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Unkaputtbar

Kapitel 23: Nachdenken
von

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Kann es sein, dass...

Kann es sein dass... immer alles, was schief gehen kann, auch schief geht?

Das alle Teilchen im Universum das größtmögliche Chaos anstreben, da es nicht in der Natur der Sache liegt, das irgend etwas eine Ordnung hat?

Das würde bedeuten, das der Mensch das einzige auf dieser Welt ist, was versucht die Dinge zu ordnen, weil er sonst nicht dazu fähig ist sich zurecht zu finden.
 

Das Chaos ist also allgegenwärtig. Und schon Mc Murphy hat vorhergesagt, das man sich immer an der falschen Schlange anstellen wird.

Wenn ich also beim Einkaufen bin, und mich an die mir kürzer erscheinende Schlange anstelle dann tue ich das, weil ich Zeit einsparen möchte.

Aber Mc Murphy sagt, das es an dieser Schlange auf einmal schlagartig langsamer vorangehen wird, und du dich verfluchst, warum du denn nicht die

andere Schlange genommen hast. Und er wird Recht haben.
 

Wenn ich also in so einer Schlange stehe, dann frage ich mich unweigerlich,

wieso dieses Gesetz nicht auf diese Menschen zutrifft, die sich anscheinend 'richtig' angestellt haben. Machen sie etwas anders?

Oder gilt für sie dieses Gesetz des Chaoses nicht, da sie nicht zu der 'Welt' gehören, in der ich lebe.

Der Mensch ist ja bekannlich ein Egoist. Und da diese Leute nichts mit mir zu tun haben, gehören sie einfach nicht dazu.
 

Jeder Mensch lebt also in seiner eigenen kleinen Welt.

Wer diese Welt betritt und wer nicht, das können wir manchmal nicht selber entscheiden.

Es gibt auch Menschen, die versuchen einen Schutzwall um sich zu errichten, damit sie niemand betreten kann.
 

Diese Welt ist unser Leben, mit allem was dazu gehört. Manche Welten sind schön und glanzvoll, in anderen herrschen triste Farben vor.
 

Da es so viele Welten gibt, da jeder Mensch eine hat, und es so viele Überschneidungen gibt, vermischen sich die Farben oft.

Und so kann aus einem dunklen grau auch ganz langsam ein helles grün entstehen.
 

Warum ist soetwas vor so einer Geschichte wichtig?
 

Damit ihr versteht, das auch diese Menschen über die ich schreiben will in einer eigenen Welt leben. Ich will euch vom vermischen vieler Farben erzählen und versuchen es so zu beschreiben, das ihr das leuchtende Ergebnis geradezu bildlich vor euch seht.
 

Beginnen wird es mit einer Farbe, so schwarz wie die Nacht...
 

304

Der Schwarzhaarige ging langsam die Stufen des kleinen Wohnblocks nach oben, und mit jedem Schritt hatte er das Gefühl, dass seine Beine mit tonnenschwerem Blei gefüllt waren.

Sein Kommen wurde durch das protestierende Quietschen der morschen Stufen -und das bei seinem wirklich geringen Gewicht- angekündigt.

Von den trist-grauen Wänden, auf denen sich schon viele vermeindliche Bewohner verewigt hatten, bröckelte der Putz. Im Treppenhaus war es angenehm kühl, allerdings sorgte der penetrante Geruch nach einer Mischung aus Moder, Verwesung und Urin dafür, das sich niemand hier freiwillig länger als nötig aufhielt um vielleicht Schutz vor der sommerlichen Hitze zu suchen.

Diese Treppe, auf der er gerade lief, führte zu der Wohnung, in der er mit seiner Familie lebte. Zu seinem Zuhause.

Auch wenn es ihm wiederstrebte es so zu nennen. Und das, seitdem seine Mutter sie verlassen hatte.
 

Ein zufälliger Beobachter (oder aufmerksamer Leser) würde nun aus all dem schließen, dass dieser schmächtig anmutende Junge nicht gerne ‚zuhause’ war. – Und er hätte Recht.

Er überwand die letzten Stufen und blieb schließlich vor einer Tür stehen, die genauso wie der Rest des Hauses alt und verfallen aussah. Die rote Farbe war schon längst abgeblättert und ließ die sowieso durch die Zeit etwas blasser gewordene Nummer nurnoch erahnen. >304< ... er zögerte.
 

Er wollte nicht hier sein. Er wollte nicht in diese kleine, verdreckte Wohnung gehen.

Der Unzug vor etwas mehr als einem halben Jahr hatte daran auch nichts geändert. Und wenn er damals noch gedacht hätte, dass es nicht schlimmer kommen konnte, so würde er jetzt liebend gerne die Gelegenheit nutzen und diese Vorstellung revidieren.

Nach unten ging es immer.
 

Und so nehmen die Tage ihren gewohnten Gang. Die Zustände hatten sich kontinuierlich verschlechtert - und taten es noch immer.

Seine anfängliche Hoffnung ‚neue Stadt, neues Glück?!’ , wurde ihm schon am ersten Tag zerschlagen.

In der Schule ignorierte oder moppte man ihn meistens, wobei ihm ersteres noch lieber war.

Er mochte auch ihre Fragen nicht. Er mochte ihre Blicke nicht.

Und so versuchte er weiterhin die Tage irgendwie alleine totzuschlagen – nur nicht hier, an diesem Ort sein. Hierher musste er immer noch früh genug.

Und hinter dieser Tür war ER. Und ER war wütend, das wusste der Junge. Denn er war zu spät.
 

Er seufzte. Wie immer hatte er mal wieder etwas falsch gemacht und musste nun auf seine Bestrafung warten.

Schon oft hatte er die Chance gehabt abzuhauen. Einfach zu verschwinden und den ganzen Dreck hier hinter sich zu lassen.
 

Sie bot sich ihm jeden Tag.
 

Und trotzdem kehrte er immerwieder an diesen Ort zurück und ließ alles über sich ergehen. Er hatte sich mit seinem, seiner Meinung nach, unausweichlichem Schicksal abgefunden.

Dabei war er wie immer in der Opferrolle.
 

Menschen waren überall gleich. Und so sehr er es auch versuchen würde, er konnte sich doch nicht vor ihnen verstecken.

Auf der Schule gab es nur einen Menschen der normal mit ihm umging.

Aber selbst die Sympatie zu diesem Menschen drohte zu verschwinden, wenn er daran dachte das es auch bei ihm wahrscheinlich nur geheucheltes Mitleid war, was er aber meistens, zumindest bei ihm, zu verdrängen versuchte.
 

Er seufzte erneut als er realisierte das er schonwieder träumte und immernoch vor der geschlossenen Tür stand.

Träume waren etwas wunderbares. Man konnte sich mit ihnen vor der Realität verkriechen.

Der Realität, die ihn nun unweigerlich in wenigen Sekunden wieder einholen würde.
 

Vielleicht war ER ja garnicht da?

So leise es ging drehte er den Schlüssel im Schloss und öffnete die Tür. Schon vom Flur aus nahm er das Flimmern des Fernsehers war.

Hoffen durfte man ja noch – auch wenn sich diese Hoffnung nicht bestätigt hatte.
 

Schnell schlüpfte er aus seinen Schuhen und huschte mit eingezogenem Kopf zu seinem Zimmer. Wenn er ihn nicht bemerken würde, dann...

„TOSHIMASA!!!“ , donnerte es aus dem Wohnzimmer.

Er erstarrte und drehte sich langsam zu dem Mann um, der nun mit wutverzerrten Gesicht auf ihn zuwankte. Eine Fahne schlug ihm entgegen.

Instinktiv wich er ein paar Schritte zurück, und noch bevor er überhaupt richtig nachgedacht hatte, drehte er sich um und stürmte in sein Zimmer.
 

Er verschloss die Tür und ließ sich mit klopfendem Herzen an ihr herunterrutschen.

„Toshimasa“, drang die rauhe Stimme nun leise und bedrohlich durch das dünne Holz, „Hanami ist in der Küche!“
 

In ihm verkrampfte sich alles. Hektisch sah er sich um, konnte sie aber tatzächlich nirgendwo entdecken.

„Drecksack“, dachte er sich, während er langsam aufstand und die Tür öffnete.

Er hatte den Kopf gesenkt als er aus dem Zimmer trat, konnte aber trotzdem das Grinsen seines Erzeugers geradezu spüren.

„Du bist so ein erbärmliches Stück Scheiße!“, sagte dieser leise. Dann schrie er wieder: „DU BIST ZU SPÄT!“
 

>WUMMS<
 

Der Junge taumelte von der Wucht des Schlages zur Seite.
 

Noch ein Schlag.
 

Und noch einer.
 

Er ließ die Protzedur still über sich ergehen. Nur ab und an entwich ihm ein schmerzerfüllte Stöhnen.

Er rutschte langsam an der Wand herunter und als er schließlich nach Luft ringend auf dem Boden lag und zusätzlich noch ein paar Tritte kassiert hatte, verlor sein Vater wohl das Interesse an ihm.

Oder ihm war einfach entfallen, wie er ihn als nächstes quälen wollte, was in so einem stark alkoholisierten Zustand ja mal passieren konnte, und so machte er sich zurück auf den Weg zum Sofa.

Dabei stütze er sich mit einer Hand an der Wand ab, an der die Tapete in Fetzten herunterhing.

Außerdem war das einstige Weiß schon einem dreckigen Gelb gewichen.
 

Das lag wohl weniger am Alter der eigentlich dekorativen Papiertstreifen, als an den Exzeessen des Hausherren der mal wieder einen über den Durst getrunken hatte, oder seinen Sohn für irgend etwas ‚bestrafen’ wollte.

So schlimm sah die Wohnung nämlich nichtmal aus, bevor sie eingezogen waren.
 

Er rümpfte ein wenig die Nase als er feststellte das sich diese soeben in einen Haufen aus alten Sachen und abgetragenen Unterhosen drückte.

Vorsichtig rappelte er sich wieder auf.

Er brauchte keinen Spiegel um zu wissen wie scheiße er aussah.

Er konnte spüren, wie das Blut aus seiner Nase quoll, kümmerte sich aber erstmal nicht weiter darum.

Er ging in die Küche.
 

Als er den Raum mit den einst grünen, nun dank dem Dreck bräunlich gewordenen Fließen betrat, sahen ihm zwei große mandelförmige Augen erwartungsvoll entgegen.

Das kleine Mädchen sprang, als sie ihn erkannte, sofort auf, und lief freudestrahlend zu ihm.

„Toshiya, du bist wieder da!“, plapperte sie los. „Ich hab auf dich gewartet. Schau mal, was ich für dich gemalt habe!“ und sie wedelte mit einem bunt beschmierten Blatt Papier vor ihm rum.
 

Toshiya schloss sie lächelnd in die Arme, auch wenn sein Körper diese Handlung mit einem stechenden Schmerz quittierte. „Heute war wieder dieser tolle Junge da, den musst du auch mal kennen lernen!“

Damit meinte sie wohl diesen einen Aushilfskindergärtner, der den Nachmittagshort betreute und von dem sie in letzter Zeit sehr viel erzählte.

Er löste sich von ihr und stand auf, um sich nun endlich einen nassen Lappen auf die Stirn zu legen. Dann setzte er sich auf einen der Stühle die hier standen und lehnte zurück.

Ursprünglich waren es mal 4 gewesen.

An den 4. Stuhl erinnerten jetzt nurnoch ein paar Holzsplitter auf dem Boden und einige Narben auf seinem Rücken.

Hanami sah ihn mit ihren großen unschuldigen Kinderaugen an.

„Hat Papa dir weh getan?“

Er rang sich zu einem verzerrten Lächeln durch.

„Nein, Papa würde mir doch niemals weh tun!“

„Aber es war so laut, und er hat geschrien...“

Toshiya schüttelte müde den Kopf und sah sie liebevoll an.

„Er hatte bestimmt einen anstrendenden Tag hinter sich. Außerdem bin ich doch zu spät gekommen.

Du weißt doch, das Papa uns niemals etwas tun würde, er hat uns doch ganz doll lieb!“, sagte er leise.

‚LÜGE!’, schrie alles in ihm und er verkrampfte sich.

‚Zumindest sollte das so sein’, dachte er bitter.

„Na komm, wir gehen ins Zimmer.“
 

Freudig hoppste sie aus der Küche. Er folgte ihr langsam. Als er an der Stube vorbeiging, hörte er es wieder grummeln.

„komm her!“ – er gehorchte.
 

Das Zittern welches ihn ergreifen wollte ignorierend stellte er sich neben den Sessel in dem der Mann saß, den er auf dieser Welt am meisten hasste und verachtete.

Bei dem Schlag der folgte, verlor er das Gleichgewicht und fiel krachend mit dem Rücken auf den Boden, wo er erstmal kurz liegenbleiben musste, da eine leichte Schwärze nach ihm griff und er Probleme damit hatte wieder genügend Luft in seine Lungen zu pumpen.
 

„Dafür, das du du so schamlos lügst!“, zischte er leise, ohne seinen Blick noch einmal vom Bildschirm abzuwenden.

Toshiya schluckte die aufkommenden Tränen nach unten und legte schnell die letzten Schritte zu seinem Zimmer zurück.

Als er die Tür hinter sich verschloss und den Blick hob, sah er seine kleine Schwester schon im Schlafanzug auf dem Bett sitzen.

„Ja, gehen wir schlafen!“, antwortete er leise auf die ungestellte Frage.
 

Vorsichtig zog er den alten Pullover aus, entblößte damit seinen geschundenen Oberkörper.

Schnell schlüpfte er in seine Schlafsachen und lagte sich zu Hanami ins Bett, die sich auch gleich an ihn kuschelte.

Wieder seufzte er.

Zuminest waren es heute nur Schläge. Sanft streichelte er durch Hanamis weiches Haar, während sich eine einzelne Träne aus seinen Augen stahl.

SIE war der Grund, warum er immerwieder hierher zurückkehren würde. Für sie wollte er die Illusion einer heilen Welt so gut es ging aufrecht erhalten. Solange sie noch an das Leben glaubte, hatte er einen Grund weiterzumachen.

Der neue Mitbewohner

„Wie bitte? Diese Ratte soll bei MIR wohnen?“, fragte er entrüstet und schaute angeekelt auf das kleine Wesen in den Armen seines Gegenübers.
 

„Ja, wir denken das ein Hund sehr nützlich sein könnte und viele Vorteile bringt.“

„Und was sollen das bitte für Vorteile sein?“, fragte er verächtlich und verschränkte die Arme um seiner Abneigung noch mehr Ausdruck zu verleihen.
 

„Naja, erstmal macht der Besitz eines Hundes auf andere Leute schonmal einen sympatischen Eindruck, womit du unauffälliger wirst. Und außerdem ist es auch gesund mal öfter rauszugehen.“
 

„Also erstens: Ich will garkeinen Kontakt zu irgendwelchen Leuten die die so einen grausamen Geschmack haben und diese Mischung aus Minischwein, Affe und Hausratte ästhetisch ansprechend finden

und außerdem bin ich auch von alleine genug an der frischen Luft, ohne das so ein verkrüppelter Staubwedel vor mir hereiert.

Am Ende schleudert der noch seine Flöhe in meiner Wohnung breit!“, konterte er.
 

„Na schön, dann wird dich eben die Tatsache das es eine Anordnung von oben ist überzeugen müssen, da Miyu mit einem Chip ausgestattet ist der uns immer seine Position und andere interessante Daten übermittelt.“
 

-„Was ist >Miyu<?“
 

„Der Hund“
 

-„Sowas hat einen Namen?“
 

„Ja, und du solltest dich möglichst schnell daran gewöhnen, da sie von heute an bei dir leben wird!“
 

Er stöhnte auf. „Bitte...“
 

-„Nein, Shinya. Das ist ein Befehl!“

Kampfzwerg ahoi!

Kaoru lehnte lässig an der Mauer und betrachtete die Scharen mehr oder weniger wissensdurstiger Schüler, die sich langsam durchs Schultor schoben.

Er hatte mal wieder die ehrenvolle Aufgabe bekommen einen neuen Schüler begrüßen und einweisen zu dürfen.

Sein Blick blieb schließlich an einer relativ kleinen Gestalt hängen, die er hier zumindest noch nicht bewusst gesehen hatte.
 

Er löste sich von seiner jetzigen Position und steuerte direkt auf das kleine blonde Wesen zu, welches gerade ein bisschen verloren in der Gegend rumstand und an dem großen Gebäude hochsah.
 

Er schreckte allerdings sofort aus seinen Gedanken, als sich Kaoru lächelnd vor ihm aufbaute.

„Hey, du siehst neu aus. Ich bin Kaoru und habe die ehrenvolle Aufgabe dir diese Anstalt hier zu zeigen...zumindest wenn du Nishimura Tooru heißt!“
 

Der Blonde schaute seinen Gegenüber mit einem abschätzenden Blick an. Der Typ der ihn hier gerade so freck angequatscht hatte, fiel vorallem durch seine auffallend lila Haare und dunkel umrandete Augen auf.

So gesehen machte er einen recht annehmbaren Eindruck. Auch wenn er neben diesem Riesen mal wieder schmerzlich mitgeteilt bekam, was für ein Zwerg er eigentlich war.
 

„Kyo“, antwortete er knapp.

Kaoru schreckte hoch. Auch er hatte den Neuen einmal unter die Lupe genommen. Die hell geblichenen Haare bildeten einen krassen Kontrast zu seinen dunkel geschminkten Augen. Und die vielen Piercings die aus seinem fast schon kindlich anmutenden Gesicht ragten, sollten ihm zusammen mit den zerschlissenen Klamotten wohl ein rebellisches Aussehen verleihen – da Kaoru aber selber aus der ‚Visu-Branche’ kam, wurde er dadurch nicht wirklich beeindruckt und aufgrund der geringen Größe kam ihm eher die Bezeichnung ‚Kampfzwerg’ in den Sinn.
 

„Oh, dann bist du nicht der Neue?“, fragte Kaoru schließlich, auch wenn er sich eigentlich sicher war, das ihm diese Gestalt noch nie hier über den Weg gelaufen war.

Ein Aufstöhnen seines Gegenübers.
 

„Doch, bin ich. Ich bin wahrscheinlich auch der den du hier abfangen sollst.

Ich mag es nur nicht wenn man mich bei meinem Taufnamen nennt, also heiße ich Kyo, verstanden?“
 

Kaoru nickte und fing wieder an zu grinsen. „Na dann, was stehen wir hier noch rum? Ich bring dich zu unserem Schuldrachen!“
 

Mit letzterem war natürlich die Direktorin gemeint. Und so standen sie nun vor dem Sekretariat, oder der ‚Drachenhöhle’, wie der Lilane es betitelte, und warteten darauf von irgend jemanden im Inneren des Zimmers beachtet zu werden.
 

„Wie kommt es eigentlich, das du hier den Babysitter spielst?“, fragte Kyo nach einer Weile.
 

„Hm...ich habe mich vor Urzeiten mal als Klassensprecher gemeldet. Irgendwie habe ich diesen Posten dann nichtmehr losbekommen. Und dann sind ein paar ‚schlaue Leute’ noch auf die Idee gekommen mich zum Schulsprecher zu befördern...naja, nun bin ich hier und passe auf kleine Neulinge auf, ne?“ sagte er,

während Kyo sich fragte, wer Kaoru sein Grinsen ans Gesicht getackert hatte.

Aber irgendwie – mochte er ihn.

Er schien ok zu sein.

Auch wenn er Kaorus Bemerkung von wegen ‚klein’ mit einem drohenden Knurren quittierte.
 

Inzwischen wurde Kyo endlich ins Zimmer gebeten, aus dem er ein paar Minuten später und ein paar Fragezeichen mehr über seinem Kopf, wieder heraustrat. Kaoru stand immernoch an der Wand.
 

„Und?“

„Sie hat gesagt, ich soll gleich mit dir mitgehen!“, meinte Kyo mit einem schiefen Grinsen im Gesicht.

Kaoru nickte und zog ihn zielstrebig in die Richtung ihres Klassenzimmers.
 

Kurz bevor sie ihr Ziel erreicht hatten, sahen sie einen Jungen von der anderen Seite des Flurs auf sie zurennen. Er stoppte ebenfalls vor besagtem Klassenzimer, verbeugte sich leicht vor Kaoru und verschwand dann im Raum.
 

„Scheiße, was ist denn mit dem los?“, platzte es aus Kyo heraus.

„Ach, der ist immer so drauf...ist auch ziehmlich schwer sich mit ihm zu unterhalten.“

„Nein nein, ich mein, ... hast du sein Gesicht gesehen? Der war ja total zugerichtet!“

Kaoru blickte nachdenklich auf die Tür durch die der Junge gerade verschwunden war.

„Hm...das hat er öfter. Aber ich bekomme nichts aus ihm raus. Und mit anderen Leuten redet er kein Wort...schon komishc der Typ!“
 

Kyo schien sich erstmal damit zufrieden zu geben, drehte sich aber bevor sie den Raum nun endgültig betraten noch einmal zu dem Größeren um.

„Und wie heißt er?“ – „Toshiya“, meinte Kaoru lächelnd und schob Kyo dann ins Zimmer.
 

Nachdem sich Kyo vorgestellt hatte, und sich wieder einige komische Blicke von seinen neuen Mitschülern eingefangen hatte, verlief der Unterricht normal. Der Lehrer verfiel in einen schier endlosen Monolog der die Köpfe der Schüler reihenweise auf die Tischplatten beförderte.
 

Nur Kyo schien annähernd aufmerksam, auch wenn das eigentlich nur damit zusammenhing, das er die Zeit nutzte um seinen Blick durch die Reihen der anderen Schüler schweifen zu lassen.

Bei Toshiya blieb sein Blick hängen.
 

Es war ein schmächtiger Junge, der seinen garantiert nichtmal schlechten Körper unter weiten, abgetragenen Klamotten versteckte. Sein Gesicht, welches sehr feminine Züge hatte, wurde durch Kratzer, blaue Flecken und andere schwellungen, sowie eine aufgeplatzte Lippe entstellt. Alles in allem sah er eigentlich auch nicht nach jemandem aus, der sich jeden Tag prügeln würde.
 

Was ihm wohl passiert war?

Kindergarten

Nach einem Schlägertypen sah er ja nicht gerade aus.

In der Pause schien sich Kaoru vorgenommen zu haben, Kyo ein sichtbar großes Loch in den Bauch zu fragen. Das ging mit den Gründen für seinen Umzug los, und hörte bei noch ganz anderen Dingen auf.

Seine Mitschüler schienen ihn erstmal aufgrund seines außergewöhnlichen Aussehens meiden zu wollen.

„Und deine Familie? Hast du Geschwister, oder sind deine Eltern wegen der Arbeit umgezogen?“

„Nee, ich bin von zuhause weggezogen. Geschwister habe ich leider keine, aber ich habe mir in den Ferien einen Nebenjob gesucht und betreue immer Nachmittags ein paar kleine Kinder in einer Tagesstätte hier in der Nähe.“

Kaoru fing an zu lachen. – „Waaas?“

„Naja, ich denke in einem Kindergarten solltest du dich ja auch wohlfühlen, da sind nämlich wenigstens noch alle Kinder kleiner als du, ne?

Und so kleine Kinder haben auch noch keine Angst vor so einem Schreckgespenst wie dir.“

Mit einem lauten, protestierenden Kampfschrei stürzte sich Kyo auf diese Bemerkung hin auf einen nun verdutzt schauenden Kaoru und bewies ihm einmal mehr, das ‚Kampfzwerg’ es doch am besten traf.

Auch wenn er es nun doch lieber ließ, etwas in dieser Richtung zu sagen.

Lachend schob er ihn von sich runter.

„Yare,yare, ich mein’s doch nicht so!“

Ein leises Grummeln und noch ein böser Blick von Kyo konnten auch nurnoch dazu beitragen, das Kaorus Grinsen um noch eine Spur breiter wurde.
 

Toshiya, der eine Bank neben ihnen saß, war allerdings hellhörig geworden. Kindergarten?

Oh Gott, bittte lass diesen Typen da nicht das sein, woran er gerade dachte.

Allerdings schienen Hanamis Beschreibungen nur zu gut auf diesen neuen Mitschüler zuzutreffen.

Seufzend vergrub er das Gesicht in seiner Armbeuge.

Als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürte, fuhr er hoch, und starrte mit weit aufgerissenen Augen seinen ‚Wiedersacher’ an, der sich als Kaoru herausstellte. Toshiya atmete langsam aus und die Anspannung die sich im Bruchteil einer Sekunde aufgebaut hatte, fiel ein wenig von him ab.

„Hey!“, meinte der Lilahaarige leise, was er mit einem leichten Nicken beantwortete, wobei er seinen Kopf allerdings wieder senkte und seine Hände auf einmal sehr interessant zu finden schien.

„Und, was hast du in den Ferien gemacht?“

Ein nervöser Blick.

„Nichts“

Warum war Kaoru bei ihm? Musste er sich nicht um den Neuen kümmern? Verdammt,

er brauchte sein Mitleid nicht. Und doch tat es so unendlich gut zu wissen, das man wenigstens einem Menschen in seinem Leben nicht ganz egal war.

„Hm...das ist nicht gerade viel. Du hättest mich ja anrufen können, und dann hätten wir zusammen was unternommen.“

Ja, klar, noch was? Ok, er gab ja zu das er schon einige Male seine Nummer in den Händen gehalten hatte und kurz davor gewesen war ihn anzurufen. Allerdings hatte er sich immerwieder im rechten Moment besonnen es nicht zu tun. Was hätte er denn sagen sollen? Er wäre ja garnicht weg gekommen. Außerdem sollte Kaoru seine Zeit nicht mit ihm verschwenden. Konnte er ihn nicht einfach ignorieren?

Er sollte lieber wieder zu dem kleinen Blonden gehen. ..aprpspros...wo war der eigentlich?
 

Toshiya zuckte mit einem Mal panisch zusammen als er spürte, wie sich jemand von hinten über ihn beugte.

Mit angstgeweiteten Augen starrte er Kyo an und schien geradezu unterm Tisch verschwinden zu wollen.

„Ganz ruhig, ich tu dir ja nichts! Ich bin Kyo!“

Toshiya sah ihn immernoch an, als wenn er ein riesiges, ekelhaft furchterregendes Monster vor sich hätte, und so piekte ihm Kyo einmal kurz in die Schulter, um ihn aus seiner Starre zu holen.
 

Aus seiner Starre holte er ihn auch, allerdings wohl etwas anders als erwartet. Er stöhnte kurz gepeinigt auf und senkte den Kopf noch mehr, um den Beiden nicht sein eindeutig schmerzverzerrtes Gesicht zu zeigen.

Kyo und Kaoru warfen sich einen flüchtigen Blick zu.

Kyo setzte sich langsam neben den Schwarzhaarigen, der sich in diesem Moment nichts sehnlicher wünschte,

als ganz weit weg zu sein.
 

„Siehst du auch überall sonst noch so aus?“, stellte Kyo de unverblümte Frage. Toshiya antwortete nicht und schien nur weiter im Stuhl versinken zu wollen. Er wurde allerdings von der Lehrerin, die soeben das Zimmer betrat erlöst, da alle Schüler auf ihre Plätze huschten.

Kyo folgte dem Unterricht nur mit einem Ohr. Er machte sich Gedanken um einen Jungen, der anscheinend nicht mit ihm sprechen wollte und den er eigentlich auch garnicht kannte. Er faszinierte ihn irgendwie.

Vielleicht lag es ja auch nur daran, das er auf Kyo wie ein kleines Kind wirkte. Und Kyo mochte kleine Kinder.

Allerdings glaubte er selbst nicht so wirklich an diesen Vorwand, und schon garnicht an die Möglichkeit, damit sein Interesse für Toshiya zu begründen.
 

Er schob Kaoru, der neben ihm saß einen kleinen Zettel von seinem zerfledderten Timeplaner zu.

‚Ist der auch immer SO drauf?’

Kaoru nahm das Blatt Papier, und wenig später konnte Kyo leise das Kramen in einer Blechfedermappe vernehmen.

!Ich weiß es echt nicht.Lässt niemand an sich ran. Das einzige was ich weiß, is das seine Eltern nicht ganz so reich sind.’

Das sollte wohl ungefähr soviel heißen, das Toshiyas Familie zu einer der ärmsten zählte. Aber soetwas in der Art hatte er sich aufgrund von Toshiyas Klamotten auch zusammenreimen können.
 

Nach der Schule, das heißt nach 6 darauffolgenden, zäh verfließenden Stunden, packte Kyo so schnell er konnte seine Sachen, und verabschiedete sich von Kaoru.

Dann nahm er die Beine in die Hand und rannte zu seinen ‚Nachmittags-Schützlingen’.
 

Im Kindergarten angekommen wurde er auch gleich von der ersten Horde kleiner Kinder umschwärmt.

Er lächelte als sich ca. 3 Kinder an jede Hand gehängt hatten, und er durch das Gebäude gezogen und geschoben wurde. Er setzte sich mit ihnen in das große mit Teppich ausgelegte Spielzimmer, und wartete bis noch ein paar andere Kinder herangekommen waren.

„Naaaaaa, was schaut ihr mich denn so an?“, meinte er mit einem leichten Grinsen auf dem Gesicht.

Viele erwartungsvolle Augenpaare waren auf ihn gerichtet.

„Du hast was hinter deinem Rücken!“, meinten ein paar der Kleinen und zeigten lachend auf ein Buch, welches Kyo mehr schlecht als recht hinter sich versteckt hatte.

„So? Was ist denn DAS?“ Und er zog den dicken Pappband hervor, und betrachtete ihn genau von allen Seiten, wie als wenn er ihn noch nie zuvor gesehen hatte.

- EIN BUUUCH!-, kam die laut schallende Antwort. „Hm...und was machen wir damit?“

Wieder viele erwartungsvolle Kindergesichter, die ihn anlächelten.

„Soll ich euch was draus vorlesen?“

„HAAAAAI!“

Kyo lachte. Er liebte es einfach mit den Kleinen zusammenzusein und ein bisschen kindisch mit ihnen zu sein.

Wenn ihn jemand der ihn vielleicht von woanders her kannte so sehen würde, dann käme wahrscheinlich irgend soetwas wie: „Hey, wer bist du, und was hast du mit Kyo gemacht?“

Aber da so gut wie niemand wusste womit er sein Taschengeld und zusätzlich auchnoch seine Laune aufbesserte,

konnte sowas ja nicht passieren.

Kyo fing also an die Geschichte vom kleinen Hund >Inuki< zu lesen, der eines Tages beschloss die Welt zu erkunden und auf seiner großen Reise auch noch >Toriko<, die kleine Ente und >Mimiko<, das kleine graue Mäuschen, kennenlernte.

Gerade als Mimiko einen riesengroßen Tunnel aus Metall gefunden hatte, der einfach so auf der Wiese herumlag, und Toriko und Inuki der Sache auf die Spur gehen wollten, war auch das letzte Kind seiner begeisterten Zuhörerschar auf Kyo’s Schoß eingeschlafen, was er daran merkte, das ihm niemand mehr an seinem Nasenpiercing herumfummelte.

Mit einem kleinen Seufzen und sich Gedanken über seinen Lesestil machend, hob er den kleinen schwarzhaarigen Jungen vorsichtig auf seinen Arm, und brachte ihn zusammen mit einem anderen Kind, welches sich gerade noch so mit verschlafenen Blick auf den Beinen halten konnte, zu den bereitgelegten Tatamimatten. Dort kuschelte er den Kleinen unter die Decke und strich ihm zum Abschluss noch einmal durch sein kurzes glänzendes Haar.
 

Schließlich wendete er sich ab und ging lächelnd auf ein kleines Mädchen zu, welches wie jeden Nachmittag an einem der großen Tische saß und malte. Er mochte sie.

Sie war nicht ganz so aufgedreht und seiner Meinung nach auch schon sehr reif für ihr Alter.

„Hey, Hanami. Na, was malst du heute?“

Sie schaute auf und lächelte ihn freudig an.

„Ich male eine Schule. Das hier -“, und sie zeigte auf ein leicht unförmiges Rechteck mit krummen Wänden, „-das ist die Schule. Und das ist mein Bruder der gerade in die Schule reingeht!“

„Aha, dein Bruder geht also noch zur Schule?“

Das kleine Mädchen nickte und schaute noch einmal auf das farbig bekritzelte Blatt Papier.

„Er holt mich immer von hier ab.“ – „So? ich habe ihn noch nie hier gesehen.“

„Du warst immer woanders wenn er gekommen ist.“

Er lächelte. „Du hast deinen Bruder ganz doll lieb, nicht wahr?“

„Hai, mein Bruder ist der Allerbeste! Meine Mama ist nichtmehr da, als sie weggegangen ist, war ich traurig.

Aber er meinte das sie jetzt an einem schönen Ort ist, und da habe ich nichtmehr geweint. Denn mein Bruder kümmert sich ja jetzt um mich!“

Kyo nickte verständnisvoll. „Er hat sie bestimmt auch lieb gehabt.“, sagte er, während er ihr eine lose Strähne hinters Ohr strich.

„Ja, und Papa auch. Papa ist immer so doll gestresst seit sie weg ist. Mein Bruder sagt, das er traurig ist.“

„Das ist er bestimmt. Aber er weiß ja auch das es ihr jetzt gut geht. Und außerdem hat er ja immernoch euch.“

Hanami nickte freudig.
 

Das sich ihr Strahlen noch verstärkte und sie aufsprang, veranlasste auch Kyo dazu sich umzudrehen.

Seine Augen wurden groß.

Toshiya stand in der Tür und ließ sich nun in die Hocke sinken, um seine kleine Schwester liebevoll in den Arm zu nehmen.

Hanami nahm ihn bei der Hand, und führte ihn mit zurück an den großen Tisch, was Toshiya deutlich wiederstrebte als er erkannte, wer da noch saß und sie beobachtete.
 

„das hier ist der nette Kindergärtner von dem ich dir erzählt habe!“, sagte sie strahlend, wärend sie wieder ihren Platzt erklomm und ihre Stifte zusammenpackte.

Toshiya nickte Kyo vorsichtig zu, richtete seinen Blick aber sofort wieder auf Hanami.

„Und das hier habe ich für dich gemalt! Das ist die Schule und das bist du, wie du gerade reingehst!“, erklärte sie die kleinen undeutlichen Formen und Strichmännchen.

„Das ist sehr lieb von dir.“, sagte Toshiya leise und nahm das Blatt welches sie ihm hinreichte in Empfang.
 

Kyo beobachtete alles ganz genau, wessen sich Toshiya sehr wohl bewusst war und sich deshalb unbehaglich fühlte. „Hanami. Wir müssen nachhause, sonst macht Papa sich Sorgen.“, flüsterte der Schwarzhaarige schon fast.

Hanami schien ihn allerdings sofort zu verstehen, was Kyo schlussfolgern ließ, das er immer in dieser Lautstärke redete.
 

Sie verabschiedete sich noch schnell von Kyo, indem sie ihm einmal um den Arm fiel (an was anderes kam sie gerade nicht ran) und Toshiya nahm sie dann vorsichtig auf den Arm, bevor er mit ihr den Raum verließ.

Als sie draußen waren sprang Kyo auf und lief auf eine der fest angestellten Kindergärtnerinnen zu, die die Szene ebenfalls beobachtet hatte.

„Süße Kleine, nicht? Nur der Bruder ist ein bisschen verkommen!“, sagte sie als Kyo näher getreten war.

„Was wissen sie denn von der Familie?“, fragte er, ihren vorherigen Kommentar einfach ignorierend.

„Nicht viel. Ihr Bruder kommt sie immer abholen. Ist ganz still und schreckhaft. Sie ist auch eher eines von den ruhigeren Kindern, aber sehr freundlich und vorallem sehr intelligent.“

-„Und ihre Familie? Wie sieht es damit aus?“

„Keine Ahnung, ich glaube ihre Mutter ist vor ein paar Jahren gestorben, aber weiter habe ich nichts mitbekommen.“

Kyo bedankte sich bei der Frau und ging dann zurück zu ein paar Kindern, die gerade mit dem Bau einer provisorischen Autorennbahn beschäftigt waren. Doch so recht darauf konzentrieren, konnte er sich nicht mehr.

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Als Toshiya die Treppe zur Wohnung hochstieg, konnte er schon von weitem hören, das sein Vater wohl mal wieder dabei war die Inneneinrichtung zu kleinholz zu verarbeiten. Er konnte ihn brüllen hören.

Er schluckte. „Hanami, hör mir jetzt gut zu!“, flüsterte er dem kleinen Mädchen leise zu.

„Hörst du das da drinne? Dein Papa kämpft gerade mit dem bösen Mann im Schrank. Ich werde ihm helfen.

Aber dich darf er nicht sehen, der böse Mann. Wenn ich die Tür aufschließe, dann rennst du, egal was kommt, so schnell in dein Zimmer wie du kannst. Und du schließt die Tür zu, bis ich klopfe. Hast du mich verstanden?“

Hanami nickte schnell, als sie auf dem Boden abgesetzt wurde.
 

„Versprich es mir!“, flüsterte er noch einmal, als er den Schlüssel vorsichtig ins Schloss schob und herumdrehte. Und sie nickte erneut. Als Toshiya allerdings die Tür aufziehen wollte, fiel sie ihm schon fast mit einem krachenden Geräusch entgegen, so das er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.

„LAUF“, schrie er noch laut, so das Hanami hastig durch die Tür schlüpfte und ins Zimmer rannte, wo sie die Tür hinter sich verschloss.

Toshiya wurde währenddessen schon von seinem Vater an die Wand gepresst. Trotz allem flüsterte er noch leise und bedrohlich: „lass sie in Ruhe!“ Der Mann vor ihm lachte auf.

„Ja, jetzt noch, doch du kannst sie nicht ewig schützen!“ Und damit schliff er ihn zurück in die Wohnung, warf die Tür in ihre Angeln und Toshiya auf den Boden des Arbeitszimmers, wo sich einige Scherben von kaputten Flaschen schmerzhaft in seinen Rücken bohrten. Toshiya sah angsterfüllt auf seinen Vater, der gerade die Tür verschloss.

Er ahnte, was jetzt folgen würde.

Er kam auf ihn zu, und öffnete langsam seine Hose...
 

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Kaoru hatte Kyo noch am selben Abend in sein Stammlokal eingeladen. Das >RED< lag in einer ruhigen Seitengasse, was den Vorteil hatte, das sich größtenteils wirklich bloß Leute hierher verirrten, die den Laden kannten oder empfolen bekommen hatten.

Trotzdem war die Bar auch heute gut besucht, so das Kyo eine Weile brauchte bis er Kaoru an einem der Tische relativ weit hinten ausmachen konnte.

Und außerdem brauchte er noch länger, bis er sich zu ihm durchgekämpft hatte.

„Du hast es ja erstaunlich schnell gefunden, ich hatte eigentlich noch nicht mit dir gerechtnet!“, meinte Kaoru zur Begrüßung während sich der Blondschopf grummelnd niederließ.

Sofort kam auch schon ein Kellner angewuselt, der Kaorus Dauergrinsen mit einem Megawatt-Zahnfee-Colgategrinsen locker in den Schatten stellte.

„Was wünschen die Herren denn zu bechern? Kaoru wie immer? Oder soll ich euch ein ruhiges Zimmer besorgen?“, meinte er augenzwinkernd.

„Nein, Die, ich würde dir doch niemals fremdgehen!“, erwiederte Kaoru gespielt aufgebracht und verzweifelt.

„Das hier“, und er zeigte auf ihn, „das ist Kyo, ein neuer Mitschüler!“

„Ach...und den armen Kleinen musst du gleich mal in die richtigen Kreise reinbringen, oder wie?“

Kaoru machte einen Schmollmund, wobei Die wieder anfing zu lachen, sich allerdings schnell in Sicherheit brachte, als Kyo mit einem dunklen Knurren nach vorne geschossen kam.

„Ganz ruhig, ich bin der nette Onkel Die und kann euch alles besorgen was ihr braucht!“, sagte er mit einem mehr als zweideutigen Zwinkern.

„Zu freundlich, wir nehmen aber erstmal nur nen ordentlichen Drink!“, meinte Kaoru. Die nickte wissend und dampfte dann wieder ab.

„Gott, was kennst du denn für Leute?“, frsgte Kyo mit einem seitenblick auf den Kellner mit den knallroten Haaren, der soeben in der Masse verschwand. „Du darfst mich Kaoru nenen und um auf deine Frage zu antworten: so einige! Was gibt’s neues?“

„Ich habe etwas interessantes über Toshiya herausgefunden!“

„Wie das?“

„Naja, also ich verdien mir doch mit Wänsterbetreuen noch ein bisschen was dazu. Und naja, so ne Kleine, mit der ich öfter mal quatsche, hat sich heute als Toshiyasd Schwester herausgestellt!“

„Oha, er hat eine kleine Schwester?“

„Jaa, sag ich doch!“

Sie wurden unterbrochen als Die mit ihren Getränken wiederkam und sich einfach mal spontan eben sie setzte.

„Um wen geht es?“

„Toshiya...du weißt schon, dieser Typ aus meiner Klasse!“, klärte Kaoru ihn auf.

„Dieser Toshimasa Hara?“, fragte Die ungläubig nach.

„Erm...ja?“ Kyo war aufeinmal hellwach.

„Du kennst ihn? Weißt du etwas über ihn?“, fragte er interessiert.

Die schüttelte jedoch zu seiner Enttäuschung den Kopf.

„Ich kenne ihn nicht perönlich. Habe bloß einen...Bekannten, der ihm immermal begegnet und halt mal so was erzählt.“

„Was denn?“

„Nicht viel, er regt sich bloß immer über die Lautstärke auf. Der wohnt nämlich unter ihnen.“

Kyo nickte. „Könntest du ihn nichtmal ein bisschen was fragen?“, meinte Kyo vorsichtig.

„Sag mal...stehst du auf ihn?“, fragte Die unvermittelt und grinsend nach.

Kyo verschluckte sich beinahe an seinem Drink und sah ihn ungläubig an. „Was? Nein! Ich...finde es nur interessant!“

Die grinste wissend. „Ja,ja!“
 

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Der Braunhaarige saß gelangweilt in einer Ecke der Bar und sah sich um.

Er wollte nicht hier sein, die vielen Menschen ekelten ihn an. Aber noch viel weniger wollte er in seine Wohnung. Denn da würde ihm bloß diese kläffende Ratte, die sich einfach so als sein neues Haustier auserkoren hatte, auf die Nerven gehen.

Seufzend betrachtete er die Leute um sich herum. Der freundliche rothaarige Kellner flirtete schonwieder mit dem violetten Typen, der hier auch fast jeden zweiten Tag auftauchte.

Diesmal hatte er sich einen blonden Schoßhund mitgebracht, der sich jetzt ebenfalls äußerst interessiert dem Roten zuwandte.

Tja, so hatte sich das der Andere wohl nicht gedacht. Shinya schmunzelte, trank dann sein Glas in Ruhe zuende, ließ etwas Geld auf dem Tisch zurück und verschwand in die kühle Nachtluft hinaus.

Secrets from above

Grummelnd stapfte Die die Treppenstufen zu der alten Wohnung im 2. Stock hoch. Er mochte diese Gegend nicht. Aber was tat man nicht alles für seine Freunde?

Oder besser gesagt: für seinen besten Freund – Kaoru. Das das Ganze ihm noch einen kleinen Vorteil einbrachte, da er ja sowieso nochmal zu dieser gewissen Person musste, machte die Sache wohl noch etwas erträglicher.

Ob er den Neuen, den kleinen Blondschopf schon als Freund betiteln konnte wusste er noch nicht. Nett war er ja...-zumindest auf den ersten Blick.
 

Er seufzte. Ja, Kaoru. Wenn der wüsste in welche Kreise sein Die hineingerutscht war...vielmehr eigentlich, aus welchen er überhaupt stammte.

Er war in dieses Millieu hineingewachsen und es war eigentlich schon erstaunlich, das er selbst noch nicht einer von ihnen geworden war.

Er verlangsamte seinen Schritt ein wenig, als er Schreie vernahm. Die stammten eindeutig von einer Etage höher. Er schluckte. Sehr wahrscheinlich sogar aus der Nummer...

Zumindest wenn alles stimmen sollte, was Kyo und Kaoru ihm da erzählt hatten. Er wollte schon die paar Stufen nach oben nehmen, die von einer in die andere Etage führten, als es plötzlich mit einem Schlag ruhig wurde.
 

Und so zuckte er nur mit den Schultern und klopfte an der Tür der Wohnung, die sich direkt darunter befand.

Nach einer Weile näherten sich langsam schlurfende Schritte.

Die Tür wurde mit einem Ruck aufgerissen und ihm starrte ein Mann mit weit aufgerissenen Augen und zerzausten Haaren entgegen, dessen Äußeres auch ansonsten ziehmlich heruntergekommen aussah.

Die grinste ihn an. „Lange nichtmehr gesehen Yazu. Was macht das Geschäft?“ Sein Gegenüber, was nunmehr mit dem Namen >Yazu< betitelt wurde, und sich wirklich alle Mühe gab als >Es< betitelt zu werden, ließ darauf hin nur ein unwilliges Grunzen hören.
 

„Was willst du?“ – „Ach...ich war nur so in der Gegend und dachte eigentlich das DU etwas wollen könntest!“

Yazu blickte ihn finster an. Vielleicht sah er auch immer so aus. Das war durch sein verstrubbeltes, ihm ins Gesicht hängendes Pony nicht ganz genau zu sagen.

„Wieviel hast du?“ – „Genug damit du dir die nächsten Wochen die Birne zudröhnen kannst.“, antwortete er gelassen.

„Wieviel willst du?“ – ein gieriger Blick.

Die grinste. „Ich mache dir ein Angebot. Du lässt mich jetzt mal für ein paar Minuten in deine Bude rein und erzählst mir alles was dir zu deinen Obermietern einfällt. Dafür mache ich es dir diesmal billiger. Wie siehts aus?“

Er schien einen Moment zu überlegen, nickte dann aber und ließ den Rothaarigen eintreten.

Er machte kehrt und schlurfte wieder zurück ins Innere der Wohnung.
 

Die hatte schon genug Wohngelegenheiten von Junkies gesehen, als das ihn diese hier auch nichtmehr schocken konnte. Zielsicher kämpfte er sich bis zum Sofa durch, fegte ein paar alte Pizzaschachteln von den Polstern und setzte sich dann, ohne Yazu aus den Augen zu lassen.
 

„Also?“, forderte er diesen schließlich auf. Yazu jedoch winkte ihn heran, während er in einem anderen Zimmer verschwand. Die folgte etwas misstrauisch, als er das Schlafzimmer des anderen betrat.

Der Junkie presste seinen verstrubbelten Kopf – speziell sein rechtes Ohr – an die Wand, und bedeutete Die das selbe zu tun.

Als er ebenfalls vorsichtig das Ohr an die Wand legte – natürlich nicht ohne ein bisschen Ekel, da diese auch nichtmehr unbedingt die sauberste war – stockte er.

Leises Schluchtzen durchdrang die Geräusche, von denen er sich lieber kein Bild machen wollte, zu welcher Handlung sie gerade gehörten.

Fragend sah er Yazu an, der sich gerade auf’s Bett fallen ließ.
 

„Also...ich bin zwar jetzt auch nicht so der zivilisierteste Mensch, aber ich kann immernoch oben von unten unterscheiden. Und was da oben abläuft, ist alles andere als sauber!“, meinte er, wie um eine Einleitung zu finden.

Dann hielt er noch einen Moment inne, wie als wenn es ihm große Anstrengung bereitet hätte, so viele Dinge in einem zusammenhängenden Satz zu bringen.

„Der Vater, säuft den ganzen Tag. Der Bengel bringt in aller Herrgottsfrühe die Kleine weg. Wenn er dann ihrgendwann gegen Nachmittag wiederkommt, beschäftigt sich sein Alter erstmal mehr oder weniger eingehend mit ihm.

Ich sag dir, das ist ein Krach da oben!

Einmal bin ich hochgegangen um mich zu beschweren – nie wieder!

Das sieht schlimm aus – und wenn ich das sage!

Ich weiß wenn etwas schlimm aussieht, bei mir is es ja auch nicht gerade geleckt. Aber,-

also, wie auch immer, ich sage dir: geh niemals, niemals da hoch!“
 

Mit einem festen Nicken beendete er seine Ausführungen und schielte schon gierig zu Die’s Tasche. Dieser stand erstmal auf und ging sicherheitshalber erstmal wieder zur Tür.

Yazu folgte ihm auf den Fersen.

„Also, wiviel willst du?“, fragte er und leckte sich nervös über die Lippen, die Augen nicht von der Tasche nehmend.
 

„Du gibst mir so viel wie immer. Du hast eh noch Schulden bei uns, also vergiss den Bonus!“

Yazu blickte ihn enttäuscht an . „Aber...-“

Die drehte sich um, um zu gehen, als Yazu ihn am Arm packte und das Geld in die Hand drückte. Die zählte noch einmal die grünlich-und bräunlich bedruckten Scheine nach, nickte dann und warf Yazu zwei Päckchen mit weißem Pulver vor die Füße.
 

„So wenig!“ – „Ich habe gesagt es reicht für ein paar Wochen...also teil es dir ein!“, sagte der Rothaarige grinsend und verschwand im Treppenhaus.

Reine Routine

Shinya war gerade dabei seine CD Sammlung zu ordnen und darauf aufzupassen, das sein unfreiwilliger neuer Mitbewohner nicht die Plüschedition des neuen Albums seiner Lieblingsband zwischen seine spitzen Beißerchen bekam, als sein penetranter Piepskasten (Handy) schon neues Unheil ankündigte.
 

Er angelte also nach dem kleinen Apparat und meldete sich mit einem leicht zerknirschten Tonfall ordnungsgemäß, als das kleine Tier, genauere Einordnung:

4-Beiner mit verkrüppelten Schwanz, Ohren: Ja, Anzahl: zwei, überdimensionale Glubschaugen: vorhanden, feuchte, kalte Nase, Sabberfresse, schlechter Athem, weiteres Aussehen: rattenartig,Verhalten: vervtötend;

auch schon die mit feinem Stoff überzogene, quadratische CD-Box im Maul hatte und damit freudig quietschend im nächsten Raum verschwand.
 

Der Blick seines neuen Herrchens schwankte bei dieser Aktion zwischen Verzweiflung, Trauer und grenzenlosen Hass.

Der Störenfried am anderen Ende der Leitung sollte wirklich einen verdammt guten Grund haben.
 

Nach einem etwa 10 minütigen Gespräch legte er das Telephon endlich beiseite und stand weige Sekunden später mit entschlossenem Gesichtsausdruck auf um sich fertig zu machen.
 

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Als er aus dem Haus trat und von unerbittlich kalter Nachtluft entfangen wurde, zog er den langen schwarzen Mantel unweigerlich etwas enger um die schmalen Schultern.

Zielstrebig bog er in eine Gasse ein ... und wäre fast mit jemandem zusammengestoßen, der anscheinend gerade auch vor hatte, um eben diese Ecke zu biegen – nur eben von der anderen Seite.

Überrascht blieb er stehen.

„Hey, was machst du denn hier?“

Er sah auf. Rote Haare. Er lächelte.

„Ich wohne hier in der Gegend, wenn es dir nichts ausmacht.“, kam die leise Antwort.

„Neee, schon ok, war ja nur ne Frage. Du warst heute garnicht im Clup...ich hab dich ja schon fast vermisst!““, meinte der Rothaarige mit einem leichten Zwinkern.

Sein Gegenüber schaute etwas verwirrt, worauf hin der Andere zu einer weiteren Erklärung ansetzte.

„Naja, du bist ja fast jeden Abend da. Gehörst sozusagen schon fast zum Team! Naja...ok, vermutlich doch eher zur Einrichtung, so still wie du bist.

Hast du morgen wieder Zeit?“
 

Er nickte immernoch leicht perplex, als sich dann doch der Anflug eines Lächelns auf sein Gesicht legte.

Das dieser schüchterne Anflug menschlicher Zuneigung oder Vertrauensheuchlerei gleich durch das darauffolgende Zahnfee-Colgate-Grinsen überstrahlt wurde änderte nichts an dem Fackt, das gerade etwas geradezu einzigartiges passiert war: Er hatte gelächelt!

Nur ein kleines Zucken der Mundwinkel, ein kurzes Aufblinken in den Augen, und schon war Die davon überzeugt, dieses kleine Wunder in Zukunft doch mal öfter passieren zu lassen.
 

Er nickte ihm noch einmal zum Abschied zu, und ging dann weiter seines Weges.

Der andere ging auch wieder weiter.
 

In immer dunklere Gassen zog es ihn. Dahin, wo die Dunkelheit selbst schon zu etwas Lebendigen wurde.

Wo sie sich zu einer dichten klebrigen Masse zusammenfand, die alles Licht und jede Wäreme zu verschlucken drohte und wie ein hungriges Raubtier auf der Lauer lag.

Dies war wahrscheinlich eine der verdammtesten Gegenden. Was hier ‚lebte’, gehörte nichtmehr zum ‚normalen’ Leben der Stadt.

Nicht zu dem Teil, über den man spricht. Es ist einer der Teile, die zwar überall existieren, von allen aber totgeschwiegen, unterdrückt oder ignoriert werden, da sie nicht ins Muster passen. Sie sind unnormal.

Diese Orte sind wie saure Milch am Morgen: man verdrängt sie tagsüber, und doch ist sie in unserem Unterbewusstsein gegenwärtig als der Grund den wir erst dann aus der hintersten Schublade aus dem Labyrinth unseres verstaubten Geistes wieder hervorholen, um wenigstens eine annähernd plausible Begründung liefern zu können, warum wir den Rest des Tages schlechte Laune hatten.
 

Er kam nicht gerne hierher. Tagsüber schon garnicht.

Nur wenn eben dieses Wesen der Dunkelheit , bestehend aus tiefster Schwärze, in den Gassen liegt, und den Dreck und Müll der hier herumlag in pelziger Schwärze verschwinden ließ, dann wagte er sich in diese Gassen.
 

Im spärlichen Licht einer Straßenlaterne, welche flackernd bald den Kampf gegen die Dunkelheit zu verlieren drohte, konnte er die richtige Hausnummer erkennen.
 

Mit einem abschätzenden Blick nach allen Seiten huschte er in den schmalen Eingang des Hauses und drückte prüfend die Schulter gegen das morsche Holz. Die Tür gab mit einem leisen Quietschen sofort den Weg in das stille Treppenhaus frei.
 

Für ihn war es hier allerdings alles andere als still. Er schlug sich die Hand vor Mund und Nase und musste sich verdammt zusammenreißen keinen Hustenkrampf zu bekommen und auch den aufkommenden Würgereiz zu unterdrücken.

Denn eines konnte man diesem Ort nicht nehmen: seinen Gestank! Und der tastete gerade mit all seinen schleimig-modrig-miefenden Tentakeln nach der äußerst empfindlichen Nase des jungen Mannes.
 

Fast lächerlich schien das Tuch zu wirken, welches er sich krampfhaft vor die Nase presste, um wenigstens einem Teil dieses Angriffes auf seine Geruchsnerven zu entgehen, während er sich vorsichtig und geschmeidig wie eine Katze nach oben bewegte.
 

Er zählte die Treppen, war sich letztendlich allerdings nicht ganz sicher und prüfte seinen Standpunkt noch einmal mit einer kleinen Taschenlampe nach.

Er war richtig.
 

Auch diese Tür öffnete sich ihm dank seiner umfangreichen Kenntnisse im Schlösser Knacken ohne Probleme.

Den Nasenschutz ließ er in seiner Manteltasche verschwinden.

Bevor er ganz eintrat, zog er vorsichtig einen kleinen Gegenstand aus schwarz glänzendem Metall aus einer anderen Tasche. Reine Routine.
 

Mit einem Schritt war er in den Flur getreten. Viel weiter kam er allerdings nicht, da eine Barriere aus Dreckwäsche und eine Armee leerer Pizzakartons seinen Weg versperrten.
 

Weiter musste er auch garnicht kommen.
 

Mitten im Flur stand er auch schon und schaute dem Eindringling mit verhärteten Blick entgegen.
 

„Ich wusste das du kommen würdest!“
 

...
 

„Das macht die Sache leichter!“, meinte sein Gegenüber kalt.
 

Ein Schuss zerriss die Stille, drang aus dem Haus ins Freie, wo das Geräusch zwischen den engen Häusermauern wiederhallte, bis die Dunkelheit es verschluckte.
 

Er sah nach untern und rümpfte die Nase. Ihm kam der Geschmack von saurer Milch in den Sinn.

Tja, manchmal kann eben auch noch der Abend den Tag verderben!

Lange Weile

Er saß auf dem großen Sofa im Wohnzimmer und tat: nichts.

Und wie immer wenn er einfach so da saß und nichts tat, war auch nicht viel da, was er hätte tun können.

Da es aber ein dringendes Streben jedes Menschlichen Wesesn ist, durch Aktivität etwas zu schaffen, ruft ein eindeutiges Abhandensein dieser umstrittenen Handlung, nämlich das Verbrennen seiner mühsam angefressenen Glucosemoleküle durch das Ausführen von Bewegungen, welche wie keine Andere vom Menschen gehasst und doch so sehr geliebt und immerwieder vollführt wird, ein eindeutiges Mangelgefühl aus, welches man instinktiver Weise so schnell wie möglich zu beheben versucht.

(na, was habe ich am Anfang dieses Satzes geschrieben? ^.~)

Noch kämpfte der Rotschopf gegen das drückende Gefühl in seinem Innersten an. Doch schon bald hatte er die Schlacht verloren und stand seufzend auf. Wieso musste man verdammt nochmal auch immer irgend etwas tun?

Konnte man nicht einfach mal glücklich sein wenn man den ganzen Vormittag auf der Couch sitzt und ins Leere starrt?
 

Nun, es mochte Leute geben denen nichts mehr zur Erfüllung gereichte. Doch zu dieser Sorte gehörte er leider nicht. Also schnappte er sich seine Gitarre, die übriges vorher zufrieden die Stille in ihrer Ecke genossen hatte – sie war nämlich sehr genügsam und gehörte zu den Dingen auf der Welt, denen ein ruhiges Plätzchen vollkommen genügte – und setzte sich mit ihr auf den Boden, um ein paar Akorde durchzuspielen und anschließend, wie bei einem alten Laster, doch wieder auf die Lieder von X-Japan zurückzugreifen.
 

Gerade war er dabei mit einer Herzzerreißenden Stimme, was jetzt bitte sehr wörtlich zu nehmen ist, denn sie zerriss einem wirklich fast alles, den Refrain von >Tears< mitzujaulen, als ein weitaus melodischeres Geräusch, was jetzt sehr im Verhältnis zu Die’s Stimme zu sehen ist, seine einträchtige Dreisamkeit mit X und seiner Gitarre störte.

Er hielt inne, und ein unbeteiligter Beobachter der noch mit allen Sinnen gesegnet ist, hätte in diesem Moment sicher selbst von der eher spärlichen Flora auf dem Fensterbrett ein Aufatmen vernehmen können.

Da unser ‚begnadeter’ Sänger allerdings anscheinend ein beschränktes Wahrnehmungsvermögen im Bereich der schiefen Töne hatte, anders hätte er sich selbst ja sicher nicht ertragen können, missachtete er die geradezu unter Beifallstürmen und Standing Ovations seiner Umwelt, untergehende Stille und hob mürrisch den Hörer ab.
 

Es folgte eine seltsame Aneinanderreihung von Grunz- und Schmatzlauten, die in kurzen Abständen seine Stimmbänder erneut zum Beben brachten und beinahe schon eine Melodie zu ergeben schienen.

Ja, die Person am anderen Ende der Leitung schien in ihnen sogar ein logisches Muster erkennen zu können, auch wenn wir ihr jetzt nicht unbedingt umfangreiche Kenntnisse in Sachen Rhytmik zutrauen wollen.

Sie redete weiter gedämpft in die Sprechmuschel und erhielt immerwieder einen zustimmenden Laut von Die.
 

Schon nach kurzer Zeit legte er den Hörer wieder zurück an seinen Platz und starrte Löcher in den Teppich.

Das ist mal ausnahmsweise nicht bildlich zu verstehen.

Denn auch wenn dieser Teppich bereits einige Löcher hatte, dann waren diese nicht unbedingt auf intensiven Blickkontackt, sondern eher auf einen brennenden Zigarrettenstummel in der Hand eines gerade ins Land der Träume driftenden Menschen, zurückzuführen.
 

Diesmal hatte diese Szene allerdings auch nur den Anschein von Deaktivität.

In Wirklichkeit verrichtete sein Körper nämlich gerade eine beachtliche Leistung, der viele arme, kleine, unschuldige Glucosemoleküle zum opfer fielen.

Elektrische Impulse zuckten so schnell hin-und her, das man hätte schwören können, das man sie selbst noch im Dunkeln hätte sehen können.

Doch das sind nur hypotetische hätte-könnte-würde-Überlegungen die mit vielen Worten einen eigentlich sehr banalen Vorgang beschreiben sollen: Er dachte nach.
 

Und wie immer, wenn speziell Die das tat, kaute er sich dabei nachdenklich auf der Unterlippe herum.
 

‚Yazu ist tot...hat das etwas mit meinem ‚Gespräch’ mit ihm zu tun?

Aber wer sollte schon Interesse an einer Familie mit einem kranken Vater haben? Und wenn doch nicht, wieso hat dann Jemand Interesse am Tod eines Junkies?!!!’

Wie fühlt sich das Ende an?

Toshiya saß in seinem Zimmer und starrte auf das leere Blatt vor ihm. Eigentlich hatte er vorgehabt, mal wieder etwas zu zeichnen, doch alles was ihm zur Zeit einfiel, brachte ihn eher dazu sich vor sich selbst zu ekeln, als ein gutes Motiv eines künstlerisch wertvollen Bildes abzugeben.
 

Er hasste Samstage. Seine kleine Schwester war im Kindergarten und er saß zuhause und konnte nur hoffen, das sein Vater hin in Ruhe ließ.

Da er wusste das Toshiya heute keine Uni hatte, halfen auch keine Ausreden dieser Art, um von hier wegzukommen.

Und gerade dieses unbeschäftigte Rumsitzen verleitete ihn oft dazu, sich in der Vergangenheit zu verlieren.

Ja, früher war alles besser.
 

Und dieser Spruch war für ihn, wie die Ironie es so wollte, sogar noch reichlich treffend.

Früher, als seine Mutter noch da war.
 

Sie sagten immer, das sie verschwunden war...doch irgendwo in sich hoffte Toshiya, das es nicht so war.

Es war nicht direkt ein Nachhängen der alten Zeit. Damals sah es auch alles nicht so besonders rosig aus.

Es war einfach nur der tief sitzende Wunsch eines Jungen – eigentlich eines jungen Mannes, der nie wirklich Zeit dazu hatte, wirklich Kind zu sein – das die Last die ihm andere auferlegten, nichtmehr unrechtmäßig auf seinen Schultern liegen würde.

Und in Gedanken träumte er von einer Chance, sich rechtfertigen zu können. Rechtfertigen, gegen das Urteil, welches das Leben ohne sein Wissen über ihn ausgesprochen hatte, und das Verbrechen, welches er nicht begangen hatte, und unter der Last der Schuld er ebenso litt, wie unter den Folgen.
 

Es war nicht der Wunsch seiner Mutter etwas schlechtes zu wünschen, nur die Möglichkeit sich selbst zu beweisen, das er unschuldig war, entgegen allem, was sein Vater ihm die ganzen Jahre lang zur Last gelegt hatte.

Denn sein Vater gab ihm die Schuld dafür, das sie ‚abgehauen’ war.

Er konnte die Vorwürfe nicht mehr ertregen. Mittlerweile wagte er es fast schon nichtmehr selbst an seiner Schuld zu zweifeln.

Doch tief in sich drin wusste er, das sie nicht ‚gegangen’ war. Zumindest nicht im eigentlichen Sinne, und nicht freiwillig.
 

Warum waren sie wohl umgezogen?

Wahrscheinlich aus demselben Grund, warum Er alle Bilder verbrannt hatte, auf denen neben Toshiya und seiner kleinen Schwester Hanami noch zwei weitere, frech grinsende Kinder zu sehen waren...und hinter ihnen noch zwei Jungen.
 

Vorsichtig zog er das Foto aus einem Riss im Rücken des leicht lädiert aussehenden Kuscheltiers hervor und fuhr vorsichtig die Konturen des kleinen Jungen hinter ihm nach.

Er war bei der alten Wohnung geblieben. Im Garten, unter den Rosenbüschen.

Und schon war das Bild der heilen Familie kaputt.

Und wer konnte es schon wissen? Ob vielleicht unter der Linde? Oder dem Kirschbaum? Oder vielleicht direkt neben Shigerou nicht auch noch ein zweiter Körper lag. Mit blasser Haut und eingefallenen Wangen...
 

Er zitterte leicht.

Die Tränen, die schon lange seine bereits geröteten Wangen herunterflossen bemerkte er garnicht mehr.

Er hatte aufgehört ihnen die Schuld dafür geben zu wollen.

Klar, als sie noch da waren war alles besser, doch er wusste nicht, ob sie nicht vielleicht das erste Opfer dieser zerbrechenden Familie waren.
 

Heil war sie seiner Meinung nach zwar eigentlich nie gewesen, doch man konnte in ihr leben, wenn man nicht allzu viel auffiel. Er war ein normaler Junge gewesen. Außerhalb von zuhause sogar alles andere als schüchtern, sondern eher durchgedreht und hyperaktiv.
 

Wo war dieser Junge hin?

War er mit ihnen gestorben?
 

Oder wurde er mit verkauft, als sein Vater ihm nach verschwinden ihrer Mutter seinen größten Schatz genommen und billig verscherbelt hatte? War sein Herz schon damals so abgestumpft gewesen, das er nichtmal mehr den Verlust seiner Familie, sondern nurnoch den Verlust eines Gegenstandes wahrgenommen hatte?

Und wenn ja, warum weinte er dann gerade?
 

Wie die Kleinen es geliebt hatten, wenn er ihnen etwas auf seiner Bassgitarre vorgespielt hatte.

Sie saßen vor ihm auf dem Boden und blickten ihn mit großen Augen an, die eben die typische Bewunderung wiederspiegelten, die kleine Kinder für ihre größeren Geschwister empfinden.
 

Er atmete einmal geräuschvoll aus und begann dann doch den Stift in festen Strichen über das jungfräuliche Blatt zu führen.
 

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Er setzte gerade die letzten Schattierungen an der bläulich schimmernden Gitarre, als ein lautes Krachen der Tür ihn zusammenzucken ließ. Sein Vater stand in der Tür.

Sein Gesicht war rot angelaufen, die Augen glasig und er stank mal wieder nach Alkohol, das Toshiya fast übel wurde, als er langsam näher kam.

„Wieso hat jemand unsere Telephonnummer?“

Toshiya machte ein verwirrtes Gesicht.

„Ich will jetzt wissen, warum hier einer von deinen verfickten Leuten anruft!“, donnerte er.

Er zuckte unweigerlich zusammen. Er hatte niemandem auch nur annähernd seine Adresse gegeben, geschweige denn seine Telephonnummer. Doch seinen Vater schien das nicht zu interessieren.

Mit einem Ruck hatte er seinen Schreibtisch leer gefegt, und ihn darauf gepresst.

„DENKST DU ICH LASSE MICH VERARSCHEN?“, schrie er ihn an. Der Junge schüttelte panisch den Kopf, wärend Tränen in seine Augen stiegen und er Probleme hatte überhaupt noch genügend Sauerstoff zu bekommen, was ihm durch die Fahne seines Alten und dessen Hand an seinem Hals erschwert wurde.
 

Schon kam der erste Schlag, der seinen Kopf wild zur Seite zucken ließ. Langsam rutschte er von der Arbeitsfläche des Tisches, wärend Tritte und Schläge auf seinen Oberkörper niederprasselten.

Als er auf dem Boden lag ließ ihm ein gezielter Tritt in den Magen die Luft aus den Lungen weichen.

Für ein paar Sekunden lang glaubte er nicht mehr Atmen zu können. Ein weiterer Schlag und ein ekelhaft knirschendes Geräusch, sowie ein stechender Schmerz in seinem Brustkorb verkündeten ihm wohl mindestens eine gebrochene Rippe. Sein Atem ging rasselnd, und jedes Mal, wenn sich seine Brust hob-und wieder senkte, zuckte ein gewaltiger Schmerz durch seinen gesamten Körper.
 

Der Eifer des Mannes über ihm schien unersättlich. Er traktierte ihn weiter, bis er schon über und über mit blutenden Wunden übersäht war und Toshiya schon längst keinen Leut mehr von sich gab.

Eine dumpfe Schwärze drohte nach ihm zu greifen.

Er wollte nicht mehr. Er konnte nicht mehr.

Sollte sich so das Ende anfühlen? War es so schmerzvoll? Eigentlich hatte er immer gedacht das es etwas Gutes war, eine Erlösung...
 

Sein Vater hatte ihn mittlerweile fast bis zum anderen Ende des Zimmers geprügelt. Er spürte etwas hartes an seinem Hinterkopf.

Mit einer letzten kraftlosen Bewegung hiefte er seinen Kopf an den Türrahmen und sah seinen Vater trotzig an.

Der grinste nur dreckig und holte aus.
 

Ein dumpfer Schlag,
 

...dann war alles schwarz.

Kinderschreck

„Und, hast du jemanden erreicht?“, fragte der Größere der es sich auf dem Tisch neben Kyo gemütlich gemacht hatte. Er war zu Kyo’s ‚Arbeit’ gekommen, da sie sich heute eigentlich einen schönen DVD Abend machen wollten, da Freitag, und damit auch am nächten Tag keine Uni sein würde.

Doch erstmal hatten sie andere Sorgen.
 

„Fehlanzeige, er meinte, das >hier kein Toshiya wohne<.“

Nachdenklich sahen beide zu dem kleinen Mädchen hin, welches immernoch unverändert am großen Tisch saß und seltsame Gebilde mit großen Bauklötzern türmte, die nur für sie einen Sinn zu ergeben schienen.
 

Kyo überlegte. „Wir können sie ja nicht hier lassen, das Gebäude wird gleich zugemacht. Mich beunruhigt es, das Toshiya noch nicht hier war.“ Kaoru bestätigte diese Aussage mit einem Nicken.
 

„Dann werden WIR sie eben nach hause bringen!“, meinte er dann optimistisch. Der Kleinere der beiden runzelte die Stirn und zog dabei eine Augenbraue nach oben, was einen allgemein skeptischen Anschein machte.

„Ich glaube nicht das sie einfach so verraten wird wo sie wohnt. Ihr Bruder wird ihr sicher schon einiges beigebracht haben!“, gab er zu bedenken.
 

„Aber wir können es versuchen!“ damit stand Kaoru auf und setzte sich neben Hanami, die immernoch nur in ihre eigene kleine Welt versunken zu sein schien.
 

Plötzlich wurde die Tür des Aufenthaltsraumes mit einem Ruck aufgerissen.

Sofort schnellte ihr Kopf hoffnungsvoll nach oben...um sich gleich darauf wieder mit einem leicht enttäuschten Ausdruck in den Augen nach unten zu bewegen.
 

„Wir machen jetzt zu! Was machen wir mit der Kleinen?“, fragte die alte Heimleiterin in ihrer typisch rabiaten Art mit einer tiefen, vom Rauchen aufgerauhten Stimme.

„Wir kennen ihren Bruder und bringen sie jetzt nach hause.“, erwiederte Kaoru fest entschlossen und hob Hanami kurzerhand hoch. Diese fing sich aber sofort zu wehren und zu schreien an.
 

Kaoru bekam erstmal einen kleinen Schreck, hielt sie aber weiterhin fest.

Als er jedoch einen Schlag mit einem, der sich immernoch in ihrer Hand befindlichen Holzklötze abbekam, setzte er sie hastig wieder auf den Boden, worauf hin sie auch gleich zu Kyo rannte und sich hinter ihm versteckte.
 

Kyo’s Gesicht zierte ein triumphierendes Grinsen als er Kaorus verwirrtes Gesicht sah.

„Tut mir leid, aber du siehst wahrscheinlich einfach zu schrecklich aus, ich glaube sie hat Angst vor dir!“, meinte der Blonde mit den dunkel umrandeten Augen, schwarz-zerfetzten Klamotten, Springerstiefeln und vielen Piercings im Gesicht erklärend.

„Ja ja, ich frage mich wie DU eigentlich diesen Job hier bekommen konntest!“, hörte er den Großen noch im Vorbeigehen murmeln.
 

„Was jetzt?“, fragte Kao einfallsreich als sie vor der geschlossenen Kindertagesstätte standen.

Böser schwarzer Mann

Langsam öffnete er seine Augen, um sie sofort wieder zu schließen. Sein Kopf begann zu dröhnen, als das blendende Licht direkt auf sein Gesicht traf. Er stöhnte kurz gequält auf als er versuchte seine Hand zu bewegen, was mit einem stechenden Schmerz der sich durch seinen gesamten Körper zog, quittiert wurde.

Er hatte mal wieder schlechte Laune gehabt.

Diesmal war es besonders schlimm gewesen und er dankte Gott dafür, das sein Vater danach aus dem Haus gegangen war. Zwar wahrscheinlich auch nur wieder, um sich irgendwo weiter zu betrinken, doch das sollte im Moment egal sein. Allein sein war ihm lieber, als wenn ER da war.
 

Nach mehreren Versuchen schaffte er es immernoch nicht sich auch nur aufrecht hinzusetzen. Und so ließ er sich letztendlich wieder auf den Boden zurücksinken, unteranderem auch, weil sich nach einer Weile seine Umwelt, seiner Meinung nach, um ihn zu bewegen begann.

Um dem Einhalt zu gebieten schloss er seine Augen wieder, aus dessen Winkeln sich langsam einige salzige Tränen der Wut und Verzweiflung lösten, die langsam über die harte Kruste aus getrocknetem Blut und aufgeriebener Haut liefen. Er hoffte dass er einfach wieder Ohnmächtig werden würde, um diese aussichtslose Lage nicht weiter ertragen zu müssen. Doch erst als er nach, wie es ihm schien, einer Ewigkeit einen weiteren Versuch unternahm sich irgendwie zu bewegen, griff die erlösende Schwärze wieder nach ihm.
 

So konnte er auch nichtmehr mitbekommen, wie Stimmen vor der Wohnungstür laut wurden und ein paar mal zurückhaltend an die Tür geklopf wurde.

„Bist du dir sicher das dein Bruder da ist?“

„Um die Zeit sind wir eigentlich immer schon zuhause!“, meinte Hanami leise.
 

Kaoru und Kyo fühlten sich unwohl. Nicht nur, dass die Wohnung der Geschwister in dieser verruchten Gegend lag, sie hatten auch so ein schlechtes Gefühl. Hanami trat ein paar Schritte vor und klopfte ein weiteres Mal dagegen.

„Oni-san, bist du da?“, rief sie gegen die geschlossene Tür. Jedoch erhielt sie keine Antwort.

„Da oben in dem Riss über dem Türrahmen holt mein Bruder manchmal einen Schlüssel raus.“, meinte sie anschließend. Kyo blickte überrascht auf und warf Kaoru dann einen bittenden Blick zu, da dieser wohl der Einzige in der Runde war, der mit seiner Größe über den Rahmen der Tür greifen konnte.

Und tatzächlich beförderte er nach kurzem Abtasten einen kleinen silbernen Gegenstand zum Vorschein. Als er den Schlüssel vorsichtig in dem alten Schloss drehte, blätterten einige traurige Überbleibsel der ehemaligen Farbe vom ramponierten Holz.

Kyo versetzte der Tür schließlich noch, ungeduldig wie er war, einen kleinen Stoß, so das sie mit einem leisen Quietschen den Blick ins Innere der Wohnung frei gab.
 

Vor ihnen erstreckte sich ein kurzer enger Flur, an dessen Wänden die Tapete in Streifen herunterhing und der noch zusätzlich mit Dingen verschmälert wurde, die stark an die Überbleibsel von Möbeln erinnerten.

Die Farbe der Wand schwankte zwischen grau-braun und gelb.

Das ursprüngliche Weiß war nichtmehr zu erkennen.
 

Die scharfen Kanten der Trümmer waren leicht rot eingefärbt. Kyo schluckte. Hier stimmte ganz bestimmt etwas nicht. Noch einmal rief das kleine Mädchen nach ihrem Bruder. Doch alles blieb still.

Bis auf das Ticken der Uhr, welches unwirklich in der verwüsteten Wohnung wiederhallte.
 

Hanami verschwand in einem Raum, aus dem sie jedoch sofort wieder herauskam, um in einen anderen zu rennen. Die beiden Größeren folgten ihr.
 

Sie betraten ein Zimmer, dessen Tür nurnoch aus sehr dünnen Holz bestand. Eine Matratze lag an der linken Stirnseite und ein paar Schulsachen und Zeichnungen, sowie ein alter Plüschhase zeugten davon, dass hier Toshiya und Hanami wohnen mussten. Kaorus Augen weiteten sich. Er hätte vorher nie geglaubt das es Menschen gab, die in solchen Verhältnissen lebten. Klar, er wusste das es Armut und all solche schlimmen Dinge gab, allerdings war es für ihn immer etwas relativ fernes und abstracktes gewesen, da er selber aus einer eher wohlhabenden Familie stammte, und bisher immer gut behütet und von allem Unheil dieser Welt ferngehalten wurde, doch das sich soetwas praktisch jeden Tag vor seinen Augen abgespielt hatte, begann er erst jetzt wirklich zu begreifen.

Doch in diesem Raum war Toshiya auch nicht.

„Küche“, murmelte die Kleine vor sich hin, als sie wieder durch die Tür hastete. Ein leiser Schrei veranlasste Kyo und Kaoru dazu, ihre Musterung zu beenden und ebenfalls in Richtung der Küche zu rennen.
 

Sie hatten ihn gefunden!

Kyo nahm sofort das zitternde Mädchen in den Arm und schlug sich selbst die Hand vor den Mund. Kaoru erstarrte in der Tür.
 

Der Körper des Jungen war von Wunden, Schnitten, Prellungen und Blutergüssen übersäht, so dass man fast an keiner Stelle mehr die ursprüngliche Hautfarbe erkennen konnte. Das feine Gesicht war mit Blut beschmiert, welches wohl von der aufgeplatzten Lippe, der Nase und der großen Platzwunde an der rechten Schläfe herrührte.

Die Augen waren dick und angeschwollen und die langen schwarzen Haare waren verklebt und hingen ihm wild ins Gesicht und in der roten Pfütze, die sich langsam um ihn ausgebreitet hatte.

Der gesamte Körper war in einer sehr verkrampften Haltung erstarrt.

Und nur wenn man genau hinsah, konnte man ein zwar schwaches, aber regelmäßiges Heben und Senken des Brustkorbes unter der zerrissenen Kleidung erkennen.
 

Langsam löste sich Kaoru aus seiner Starre und kniete sich neben den lädierten Körper. Vorsichtig strich er einige der verklebten Strähnen weg und entfernte sie auch aus dem leicht geöffneten Mund.

Erst jetzt bemerkte er die Überreste eines ehemaligen Stuhls, die überall im Raum verteilt lagen.

Kyo, der Hanamis Gesicht so gedreht hatte, das sie die ganze Szenen nicht genauer mit ansehen musste, flüsterte schließlich leise: „Oh Gott!“

„Wir holen dich hier raus!“, sagte Kaoru leise und fragte dann etwas lauter:

„Wer war das?“ Dabei tastete er Toshiya wie mechanisch ab um möglicher Weise festzustellen, wie viel gebrochen war.
 

„Das war der böse schwarze Mann!“

Weg

„Wer ihn wohl so zugerichtet hat?“, fragte Kaoru leise. Er saß zusammen mit Kyo vor seiner Couch im Wohnzimmer, auf der sie Toshiya platziert hatten und gerade versuchten unter der harten Kruste von getrocknetem Blut sein Gesicht wieder hervorzuholen.
 

Die Kleine hatten sie erstmal zum Schlafen in Kaorus Bett verfrachtet.

„Ich weiß es nicht, und ich kann mir unter ‚dem schwarzen Mann’ auch nicht wirklich was vorstellen“, antwortete Kyo, während er mit einem feuchten Lappen weiter vorsichtig das Gesicht des Anderen abtupfte.
 

Zum Glück war Freitag, so dass sie sich erstmal das Wochenende um Toshiya kümmern konnten.

Kaoru strich vorsichtig eine nasse Strähne aus dem Gesicht des Jungen und betrachtete die eigentlich feinen Züge.
 

Was war dort geschehen?

Bei der Erinnerung daran, wie sie ihren Mitschüler gefunden hatten, schnürte sich ihm immernoch die Kehle zu.
 

„Und wie soll es jetzt weitergehen?“, fragte Kyo weiter, während er nun auch begann den Oberkörper, den sie vorher schon aus den in Fetzen hängenden Klamotten befreit hatten, vorsichtig zu säubern.
 

Er sah grausam zugerichtet aus, und die Tatsache das Toshiya selbst noch in seiner Ohnmacht das Gesicht schmerzhaft verzog war auch nicht gerade beruhigend.

„Sie werden erstmal bei mir bleiben.“, sagte Kaoru fest entschlossen.

„Meine Eltern sind eh jetzt erstmal längere Zeit wieder nicht da, und Platz haben wir ja genug!“

„Hm...“
 

Eine Stunde später hatten sich die Beiden in den hinteren Teil des Zimmers verzogen und unterhielten sich gedämpft.

Toshiya blinzelte, und unterdrückte, als er seinen Kopf drehen wollte, mühsam ein schmerzerfülltes Stöhnen.

Wo war er hier?
 

Er blickte dann doch vorsichtig zur Seite, als er leise Schritte neben sich vernahm.
 

„Sieh mal!“, flüsterte Kyo ganz leise, und deutete zur Couch.
 

Er wusste nicht wo er war, doch Hanami war auch hier und lächelte ihn an. Also war es wahrscheinlich in Ordnung. Auch er mühte sich ein leichtes Lächeln ab. Auch wenn er wusste, dass es wahrscheinlich misslang.

„Kannst du nicht schlafen?“, fragte er leise und erschrak dabei, als er seine eigene rauhe, trockne Stimme vernahm.

Das kleine Mädchen, welches es gewohnt war immer in einem Bett mit dem großen Bruder zu schlafen, nickte.
 

Schüchtern hob sie die Decke und kuschelte sich eng an ihren Bruder auf die Couch, der langsam den Arm um sie legte, und schloss dann zufrieden die Augen. Auch Toshiya wurde vom Schlaf wieder sofort dahingerafft.
 

Toshiya wachte schon ziehmlich früh wieder auf. Es war nicht so, dass er den Schlaf nicht eigentlich dringend nötig gehabt hätte, doch so sehr seine Glieder auch um Schonung schrieen, musste er irgendwie zumindest erstmal herausfinden, wo er war.
 

Er verzog schmerzerfüllt das Gesicht, als er sich angsam hochrappelte. Und ihm schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis er es dann auch endlich geschafft hatte, auf seinen eigenen Beinen zu stehen.
 

Er sah an sich hinab und schmerzhaft wurden ihm die Geschehenisse das letzten Tages in Erinnerung gerufen.
 

Wer auch immer sie ausgenommen hatte – er war ihm zu Dank verpflichtet.

Doch wo auch immer sie jetzt genau waren – sie mussten weg, und zwar schnell!
 

Vorsichtig tappste er durch die Wohnung, um irgend einen Anhaltspunkt zu finden, wessen Wohung das war.

Die Tür zum Schlafzimmer, er vermutete zumindest das es dahinter lag, war leicht geöffnet.

Er brauchte nur einen kurzen Blick hinein zu werfen, um rückwärts wieder herauszustolpern.

Er hätte es wissen müssen!
 

Hier konnte er auf jeden Fall nicht bleiben!

Zu viele Fragen, zu wenig Antworten.

Zu wenig Vertrauen und zu viel Angst!
 

Schnell hatte er alles was wohl noch von ihm verstreut in der Wohnung lag zusammen gesucht und es zu einem kleinen Bündel zusammengeschnürt.
 

Das T-Shirt welches er trug stammte vermutlich von Kaoru. Er musste es in Mangel an anderer Kleidung erstmal zwangsweise anbehalten. Denn 1. war sein Hemd eigentlich nichtmal mehr als Putzlappen zu gebrauchen und 2. wäre er wohl garnicht dazu in der Lage gewesen sich alleine etwas anderes anzuziehen.
 

Er ging zur Couch hinüber und schob sachte beide Arme unter den schmalen schlafenden Körper. Mit einem Ruck hob er sie hoch, verbiss sich dabei einen kleinen Aufschrei und verschwand schließlich durch die Tür in den kalten Morgen hinaus.

Woher...?

Ein kleiner vorwitziger Sonnenstrahl kitzelte ihm in der Nase. Ein Grummeln.

Ein kurzes Rascheln und schon war er wieder vollkommen ins Land der Träume versunken. Und als er neben sich auch noch eine zusätzliche Wärmequelle wahrnahm, war sein Morgen perfekt und er kuschelte sich noch näher an dieses warme Etwas heran.
 

Diese Handlung brachte eben dieses besagte, lilahaarige Etwas dazu, langsam die Augen zu öffnen und von gerade eben diesem selben vorwitzigen Sonnenstarhl geärgert zu werden.

Er lächelte noch leicht verschlafen, als er dicht an sich gedrängt einen blonden Haarschopf unter der Decke ausmachte.
 

„Aufstehen!“ – ein Murren.

„Los, es ist spät genug!“ – keine Reaktion – ein unsanfter Tritt, der die Forderung unterstützte.

Wieder ein Murren.
 

„Hey Kyo, Toshiya ist mit deiner Unterhose nach Honolulu durchgebrannt und arbeitet dort als Callboy einer Sexhotline!“ Um seine Worte zu bekräftigen zog er dem Kleinen die Decke vom Kopf und strich über den freigelegten Bauch - immer weiter runter...
 

„Ey, du Homo, lass mich pennen!“, schrie ein Kyo, in den nun endlich ein bisschen mehr Leben kam.

Etwas unauffällig schielte er durch die halb geöffnete Tür ins Wohnzimmer. Kaoru lachte.

„Jetzt weiß ich wie ich dich morgens munter kriege!“
 

Kyo stockte.

„Erm....Kaoru...ich seh ja ein, dass du mich HEUTE gut damit wach bekommen hast, aber hast du mal nach draußen geschaut? Ich glaube deine Weckmethode entspricht in einer etwas sehr unpässlichen Weise der Realität!“

Langsam drehte nun auch Kaoru seinen Kopf –
 

Und schon waren beide aufgesprungen und ins (leere) Wohnzimmer gestürmt.
 

„Kuso“, entfuhr es dem Großen.

Kyo schaute traurig auf die säuberlich zusammengelegte Decke, auf der ein kleiner weißer Zettel ruhte.
 

> Arigatou <
 

„Sie müssen heute ganz früh abgehauen sein!“, meinte Kyo, während er den Zettel in den Händen drehte und aufmerksam beobachtete, als könnte dieser noch einige Geheimnisse mehr verbergen oder die Fragen beantworten, die sich langsam in den Köpfen der Beiden bildeten.

„Aber wo wollen sie denn hin?“

„Hoffentlich nicht wieder nachhause...“, flüsterte Kyo leise.
 

Und sein Flehen wurde erhört. Auch als Kyo und Kaoru noch einmal in der immer noch im Chaos versinkenden Wohnung waren, war keine Spur von den Geschwistern zu sehen. Auch der Verbleib des Hausherren blieb weiterhin ungeklärt.

Und als die Beiden am Montag in ihren Kurs kamen, saß ein ihnen nur allzu gut bekanntes Gesicht still auf seinem Platz und versuchte jeglichen Blickkontakt zu vermeiden.

Doch ein Gespräch konnten sei auch erst mal nicht mal versuchen anzufangen, da es in diesem Moment schon schellte und die Lehrerin den Raum betrat.
 

In der Pause dann hätte er nicht mal so schnell fliehen können, wie sein Tisch belagert wurde. Seine noch durch viele Wunden eingeschränkte Bewegungsfähigkeit hätte eh noch ihr übliches dazu getan. Und so blieb ihm nichts anderes übrig als einfach sitzen zu bleiben. Auf Dauer wäre er ihnen eh nicht entkommen.

Er blickte nicht auf, antwortete auf keine Frage – reagierte nicht.

Nur wer seinen einzigen Lebenssinn jahrelang darin sah, einen buddhistischen Mönch, der ein Schweigegelübde abgelegt hat, zum reden zu bringen, könnte die Verzweiflung nachvollziehen die in Kyo und Kaoru, bei ihren eigentlich sinnlosen Versuchen, langsam hochstieg.
 

„Toshiya, rede mit uns!“, quengelte Kyo letztendlich nur noch rum.

„Warum bist du einfach mit Hanami abgehauen, und wo wohnt ihr denn jetzt überhaupt?“, versuchte es nun auch Kaoru wieder.

Langsam und unsicher hob der Dunkelhaarige sein Gesicht. Dieses war immer noch in den unterschiedlichsten rot- und blau- Tönen angelaufen und die Schwellungen waren auch nicht wirklich zurückgegangen.

Doch schon senkte er den Kopf wieder nach unten, so dass seine Haare einen weiteren Blick auf das ramponierte Gesicht verhinderten.

Das Blut, welches von einer großen Platzwunde an seinem Hinterkopf stammte und am Vortag die gesamte schwarze Pracht verklebt hatte war entfernt worden.

Trotzdem hatte sie ihren Glanz verloren und hing schroff und in schmutzigen Strähnen vor seinen Augen.
 

Das Ende der Pause zwang die Beiden abermals dazu von ihrem ‚Opfer’ abzulassen.

Sie nahmen sich vor das Ganze nach dem Unterricht noch einmal zu versuchen.
 

Das war allerdings leichter gesagt als getan, denn von dem stillen Jungen war, als es soweit war, keine Spur mehr zu sehen. Er konnte in dem Gedränge, welches nach Abschluss des Unterrichts entstand, entkommen.

Deprimiert gingen sie nun also unverrichteter Dinge ihres Weges: Kaoru nachhause und Kyo zu seinen Schützlingen, unter denen, zu seiner vollkommenen Überraschung, auch wieder Hanami war.
 

Es war also nicht schwer herauszufinden, wem heute seine besondere Aufmerksamkeit galt.

Doch diesmal hatte ihr Bruder anscheinend ganze Arbeit geleistet. Er konnte auch nach mehrmaligen auf sie Einreden nichts über ihre jetzige Bleibe oder andere Informationen herausfinden.

Und zu Kyos großer Enttäuschung war es auch nicht Toshiya, der Hanami heute abholte.
 

Die langen Haare fielen seidig über die schmalen Schultern und rahmten das schöne, schlanke Gesicht ein.

Kyo war wahrscheinlich das erste Mal effektiv in seinem Leben sprachlos – in dem Sinne, dass er nicht mal in Gedanken wusste, was er zu dieser Erscheinung sagen sollte. – Sie hatte ihn ganz einfach umgehauen!
 

„Klappe zu, sonst wird’s kalt!“, kam die gelangweilte Antwort, als der Unbekannte an den Tisch herantrat an dem Kyo und Hanami saßen.

Kyo schluckte schwer und beobachtete, wie sich der Andere zu Hanami herunterbeugte, um das Blatt welches mal wieder von ihr verschönert wurde, zu betrachten.

Seine Züge wurden weich.
 

„Es geht los.“, flüsterte er der Kleinen ins Ohr, welche ihn lieb anlächelte.

Sofort sprang sie von der Bank, verabschiedete sich von einem mehr als perplexen Kyo und folgte dem schönen fremden Wesen nach draußen.

Beistand

„Woher wusstest du eigentlich was passiert ist?“, fragte er vorsichtig nach, während er weiterhin die Behandlung des Anderen über sich ergehen ließ.

„Ich habe meine Quellen!“ Ein unwilliges Murren folgte. Der Andere lachte.

„Ich wurde von einem besoffenen Barkeeper als Kummerkasten benutzt.“

Toshiya zog eine Augenbraue nach oben.

„Dieser wurde wiederum selbst von seinen Freunden dazu missbraucht. Du dürftest sie kennen –

so ein blonder Zwerg und ein Großer mit violetten Haaren.“, sprach er leise, während er sich darauf konzentrierte Toshis blaues Auge mit Salbe abzutupfen.

Dann war alles wieder still.

„Und wie hast du jetzt vor dich weiter durchzuschlagen?“ wurde etwas beiläufig klingend gefragt.

„Ich hab einen Job bei einer Tankstelle bekommen und werde versuchen das irgendwie noch mit der Schule zu vereinbaren. Miete muss ich ja hier nicht zahlen.“, meinte er mit einem Blick durch den kleinen Raum, dessen Inventar aus einem umgekippten Schrank, einem alten Schreibtisch und zwei Kartons bestand.

Die Türen des Schrankes, welcher auf dem Boden lag, waren geöffnet und der Teil in dem normaler Weise die Jacken und andere Kleidungsstücke am Haken hingen, war mit Decken ausgelegt, in die sich Hanami gekuschelt hatte und mit einem Teddybär im Arm eingeschlafen war.
 

„Er wird nach dir suchen.“, meinte er und folgte Toshiyas Blick, der auf dem kleinen Mädchen lag.

„Ich weiß. Aber von dir kann ich keine Hilfe erwarten.“, antwortete er leise. Es war kein Vorwurf in seiner Stimme. Es war ein Fakt mit dem er sich, unter anderem auch zu seiner eigenen Sicherheit, abgefunden hatte.

Dem konnte der Andere nur zustimmen.

„Also dann, ich hab noch zu tun.“

„Ja, bis dann...“ – „passt auf euch auf!“, flüsterte er leise, während er sich in einer plötzlichen und scheinbar völlig unerwarteten Geste zu dem Schwarzhaarigen herunterbeugte und ihm einen leichten Kuss auf die Lippen hauchte.

Dann verschwand er aus dem Zimmer, beinahe so lautlos wie er gekommen war.
 

Toshiya seufzte. Irgendwie schien immer alles von Natur aus gegen ihn zu laufen. Und komischer Weise war er froh darüber, diesen einen Menschen wirklich auf seiner Seite zu wissen, auch wenn er wusste, dass er von ihm nichts als seelischen Beistand erwarten konnte.
 

Müde betrachtete er die Spiegelung seiner eigenen erbärmlichen Erscheinung im verdreckten Fensterglas.

Er stand langsam auf und trottete zu ihrem improvisierten Bett, in welches er sich schließlich sinken ließ und eng an seine Schwester gekuschelt auch beinahe sofortigen Schlaf fand.
 

Dieser währte allerdings nicht allzu lange, da er durch ein lautes Poltern aus seinen Träumen gerissen wurde.

Das darauffolgende laute Fluchen bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen.
 

Mit einem Satz sprang er auf und weckte Hanami hastig.

Diese blinzelte ihn verschlafen und verwirrt an. Bevor sie irgend etwas sagen konnte, legte sich eine Hand auf ihren Mund und zog sie aus dem Raum.

Nachricht

Das RED war ziemlich schlecht besucht an diesem Abend, als Shinya den Club betrat.

Die lächelte, als er die Siluette seines stillen Stammgastes in der Tür erkannte. Der blieb jedoch erst mal ein wenig unschlüssig im Rahmen stehen. Als er Die’s Blick begegnete setzte er sich zielstrebig auf seinen Platz in der Ecke und wartete auf die rothaarige Bedienung.

Diese ließ auch nicht lange auf sich warten und nahm die Bestellung sofort entgegen.
 

Als er das Getränk dann servierte, hielt Shinya ihm auch schon einen Schein zur Bezahlung hin.

„Mal was neues, oder wieso bezahlen wir heute nicht zum Schluss?“, fragte er mit einem Blick auf das grünliche Zahlungsmittel.

„Ich bezweifle das ich nachher noch die Möglichkeit habe zu bezahlen. Außerdem wäre es gewiss vorteilhafter für dich es jetzt schon anzunehmen.“, antwortete der Gast gelassen.
 

Schulternzuckend nahm der Rote das Geld entgegen und machte sich auf den Weg zur Kasse um das Wechselgeld zu holen.

Doch als er ihn in das entsprechende Fach legen wollte, stockte er.

Sollte ihm der Blonde heute zwei Scheine in die Hand gedrückt haben? Stirnrunzelnd zog er einen kleinen weißen Zettel hervor, der sich anscheinend zufällig hinter den 1000 Yen Schein geklemmt hatte.
 

Auf ihm war säuberlich eine Adresse notiert – allerdings ohne Namen.

Was darunter in dicken Druckbuchstaben geschrieben stand, ließ ihn den Atem anhalten:
 

HILFE!
 


 


 

Zufrieden lehnte sich der Blonde in die Kissen seiner Sitzecke zurück,

als er einen roten Schopf durch die Tür verschwinden sah.

Rettung?

Er hetzte die schmalen Gassen entlang. Er wusste zwar nicht wen dieser Zettel genau betraf, doch sein Gefühl ließ es nicht zu, diesen Hilfeschrei herunterzuspielen oder gar zu ignorieren.

Irgend etwas sagte ihm, dass er es bereuen würde, dem nicht nachzukommen und vor allem auch: so schnell wie möglich nachzukommen!

Schwer schnaufend kämpfte er sich durch das Häusergewirr der Vorstadt. Er kannte diese Gegend.

Doch an mehr als ein paar leerstehende Fabrikgebäude und Häuserruinen konnte er sich beim besten Willen nicht erinnern.
 

Nach einer Weile blieb er vor einer schon recht heruntergekommenen Fabrik stehen. Die alte Seidenspinnerei wurde schon seit vielen Jahren dem Verfall preisgegeben und nur noch ein altes, verrostetes Schild, welches allerdings schon halb von Wildwuchs verdeckt wurde und so nur für Diejenigen sichtbar war, welche wussten wo es hing, zeugte von einem kapitalreichen Unternehmen.
 

Er hielt kurz inne und betrat dann leicht zögerlich das Gelände. Die so gut wie verfallene Tür hing lose in den Angeln und so bereitete es dem Rothaarigen keine Schwierigkeiten das massive Holz beiseite zu schieben.
 

Und nun?

In welche Richtung er sich wenden sollte, wusste er nicht. Zumal auch ganz langsam in seinem Inneren eine kleine miese Stimme laut wurde, die ihm zuzuflüstern versuchte, dass er einfach nur einem blöden Scherz auf dem Leim gegangen war.
 

Diese Ansicht revidierte er allerdings ganz schnell wieder, als ein markerschütternder Schrei durch die verfallenen Gänge jagte, und an den steinernen Wänden in einem noch furchteinflößenderem Echo zurückgeworfen wurde.
 

Abrupt machte er auf dem Absatz kehrt und rannte in die Richtung aus der er gekommen war.

Er hetzte die schmalen von staubiger, abgestandener Luft erfüllten Korridore entlang - den allmählich lauter werdenden Geräuschen entgegen.
 

Vor einer noch relativ gebrauchsfähige aussehenden Tür machte er halt und presste angespannt ein Ohr an das alte Holz.

Ein leises Wimmern war zu vernehmen, neben einem tiefen, nicht wirklich indendifizierbaren Grunzen.

Dann wieder ein Schrei und ein dumpfer Aufprall.
 

Die fackelte nicht lange und warf die Tür so schwungvoll auf, dass diese mit einem lauten Krachen gegen die Wand und letztendlich auch aus ihren Angeln fiel. Er hielt die Luft an.
 

Ein fetter, ekelerregend aussehender, bulliger Typ kroch über ein zitterndes Bündel, welches jedoch anscheinend schon jegliche Gegenwehr aufgegeben hatte und nur noch ein leises Wimmern von sich gab.
 

Mit einem Satz war er herangehechtet und riss den riesigen Fleischberg von seinem Opfer herunter, dass dieser nur erschrocken aufkeuchen konnte.
 

Immer wieder platzierte Die seine Faust auf eine eher unsanfte Art und Weise im Gesicht des überraschten Mannes. Der schubste den Rothaarigen forsch von sich, warf noch einmal einen hasserfüllten Blick in den Raum und verschwand dann aus der Tür.

Die wollte dem Flüchtenden schon nachsetzen, doch das erneute Wimmern des Zurückgebliebenen brachte ihn vorerst davon ab.
 

Das zitternde Wesen, welches nur noch ein paar Fetzen am Leib trug, robbte gerade, anscheinend unter großen Schmerzen, zu einer anderen, kleineren, Gestalt, die Die jetzt überhaupt erst registrierte.
 

„Hanami“
 

Ganz leise wurde der Name geflüstert. Und es war fast schon ein Schluchzen mit gebrochener Stimme, was das schwarzhaarige Wesen für Die als Junge erkennbar machte.

Seine Schultern bebten und das Schluchzen nahm zu, als er den kleinen Körper an sich presste.
 

Ganz langsam bewegte sich der Rothaarige auf die grausame Szene mit dem verstörten Jungen zu, der sich zunehmend verzweifelter an den anscheinend leblosen Körper des kleinen Mädchens klammerte.

Die hockte sich daneben und stellte entsetzt fest, dass sich ein gewaltiger Blutstrom vom Kopf des Mädchens aus, über den Jungen und den Boden unter ihnen ausbreitete.

Der süßliche Geruch des Todes stieg ihm in die Nase und vernebelte für eine kurze Zeit seine Sinne, dämmte alle Rationalität hinter einer dichten Wolke und ließ Panik in ihm aufsteigen. Er konnte den Wahnsinn auf seiner Zunge schmecken.
 

Nach einem kurzen inneren Kampf hatte er sich wieder gefangen und versuchte nun entschlossen den Schwarzhaarigen von dem kleinen Körper zu trennen.

Doch der, wenn auch nicht ganz klar, hatte trotzdem entschieden etwas dagegen und begann sich nun mit Händen und Füßen zu wehren.
 

Immer wieder schrie er irgend welche zusammenhangslose Bruchstücke und Wörter.

Die langen Haare hingen ihm wild ins Gesicht und die unentwegt fließenden Tränen ließen sein Sichtfeld zu einem Brei aus trüben, schmutzigen Farben, mit einem undeutlichen roten Fleck, verschwimmen.
 

Die war mit einem nur wenig eingeschränkten Sichtfeld, seiner wieder zurückerlangten Rationalität und auch mal ganz abgesehen von seiner körperlichen Überlegenheit, klar im Vorteil.
 

Es tat ihm zwar selbst weh, doch entschlossen fesselte er den Kleinen trotzdem mit einem harten, schraubstockähnlichen Griff und konnte ihn so endlich von dem anderen Körper trennen.

Wenn er sich nicht schon vorher Gedanken gemacht hätte, so wäre er spätestens stutzig geworden, als die Gegenwehr des Jungen mal wieder geradezu erschreckend schnell erstarb und der schmächtige Körper fast vollkommen in sich zusammensackte.
 

Die wickelte seine Jacke um den so gut wie nackten Körper und verließ mit ihm so schnell es ging das Gelände.

Mit zittrigen Fingern nestelte er sein Handy aus der Hosentasche und drückte die Rufwiederholung.

Neugeburt mit Überraschungseffekt

Die 4 Jungen saßen, wie so oft in letzter Zeit, zusammen, und tüftelten an einem Song, den sie eh nie hätten spielen können.

Fünf Wochen war es nun schon her, dass Kaoru den grandiosen Einfall hatte, eine Band zu gründen.

Er und Die würden die Gitarristen sein, das stand schon mal fest, da sie ja auch zusammen Nachmittags immer mal ein paar Lieder durchspielten. Toshiya, der inzwischen bei Kaoru lebte, hatte sich als erstaunlich guter Bassspieler herausgestellt und Kyo trat der Gruppe auf drängen von Kaoru, dem selbsternannten Leader bei, der ihn die ganze Zeit darauf gedrängt hatte, nachdem er Kyo einmal ein ‚Gute-Nacht-Lied’ für die Kinder singen gehört hatte.
 

Doch eine richtige Band waren sie immer noch nicht. Denn auch wenn sie immer an selbstgeschriebenen Liedern tüftelten, da sie X alle schon auswendig konnten, hatte es keinen Zweck diese ohne einen anständigen Schlagzeuger zu spielen.

Natürlich hatten schon ein paar Leute vorgespielt. Doch spätestens nachdem sie auch noch beim dritten Lied von X-Japan den Rhythmus nicht halten konnten, machte es für den talentierten Rest keinen Sinn, die betreffende Person in die Gruppe aufzunehmen.
 

„Haaaach, wir werden nie wie eine richtige Band spielen können!“, maulte Die, wie bei eigentlich schon fast jeder Probe.

„Klappe du Miesmacher, wenn wir alle so ne Einstellung hätten wie du, dann würden uns die Drummer sowieso nur noch davonlaufen, anstatt überhaupt den Versuch zu unternehmen einen Stick in die Hand zu nehmen !“, antwortete Kyo genervt.

Ihre Kontroverse wurde jedoch von einem leisen Klopfen unterbrochen.
 

„Herein?“
 

Die Tür schob sich vorsichtig auf, und eine schlanke blonde Person betrat den Raum.

„Anou...ich habe den Aushang hier gesehen, ihr sucht nicht zufällig noch einen Drummer?“
 

Kaoru sprang freudig auf, und stieß dabei den perplexen Toshiya an. Kyo starrte nur ungläubig auf den blonden Engel, den er ja schon einmal gesehen hatte und sein Glück gerade nicht fassen konnte und Die runzelte einfach nur beim Anblick dieses schmächtigen Wesens die Stirn. Der sollte ordentlich Drums spielen können?
 

„Das ist ja super! Natürlich ist die Stelle noch frei! Willst du etwas vorspielen?“

Der blonde nickte und schenkte den Anwesenden ein schüchternes Lächeln.
 

„Shinya, kannst du wirklich Schlagzeug spielen?“, fragte der rothaarige Gitarrist den Anderen.

Dieser nickte, und lächelte ihn freundlich an.
 

„Die, woher kennst du ihn denn?“, meldete sich Kyo zu Wort.

„Er ist ein Stammgast im RED. Aprospros...wo warst du eigentlich die letzten Wochen?“

„Ich hatte zu tun. Was soll ich denn spielen?“, fragte er, während er sich wie selbstverständlich hinter die Drums setzte und aus seiner Tasche ein paar Sticks kramte.
 

„Kennst du X?“, fragte ihn Kaoru, der immer noch ganz hibbelig war.

„Klar, was wollt ihr hören?“

„Blue Blood!“, rief Die als Erster in den Raum.
 

Shinya zuckte mit den Schultern und begann auf einmal mit voller Wucht auf die Drums einzudreschen.

Wohl bemerkt: mit einer erstaunlichen Kraft, dem richtigen Rhythmus und auch ansonsten schien er mehr als nur annehmbar zu sein.
 

Als Shinya geendet hatte hüpfte nun auch Die freudig durch den Raum. „Du bist toll, dich nehmen wir!“

„Moment, Moment!“, meinte Kaoru jedoch sachlich. „Das war sehr gut. Spiel bitte noch ein- zwei andere Lieder, aber ich denke wirklich das du gut zu uns passen würdest!“

Shinya nickte, und begann wieder mit spielen. Diesmal war es >X< und anschließend noch >Celebration<, was er dem Schlagzeug entlockte.

Und spätestens danach waren sie sich alle einig.
 

Eine neue Band war geboren! Und wie sollte sie heißen?
 

„Darüber macht ihr euch bitte alle zuhause Gedanken!“, meinte Kaoru auf Kyo’s Frage hin und entließ die nun 5 Musiker. Erst mal machten sich alle auf den Weg nachhause.
 

Shinya verlangsamte sein Tempo, als er Schritte hinter sich hörte.

„Shin!“

Er blieb stehen.

„Ich wusste nicht...also...du kannst gut Schlagzeug spielen.“, sagte Toshiya, der sich den ganzen Tag über zurückgehalten hatte.

„Danke“

„Gehst du schon nachhause?“

„Ja, ich habe noch ein bisschen was zu erledigen.“

„Oh...“

„Wie geht es dir. Kommst du bei Kaoru klar?“

„Ja, das ist alles bestens. Ich...ich vermisse Sie nur...“
 

Shinya blickte sich kurz um und nahm ihn schließlich seufzend in die Arme.

„Ich weiß das es sehr schwer ist loszulassen, aber versuche wenigstens alles was geschehen ist als Vergangenheit zu betrachten. Du kannst es nicht rückgängig machen, und Sie würde auch wollen das du weitermachst.“

„Ich weiß“, flüsterte der Schwarzhaarige und vergrub sein Gesicht in der Halsbeuge des Anderen.

„Du hast Die zu mir geschickt, nicht war?“

„Ich wollte mich nicht einmischen.“

„Ich weiß – trotzdem danke.“

Noch ein dankbarer Blick, und sie lösten sich wieder voneinander und gingen schweigend ihren Weg – in entgegengesetzte Richtungen.

Richtig falsch

Die seufzte entnervt, als er durch die heruntergekommenen Straßen eines der schlechtesten Viertel der Stadt wanderte, als sich plötzlich sein Handy in der Hosentasche bemerkbar machte.

Zuerst dachte er das sein Boss ihn diese Nacht gar nicht mehr in Frieden lassen wollte, doch dann legte sich ein breites Grinsen über sein Gesicht.
 

>Treffen uns halb 9 bei

Shinny zuhause – Party!<
 

Mit einem zufriedenen Gesicht steckte er die Technik zurück in seine Tasche und wandte sich in Richtung der Wohnung des zierlichen Drummers. Dabei dachte er daran, was so in den letzten Monaten alles passiert war.
 

Nachdem Shinya in die Band eingetreten war ist es mit ihnen ständig bergauf gegangen. Sie spielten jetzt ab und zu mal in Clubs und auch das RED, in dem Die natürlich weiterhin arbeitete, war ein regelmäßiger Spielort für sie geworden.

Toshiya hatte sich schnell damit abgefunden bis auf weiteres bei Kaoru zu leben, da er wahrscheinlich auch im ersten Moment andere Dinge zu tun hatte als sich um so was Gedanken zu machen.

Wenn er ehrlich war, dann lief ihm selbst noch ein kalter Schauer über den Rücken wenn er an die Szene jener schicksalhaften Nacht dachte.

Es muss ein ziemliches Loch in Toshiyas anscheinend ohnehin nicht ganz tolles Leben gerissen haben.

Allerdings – wer hatte schon ein tolles Leben?, fragte er sich, während er die vielen Geldscheine in seiner Tasche fühlte die er diese Nacht verdient hatte.

Einen Teil davon würde er den Bossen abtreten müssen. Wie immer.

Sie waren es auch, die ihm das Zeug lieferten, so das er es wiederum noch teurer an irgend welche Junkies verhökern konnte. Die Hälfte davon war zwar eh nur gepanscht, doch die die bereits richtig böse abhängig geworden waren bekamen davon eh nichts mehr mit.
 

Bei Kyo hatte Kaoru sozusagen ein gutes Händchen gehabt. Die selbst hätte nicht geglaubt das so ein Talent in dem Kleinen stecken würde.

Tja, und Shinya....Shinya war der stille Drummer, dem man sein Talent auch nicht gerade ansah, und der nie etwas von sich erzählte.

Er war immer sehr freundlich, aber auch ein bisschen unnahbar. Vielleicht war das ja der Grund, warum Kyo anscheinend vollkommen hin –und weg von ihm war.
 

Langsam kam er in eine Gegend, in der die Häuser etwas lockerer standen. Auch die Straßenbeleuchtung funktionierte ausnahmslos. Und schon bald bog er in die Straße ein, in der Shinya eine kleine Mietwohnung im obersten Stock hatte.

Da die Tür zum Block nur angelehnt war, machte er sich gleich auf den Weg nach oben.

Schon auf dem Gang konnte er leises Lachen vernehmen.

Na das konnte mal wieder lustig werden.

Wahrscheinlich beschäftigte sich Kaoru wieder mit Shinyas über alles geliebten kleinen Fellknäul, das auch wirklich alles mit sich machen ließ.
 

Die fragte sich zum wiederholten Mal, wie man einen Hund nur so abgöttisch lieben konnte.

Der Blonde nahm seinen kleinen Schatz sogar mit in die Wanne!

Er schüttelte grinsend den Kopf und betätigte dann die Klingel.
 

Ein etwas unnüchternes Kyo riss auch sogleich die Tür auf, und grinste ihn schon leicht schielend an.

Zumindest würde Shinya heute nicht so doll merken das Kyo ihn die ganze Zeit anstarrt, wenn er eh nicht mehr gerade gucken kann, dachte sich Die.

Ob der Drummer es überhaupt merkte? Bisher hatte er nie irgendwie darauf reagiert.

Schulternzuckend hing er seine Jacke auf den Haken, und folgte dann langsam dem anderen ins Wohnzimmer, wo der Rest es sich bereits auf der Couch und dem Boden bequem gemacht hatte.

Und wirklich – Kaoru hatte Miyu auf dem Schoß und versuchte sie dazu zu bringen, sich in ihren vor lauter Freude hin- und herwackelnden Schwanz zu beißen.
 

Alle grüßten den Neuankömmling erst mal enthusiastisch, und Die ließ sich auf dem Boden neben dem Sessel in dem Toshiya saß und ihn freundlich anlächelte sinken.

Shinya beobachtete Kaoru skeptisch.

Anscheinend hatte er Angst, das Kaoru es irgendwann mal schaffen könnte.
 

„Hallo Die, möchtest du auch noch was trinken, dann mache ich noch einmal Tee.“, fragte ihn Shin.

Er nickte. „Das wäre cool von dir.“
 

Shinya nickte und ging dann mit der leeren Kanne in Richtung Küche.

Sofort sprang Miyu von Kaorus Schoß, und rannte ihrem Herrchen hinterher.

Sein Herr hatte heute so tolle Laune, das Miyu, wie immer wenn die anderen zu besuch kamen, was selten genug vorkam, ganz aufgeregt war.
 

Seufzend setzte Shinya Wasser auf. Es machte zwar immer Spaß wenn die Anderen zu besuch kamen, aber es war auch sehr viel Stress.

Außerdem wollte er Toshiya nicht im Haus haben. Es war zu gefährlich.
 

Er blickte skeptisch nach unten, wo eine kleine Teppichratte überfreudig an seinem Bein hochsprang und ihn mit seinen glänzenden Froschaugen anglubschte.

Schön wenn die anderen dieses Ding gern hatten. Gut wenn sie dachten, das er dieses Teil abgöttisch liebte.

Er schaute einmal kurz verstohlen um die Ecke, und schleuderte den Hund dann mit einem beherzten Tritt in die Seite an die nächstgelegene Wand.

Er konnte sich ein grinsen nicht verkneifen als er das kurze Jaulen vernahm, welches allerdings vom pfeifen des Wasserkochers übertönt wurde.

Schnell goss er das heiße Wasser auf, und ging mit der Teekanne zurück zu den anderen.

Hinter ihm taumelte in einem großen Abstand ein noch leicht benommener Hund.
 

„Shinny, was ist denn mit deiner Miyu los?“, lachte Kyo beim Anblick von Shinyas Verfolger, der immer von einer Seite des Flurs auf die andere taumelte.

„Ach, ich habe ihr ein kleines Leckerli in den Napf gemacht, jetzt kann sie sich nicht entscheiden ob sie wieder zu uns kommen, oder es nicht doch fressen sollte.“, meinte er unschuldig lächelnd.

Der Typ im Fernseher

Der Abend zog sich langsam dahin und irgendwann saßen alle mit Decken in der Stube verteilt und unterhielten sich, wie immer, über Gott und die Welt.

Nebenbei wurden sie noch mit den neusten interessanten und uninteressanten Nachrichten der Stadt berieselt.
 

„...der Kopf wurde ein paar Straßen weiter in einer Mülltonne gefunden. Experten schließen aufgrund des hohen Blutverlustes und anderen Spuren, das das Opfer sich zur Wehr gesetzt haben muss. Der Umstand das der Täter das gut gesicherte Haus trotzdem betreten konnte, lässt auch die Möglichkeit eines Täters aus dem Bekanntenkreis des Opfers offen. Die Grausamkeit und Präzision mit der der Mord verübt wurde, stellt eine Verbindung mit den jüngsten Mordserien in einem anderen Viertel der Stadt, her.

Die Polizei tappt jedoch weiterhin im Dunkeln...“
 

„Richtig unheimlich so was. Läuft hier einfach so ein Massenmörder frei durch unsere Stadt!“, seufzte Kaoru, der wie die anderen die Nachricht aufmerksam verfolgt hatte.
 

„Das schlimme ist ja, das sie nicht mal den Ansatz einer Ahnung haben wer dahinter stecken könnte. Letzten Monat waren es wie viele? 5? Und kein klares Opferschema ist erkennbar, auch wenn der Typ sie nicht wahllos umzulegen scheint.“, grübelte Kyo.
 

„Woher willst du eigentlich so genau wissen das es überhaupt ein Typ ist?“, fragte ihn Shinya.
 

„Na ist doch ganz klar, Frauen machen so was nicht, nicht war Tosh?“, grinste Die.
 

„Was soll DAS denn jetzt bitte wieder heißen?“, meckerte dieser.
 

„Na ganz einfach, du kannst dich hier von uns allen am besten in eine Frau hineinversetzen! Hm...Shinny vielleicht auch noch...“
 

Darauf hin folgte Schmollen von zwei der Members.
 

„Ne, aber mal ehrlich, der oder die Täterin muss echt ein bisschen psychopatisch sein. Ich mein...wer schlägt seinem Opfer denn bitte schön den Kopf ab und tut ihn dann ein paar Straßen weiter in die Mülltonne? Das ist doch abartig!“
 

„Oder letzte Woche, da wurde dem einen das Herz rausgerissen und in den Mund gesteckt!“
 

Schweigen.
 

„Will noch jemand einen Tee?“

Allgemein zustimmendes Gemurmel.
 

Shinya rappelte sich auf und zuckelte langsam in die Küche. Erleichtert stellte er fest, das ihm die Flohpest diesmal nicht gefolgt war.

Also machte er sich daran das 5. mal an diesem Tag Wasser auf zu setzen.
 

Als sie auch diese Kanne geleert hatten verabschiedeten sich die Ersten wieder.
 

„Ich muss Morgen früh raus, aber ich wünsch euch noch was!“, meinte Die und verließ dann die Wohnung. Er musste noch einmal zum Hauptquartier und die Einnahmen abrechnen. Es würde noch eine lange Nacht werden.
 

Kaoru und Toshiya machten sich als nächstes bereit.
 

„Ich verschwinde noch mal aufs Klo!“, meinte Kaoru, während er schon im Bad verschwand.

„Kyo, kannst du jetzt noch mal Tee aufsetzen, ich will das nicht immer machen!“, fragte ihn Shinya lieb und sah ihn mit großen Augen an.

Kyo nickte wie wild und düste mit der Kanne ab in die Küche.
 

Als sie alleine waren blickte Shinya Toshi ruhig an.
 

„Es ist gefährlich“
 

„Ich weiß, du solltest nicht her kommen.“
 

„Das meinte ich nicht“
 

„Aber ich. Ich will nicht das du diese Wohnung noch einmal betrittst.“
 

„Und die Anderen?“
 

„Das ist mir egal“
 

„Ah...“
 

„Ich beschütze dich nur“
 

„Eine komische Definition...“
 

„Ich habe meine Methoden“
 

„Die will ich dir lassen“
 

„Du fühlst dich nicht mal wohl hier“
 

„Woher willst du das wissen?“
 

„Du sprichst nicht“
 

„Damit ich nichts falsches sage“
 

„Zum Beispiel?“
 

„Kyo kommt“
 

Freudestrahlend kam eben genannter wieder ins Zimmer gerannt und stellte die Kanne mit frisch gebrühten Tee auf den gläsernen Couchtisch.
 

„Dankeschön Kyo“

„Bitte!“

„Toshi, kommst du?“

Toshiya rappelte sich langsam auf und ging zu Kaoru in den Flur, der sich bereits die Schuhe anzog.

Sie verabschiedeten sich von den beiden verbliebenen und machten sich auf den Weg nachhause.
 

„Toshiya und du, ihr seid euch irgendwie ähnlich!“, meinte Kyo grübelnd, während er sich wieder neben Shinya auf das große Sofa setzte.

„Wie meinst du das?“, fragte der Blonde interessiert nach.

„Naja, ihr sprecht beide so wenig, und ihr seid beide so...feminin!“, versuchte sich Kyo zu erklären.

„Aha...wie kommst du heute eigentlich nach hause?“

„Erm...weißt du...ich dachte vielleicht...also nur wenn du nichts dagegen hättest...“

„Du willst hier übernachten?“

Kyo sah ihn mit großen Augen an und nickte dann ganz schüchtern.

Shinya seufzte.

„Ich habe nicht noch einmal Bettzeug was sauber wäre. Also entweder du pennst mit bei mir im Bett oder du musst dich ohne Decke auf der Couch lag legen.“

„Also ich hab nichts dagegen wenn ich...also, ich meine...wir kennen uns ja nun schon ne Weile und...“

Shinya gähnte.

„Ja, ist gut, ich geh jetzt ins Bad – bin nämlich müde. Du kannst ja schon mal ins Schlafzimmer gehen.“
 

Kyo atmete erleichtert auf, als der Blonde hinter der Bandtür verschwunden war.

Er hätte nicht gedacht das es so einfach wäre.

Gleich würde er neben...

Sein Herz begann auf einmal wie wild zu rasen und ein leichter Rotschimmer legte sich auf seine Wangen wenn er nur daran dachte.

Langsam machte er sich auf den Weg ins Schlafzimmer, in dem es sich Miyu schon auf dem großen Bett gemütlich gemacht hatte.

Kyo schmunzelte. Sogar ins Bett nahm Shinya seinen kleinen Liebling. Das war echt süß wie er den Hund umhätschelte.
 

Er entkleidete sich schnell bis auf die Boxershorts und legte sich dann auf den Blonden wartend unter die große weiche Decke.

Bald hörte er auch schon Schritte. Kyo hielt die Luft an, und wollte am liebsten im Bett versinken, als er seinen Angebeteten nackt – na gut, zumindest fast nackt, denn die Boxershorts hatte er natürlich noch an – mitten im Zimmer stehen sah.
 

„Alles klar bei dir?“, fragte Shinya ihn grinsend, da er sehr wohl Kyos ständige Annäherungsversuche und Blicke mitbekommen hatte.

„Hai“, kam es etwas heißer von diesem.

Skeptisch warf er dann einen blick auf den wandelnden Pelzmuff der gerade SEIN BETT mit Flöhen verseuchte.
 

„Miyu-chan, komm mal mit Kleines, ich mach dir ein feines Bettchen im Wohnzimmer!“, lockte er sie lieb, und verschwand mit ihr aus dem Raum.
 

Wie süß..., dachte sich Kyo. Er verscheucht sogar seine kleine Miyu für mich!
 

„Du dumme Töle, wenn du noch einmal deine dreckigen kleinen Tatzen auf mein Bett setzen solltest, dann hacke ich dir jede einzeln ab!“, schimpfte Shinya leise, während er das hellbraune Tier, weit von sich gestreckt, an den Ohren ins nächst beste Zimmer verfrachtete.

Das währe ja noch schöner, das diese kleine Ratte die Gunst der Stunde nutzte, weil dieses Miststück genau wusste das er, immer sobald jemand da war, heile Welt mit ihr spielen musste.
 

Mit sich zufrieden kehrte er ins Schlafzimmer zurück, löschte das Licht und kroch zu Kyo unter die Decke.

Das Ende naht

Er rutschte nah an Kyo heran und drängte sich Wärme suchend an ihn.

Kyo schluckte. Sollte er es wagen?

„Hey, du bist ja ganz kalt! Komm her, ich wärme dich!“, flüsterte er leise und schob vorsichtig ein Arm um den schmalen Körper des Drummers, um ihn noch näher an sich heran zu ziehen.

Shinya lächelte.

Zärtlich streichelte er eine verirrte Haarsträhne aus Kyos Gesicht, was dessen Herz noch schneller gegen seine Brust schlagen ließ.

Alles oder Nichts!, dachte er bei sich und drückte Shinya vorsichtig in die Kissen, um sich sachte über ihn zu schieben.

Noch einmal einen Blick in die glänzenden, nachtschwarzen Augen seines Gegenübers, und dann versiegelte er langsam die vollen Lippen mit den seinen.

Für Kyo blieb in diesem Augenblick die Welt stehen. Er wünschte sich, das dieser Moment ewig dauern würde, und als er sich langsam wieder von Shinya löste, der einen Arm um seinen Nacken geschlungen hatte, musste er sich erst einmal vergegenwärtigen, das dies kein Traum war.

Sein Shinya wollte ihn, genau so, wie er ihn wollte!

Glücklich lächelte Kyo seinen blonden Engel an, um seine Lippen wieder mit einem leidenschaftlichen Kuss zu versiegeln.

Kyo wurde mutiger. Von nun an sollte sein Engel ihm gehören.
 

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Etwas unsicher betrat Kyo den Proberaum.

Er hatte Angst das das passierte, was sich schon die ganze letzte Woche abgespielt hatte.

Er glaubte nicht das sich das ändern sollte, nur weil sie jetzt wieder gemeinsam probten.

Toshiya saß auf der Couch und blätterte mit Die zusammen begeistert in einer Musikzeitschrift.

Kaoru blickte freundlich lächelnd von einem Stapel Notenblättern auf.

Kyo nickte ihm zu und ließ seinen Blick dann suchend im Raum umherschweifen.

Plötzlich öffnete sich die Tür zur angrenzenden Abstellkammer und Shinya trat in den Raum.

Als er Kyo erblickte umspiele ein sanftes Lächeln seine Züge.

„Morgen“, sagte er leise und ging dann zu seinem Schlagzeug um es richtig einzustellen.

Kyo blickte ihm verwirrt hinterher.

Vielleicht hatte sich doch etwas geändert?
 

Doch das sollte nur ein Wunsch in ihm bleiben.

In der Mittagspause ging er absichtlich nicht mit Rauchen, um noch einmal mit Shinya zu reden.

Er hatte sich eigentlich ganz normal benommen und hatte ihm ab und zu ein warmes Lächeln geschenkt, welches die Hoffnung in ihm wieder aufkeimen ließ.
 

„Shinya, hör mal...“
 

„Was willst du?“ – ein harter Ton und ein noch eisigerer Blick.
 

„Du...ich meine...wir...“ „- hör auf zu denken Kyo, das macht dich noch hässlicher!“

Er schluckte.

„Was ist denn bloß los? Seit dieser Nacht ignorierst oder beschimpfst mich!“, rief er verzweifelt und seine Augen wurden feucht. „Bedeute ich dir denn gar nichts?“

Shinya lachte.

„Wieso solltest DU mir etwas bedeuten? Du siehst aus wie ein Riesenbaby und der Sex war übrigens der Schlechteste den ich je hatte!“

Kyo senkte den Blick.
 

„Hey ihr zwei, wollt ihr nicht mit raus kommen? Es ist schönes Wetter!“, rief Die der in den Proberaum hineinschaute.

„Ich wollte uns gerade einen Tee machen, möchtest du einen mittrinken Die?“

Wieder dieses scheinbar warme Lächeln. Es war zum verzweifeln.

„Nö, lass mal du Öko, ich hole mir nen Kaffee! Möchtest du auch einen Kyo?“

Der Angesprochene nickte leicht und machte sich mit Die dann auf den Weg nach draußen.
 

Gerade als sich Shinya seufzend auf die Couch gesetzt hatte, steckte Toshiya seinen Kopf zur Tür herein.

„Bist du ganz alleine?“, fragte er, während er die Tür nun aufschob, den Raum betrat und hinter sich verriegelte.
 

Shinya nickte und sah ihn dann erwartungsvoll an.

Toshiya ließ sich neben ihm in die weichen Kissen fallen.

„Hast du mit Kyo geschlafen?“, fragte er plötzlich unvermittelt.
 

„Hai“
 

„Hm...“
 

„Du solltest ihn trotzdem nicht so schlecht behandeln! Er fühlt sich schlecht.“
 

„Das ist mir egal.“
 

Shinya lehnte sich ein kleines Stück weiter vor und verwickelte Toshiya schließlich in einen unendlich sanften Kuss.

Als er sich wieder von ihm gelöst hatte, sah er ihm tief in die Augen.

„Bist du eifersüchtig, Kleines? Das musst du nicht sein. Es ist alles bald vorbei!“
 

„Das sagst du immer. Schon seit ich klein war, aber es hat nie aufgehört!“
 

„Vertrau mir. Die Dinge werden sich alle fügen.“
 

„Und natürlich ohne das du irgendwie deine Finger im Spiel hast, hab ich recht?“, sagte er, und hatte ein schelmisches Glitzern in den Augen.
 

„Hm...ich helfe den Dingen lediglich ihren geplanten Gang zu nehmen.

Und irgendwann...wenn das alles vorbei ist...dann gehörst du mir!“

Damit küsste er ihn noch einmal flüchtig auf die Stirn und ging dann auf die andere Seite des Raums, um den nun schon abgekühlten Tee zu holen.

Nun betraten auch die restlichen Member wieder den Raum und die Probe ging weiter.

Der Traum

Die beiden Gestalten entfernten sich langsam vom Grundstück der Familie.

Sie versuchten so unauffällig wie möglich zu sein und flüsterten sich nur ab und zu etwas zu.

Erst als sie vollständig außer Sichtweite waren und eine alte Fabrikhalle betraten, in der sie es sich schon ein bisschen gemütlich eingerichtet hatten, trauten sie sich wieder die Stimme ein bisschen anzuheben und näheren Kontakt zu suchen.
 

„Was hat er nur schon wieder mit dir gemacht?!“, rief der eine Junge aufgebracht und tupfte vorsichtig mit einem feuchten Lappen auf dem ramponierten Gesicht des Anderen herum.
 

„Ich ...ich weiß es nicht. Ich weiß gar nicht was ich gemacht habe...“
 

„Ich rede auch nicht von dir, sondern von IHM!“, erwiderte er aufgebracht.

Der andere schwieg.

Plötzlich fand er sich in einer sanften Umarmung wieder.
 

„Lass das, du weißt wir dürfen das gar-“

„Ich weiß es! Aber nur weil sich unsere Familien nicht riechen können muss das nicht heißen das ich dich einfach so ignorieren kann.“
 

„Shinya...“

Geflüstert.
 

„Ich kann das einfach nicht, verstehst du? Ich kann es NOCH nicht! Vielleicht werde ich es irgendwann schaffen dich vollständig zu missachten, aber aus meinem Leben kann und will ich dich nicht streichen!“
 

„Wir können es nicht ändern. Bitte, ich will nicht das er dir wehtut, nur weil du dich weiter um mich kümmerst!“
 

„Er hat gesagt er wird mich töten wenn er mich noch einmal mit dir sieht!“

Ein bitteres lächeln.
 

„Bitte Shinya, das will ich nicht!“
 

„Warum hassen sie sich so sehr?“

Diese Frage hatte er sich schon so oft gestellt. Wieso kämpften ihre Familien gegeneinander? Gut, sein Stiefvater hatte die Vermutung das es Leute von Shinyas Vater waren, die seine Brüder ermordet hatten. Doch wieso mussten sie ihren Hass auch auf die ausdehnen, die nun wirklich nichts mehr mit der ganzen Sache zu tun hatten? Mal ganz davon abgesehen das, wenn diese Leute es nicht getan hätten, er selber seine Brüder nach einer Weile so doll zugerichtet hätte, dass...
 

Wieso störte es ihn so sehr, wo er doch selbst die in die Ehe von seiner Mutter mit eingebrachten Kinder mehr zu hassen schien, als alles Andere!

Die Familien hatten sich so gut es ging versucht voneinander zu isolieren. Auch wenn sein Stiefvater anscheinend schon seiner Mutter zuliebe aus den ‚dunklen’ und ‚schmutzigen’ Geschäften ausgetreten war, so schien einen dieses 'Gewerbe' trotzdem noch bis zum Ende seines Lebens zu verfolgen.

Doch sie hatten die Kleinen nicht rechtzeitig bemerkt. Und erst als es zu spät war, wurde ein Angehöriger des ‚Erzfeindes’ erkannt, und beide Kinder voneinander getrennt, sowie mit Androhung strengster Strafen versucht davon abzuhalten, den Feind noch einmal zu treffen und sich vielleicht mit ihm zu verbrüdern.

Das dies schon geschehen war, konnten sie nicht wissen.
 

„Wir können uns nicht mehr sehen Shin! Wenn mein Stiefvater das erfährt, dann wird er mich totprügeln!“
 

„So ein verdammtes Arschloch!!!“
 

„Bitte Shin...du weißt das ich nicht so stark wie bin wie du. Und dein Vater wird bald damit beginnen dich auszubilden!“

Ein trauriger Blick.
 

„Sag es nicht.“
 

„Irgendwann wirst du mich vergessen haben.“, redete er mutmachend auf den Anderen ein, auch wenn ihm selbst zum heulen zumute war.
 

„Es wird erst mal unser letztes Treffen sein.“, meinte Shinya leise, „aber verlange nicht von mir dich zu vergessen. Ich werde dich weiterhin beschützen. Aber so, das dein Stiefvater keinen Wind davon bekommt.“

Damit drückte er ihn an sich, und ließ seinen Tränen freien Lauf.
 


 

„...die genaue Todeszeit, sowie die genaue Ursache ist noch unklar, allerdings handelt es sich wieder um einen Mord der, in anbetracht des ähnlichen Musters, zweifelsohne zu der vorangegangenen Mordserie zu zählen ist!“
 

Langsam schlug er die Augen auf und lauschte den Nachrichten die aus den Lautsprechern des von Kaoru mal wieder viel zu laut gedrehten Fernsehers drangen und sich versuchten in seinem Gehirn zu verfestigen.

Wieso träumte er jetzt eigentlich wieder von der Vergangenheit?

Vielleicht weil Shinya auf einmal wieder so plötzlich in seinem Leben aufgetaucht war? Gut, eigentlich war er ja nie wirklich verschwunden gewesen. Doch hatte er ihn vorher nur selten zu Gesicht bekommen. Und dann hatte er ihm bewiesen, wie perfekt seine Maske über die Jahre geworden war. Er schaffte es wirklich ihn, zumindest nach außen hin, vollkommen zu ignorieren.

Das er nun wieder so sehr seine Nähe suchte mochte damit zusammenhängen, das sein Vater, wie er ihm erzählt hatte, vor einiger Zeit gestorben war.

Der größte Störfaktor war also beseitigt. Er musste es nur noch schaffen sich irgendwie unbeschadet von der gesamten Organisation zu lösen. Klar würden sie einen so erfolgreichen Auftragskiller nur ungern gehen lassen, doch Shinya hatte ihm Mut gemacht und meinte, schon mit der Leitung über einen möglichen Austritt gesprochen zu haben.

‚Bald ist alles vorbei’, das hatte Shinya vor einiger Zeit zu ihm gesagt. Und er wollte es nur hoffen.

Er wollte seinem Kindergartenfreund endlich wieder offen gegenüber stehen können, ohne Angst haben zu müssen, das hinter der nächsten Ecke ein Verrückter mit einer Knarre lauert, um ihn abzuknallen.

Er wollte ihn endlich lieben können – und nicht ständig mit anhören wie er eine kurze Liebschaft mit sonst wem hatte, und diese nun aus Spaß an der Freude, und vor allem um sie wieder von sich zu entfernen, nach allen Regeln der Kunst schikanierte. Und Shinya verstand sich auf solche Dinge.
 

Seufzend stand er auf. Er musste sich also nur noch ein bisschen in Geduld üben.

Psychopath

Es war mal wieder einer dieser Abende die unter dem scheinbar unverdächtigen Namen ‚Bandbesprechung’ liefen, sich aber im Laufe des Abends zu ausschweifenden Saufabenden entwickelten.

Und zum großen Übel eines gewissen Bandmembers, wurde der heutige Abend in seiner Wohnung abgehalten.

Die scherzte gerade mit Kaoru, der ebenfalls nicht mehr ganz zurechnungsfähig zu sein schien, und Kyo hatte sich in den großen Ohrensessel gekuschelt und warf nur ab und zu einen flüchtigen Blick auf den Drummer, während er schon beinahe lustlos an seiner Bierflasche nippte.

Unruhig wanderte Shinya im Raum umher und versuchte sich so gut es ging von seinen düsteren Gedanken abzulenken.

Warum kam Toshiya nicht? Eigentlich wollte er schon seit einer halben Stunde bei ihnen sein.

Aber vielleicht machte er sich ja auch nur unnötig Sorgen und der andere hatte sich nur mit einer Tankstellentussi oder jemand anderem verquatscht.

Seufzend ging er in die Küche um sich einen Tee zu machen. Hatte er schon einmal erwähnt das er Tee hasste?

Nein? Gut, dann sollte dieser Umstand jetzt einmal erwähnt werden. Er HASSTE Tee!

Er war es an sich auch leid den totalen Öko zu mimen. Wie gerne würde er sich jetzt ein schön gekühltes Bier den Rachen herunterkippen. Oder noch besser: Einen ordentlichen Schluck Whiskey!

Aber nein, wir wollen ja den Schein wahren und diese Idioten glauben lassen, das sie es mit einem harmlosen, Flohschleuderverhätschelnden Salatfresser zu tun haben.

Ok, es waren doch sehr liebenswürdige Idioten, wie er sich eingestehen musste.

Trotz alledem brauchte er etwas um sich ab zu reagieren – und das geeignete Opfer bog soeben schwanzwedelnd um die Ecke!

Einfach nur ordentlich anpeilen...und schon ~
 

Aus der Küche drang ein dumpfes Jaulen und gleich darauf konnte man die honigsüße Stimme Shinyas vernehmen. „Nein meine Süße, jetzt gibt’s noch kein Happa Happa!“

Kyo runzelte die Stirn. Es klang nicht gerade danach als ob Miyu um etwas zu Essen bettelte.

Sollte der kleine Hund mit den großen runden Augen auch nur ein Opfer der perfekten Maskerade des Drummers sein?

Stumm schüttelte er den Kopf um diesen Gedanken zu vertreiben. Hunde sind nicht so treudoof und kehren immer wieder schwanzwedelnd zu einer Person zurück, die sie die ganze Zeit nur schikaniert!

Er nippte weiter an der noch halbvollen Flasche und grübelte.

Er hätte den anderen nie für so gefühlskalt gehalten. Oder waren das nur die kranken Gedanken eines gekränkten Liebenden, der von seiner Liebe vor den Kopf gestoßen wurde?

Wieso hatte es ausgerechnet ihn erwischt, und nicht zum Beispiel Toshiya. Die beiden schienen sich auch sehr gut zu verstehen. Außerdem kannten sie sich schon vor der Sache mit der Band, oder?

Shinya hatte doch Toshiyas kleine Schwester einmal aus dem Kindergarten abgeholt. Damals, als Toshiya so schwer verletzt wurde und dann von Kaoru abgehauen war. Damals, als Hanami noch gelebt hatte.

Er dachte wieder an das kleine süße Mädchen mit den großen Kulleraugen zurück. Eigentlich konnte er sich nicht richtig vorstellen das sie einfach so tot sein sollte. Die hatte es ihnen damals erzählt. Die Polizei hatte die Leiche wohl weggeräumt, allerdings auch keine weiteren Aktionen unternommen. Die wenigen Ermittlungen die angestellt wurden, verliefen sich anscheinend im Sand. Oder wollte jemand nicht, das weiter gesucht wurde?

Toshiya hatte, nachdem er seine Depri-Phase überwunden hatte, nie mehr von seiner kleinen Schwester gesprochen. Aber er wusste das es ihn noch sehr beschäftigte. Und das er oft weinte wenn er alleine war. Sie war sein ganzer Lebensinhalt. Das, was für ihn jetzt anscheinend die Band darstellte, an die er sich fast schon verzweifelt zu klammern schien.

Ja, Toshiya war so eine Sache...

Vorallem – wo wahr eigentlich Toshiya? Wollte er nicht schon längst bei ihnen sein?
 

Leise stellte Shinya die Tasse mit frisch aufgebrühten Tee auf den kleinen Holztisch.

Unsicher sah er sich im Raum um und riss mit seinem Seufzen sowohl Kyo aus seinen Gedanken als auch Die und Kaoru aus ihrem Gespräch.

„Was ist los?“

„Toshiya sollte schon längst hier sein.“, meinte er leise.

„Ach, der wurde sicher nur von irgend etwas aufgehalten.“, erwiderte Die munter.

Shinya stockte. „Oder von jemandem.“, flüsterte er auf einmal, aber mit schreck geweiteten Augen.

Schnell sprang er auf und missachtete einmal mehr den kleinen Hund, der sich gerade wieder schüchtern den Weg zu seinem Herrchen gebahnt hatte.

Stirnrunzelnd blickten die verbliebenen ihm nach, als er auch schon wieder mit einem Telephon in der Hand aus dem Schlafzimmer kam.

Hektisch nestelte er an der Tastatur herum und lauschte aufgeregt dem gleichmäßigen Tuten.

„TOSHIYA!“, rief er sogleich erleichtert in den Hörer, als der Anruf angenommen wurde.

„Spinner...“ KNACK

Ein langgezogener Ton zeigte an, das der Anruf soeben mehr oder weniger freiwillig beendet wurde.

Hastig sah sich Shinya zu den anderen um.

„Spinner?“, fragte Die mit hochgezogenen Augenbrauen. Doch der Drummer hörte schon nicht mehr auf ihn.

Mit einem Satz war er aufgesprungen und rannte wie von der Tarantel gestochen aus der Wohnung.
 

„Was sollte denn das jetzt?“, fragte Kaoru Stirnrunzelnd.

„Hm...es klang irgendwie komisch. Außerdem hat Toshi gar nicht zuende geredet...“, überlegte Kyo laut.

„NATÜRLICH!“, rief Die auf einmal und stand ebenfalls schnell auf.

„Spinner – Spinnerei – Seidenspinnerei! Die alte Seidenspinnerei, wo Hanami...“, er sprach nicht weiter, sondern starrte nur geschockt auf einen imaginären Punkt an der Wand.

Nun standen auch Kaoru und Kyo neben ihm.

„Du meinst...?“

„Wir müssen schnell hin!“, rief Die und war schon halb aus der Tür.

Die anderen beiden folgten ihm. Miyu stand verwirrt in der großen leeren Stube und winselte einmal leise, ehe sie sich in ihr Körbchen verzog.
 

Auf dem Weg zur Spinnerei stiegen wieder allerhand Bilder in Dies Kopf auf. Bilder, die er eigentlich verdrängen wollte. Er hatte schon ziemlich viel in seinem Leben gesehen. Was auch unter anderem mit seinem zweiten, nicht ganz so legalen Job zusammenhing. Allerdings war trotzdem nichts jemals so schrecklich gewesen, wie das Bild welches sich ihm geboten hatte, als er Toshiya vor diesem Mann gerettet hatte. ‚Und Hanami nicht retten konnte’, fügte er in Gedanken hinzu.

Er legte noch einmal an Tempo zu, in der Angst das sich diese Szene nun wiederholen könnte.
 

Sie rannten durch das bereits geöffnete Eisentor der Fabrik hindurch. Instinktiv steuerte er die selbe Richtung wie damals an. Als sie jedoch den Raum mit dem umgekippten Schrank betraten, war nichts zu sehen, außer einigen alten dunklen Flecken auf dem Boden.
 

Die spannte sich an.

Hier waren sie nicht. Allerdings war er sich trotzdem sicher, das Toshiya sich in diesem Gebäude befand.

Wie um seinen Verdacht zu bestätigen hörten sie bald ein leises Scheppern, nicht weit von ihnen entfernt.

„Da drüben muss die Werkhalle sein“, flüsterte Kaoru neben ihm, nicht minder angespannt.

Die nickte geräuschlos um ihm zu zeigen, das er verstanden hatte.

Zügig machten sie sich auf den Weg.

Die Tür zur Halle war einen ausreichenden Spalt geöffnet, so das eine etwas breitere Person ohne Problehme hindurchschreiten konnte.

Sie erstarrten als sie das Bild vor sich betrachteten.

An den verrosteten Rohren die sich in einem scheinbar willkürlichen Muster durch die gesamte Halle zogen hing eine Gestalt die über und über mit Blut besudelt war.

Mit einiger Erleichterung stellten sie fest, das es nicht Toshi war.

Trotzdem war es ein grausamer Anblick. Die Arme waren an ein paar dicke Rohre gekettet und die beiden Füße mit einem spitzen Stahlstab aufeinander Getackert, so dass die Siluette wie eine schlechte Jesus-Nachmache anmutete. Allerdings war das dicke Gesicht der Peron zerkratzt und entstellt, die Augen anscheinend ausgestochen. Die Bauchdecke war aufgeschnitten und hing wie ein übergroßer fleischiger Lappen herunter. Einige bläulich schimmernde Organe waren um den Hals gewickelt wurden, andere hingen ebenfalls hinunter.

Unter der Gestalt hatte sich eine große Blutlache gebildet.

Welcher psychopathische Mensch tat so etwas?

Eine weitere, etwas feinere rote Schleifspur führte vom Ort des Grauens weg.

Um nicht weiter auf diese groteske Gestalt sehen zu müssen folgten sie der Spur.

In Die’s Hals bildete sich ein Knoten. Er hatte den Mann, trotz aller Verunstaltungen, erkannt.

Ein leises Schluchzen und eine leise Stimme ließ sie ihre Schritte verschnellern.

Und als sie um eine weitere Ecke bogen sahen sie sie.

Toshiya zitterte am ganzen Körper und presste seinen kühlen, ebenfalls mit Blut überströmten Körper nah an Shinya heran. Er weinte. Shinya hingegen sah nicht viel anders aus. Nur das er keine Tränen vergoss und im Gegensatz zu Toshiya noch einiges an Klamotten an zu haben schien – außer seinen Pullover, den er vorsichtig über den wimmernden Körper vor sich gelegt hatte.
 

„Was?“ Doch Kyo hatte sich anscheinend am schnellsten wieder gefangen.

„Kaoru, du rufst die Polizei und einen Krankenwagen, Die, du hilfst den beiden und ich werde schauen ob hier noch irgendwo eine Tatwaffe herumliegt oder ich noch irgend welche Spuren des Täters finde!“

Erleichtert das einer einen kühlen Kopf behalten hatte nickten beide und machten sich daran die Anweisungen zu befolgen.

Die ging vorsichtig auf Shinya zu, der den immer noch verzweifelt weinenden und verletzten Toshiya fest an sich presste und ihm leise zuredete.

„Pscht, es ist vorbei, er kann dir nichts mehr tun, es wird alles gut, die anderen sind da, sie werden uns hier rausholen...“ diese Worte wiederholte er immer wieder leise wie ein Mantra.

Die setzte sich vorsichtig zu ihnen und zog ebenfalls seinen Pullover aus um ihn, dem zitternden Bündel namens Toshiya anzuziehen, nachdem er es endlich geschafft hatte ihn aus Shinyas Armen zu lösen.

Dieser hob jetzt langsam den Blick.

Doch anders als Die es erwartet hätte, lag nichts verstörtes oder verzweifeltes in ihm, sondern nur eine gewisse Kühle, die ihm einen kleinen Schauer über den Rücken schickte.

„Ich glaube das war heute einfach zu viel für ihn“, flüsterte er leise, während er Toshiya, der nun auch noch Dies Pullover trug wieder an sich drückte, und ihm beruhigend über den Rücken streichelte.

In der Ferne hörten sie schon das Heulen der Sirenen.

Nachdenken

Das Geräusch sich nähernder Sirenen wurde immer lauter.

Shinya strich dem immer noch weinenden Toshiya einmal liebevoll über den Kopf und wandte sich dann an Kaoru, der mit Horror in den Augen in die Richtung blickte, wo, hinter einer Wand, die aufgeknüpfte Leiche hing. „Kaoru, pass bitte auf Toshiya auf, ich muss noch schnell etwas überprüfen!“, sagte der Braunhaarige an den Leader der Band gewandt und verschwand in einem der angrenzenden Zimmer.

Die blickte ihm mit hochgezogener Augenbraue nach. Shinya wirkte auf ihn sehr...gelassen.

Seufzend blickte er auf Toshiya, der mittlerweile in Kaorus Arme gewechselt war und von diesem und Kyo beruhigt wurde.
 

Die ging den ankommenden Polizisten entgegen um sie zu empfangen. Er erzählte ihnen alles was er wusste, wobei er aus irgend einem Grund die Szene ausließ, wie sie Toshiya vorgefunden hatten. Die Beamten nickten nur und stellten ab und an Fragen, die der Rothaarige ihnen allerdings nicht beantworten konnte.

Also kamen nun ein paar Beamte auf Toshiya zu.
 

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Fröstelnd zog Toshiya die dünne Jacke noch enger um seine Schultern. Auf dem Revier hatte er einige alte Sachen zum anziehen bekommen, die ihn allerdings nur schlecht gegen die Kälte des herannahenden Winters schützen konnte. In seinem inneren herrschte eine dumpfe Leere. Er war tot. Ermordet. Und er war dabei gewesen. Es war das erste Mal. Natürlich änderte sich nichts an seinen Gefühlen für ihn, auch, wenn nun noch ein Gefühl tiefster Dankbarkeit hinzukam. Er erinnerte sich an den überraschten Ausdruck im Gesicht seines Stiefvaters, als dieser erkannte, wer seinem verhassten Sohn da zur Hilfe geeilt war. Er sah den Hass in seinen Augen. Und mit dem gleichen Hass begegnete ihm Shinya. Der Sohn des Erzfeindes des Feindlichen Familienclans. Sein Mörder.

Toshiya war dabei. Er sah, wie sich seine Brust zum letzten Mal hob. Und er war fasziniert, konnte die Augen nicht abwenden und sein Glück nicht fassen. Denn was das alles bedeutete...für ihn und Shinya, war die Freiheit!

Und sie hatten sich gegenseitig angelächelt, als er sein Werk vollendet hatte. Und er war ihm weinend vor Glück und Erleichterung in die Arme gefallen und konnte nicht wieder damit aufhören, bis die Anderen ankamen.
 

„Warum hast du auf dem Revier nichts von Shinya erwähnt?“, fragte Kaoru, als sie sich langsam auf den Weg in Richtung der Wohnung der Beiden machten. „Es hätte ihm geschadet.“, antwortete Toshiya knapp. Die zog eine Augenbraue nach oben. „Meinst du nicht, dass es Zeit wird, langsam mal ein bisschen Licht in die Sache zu bringen? Zumindest für uns? Ich meine...ich bitte dich! Ein Mann, der dich an den Ort schleift, wo dein Stiefvater ermordet wurde und dann verschwindet? Und was hast du mit Shinya zu tun? Wie wir festgestellt haben, scheint ihr euch ja schon länger zu kennen, als ihr zugeben wollt!“

Die blickte den Schwarzhaarigen durchdringend an, der überrascht zu dem Gitarristen aufschaute.

Dann seufzte er. „Shinya und ich kennen uns aus dem Kindergarten. Aber uns wurde schon früh der Umgang miteinander verboten, da sich unsere Familien wegen irgend einer Sache die schon lange zurück liegt nicht ausstehen können. Das heißt, seine Familie und die Familie meines Stiefvaters. Es stimmt, dass da kein Mann war, der mich an diesen Ort geschleppt hat. Shinya hat es getan. Er war in der alten Fabrikhalle, in der wir uns schon als kleine Kinder versteckt hatten und wollte nach Hanamis Stoffhasen suchen. Er muss noch irgendwo da sein. Und da hat er die Leiche entdeckt und mich geholt. Er meinte, ich sollte es mir ansehen, damit ich begreife, dass es wirklich vorbei ist.“ Die anderen lauschten angespannt der Erklärung. „Und wieso hast du Shinya nicht gegenüber den Beamten erwähnt? Er hat doch nichts schlimmes getan!“, wollte Kyo nun verständnislos wissen.

„Shinya hat sich immer von mir fern gehalten, damit seine Familie mir nichts tut. Ich habe ihn erst kur bevor er sich bei uns als Drummer beworben hat wiedergetroffen. Da sein Vater vor kurzem gestorben ist, hat er nicht mehr so viel Gefahr für mich befürchtet, so dass er sich dann als Drummer gemeldet hat. Aber da unsere Familien so verfeindet sind, würde ihm doch niemand abnehmen, dass er nach dem Hasen gesucht hat!“, rief Toshiya und blickte die drei verzweifelt an. ‚Du belügst deine Freunde,’ dachte er bei sich, ‚aber es muss sein!’

„Aber es kann sein, dass sie Spuren von ihm finden und dann fragen stellen.“, warf Kaoru ein.

‚Das wird nicht passieren,’ dachte Toshiya bei sich, sagte aber laut: „dann werde ich es ihnen erklären.“

Die blickte Toshiya noch immer zweifelnd an. Irgend etwas stimmte mit der Geschichte immer noch nicht.

Zum Beispiel erklärte es nicht, warum Toshiya halb nackt war, als sie ihn fanden. Aber er würde Toshiya damit nicht vor den anderen konfrontieren. Denn langsam beschlicht ihn die leise Ahnung, dass der liebe Öko-Shinni vielleicht auch ein bisschen Dreck am stecken hatte.

Immerhin – was wollte er damals zu später Stunde noch in dieser Gegend? Gut, Die wohnte auch am Rand dieses Bezirks, doch Shinya war ja in die andere Richtung unterwegs. Und was war wenn er nun genau dahin gegangen sein sollte? Hatte er am nächsten Morgen nicht eine Nachricht bekommen, dass Yazu ermordet worden war? Allerdings hatte dieser nur eine Etage unter Toshiya gewohnt. Also konnte es auch gut sein, dass Shinya nur seinen alten Freund besuchen wollte, der er anscheinend erst kurz vorher wiedergetroffen hatte.

Doch wenn ihre Familien so verfeindet gewesen war, dann konnte Shinya die Wohnung doch eigentlich nicht betreten, oder? Und was heißt überhaupt >verfeindet<? Er war ja nicht auf den Kopf gefallen, immerhin war er selbst in einem zwielichtigen Umfeld aufgewachsen. Oder deutete er gerade deshalb zu viel in die Sache rein? Würde 'ihr Shinni' Toshiya zu einer ausgeweideten Leiche führen? Für ihn sah das eher nach einem Krieg zweier Familienclans in bester Yakuza-Tradition aus! Was wurde hier gespielt?
 

---> Jaaa, es hat ewig gedauert, bis es hier mal endlich wieder weiter gegangen ist! Das ist auch meiner Schreibblockade zu verschulden, die mich sehr lange in ihrem Griff hatte! Jetzt ist sie aber weg und ich gedenke die FF mit den nächsten 2-3 Kapiteln planmäßig zu beenden! (Habt ja sicher schon gemerkt, dass es langsam aufs Finale zugeht)Ich werde weiterhin mal ein bisschen an den anderen Kapiteln arbeiten, damit da auch endlich mal die ganzen Rechtschreibfehler verschwinden (sorry dafür, aber ich war jung und hatte keinen Duden...).

Das nächste Kapitel heißt >Todesurteil< und da wird's wieder spannend!<---



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Kommentare zu dieser Fanfic (43)
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Von:  motti
2010-03-18T09:15:19+00:00 18.03.2010 10:15
Eigentlich wirkte die Geschichte schon fast abgeschlossen und dan sowas O_o... Manchmal komm ich in der Story nicht ganz mit und es scheinen Textteile zu fehlen. Ich bin aber dennoch gespannt wie es weiter geht.
Von:  Number42
2008-12-14T20:42:50+00:00 14.12.2008 21:42
oh gott, ich glaub nich das ich morgen in die schule kann, ich werd ja schon voll depri/psycho wenn ich nur daran denk was tochiya alles durchmacht, ach ja, verwirrt bin ich acuh ziemlich, obwohl sich das langsam gebessert hat, die hlft versteh ich jetz glaub ich^^

oh gott, schreib bitte ganz schnell weiter!!!
*kekse dalass*
Von: abgemeldet
2008-03-28T21:49:13+00:00 28.03.2008 22:49
Ich hab die gesamte FF in anderthalb Stunden gelesen.
WOW!!!
Hast du jemals darüber nachgedacht, das beruflich zu machen.
Mir gefällt der Stil, denn ich habe oft das Problem, dass mir die Spannung fehlt oder gewisse Dinge zu schnell gehen und ich dann Leseblockaden kriege.
Bei deiner FF war's überhaupt nicht so.
Ich freu mich auf's nächste Chap....
Schreib schnell weiter!

Sora-chan
Von: abgemeldet
2007-12-27T01:47:48+00:00 27.12.2007 02:47
endlich *freu* es geht weiter
ich habe ganz gespannt gelesen und ich denke so langsam müsste Toto in die Klapse. wenn ihm das in wirklichkeit alles passieren würde, dann währe er echt reif für den Psychater. nick

aber ich mag es, mir fehlt zwar ein bisschen der Zusammenhang, weil ich die Einzelheiten der Story schon wieder vergessen habe, aber es ist trotzdem toll.
wie lang soll die FF den werden? und wo findet sie ein ende?
menno, jetzt wo es ein neues Kapitel gibt bin ich wieder so hibbelig
tschöö
Von:  Lairchen
2007-12-26T21:38:10+00:00 26.12.2007 22:38
ein neues chap... *freu*
Von: abgemeldet
2007-04-15T20:31:21+00:00 15.04.2007 22:31
nyo~ ich habe nun bis hier her alles in einem durchgang gelesen und bin sehr begeistert
^__^ ich finde deinen schreibstil interessant
er gestaltet die story echt gut
es macht mir sehr spass die geschichte zu lesen und zu verfolgen
freu mich auf die fortssetzung
Von:  Paperd0ll
2007-04-15T10:20:15+00:00 15.04.2007 12:20
Armes Warumono...*schnüff* *in den arm nehm*
Aber mach weiter. Shinya interessiet mich!
*maunz*
Von: abgemeldet
2007-04-06T14:56:35+00:00 06.04.2007 16:56
Ich will entlich wissn was du dir da denkst!!!!!!!!
Boa bittebittebitte, könntest du das entlcih aufklären? Ich weiß langsam nicht mehr was da abgeht.
Ach und wenn du zum Schluss kommst, dann mach ne lange und ausführliche ERklärung draus. Die brauch ich so langsam nämlich.

Aber trotzdem war wieder supi
Von: abgemeldet
2007-04-04T15:43:26+00:00 04.04.2007 17:43
ok, zuerst zu der Kritik.
erstens die Vorstellung das Shinya der böse ist oder auch nur ansatzweise böse sein könnte ist komisch. a er sit sogar ziemlcih absurd. Aber ok, du siehst das so und ist ja irgendwie auch cool.
zweitens find ich den wandel von Toshiya sehr seltsam. Erst will er blos keine Hilfe und nur seine Schwester retten. und im nächsten Moment lässt er sich von shinya verstecken und das an einem echt blöden Ort. außerdem solltest du die Beziehung zwischen den beiden langsam aufklären. Es macht es so etwas schwer zu folgen. (wenn ich da jetzt nur was nicht richtig mitbekommen habe oder was sehr falsch interpretiere verbessere mich bitte)

So mehr schlechtest find ich daran schon gar nicht mehr. Die länge der kapitel ist ok, könnten länger sein, sind so aber auch eine tolle Methode um die Spannung zu vergrößern.
Ich liebe es wie du es verstehst die Charactere deutlich zu machen und du hast einen tollen Schreibstil. Den bewundere ich wirklich das machst du super gut. ich glaub ich werd jetzt Fan von dir.
Die Geschichte ist auch ganz klasse ausgedacht. ich hätte je am Anfang fast geweint. War nicht nett was du da alles mit toshiya angestellt hast und dann stirbt auch noch die Kleine.
Ach scheiße ich laber schon wieder zu viel, also alles zusammen find ich die geschichte wirklich toll und du sollst deinen Popo wieder vor den Computer beswegen und weiterschreiben.

tschaui
(Danke für die tolle Unterhaltung mit deinen Geschichten)
Von: abgemeldet
2007-03-14T20:42:36+00:00 14.03.2007 21:42
Auch sehr kurz, aber auch sehr schön...und ich will immernoch die auflösung wissen ^.^


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