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Verschlungene Pfade

Brillante Meuchelmörderin und tollpatschige Marinesoldatin auf Abwegen
von

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Gerechtigkeit - Tashigi

Hunde, die fortlaufen um ihre Wunden zu lecken, haben nicht das Recht, von Gerechtigkeit zu sprechen. Das ist eine Regel dieses Meeres.

Ununterbrochen hallte dieser Satz in ihrem Kopf wider, während sie, äußerlich vollends gelassen, durch die Straßen Arbanas schlenderte. Der Aufruhr von damals schien sich gänzlich gelegt zu haben, obgleich die Geschehnisse noch gar nicht so weit in der Vergangenheit lagen. Dennoch gab es keine Spur mehr von der Gefahr, in welcher diese Insel dereinst geschwebt hatte.

Jemand, der nichts davon wusste, würde niemals auf die Idee kommen, dass ihn auf eben diesem belebten Platz, den die junge Frau gerade erreichte, einmal das Klirren von Schwertern und Kampfeslärm erwartet hätten.

Jener Tag aber hatte sich unwiderruflich in Tashigis Gedächtnis gebrannt. Zu viel war in wenigen Stunden geschehen, als dass sie ihn einfach so aus ihren Erinnerungen hätte streichen können, was ihr, wenn sie ehrlich zu sich selbst war, um einiges lieber gewesen wäre.

Zögerlich schweifte ihr Blick über den Marktplatz, auf dem buntes Treiben herrschte. Der Duft von Ölen und Gewürzen aus allen Teilen der Welt kroch ihre Nase empor und lenkte ihre Gedanken für wenige Augenblicke in eine andere Richtung. Flüchtig freute sie sich für die Menschen, die hier wohnten und Handel betrieben, und keineswegs mehr um ihr Leben bangen mussten.

Ein Lächeln huschte über das Gesicht der Marinesoldatin.

Doch sogleich verdüsterte sich ihre Miene wieder. Damals hatte sie versagt und einsehen müssen, dass alleine der Wille, sich für die Gerechtigkeit einzusetzen, nicht ausreichte. Dass es nicht war wie in Kitschromanen, wo das Gute schlussendlich immer über das Böse obsiegte und dass das Leben der meisten Menschen trotzdem seinen gewohnten Lauf nahm. Niemand schien zu bemerken, dass es falsch war, was auf der Welt vor sich ging. Die Leute sahen einfach weg.

Die Erkenntnis, dass sie - wenngleich sie stets ihr Bestes gab - niemandem eine Hilfe gewesen war, hatte die junge Marinesoldatin getroffen wie ein Schwerthieb. Das Gefühl der hoffnungslosen Unterlegenheit kroch auch jetzt wieder in ihre Glieder, nistete sich in Tashigis Bewusstsein ein wie ein Vogel in der eigens für ihn gemachten Brutstatt und marterte sie.

Ja, sie war schwach und hatte deshalb versagt; das Böse hatte das Gute einmal mehr niedergerungen. Und auch wenn Sir Crocodile zu guter Letzt doch noch aufgehalten worden war, konnte die Marine lediglich offiziell behaupten, es sei ihr Verdienst gewesen. Nur wenige wussten, dass es einer Bande von Gesetzlosen zu verdanken war, dass nicht tausende von Menschen einen sinnlosen Tod gestorben waren; doch nur weil die meisten Menschen nicht davon in Kenntnis gesetzt wurden, änderte dies den Sachverhalt nicht.

Erniedrigend.

Es war erniedrigend, sich fragen zu müssen, weshalb Verbrecher andere Verbrecher unschädlich machten. Was hatten die Strohhüte nur davon gehabt? Und was zur Hölle hatte sie, Tashigi, dazu bewogen, die Piraten nicht festzunehmen, als sich eine einmalige Gelegenheit bot? Für sie gab es keinen Zweifel daran, dass die Mitglieder der Strohhutbande eigentlich nicht besser waren als diejenigen, die Alabasta einst ins Chaos gestürzt hatten. Irgendeinen Vorteil würden Monkey D. Ruffy und dessen Leute von ihrem Handeln schon gehabt haben.

Piraten waren gewiss alles mögliche, aber nicht selbstlos. Um das zu glauben, hätte Tashigi schon über die Maßen einfältig sein müssen.

Aber wieso hatte sie die Verbrecher dann laufen lassen?

Im Grunde wusste Tashigi, dass es einzig an den absurden Umständen gelegen hatte. So sehr sie auch darauf versessen war, Lorenor Zorro dingfest zu machen… zu jenem Zeitpunkt wäre es einfach nicht richtig gewesen. Sie ging sogar noch weiter in ihren Überlegungen, indem sie zu dem Schluss kam, dass es vollkommen inakzeptabel gewesen wäre, die Strohhutbande auf diese Weise zu überwältigen. Es wäre alles andere als ehrenhaft gewesen, über Schlafende herzufallen, die soeben unzähligen Menschen das Leben gerettet hatten; ganz gleich, was ihre Motive gewesen sein mochten.

Die Beweggründe von Kriminellen gingen sie in den meisten Fällen ohnehin nichts an. Sie selbst stand auf der Seite der Gerechtigkeit, Piraten keineswegs; das war es, was in ihrem Beruf von Bedeutung war, und daher gab es wichtigere Dinge, über die es nachzudenken galt. Doch dies allein war auch nicht das, was ihr so sehr zu schaffen machte.

Tashigi hielt inne und schaute sich um, als sie die Menschenmassen vor dem Palast bereits eine Weile hinter sich gelassen hatte.

Diesen Ort kannte sie. Eine Gasse, gebildet aus dicht aneinander gereihten Häusern, so wie die meisten Straßen in dieser Stadt. Von hier aus gab es einige Wege, zwischen denen ein Vorbeikommender wählen konnte. Einer von ihnen führte zum Grabmal der ehemaligen Könige Alabastas.

Tashigis Blick glitt zu der Stelle, an der sie gestanden und die Marine verhöhnt hatte.

Hier war es gewesen. Damals. Zum zweiten Mal innerhalb von kurzer Zeit war Tashigi vor Augen geführt worden, wie klein und unbedeutend sie doch war im Vergleich zu denen, die sie eigentlich unschädlich machen sollte. Dass sie nichts ausrichten konnte, wenn es darauf ankam. Sie war sich unendlich nutzlos vorgekommen. Deplaziert und überflüssig.

"Das ist ein gefährlicher Ort, um zu warten. Nicht wahr, Fräulein Marine?“

Deutlich hörte sie die ruhige, selbstgefällige Stimme jener Frau, die sie sogar noch mehr hasste als Lorenor Zorro, der ihr einstmals, noch vor dem Trubel auf Alabasta, den Gnadenstoß verwehrte, nachdem er sie besiegt und sie nur noch hatte sterben wollen.

Nico Robin und deren Boss hatten der jungen Frau einmal mehr gezeigt, dass die Welt nicht fair war. Jene Verbrecher hatten sie nicht einfach nur gedemütigt. Nein, sie waren Tashigi von vorneherein mit unverhohlenem Spott begegnet, der schnell in Hohn umgeschlagen war.

Die Farben um Tashigi herum schienen für einen Augenblick zu verblassen. Sie blinzelte, versuchte, die unerwünschten Erinnerungen zu verdrängen. Vergeblich. Vor ihrem geistigen Auge tauchte das Geschehen von damals auf.

Vor ihr stand Nico Robin, die König Kobra in ihrer Gewalt hatte. Und hinter Tashigi sie selbst und einige weitere Soldaten der Marine; bewaffnet, im Gegensatz zu der Frau, die sie betrachtete, als wären sie ausnahmslos nichts weiter als lästiges Ungeziefer, das zu zertreten nicht einmal die Mühe wert war.
 

"Das ist ein gefährlicher Ort um zu warten, nicht wahr, Fräulein Marine? Lasst uns durch, wir haben es eilig."

"Nein, niemals!“ Wie kam diese Frau eigentlich auf den grotesken Gedanken, die Marine würde sie hier einfach so vorbeispazieren lassen? "Das kommt überhaupt nicht in Frage! Wir haben von den Soldaten gehört, was hier auf Alabasta geschehen ist! Wissen Sie überhaupt, wer der Mann, den sie da bei sich haben, ist?“

"Huh“, machte die in Weiß Gekleidete und unwillkürlich fragte Tashigi sich, wie man so viel Verachtung in einen einzigen, kurzen Laut legen konnte. ,,Es ist unwichtig, wer er ist. Ich hasse die Regierung, die Marine, alle. Wenn ihr den Weg jetzt nicht frei macht, werdet ihr das bereuen.“

"Kommt nicht in Frage!“, wiederholte Tashigi aufgebracht. "Ich kann euch nicht durchlassen!“

"Wenn das so ist, werde ich euch allesamt töten müssen", verhieß die ihr unbekannte Frau. Die Sachlichkeit, mit der sie dies aussprach, kündete davon, wie viele Menschenleben diese Verbrecherin bereits auf dem Gewissen haben mochte. Für Tashigi gab es keinen Zweifel daran, dass diese Person hier und jetzt aufgehalten werden musste, bevor sie noch mehr Leuten schaden konnte.

"Ich bitte euch!“, setzte der König hastig an und lenkte damit alle Aufmerksamkeit auf sich. Der Tonfall, in dem er sprach, machte deutlich, dass er etwas Bedeutungsschweres zu sagen hatte; etwas, das ihn offenbar stark beunruhigte. "Was mit mir geschieht, ist unwichtig! Ihr habt etwas viel Wichtigeres zu erledigen... auf dem Platz vor dem Palast soll um halb fünf eine Bombe hochgehen! Ihr müsst das unter allen Umständen verhindern!“

"Wie bitte? Was sagt Ihr da?!" Die Ereignisse schienen sich zu überschlagen. Was war hier nur los? Rasch warf sie einen Blick auf die Taschenuhr, die sie zumeist bei sich trug. "Noch sieben Minuten…“, stellte sie so leise fest, dass es vermutlich nur sie selbst hören konnte. Was sollte sie jetzt tun? Eine Bombe…

Die Stimme des Königs riss sie aus dem soeben begonnenen Grübeln. "In der Nähe des Platzes befinden sich ungefähr eine Millionen Menschen!“

"Aber…“, murmelte sie. Eher unbewusst streifte ihr Blick die Unbekannte an Kobras Seite, die seelenruhig abzuwarten schien. Wer auch immer sie sein mochte, sie gehörte zu Sir Crocodile. Unter keinen Umständen könnte die Marine es verantworten, den König in der Gewalt dieser Person zu belassen. Doch es war unleugbar der falsche Zeitpunkt für einen inneren Konflikt. Nun gut, es blieb ohnehin nur eine Möglichkeit, die vertretbar wäre.

"Wir befreien Euch und verhindern dann, dass die Bombe gezündet wird!“, verkündete sie daher entschlossen.

"Halt, wartet! Diese Frau ist-“

Hatte der König das tatsächlich gesagt, oder spielte ihr Gedächtnis Tashigi einen Streich? Damals jedenfalls hatte sie keine Notiz von diesen Worten genommen.

"Achtung…“ Sie zog ihr Katana. Auch die übrigen anwesenden Marinesoldaten, die ihr unterstellt waren, legten die Waffen an.

"Mach’ ja keinen Ärger.“ Die Augen ihres Gegenübers nahmen einen Ausdruck an, der Tashigi Unbehagen bereitete. Und dann… "Trente Fleur. Würgegriff!“

Die Schwertkämpferin fuhr herum. ,,Sie hat Teufelskräfte!“, rief sie aus, sobald sie gewahrte, dass sich Arme von hinten an die Kehlen der Bewaffneten gelegt hatten und ihnen ganz offensichtlich die Luft abschnürten. Ihre Leute rangen nach Atem.

"Ich habe dir doch gesagt, dass wir es eilig haben, nicht wahr? Reiz mich nicht weiter."

"Leutnant Tashigi, diese Frau dort ist Nico Robin!“, meldete sich plötzlich die Stimme eines ihrer Männer zu Wort. Sie blickte über die Schulter. Nico Robin… der Name sagte ihr etwas. Aber woher kannte sie ihn? "Hundertprozentig. Käpt’n Smoker hat mir befohlen die Steckbriefe durchzusehen; ich erkenne sie wieder – sie hat sich kaum verändert.

Diese Person ist vor zwanzig Jahren überall gesucht worden; die Zeitungen war’n voll von ihren Bildern. Ich kann mich noch ganz genau an die Artikel erinnern.

Sie hat als Achtjährige bereits mehrere Kriegsschiffe versenkt! Kein Mensch konnte das damals glauben. Die Regierung hat sie zum Staatsfeind Nummereins erklärt … und es waren 79.000.000 Millionen Berry auf ihren Kopf ausgesetzt! Aber dann verschwand sie ohne jede Spur…“

"Hör auf mit dem Geplapper!“ Unmerklich zuckte Tashigi zusammen. Aus irgendeinem Grund wohnte der Stimme der Frau, welche also die berüchtigte Nico Robin war, nun etwas inne, das Tashigi unmissverständlich mitteilte, dass diese Frau nicht mehr weit davon entfernt war, ihre Drohung wahr zu machen. Die anfängliche Gelassenheit der Verbrecherin war Zorn gewichen. ,,Lasst ihr mich nun passieren? Oder wollt ihr alle sterben? Was wird es sein?!“

Es machte wohl wirklich keinen Sinn, jetzt mit ihr zu kämpfen. Die Tatsache, dass sie sich in der Überzahl befanden, schien vollkommen bedeutungslos. Trotzdem… sie durfte die Kriminelle nicht weitergehen lassen, solange diese König Kobra in ihrer Gewalt hate.

"Ihr geht zum Palast!“, rief Tashigi ihren Leuten zu. ,,Versucht unter allen Umständen, die Explosion zu verhindern!“

"Aber, Leutnant Tashigi…“

"Beeilt euch!“, unterbrach sie den Mann, der ihr mit Sicherheit zu bedenken geben wollte, dass ihr Vorhaben an Selbstmord grenzte. Doch er sollte auch wissen, dass es ihr egal war. Sie konnte es nicht verantworten, diese Person das Fortsetzen ihres Weges zu gestatten. "Uns bleiben noch sechs Minuten!“

Aus dem Augenwinkel nahm Tashigi wahr, dass der Mann salutierte. "Aye, aye, Ma'am.“

Damit wandte er sich um und stürzte davon, in Richtung des Platzes, auf dem sich nach der Aussage des Königs die Bombe befinden musste. Die übrigen Soldaten folgten ihm.

Tashigi sah ihnen eine Weile nach, ohne dabei das Mitglied der Baroque-Firma aus den Augen zu lassen. Sobald ihre Männer außer Sichtweite waren, ging die Schwertkämpferin in Kampfposition. Ihre Hände schlossen sich fest um den Griff des Katana. "Und jetzt… lässt du ihn sofort laufen.“

"Geh aus dem Weg, habe ich gesagt.“ Noch bevor der eisige Unterton ihr einen Schauer über den Rücken jagen konnte, befand Tashigi sich schon fest in Nico Robins Griff; das eigene Schwert an der Kehle. Vor Überraschung und der in ihr aufkommenden Furcht gleichermaßen, weiteten sich ihre Augen.

Doch anstatt sie zu töten, schleuderte Nico Robin sie unsanft zu Boden. Auch jeder weitere Versuch seitens Tashigi, die Frau aufzuhalten, führte zu diesem Ergebnis; schließlich zerrte ein wie aus dem Nichts aufgetauchtes Knäuel Hände Tashigis rechtes Bein auf den Boden, was ihr das erneute Aufstehen unmöglich machte; zumal sie sich nicht sicher war, ob sie in diesem Zustand überhaupt hätte aufstehen können, selbst wenn die Teufelskräfte ihrer Gegnerin sie nicht daran gehindert hätten.

Ohne ihr auch nur einen weiteren Blick zu schenken, schickte Nico Robin sich an, ihren Weg fortzusetzen. Tashigi fragte sich für die Dauer eines Herzschlags, ob sie wirklich so kläglich und unbedeutend war, dass nicht nur ein Mann, der sie aufgrund ihres Geschlechts nicht ernst nahm, es für unnötig erachtete, sie zu töten. Doch gleich, für wie harmlos diese Verbrecherin sie hielt, Tashigi würde den König nicht seinem Schicksal überlassen.

Sie nahm ihre ganze Kraft zusammen und schloss ihre Hand um den Fußknöchel der Frau. Doch sie schaffte es nicht einmal mehr, den Versuch zu starten, Nico Robin auf diese Weise zu Fall zu bringen.

"Ich lasse… dich nicht gehen…“, war alles, was sie noch mühsam hervorbrachte. Nico Robin hielt inne. Nicht einmal mehr das Gesicht der Frau vermochte sie zu sehen, denn weder konnte sie den Kopf heben noch nach ihrer Brille greifen, die irgendwo hier liegen musste.

"Wie oft willst du es noch versuchen, bevor du endlich zufrieden bist?“ Die Stimme der Kriminellen ließ darauf schließen, dass sie kurz davor war, endgültig die Geduld zu verlieren. Möglicherweise würde Tashigi also doch noch durch ihre Hand sterben. Immerhin. Vielleicht würde man ihr mehr Bedeutung beimessen ,wenn sie im Dienst starb. Trotzdem hätte sie ihren Traum, jene legendären Schwerter zu sammeln, die sich in falschen Händen befanden, gerne wahr gemacht. Das musste auch der Grund sein, weshalb plötzlich das Bild von Lorenor Zorro in ihrem Kopf auftauchte.

Doch dann machte Nico Robin, entgegen Tashigis Erwartungen, ihren Fuß lediglich aus der Umklammerung los – eine Bewegung, als wolle sie Ungeziefer abschütteln - und schritt an der am Boden liegenden vorbei, ohne sie auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen. Ganz offensichtlich wusste diese Verbrecherin nur zu gut, wie man seine Feinde demütigte.

"Ich werde dich kriegen… Nico Robin…“, wisperte Tashigi, wenngleich die Frau sie längst nicht mehr hören konnte.

Nico Robin entfernte sich aus ihrem Blickfeld und Tashigis Körper rebellierte, nachdem sie ihr einige Meter auf allen Vieren nachgerobbt war. Vor der Marinesoldatin lagen die Männer, die infolge des unerwarteten Würgegriffs das Bewusstsein verloren hatten. Oder waren sie tot?

Tashigi hustete gerade, als hinter ihr plötzlich ein verächtlicher Laut zu hören war. Abrupt riss sie den Kopf herum und blickte in das verschwommene Gesicht eines dünkelhaft grinsenden Mannes.

"Croco…dile!“, presste sie mühsam hervor, unfähig aufzustehen. Sie brauchte keine Brille, um sich seine selbstgerechte Miene vorstellen zu können. Wirklich erniedrigend. So begegnete sie also dem Mann, hinter dem sie ursprünglich her gewesen waren. Sie lag am Boden und schaffte es nicht einmal, ihr Schwert ausfindig zu machen, während der Gesetzesbrecher gar nicht zufriedener auf sie hätte wirken können.

"Sieht aus, als wäre diese Frau euch begegnet“, sagte er, scheinbar mehr zu sich selbst. "Wer hätte gedacht, dass die Marine mich bis in diese Stadt verfolgen würde?

Was ist eigentlich mit deinem Boss? Hat dieser Smokey den Schwanz eingezogen und ist gerannt?“ Tashigi dachte an den Mann, den sie bewunderte, seit sie denken konnte, und bebte innerlich vor Zorn. Wie kam dieser Verbrecher dazu, so von Kapitän Smoker zu sprechen? Wut mischte sich mit Verzweiflung, denn sie wusste, dass Crocodile nicht aufhalten konnte. Genauso wenig wie sie Nico Robin hatte stoppen können. "Hunde, die fortlaufen um ihre Wunden zu lecken, haben nicht das Recht, von Gerechtigkeit zu sprechen. Das ist eine Regel dieses Meeres.

Also warum geht ihr nicht zurück zu eurem Marinehauptquartier und diskutiert eure Gerechtigkeit stattdessen wieder mal ein wenig?“

Auch Crocodile stolzierte an ihr Vorbei, ohne sie weiter zu beachten. Noch eine Weile hallte das höhnische Lachen in ihren Ohren wider.

Crocodile…

Es dauerte eine Weile, bis es ihr endlich wieder gelang, ihren Körper dazu zu bewegen, ihr zu gehorchen. Doch schließlich streckte sie die Hand nach Shigure aus und umschloss mit dieser fest den Schwertgriff. Physisch gesehen war es ein Ding der Unmöglichkeit für sie, in der nächsten halben Stunde überhaupt jemanden zu verfolgen. Ihr Katana gab ihr zumindest seelisch die nötige Kraft, sich langsam aufzurichten.

Doch sobald sie den Blick hob, stand eine weitere Person vor ihr. Verdammt, was war hier heute nur los? Reflexartig hob sie das Schwert, als sie erkannte, wen sie da vor sich hatte. "Strohhut!“ Die Spitze ihrer Waffe richtete sie auf den Jungen, auch wenn es unschwer zu erkennen sein dürfte, dass sie in ihrem momentanen Zustand kaum gebrauch davon machen könnte.

Monkey D. Ruffy schenkte dieser Geste in der Tat noch weniger Beachtung als zuvor Nico Robin.

Stattdessen fragte er: "Welchen Weg hat er genommen… das Krokodil?!“

Leicht perplex starrte Tashigi ihn nun an. Bedeuteten diese Worte tatsächlich, dass er hinter Crocodile her war? Zumindest klang es nicht so, als würde der junge Pirat diesem Mann übermäßig viel Sympathie entgegen bringen. Aber konnte sie, ein Marineleutnant, so ohne Weiteres einem gesuchten Verbrecher helfen, nur weil die geringe Chance bestand, dass sie dieses eine Mal den selben Feind hatten?

Kurz schweiften ihre Gedanken zu dem Patz, auf dem die Rebellen gegen die Soldaten des Königs kämpften. Dort würde eine Bombe gezündet werden, wenn es niemand verhinderte. Eine Millionen Menschen, die im Grunde keine Schuld an der Situation trugen, in die sie alle geraten waren, würden in wenigen Minuten den Tod finden, verhinderte es niemand.

Ob ihre Leute die Bombe inzwischen wohl schon hatten? Wie viel Zeit blieb ihnen noch, um sie zu entschärfen? Oder versuchten sie, die Menschen zu evakuieren? Doch dies wäre, so wie die Sache sich momentan verhielt, wahrscheinlich ein Ding der Unmöglichkeit.

Hunde, die weglaufen, um ihre Wunden zu lecken, haben nicht das Recht, von Gerechtigkeit zu sprechen. Das ist eine Regel dieses Meeres.

Sie konnte nichts mehr tun; nur noch abwarten. Aber es wäre falsch, einem Piraten zu helfen. Vollkommen falsch.

Oder?

"Sag es mir! Wo ist das Krokodil hin?!“

Tief, aber unmerklich, atmete Tashigi ein. Ihre leicht zitternde Hand, in der sie das Katana hielt, senkte sich kaum wahrnehmbar. Die Entschlossenheit des Strohhutjungen war die einzige verbleibende Hoffnung, Crocodile aufzuhalten. Sie selbst hatte kein Recht mehr, in dieser Sache über ihn zu urteilen, denn sie hatte jämmerlich versagt. Nach kurzem Zaudern ließ sie das Schwert zur Gänze sinken und schließlich kraftlos zu Boden fallen. Dann hob sie den Arm erneut. Die ausgestreckte Hand zeigte in die Richtung, in welche sowohl Nico Robin als auch Sir Crocodile verschwunden waren.

"Dort entlang. In Richtung des Grabmals“, sagte sie und war insgeheim erstaunt über die Festigkeit ihrer eigenen Stimme.

"Da lang?“, wiederholte der Pirat die unausgesprochene, aber offensichtliche, Antwort auf die von ihm gestellte Frage und folgte mit den Augen ihrer Armbewegung. "Danke!“

Sobald er fort war, streifte Tashigis Blick aus den Augenwinkeln die im Dreck liegenden Marinemitglieder. Auch ihre Brille und – was ihr unwillkürlich einen Stich ins Herz versetzte – ihr geliebtes Shigure.

"Welche Gerechtigkeit?!", fragte sie sich laut und indem sie mehr oder minder erfolgreich Tränen zurückhielt, sobald sie sich Sir Crocodiles Worte in Erinnerung riefen.

Tashigis Körper bebte, als sie die Hände in den Sand krallte und den Kopf in ihrer Verzweiflung heftig auf den sandigen Boden schlug. So verharrte sie reglos. Das Gefühl der Machtlosigkeit, das sie in den vergangenen Minuten immer wieder überkommen hatte, kehrte erneut zurück, legte sich wie Blei in ihren Magen und brachte sie beinahe zum erbrechen.

Heute hatte es, wie so oft in letzter Zeit, keine Spur von Gerechtigkeit gegeben. Alles, wofür sie stand, schien ihr mit einem Mal ebenso bedeutungslos wie sie selbst.

War die Tatsache, dass sie eine Frau war, wirklich der einzige Grund für ihre Unfähigkeit? Oder existierte das Wort Gerechtigkeit so überhaupt nicht mehr?

Natürlich existiert Gerechtigkeit, dachte sie und hasste sich nur noch mehr dafür, dass sie so sehr in Selbstmitleid versank. Gerechtigkeit war nichts Greifbares, nichts, das man hätte anfassen können; dennoch gab es sie. Man konnte sie sehen, an den unterschiedlichsten Orten, wenn man nur wusste, dass sie da war.

Trotzdem.

Tashigi hatte getan, was sie konnte. Genutzt hatte es niemandem etwas. Dabei hatte sie doch ihr Bestes gegeben. Reichte das denn nicht?

Was nur war die Ursache für ihr ständiges Versagen, immer genau dann, wenn es darauf ankam? Lag es an ihr?

Sie konnte sich so viele derartige Fragen stellen, wie sie wollte. Sie wieder und wieder durchgehen. Antworten fand die junge Frau keine einzige.

Es war einfach nicht fair.
 

Ein weiteres Mal schloss Tashigi die Augen, um die störenden Gedanken abzuschütteln; dieses Mal mit mehr erfolg. Nur das Gefühl der Leere blieb zurück.

Sie wusste, tief in ihrem Inneren, dass der Kampf für Gerechtigkeit nicht sinnlos und schon gar nicht falsch war. Seit damals hatte sie es sich schon mehrere Male selbst bewiesen. Zumeist hatte es sich nur um kleine Fische gehandelt, mit denen sie es seither zu tun bekommen hatte; aber ganz gleich, wie stark oder schwach die Verbrecher gewesen waren, die ihr in den letzten Wochen über den Weg gelaufen waren, sie hatte Menschen damit geholfen, als sie die Banditen unschädlich gemacht hatte.

Flüchtig schmunzelte sie, nachdem ihre Schritte sie erneut auf den Marktplatz trugen. Die Hauptsache war doch, dass es den Leuten hier wieder gut ging. Um sich dessen zu vergewissern, war sie hergekommen. Zumindest glaubte sie das.

Ein kurzer Landurlaub zu dem Zweck, sicherstellen zu können, dass sie die Unruhen in Alabasta wieder gelegt hatten.

Und dennoch…

Sie hatte die Versprechen nicht vergessen, die einzuhalten sie sich selbst schuldig war.

Irgendwo liefen unbehelligt zwei Kriminelle herum, die sie aus persönlichen Gründen bis ans Ende der Welt jagen würde, wenn es sein musste. Eine kaltblütige Mörderin und ein ehrloser Schwertkämpfer mit gleich mehreren Katana, die ihm aufgrund der Tatsache, dass er ein Pirat war, nicht zustanden.

Nico Robin und Lorenor Zorro.

Früher oder später würde sie einem der Beiden wieder begegnen. Und dann wäre Versagen gar keine Option mehr.

Sie würde für ihre Ideale kämpfen und siegen, denn Gerechtigkeit existierte.
 


 

_________

So; das hier ist ein erster Versuch. Hach, ich sollte endlich mal meine Schreibkrise überwinden.

Der Rückblick ist übrigens geprägt von den deutschen und englischen Texten der Charakter sowie der Tonlage, in der sie im Japanischen gesprochen haben und meinem persönlichen Eindruck von ihren Gefühlen.

Ich hoffe, es ist mir einigermaßen gelungen.

Möglicherweise bleibt das erste Kapitel so, aber wie ich mich kenne, werde ich es noch um die fünfzig Mal überarbeiten. ;P

Konstruktive Kritik ist daher sehr erwünscht.

Nun ja, kurz gesagt:

Danke für's lesen und etwaige Kommentare. ^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von: abgemeldet
2006-10-24T15:54:29+00:00 24.10.2006 17:54
Hab nun mal das 1. Kapitel gelesen und es ist wirklich super geschrieben. Tashigi hast du wirklich genau getroffen. Und sonst auch alles gut ausformuliert.
Ich werd jedenfalls an der FF dran bleiben :)
Von: abgemeldet
2006-09-16T19:12:53+00:00 16.09.2006 21:12
Du hast nen super Stil und die Rückblende ist auch fehlerfrei... Mit ner Rückblende anzufangen ist auch ne Idee... =) Und die Ausdrücke solltest du vielleicht behalten...
MAch weiter so...
Von: Moehre-chan
2006-08-14T20:05:34+00:00 14.08.2006 22:05
Ich mag diese FF.Respekt,dass du sowas schreibst ^^ Nicht jeder hat Geduld,sowas zu schreiben.Meist sind es Lovestories,aber du hast dir einen Schwerpunkt auf die Sicht von Tashigi gesetzt.Super!
Von: Moehre-chan
2006-08-10T17:13:40+00:00 10.08.2006 19:13
Ich werde die FF auf jeden Fall lesen ^^
Ich find es toll,ein weiteres Mitglied im klünen Zorro-Tashgi-Fanclub auf Animexx begrüßen zu dürfen ^^
Von: Moehre-chan
2006-08-10T17:13:34+00:00 10.08.2006 19:13
Ich werde die FF auf jeden Fall lesen ^^
Ich find es toll,ein weiteres Mitglied im klünen Zorro-Tashgi-Fanclub auf Animexx begrüßen zu dürfen ^^
Von:  Minerva
2006-08-10T16:31:44+00:00 10.08.2006 18:31
waw! Du bist genial und schon diese Gedankengänge einfach supi! Wirklich genial! Wenn du wieder ein neues kapitel hast, sagst mir Bescheid ich kann es kaum erwarten die Fortzetzung zu lesen^^ nochmals Lob!
deine Hexe


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