroku...“ Vermutlich hatte es mit dem Kazana zu tun? Behutsam nahm sie seine Hand. „N-Nicht...“, murmelte ihr Freund und zog seine Hand weg, „Zu... gefährlich...“ „Unsinn!“, sagte sie knapp, nahm seine Hand und löste die Manschette, allerdings nicht die Kette, die sein Kazana verschlossen hielt. „Halt still.“ Er sagte nichts mehr und hielt brav still. Von seinem Kazana aus liefen einige Blutstropfen seinen Arm hinunter, doch noch während Sango sich seine Hand ansah, verschwand es. „Miroku...? Es ist weg...“ „Dafür tut’s aber ganz schön weh.“, murmelte er, „Nebenwirkungen, hm?“ „Das geht schon vorbei...“ Sie lächelte leicht. „Naraku ist tot!“ Mirokus dunkelblaue Augen weitete sich ein wenig. „Bist du sicher...?“ Sie nickte. „Das Kazana ist weg...“ Sie kniete sich neben ihn. „Ist alles in Ordnung...?“ Miroku grinste schwach. „Sango...?“ „Hmh?“ „Ich würde ja jetzt etwas ganz ganz dummes tun, aber dann haust du mich ja doch nur wieder...“ Sie seufzte. „Und was wäre das?“ Er richtete sich auf, so gut er konnte, und hauchte ihr einen zärtlichen Kuss auf den Mund. „Das.“, sagte er leise.
 

„Sesshomaru? Du musst mir helfen. Bitte.“ Sesshomaru richtete sich auf und sah zu seinem Bruder. „Was ist denn...?“ „Kagome wurde angeschossen.“ Er reichte ihm Tenseiga. „Bitte.“
 

„Inu Yasha!“ Ruckartig richtete Kagome sich auf. Inu Yasha umarmte sie. „Ruhig. Ich bin hier, Naraku ist tot, aber wir müssen hier verschwinden... kannst du laufen?“ Sie nickte leicht. Er half ihr, aufzustehen und gemeinsam sammelten sie ihre Freunde ein und machten sich auf den Weg, das Labor zu verlassen. Hinter ihnen brannte es vollkommen aus.

Der Lord der Westernen Länder

Ein paar Monate später, Kyushu

„Na, wie geht’s dir?“ „Schon besser.“, sagte Sesshomaru und bewegte vorsichtig seinen linken Arm. Inu Yasha setzte sich zu ihm ans Bett. „Ich wollte dich darüber aufklären, dass du wohl demnächst Onkel wirst...“ Sein Bruder grinste schwach. „Meinen Glückwunsch.“ „Hmh...“ Inu Yasha sah zu ihm. „Du hältst mir ja immer vor, ich wüsste nichts von unserem Vater, hm?“ Sesshomaru sah ihn verdutzt an. „Inzwischen hab’ ich’s mir abgewöhnt.“ „Ja, aber früher... Ich hab’ nachgedacht. Tatsache ist, ich weiß gerade mal, wie er aussah, und das bisschen, was ich mir über seinen Tod zusammengereimt habe. Aber du hast die ganze Zeit mit ihm zusammengelebt, und du bist mit ihm in den Krieg gezogen und so weiter... Könntest du mir eventuell helfen, meine Erinnerungen da ein wenig aufzufrischen?“ Sesshomaru seufzte leise. „Wenn’s sein muss?“
 

„Bist du sicher, dass du schon wieder in der Lage bist, aufzustehen?“ „He, in dem Zustand hab’ ich Naraku besiegt.“, sagte Sesshomaru, „Komm...“
 

Sesshomaru ließ sich auf einen Steinblock sinken. „Du weißt doch, dass du geboren wurdest, als Vater starb?“ Inu Yasha setzte sich ebenfalls und nickte leicht. „Setsuna no Takemaru hat ihn umgebracht...“ „Das weiß ich nicht genau, aber ich weiß, dass er mit Schuld an seinem Tod war. Du hast Ryukotsusei besiegt, oder?“ „Er hat mir erzählt, dass er Vater tödlich verwundet hat.“ „Ich weiß nicht, ob seine Wunde tödlich gewesen wäre. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, war er nur sehr geschwächt, weil er viel Blut verloren hatte. Ich denke, der Kampf gegen Takemaru hat ihm den Rest gegeben. Weißt du, eigentlich hat er nicht gern gekämpft. Er hat zu mir gesagt, jedes Mal, wenn ich mein Schwert ziehe, soll ich nicht daran denken, wen ich töte, sondern wen ich am Leben lasse und wen ich damit beschützen will. Damals dachte ich, der einzige Weg, um so mächtig zu werden wie er, liege darin, sich so rücksichtslos wie möglich zu verhalten. Sayuri hat mir gezeigt, dass das nicht stimmt.“
 

Zehn Jahre zuvor, Shikoku

„Eine junge Frau möchte mit Euch reden, Sesshomaru-sama. Sie ist die Tochter des Dorfvorstehers...“ „Lasst sie eintreten.“ Die junge Frau stieß Jaken unsanft beiseite und betrat das Zelt. „Ich muss mit Euch reden. Wilde Dämonen plündern unsere Städte und Dörfer, und ich weiß aus sicherer Quelle, dass sie aus Eurer Truppe stammen. Wir verlangen, dass das augenblicklich unterbunden wird, da wir uns andernfalls mit Waffengewalt zur Wehr setzen werden.“ Sesshomaru betrachtete die junge Frau vom mit langem schwarzem Haar bedeckten Kopf bis zu den bloßen Füßen. Sie war jung, höchstens neunzehn Winter alt, trug einen schwarzen, goldbestickten Kimono und sah nicht so aus, als würde sie aus ärmlichen Verhältnissen stammen. Am Gürtel trug sie ein Schwert, dessen Griff mit weißem Leder umwickelt war. Im Übrigen schien sie sich ihrer Sache sehr sicher zu sein. „Wieso sollten wir uns vor ein paar Menschen fürchten?“ „Weil diese paar Menschen sich unter den Schutz einer Gruppe Youkaijäger gestellt haben, die euch den Garaus machen werden.“ „Meine Leute brauchen Nahrung, woher soll ich die bekommen, außer aus den umliegenden Dörfern?“ „Ich mache Euch einen Vorschlag. Ich werde gegen Euch kämpfen.“ Das überraschte Sesshomaru nun doch ein wenig. „Was?“ „Ich werde gegen Euch kämpfen, und wenn ich Euch besiege, dann lasst Ihr die Überfälle bleiben. Gewinnt Ihr, verpflichten wir uns, Euch mit Nahrungsmitteln zu versorgen.“
 

Gegenwart

Inu Yasha grinste. „Aha.“ „Natürlich hab’ ich gewonnen, aber trotzdem hatte ich mich damit verpflichtet, ihre Dörfer zu verschonen...“ „Sag mal, wenn du ein Volldämon bist, was war dann deine Mutter?“ „Ähm...“ Inu Yasha hob die Augenbrauen. „Ja bitte?“ Sesshomaru murmelte irgendetwas, was stark nach „Katze“ klang. „Katze?“, schnurrte Inu Yasha, „Haben wir da richtig gehört? Wie hat Vater das denn geschafft?“ „Ich hab’ nicht gefragt und er hat nichts gesagt.“, sagte Sesshomaru eisig. „...Aha.“ Inu Yasha fragte lieber nicht weiter nach.
 

„Miroku...?“ Sango stand hinter ihm auf der Wiese. Miroku lächelte. „Ja?“ Sie setzte sich neben ihn. Ihre Finger wanderten über seine Schultern. Miroku grinste leicht und strich ihr über die Wange. Blitzschnell drehte Sango ihn auf den Rücken und setzte sich auf seine Hüfte. Ihre Knie drückten seine Arme auf dem Boden. „Solltest du das hier nicht ernst meinen...“ Ihre Finger glitten durch sein Haar und hinterließen rote Spuren auf seiner Wange. „Solltest du das hier nicht ernst meinen...“, sagte sie leise und küsste seinen Hals, „Ich schwör’ dir, ich schlag’ dir mit meinem Hraikotsu den Schädel ein.“ Miroku, der ob dieser Drohung keine Miene verzog, obwohl er ihr das durchaus zutraute, lächelte und löste ihr Haar. „Wie könnte ich das bei einer so wunderschönen jungen Frau nicht ernst meinen...?“ „Ich kenne dich.“, schnurrte Sango ihm ins Ohr, „Ich gehe nur auf Nummer Sicher.“ „Natürlich.“ Seine Hand glitt unter ihren Rock. Ausnahmsweise bekam er keine Ohrfeige. „Bist du sicher, dass du das willst, hm?“ Sango nickte und kuschelte sich an ihn. „Wieviele Frauen hattest du schon vor mir?“, fragte sie plötzlich. „Was?“ Verdutzt sah Miroku sie an. „Wieviele Frauen hattest du schon vor mir?“, wiederholte Sango. Miroku spürte, wie sich ein Hauch Rot auf seine Wangen stahl. „Ähm...“ Er murmelte irgendetwas unverständliches, was sich verdächtig nach „keine“ anhörte. Sango kicherte leise. „Ich verstehe. Gut. Das beruhigt mich.“ „Hmh...“ Er strich ihr über die Wange und spielte mit einer Haarsträhne von ihr. Blitzschnell drehte er den Spieß um und drückte sie ins Gras. „Und du, hm?“ „Zweifelst du an meiner Ehre?“ Verschwörerisch blitzten ihre azurblauen Augen zu ihm auf. „Es gibt ein leichtes Mittel, da Gewissheit zu erlangen...“ Seine Lippen liebkosten die zarte Haut an ihrer Kehle. Sango schnurrte leise und ließ ihn gewähren. Seine Lippen waren inzwischen bei ihren Ohr angekommen. Mit der freien Hand löste er die Schnüre, die ihr Kleid zusammenhielten. „Wo ist Kohaku?“, murmelte er, „Nicht, dass wir noch gestört werden...“ Sie schmiegte sich an ihn. „Bringt Rin bei, sich ohne Waffe zu verteidigen...“ „Oh, gut... und Shippo?“ „Kagome und er wollten zur heißen Quelle... weit weg...“ Er küsste ihren Halsansatz. „Umso besser.“, wisperte er und streifte ihr das Kleid ab, „So unerfahren bin ich nun auch wieder nicht, wie du wissen solltest... nur leider war der Vater oder der Ehemann immer rechtzeitig zur Stelle...“ Ihre Hand glitt über seine Brust. „Uns stört schon niemand...“ Miroku erstarrte. „Was ist?“, murmelte Sango. Etwas blitzendes reflektierte die Sonne und blendete sie. Es war eine Schwertklinge, die an Mirokus Kehle schwebte.

Söldner und Youkaijäger

„Sango...?“, murmelte Miroku. Es war dunkel und eiskalt. Irgendetwas festes hatte sich um seine Handgelenke gelegt. „Sango!“ Schlagartig strömte die Erinnerung zurück. Er riss die Augen auf. Trotzdem blieb es fast dunkel, doch es war hell genug, um eine schlanke, reglose Gestalt auf der anderen Seite der Gitterstäbe zu sehen. „Sango...“ So gut er es mit gefesselten Händen schaffte, rückte er näher zu den Gitterstäben. Mühsam streckte er eine Hand aus und fühlte den Puls des Mädchens. Sie rührte sich nicht und fühlte sich eiskalt an. Er zog sie an sich, so gut er konnte. „Sango, Schatz, wach auf...“, murmelte er. Sie hatte eine blutige Wunde an der Stirn, ihre Lippen waren rissig und aufgesprungen, und im Übrigen war ihr ganzer Körper voller blauer Flecken. Er vermutete allerdings, dass er nicht viel besser aussah. Er legte seinen Mantel um sie und nahm ihre Hände. „Komm schon...“ Er küsste ihre Fingerspitzen. „Tu mir das nicht an, verflucht...“ Ihre Lippen zuckten. „Houshi... sama...“ Mühsam öffnete sie die Augen. Offenbar hatte es sie doch schlimmer erwischt, oder diese Soldaten hatten ihr noch ganz andere Dinge angetan. „Wie geht es dir?“ Besorgt strich er ihr über die Wange. „Bist du schwer verletzt?“ „Es... es geht...“, murmelte sie, „Geht’s dir gut...?“ „Ist schon gut.“, versicherte er ihr, „Du musst dich ausruhen, dann geht’s dir bald besser, ja?“ Sie nickte schwach, kuschelte sich an ihn und schloss die Augen.
 

Ginzo Yamato war ein Abgesandter des Shogun, und er war ein Youkaijäger. Im Übrigen war es seine Aufgabe, da er der beste auf seinem Gebiet war, den sogenannten „Lord der Westernen Länder“ zu finden und mitsamt seiner dreimal verdammten Sippe auszulöschen. Nun war der ehemalige Lord der Westernen Länder allerdings seit zweihundert Jahren tot und sein Sohn hatte diese Stelle eingenommen. Gut, was soll’s, dann musste der halt dran glauben, genauso wie alle anderen Abkömmlinge dieser Kreatur, bis auf das letzte Kind. Seit drei Wochen war er mit seiner Truppe aus Söldnern und Youkaijägern in Kyushu unterwegs, inzwischen hatte man sich in einer kleinen Festung eingenistet, dort häuslich eingerichtet und gestern hatten seine Männer unweit des Sitzes seines Feindes ein Liebespärchen im Gras aufgestöbert. Bedienstete im Haus eines Dämons, vermutlich, und somit potentielle Dämonen, Halbdämonen oder doch zumindest Verbündete des Untiers. Sie konnten ihm sicher mitteilen, wo sich die Kreatur zur Zeit herumtrieb und wo und wie man ihn am ehesten aufstöbern und überwältigen konnte. Immerhin waren auf seinen Kopf dreißig Millionen Yen ausgesetzt. Ginzo nickte zufrieden. Der Shogun würde wie immer mit seiner Arbeit zufrieden sein.
 

Ungefähr zwei Stunden später wurde die Tür zu ihrem Kerker geöffnet. Eine junge Frau, vielleicht Anfang Zwanzig, trat ein. Ganz in Schwarz gekleidet, trug sie allerdings Männerkleidung. Das dunkle Haar hatte sie im Genick zusammengebunden und ließ durch ihre Gangart und ihr Auftreten erkennen, dass sie mit dem weißen Katana an ihrem Gürtel durchaus umzugehen wusste. Sie betrachtete Miroku von Kopf bis Fuß. „Nehmt ihn mit. Ich muss mit ihm reden.“
 

„Mein Name ist Ai Yamato. Mein Vater ist ein Youkaijäger.“, sagte sie, „Wir sind hier, um den Lord der Westernen Länder zu töten.“ „Mit welchem Grund, wenn ich fragen darf?“, murmelte Miroku. Das helle Licht, was durch die Fenster hereinfiel, schmerzte in seinem Kopf. „Weil wir den Auftrag haben, diesen Landstrich von ihm zu befreien.“, sagte sie knapp und setzte sich, „Trink.“ Sie reichte ihm einen Becher Wein. Argwöhnisch schnupperte Miroku daran, konnte jedoch nichts verdächtiges feststellen und trank. „Sango braucht einen Arzt.“, sagte er dann. „Ihr werdet einen bekommen, wenn du mir sagst, was ich wissen will. Wo ist der Dämon?“ „Das weiß ich nicht.“ Sie schwieg. Miroku betrachtete die junge Frau. Am Rand ihres Gesichts sah es fast so aus, als hätte sie dort etwas heftig überschminkt. Er betrachtete ihre Hände. Schlanke, fast zerbrechlich wirkende Finger. Ungewöhnlich große, hellgrüne Augen. Katzenaugen., dachte er sich. Sie standen leicht schräg, was ihr ebenfalls ein katzenhaftes Äußeres gab, doch außerdem wirkte es auch wie... Ja, wie was? Miroku überlegte. Außerdem nahm er bei ihr eine merkwürdige Aura wahr. Irgendetwas seltsames ging hier vor. Sie spreizte die Finger, ballte die Faust und schlug ihm blitzschnell mit voller Wucht ins Gesicht. Vollkommen überrascht von dieser Attacke, gelang es Miroku nur, den Kopf so weit wegzudrehen, dass sie ihm nicht die Nase brach, sondern ihn nur streifte, was allerdings immer noch schmerzhaft genug war. Sie beide waren allein in diesem Raum, sie hatte seine Handfesseln lösen lassen... wenn es ihm nun gelang, sie zu überwältigen, dann konnte er sie vielleicht als Geisel nehmen, und dann hatten sie eine Chance, von hier zu entkommen... Sie lächelte und strich ihm über die Wange. „Du bist offensichtlich intelligenter, als du dir den Anschein zu geben versuchst.“ „Danke schön.“, knurrte Miroku. Blitzschnell zog sie ihr Schwert und setzte es ihm an die Kehle. „Hör zu, Mönch.“, sagte sie, „Ich glaub’ dir nicht im geringsten, weißt du?“ „Was Wunder.“, murmelte Miroku. Blitzschnell schlug sie erneut zu. Diesmal traf sie ihn in den Magen. Für einen Augenblick sah er Sterne, doch er blieb auf den Beinen, da sie ihm bei jeder anderen Bewegung die Kehle durchgeschnitten hätte. Er rang nach Luft. Sie lächelte. „Antwortest du mir jetzt oder muss ich dich erst filetieren?“
 

„Wo sind Sango und Miroku hin verschwunden?“ „Ich weiß nicht.“, sagte Kohaku, „Sie, ähm, haben mich ja weggeschickt...“ Sesshomaru hob die Augenbrauen. „Aha, ich verstehe.“ Inu Yasha schnupperte in der Luft. „Es riecht hier seltsam... nicht schlecht, aber seltsam. Gefährlich.“ „Ich kenne diesen Geruch.“, sagte Sesshomaru, „Aber seit ich ihn das letzte Mal gespürt habe, sind schon gut zweihundert Jahre vergangen...“ Tatsache war, dass Sesshomaru diesen Geruch sehr wohl erkannt hatte, und dass er durchaus wusste, zu wem er gehörte. Wieder im Land, Prinzessin Raia?, dachte er.
 

Miroku grinste leicht, bemüht, das in seine Kleidung sickernde Blut zu ignorieren. Er hatte gesehen, was er erwartet hatte: Dämonenmale auf den Wangen der sogenannten Youkaijägerin und eine leicht gespaltene Zunge, die auf eine Schlangendämonin hindeutete.
 

„Miroku...?“ Sango strich ihm besorgt über die Stirn. Mit etwas Mühe richtete er sich auf. „Ist mit dir alles in Ordnung...?“ Sie nickte leicht. „Aber mit dir nicht. Du siehst furchtbar aus.“ „Ist schon gut.“ Er lehnte sich an die Gitterstäbe. „Irgendetwas seltsames geht hier vor.“ Er berichtete ihr von seiner Entdeckung und davon, dass die Youkaijäger hinter Sesshomaru her waren. Sango kuschelte sich an ihn, so gut sie konnte. „Das hier sind keine Youkaijäger. Die gehen anders vor. Ein vernünftiger Youkaijäger arbeitet allein, zu größeren Aufgaben nimmt er ein paar Leute mit, aber doch keine angeheuerten Söldner. Entweder ist das ein absoluter Dummkopf oder er ist kein Youkaijäger. Und wenn sich hier, wie du sagst, eine Schlangendämonin herumtreibt, besteht der Verdacht, dass sie den ganzen Trupp hypnotisiert hat, nur um Sesshomaru zu treffen oder mit ihm eine alte Rechnung zu begleichen oder irgendetwas in der Art...“ Miroku küsste ihre Schläfen. „Den Verdacht hatte ich auch schon, aber ich weiß nicht, was ich hiervon halten soll. Die Soldaten schienen mir nicht sehr hypnotisiert.“ „Meinst du, sie folgen ihr freiwillig?“ „Kann schon sein, sie ist eine hübsche Frau...“ Sango knurrte leise und Miroku lächelte kaum merklich. „Hat sie dir was zu trinken gegeben?“, fragte Sango plötzlich. „Ja, warum?“ „Hast du getrunken?“ In ihrer Stimme schwang Angst mit.
 

„Sie sind immer noch nicht zurück.“ Besorgt ging Kagome im Zimmer hin und her. „Wir sollten ihrem Geruch folgen.“, sagte Inu Yasha, „Wir beide können gehen...“ „Meinetwegen.“, seufzte Kagome.
 

Die Spur führte sie zu einer kleinen Festung unweit von Sesshomarus „Wohnsitz“, wenn man es denn so nennen konnte – Sesshomaru bestand darauf, dass er keinen festen Wohnsitz hatte, doch hier hatte er sich in einem Höhlenlabyrinth, in das sie sich nach Narakus Tod zurückgezogen hatten, mehr oder weniger häuslich eingerichtet. „Ich nehme mal an, sie sind gefangen worden?“, fragte Inu Yasha. Kagome seufzte. „Vermutlich. Wir müssen sie da rausholen.“ „Wir können da aber nicht einfach reinmarschieren, denke ich, oder?“, fragte Inu Yasha. „Wir...“ Kagome überlegte. „Wir könnten fragen, ob sie jemand im Dorf gesehen hat.“ Mit diesen Worten ging sie auf eine kleine Hütte zu.
 

Vor dieser Hütte saß ein Mädchen, das vielleicht noch ein oder zwei Jahre jünger war als Kagome. Sie hatte langes, dunkles Haar, trug ein grobes Leinenkleid und war barfuß. Sie säugte ein Baby – und war offensichtlich bereits wieder schwanger. „Hallo.“, sagte Kagome, „Kannst du uns vielleicht helfen?“ Das Mädchen zuckte, als sie angesprochen wurde, und sah blinzend zu ihr auf. „Wie, Herrin?“ Kagome hockte sich vor sie. „Hast du vielleicht zwei Freunde von uns gesehen? Die eine ist eine Youkaijägerin, sie ist etwa so groß wie ich und hatte ein beigefarbenes Kleid an, und der andere ist ein Houshi, mit einer violetten Manschette an der rechten Hand.“ Der Blick des Mädchens flackerte zu Inu Yasha, fuhr über seine Hundeohren und wieder zu Kagome zurück. „Seid... seid Ihr Bekannte unseres Herrn?“ „Was?“ Verdutzt sah Kagome sie an. „Sesshomaru-sama.“, murmelte das Mädchen, „Der Lord... aber er ist so lange nicht mehr hier gewesen... früher hat er uns immer beschützt...“ „Aber jetzt ist er wieder da.“, sagte Kagome und lächelte, „Und wir helfen ihm... hast du denn nun unsere Freunde gesehen?“ Das Mädchen senkte den Blick. „Die Soldaten haben sie mitgenommen.“, murmelte sie, „Zur Festung...“ Rasch lief sie zurück in die Hütte und schloss die Tür hinter sich.
 

„Sesshomaru ist der Schutzherr dieser Insel.“, erläuterte Inu Yasha, „Das ist so, die vier großen japanischen Inseln werden jeweils einem Dämonen unterstellt, der dann der Schutzherr der Insel ist, ich meine, er passt auf, dass keine oder kaum Verbrechen passieren und verteidigt sie gegen andere Dämonen, allerdings findet das ganze immer ziemlich geheim statt, weil es ja offiziell den Kaiser gibt. Vorher war der Schutzherr unser Vater, und weil er tot ist, ist Sesshomaru das jetzt. Nach den Dämonenkriegen war das alles ziemlich durcheinander, und er war wegen der Sache mit seiner Geliebten ziemlich durch den Wind, also hat er sich davon zurückgezogen und ist durch die Lande gezogen, um Frieden mit seiner Vergangenheit zu schließen, was er wohl getan hat, als er Naraku getötet hat. ...“ „Hm. Aber jetzt ist er wieder da und kann seinen Platz wieder einnehmen.“, sagte Kagome, „Er wird hier wieder Ordnung schaffen...“ „Schon, aber ich glaube nicht, dass das so einfach wird.“, sagte Inu Yasha, „Dazu muss er diesen Kerl, der sich da oben in der Festung eingenistet hat, vertreiben, und der Typ stinkt nach Youkaijäger. Wie gesagt, ich denk’ nicht, dass das so einfach wird.“ Kagome legte ihren Kopf an seine Schulter. „Wir schaffen das schon. Wir haben Naraku besiegt...“ Sie sah ihn an. „Willst du eigentlich immer noch mit dem Shiko no Tama ein Youkai werden?“ Inu Yasha lächelte leicht und schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht...“ Kagome lächelte zurück und strich über seine Ohren. „Danke.“ Er legte die Arme um sie. „Nimmst du mir jetzt den Rosenkranz ab, hm?“, murmelte er. Sie küsste ihn auf die Nasenspitze. „Versprichst du, dass du dich vernünftig benimmst? Und dass du netter zu Shippo bist?“ Inu Yasha knurrte unwillig. „Ähm...“ Kagome seufzte. „Dann nicht...“
 

„Miroku...?“ „Hm?“ Sango kuschelte sich an ihn. „Ich liebe dich...“ „Ich weiß.“ Miroku lächelte. „Willst du denn jetzt meine Kinder gebären...?“ Behutsam strich er über ihren Unterleib. Sango lächelte. „Gerne...“ Miroku strich ihr das Haar aus der Stirn. „Hm...“ „Kohaku wird sich Sorgen machen...“ „Die andere holen uns schon hier raus.“ „Na klar.“, murmelte Sango. Miroku spürte, dass die schwer verletzte junge Frau von Minute zu Minute schwächer wurde. Sie würde sterben, wenn sie nicht bald Hilfe bekam. Gedanklich flehte er Inu Yasha ein, sich verdammt noch mal zu beeilen.
 

„Sie sind in die Festung gebracht worden.“, sagte Inu Yasha, „Wir sollten das verdammte Ding dem Erdboden gleich machen und dafür sorgen, dass uns diese Kerle nie wieder belästigen!“ Sesshomaru nickte leicht. „Ich werd’ versuchen, mit ihnen zu reden.“ „Zu gefährlich!“ Während die beiden debattierten, beobachtete Kagome sie. Sowohl Inu Yasha als auch Sesshomaru hatten sich in den letzten Monaten deutlich verändert. Aus dem arroganten Mistkerl, als den sie Sesshomaru kennen gelernt hatte, war ein freundlicher, liebevoller Vater und guter Freund geworden, und aus seinem ebenso aufmüpfigen Bruder... nun, es schien fast, als hätte sie es tatsächlich geschafft, ihn zumindest ein bisschen zu zähmen. Immerhin benahm er sich nicht mehr wie der Elefant im Porzellanladen, sondern sie hatte ihn so weit, dass er immerhin Rücksicht auf andere nahm. Allerdings hatte sie dabei auch andere Seiten an ihm kennen gelernt: Wenn es darum ging, seine Freunde zu beschützen, war er schon immer recht rabiat gewesen, aber nun wurde er tatsächlich zum Berserker, wenn einem von ihnen etwas geschah oder er das nur fürchtete oder vermutete .Er hatte Koga durch eine Wand geschleudert, weil dieser versehentlich ins Zimmer gekommen war, als sie sich umgezogen hatte, und da Sesshomaru ihm beigebracht hatte, mit seinen dämonischen Fähigkeiten zu leben, schreckte er nicht einmal davor zurück, diese einzusetzen, um sie zu beschützen. Kagome wurde das beinahe unheimlich. Sie wollte gar nicht wissen, wie er reagieren würde, wenn ihr tatsächlich etwas ernsthaftes zustieß. „Ich werde mit ihnen reden.“ Mit diesen Worten schloss Sesshomaru die Debatte. „Dann werde ich dich begleiten.“, sagte Inu Yasha. Sesshomaru sah nicht besonders begeistert davon aus, doch er sagte nichts dagegen.
 

„Ginzo-sama, der Lord der Westernen Länder ist eingetroffen, um mit Euch zu reden.“ Ginzo hob die Augenbrauen, sagte jedoch: „Lass ihn eintreten, aber lass die Wachen im Raum.“
 

Tatsächlich war der Sohn von Inu no Taishou eine beeindruckende Erscheinung. Er wirkte wie ein junger Mann Ende Zwanzig, doch seine Bewegungen verrieten die Gewandtheit eines erfahrenen Kriegers. Zwei Schwerter, eines davon war ein Oni-Reißzahn, der andere stammte von seinem Vater, wusste Ginzo, doch das war nicht unbedingt die gefährlichste Waffe, die der Dämon besaß. Die Krallen an seinen Fingern sahen im Moment relativ harmlos aus, doch Ginzo wusste aus Erzählungen, welche Verwüstungen er unbewaffnet anrichtete – er hegte kein Bedürfnis, das mit eigenen Augen zu sehen. Die bernsteinfarbenen Augen strahlten Ruhe und Gelassenheit aus, doch Ginzo bemerkte, dass der Dämon, schon als er den Raum betrat, sämtliche möglichen Fluchtwege mit einem Blick erfasst hatte. Er war gut vorbereitet, das musste man ihm lassen. Im Übrigen hatte er seinen Bruder mitgebracht. Ginzo würde es schwer fallen, beide unter Kontrolle zu behalten, und der Jüngere wirkte um einiges impulsiver als sein Bruder. Er strahlte zwar nicht diese stille Drohung aus, die von Sesshomaru ausging, doch er wirkte genauso kräftig und trainiert wie sein Bruder, und bei ihm kam noch hinzu, dass er aufgrund seiner Spontanität und Impulsivität unberechenbar war. „Wie mir zu Ohren kam, habt Ihr zwei Bedienstete meines Schlosses gefangen genommen.“ Sesshomaru sprach leise, doch seine Stimme war trotzdem bis in den letzten Winkel des Audienzsaales zu vernehmen. „Darf ich den Grund erfahren?“ „Sie haben versucht, sich in mein Schloss einzuschleichen, und da ich der Herr dieses Distrikts bin“ – die Augen seines Gegenüber blitzten bei diesen Worten für einen kurzen Moment gefährlich auf, als er für einen Augenblick die Kontrolle über sein vollkommen emotionsloses Gesicht verlor – „ist es mein gutes Recht, sie gefangen zu nehmen.“ „Ich fürchte, ich muss Euch korrigieren. Der Herr dieses Distrikts bin ich. Und in sofern ist es ebenfalls mein gutes Recht, ihre sofortige Herausgabe zu verlangen.“ „Ich fürchte, die muss ich Euch verweigern. Ihr seid ein Dämon und in keiner Weise befugt, hier Macht auszuüben.“ Der jüngere der beiden öffnete den Mund, vermutlich, um ihm eine gesalzene Antwort entgegenzuschleudern, doch der ältere brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. Ginzo musste zugeben, dass er Sesshomaru ein wenig bewunderte. Das Charisma dieses Mannes war bis in den letzten Winkel des Saales spürbar und der Blick aus diesen goldfarbenen Augen war hypnotisierend wie der einer Schlange. Apropos, Schlange. Raia schien offenbar ein wenig überrascht von Sesshomarus Auftauchen. Damit hatte sie wohl nicht gerechnet. „Trotz allem habe ich das Recht, ihre Herausgabe zu verlangen, denn sie obliegen meiner Herrschaft und es ist an mir, sie für ihr unerlaubtes Eindringen“ – der ironische Tonfall war unüberhörbar – „zu bestrafen.“ Mit dem Jungen wurden sie schon fertig, aber Sesshomaru würde Probleme machen. Er war ebenso unberechenbar wie sein Bruder, und wahrscheinlich um einiges gefährlicher. Also mussten sie erst ihn aus dem Weg schaffen und dann den jüngeren entwaffnen. Dämonen waren anfällig für Blei, wie er aus sicherer Erfahrung wusste. Die Tür bestand aus Blei, und die Fensterrahmen ebenso, was Sesshomaru aber nicht wusste und auch nicht wahrnahm. Er würde keinerlei Gelegenheit haben, um zu entkommen, doch ein in die Enge getriebenes Raubtier wurde umso gefährlicher. Sie mussten blitzschnell sein. „Im Übrigen, Dämon, sind deine Bediensteten nicht die einzigen, die sich gerne in der Stadt herumtreiben. Oder beschäftigen Dämonen seit neuestem Kinder?“ Nun verlor sein Gegenüber tatsächlich die Fassung. Seine Krallen spannten sich und er machte einen Schritt auf Ginzo zu, doch sein Bruder packte ihn am Arm, hielt ihn fest und murmelte ihm irgendetwas ins Ohr. Diese Wirkung hatte Ginzo sich erhofft. Vielleicht sollte er noch eins drauf setzen? „Leider ist das Mädchen ja bei der Gefangennahme ums Leben gekommen... wer war sie denn, deine Tochter?“ Die Gestalt eines riesigen weißen Hundes verfehlte Ginzo, der in weiser Voraussicht einen Schritt beiseite getreten war, um Haaresbreite. Blitzschnell schoss er den wohlweislich vorbereiteten Betäubungspfeil ab, der den Dämonen in die Knie sinken ließ, und ein zweiter Pfeil ließ ihn das Bewusstsein verlieren. Währenddessen lieferte sich sein Bruder ein hitziges Gefecht mit den Wachsoldaten. Ein weiterer Betäubungspfeil ließ auch seine Widerstand ersticken.
 

„Scheiße.“, murmelte Inu Yasha, „Das war so nicht gedacht, oder?“ Sesshomaru antwortete nicht. Er lehnte an der Wand und starrte mit leerem Blick in die Dunkelheit. Inu Yasha rappelte sich auf und setzte sich neben ihn. „Sie ist nicht tot.“ Sesshomaru wirkte nicht so, als ob er ihm glaubte. „Na super.“, murmelte Miroku und ließ die Stirn ans Gitter sinken, „Habt ihr auch eine Idee, was wir jetzt tun sollen?“ Inu Yasha schüttelte den Kopf. „Ich schätze, wir haben ein Problem...“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2006-08-13T19:21:08+00:00 13.08.2006 21:21
Hey die FF gefällt mir total....ne Frage wie ist Kikyo da durch gekommen...Sess und Naraku kann ich ja noch irgendwie nachvollziehen, aber der Rest....naja egal...auf jeden Fall super...wann geht es weiter???
LG Ray
Von: abgemeldet
2006-08-09T13:16:45+00:00 09.08.2006 15:16
juhuu, erste ^.^
die story is echt genial!! *daumen hochhalt*
imma weiter so ^.~
deine lovely_mama1986 *knuffz*


Zurück