Wenn man es nicht erwartet...
Wenn man es nicht erwartet…
Verdammt, verdammt, verdammt!
Er konnte innerlich nur fluchen und sich die Haare raufen. Wie lange sollte das so weitergehen? Wie lange mussten ihn seine Gefühle zu quälen?
Da saß er nun und musste aufpassen nicht zuviel zu denken, da Anna das sonst mitbekommen würde. Und sie war nicht gerade eine, die ein so wichtiges Geheimnis für sich behält. Und es war wichtig. Für Ren jedenfalls.
Er verhielt sich so wie immer, meistens jedenfalls. Er war sarkastisch, und lachte wenig. Wenn dann meistens nur wenn Horo oder Yoh irgendeinen Blödsinn verzapft hatten. Oder manchmal, nein meistens, wenn Horo sein Lachen aufsetzte wo man dachte man ist der Mittelpunkt des Universums.
Aber das war er nun einmal nicht. Und es gab noch andere Leute die dem Ainu etwas bedeuteten. Sehr viele. Und er war sich nicht einmal sicher ob er selbst dazugehörte.
Haare raufend saß er da und wollte eigentlich lesen um sich abzulenken. Allerdings kam er keine Seite voran. Er musste immer wieder an manche Tatsachen oder Momente denken die noch vor ihm lagen. Zudem waren schwere Entscheidungen zu treffen, dessen Wichtigkeit sein ganzes Leben beeinflusste.
Und gerade, wie immer, kam der Blauhaarige im ungünstigsten Moment in das Zimmer. Allerdings nicht so wie sonst laut die Tür zuschlagend sondern leise. Das ließ Ren aufblicken. Horos Gesichtsausdruck wirkte ehrlich und vor allem neutral. Kein Zeichen seines sonstigen Grinsens.
Ein schlechtes Zeichen.
Er sah wieder auf sein Buch und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Er sollte allmählich mal wieder zum Friseur.
Die Couch worauf er halb saß bog sich unter einem neuen Gewicht nach unten, sodass Ren spürte das der Ainu sich dazusetzte.
„Ren?“
„Was?“
„Anna meinte du willst mit mir reden.“
„Wie?“
Entgeistert und ertappt blickte Ren abermals auf.
„Wie kommt sie darauf?“
„Äh, ja, keine Ahnung…“
Horo schien sich nicht so wohl in seiner Haut zu fühlen.
„Da irrt sie sich aber.“
Und er blickte wieder weg.
„Ich… denke aber da ist was. Was Allgemeines. Du bist derzeit nicht ganz so wie sonst, weist du das?“
Ren schluckte unmerkbar.
„Ja, kann sein. Du würdest es aber eh wieder als eine meiner Launen benennen.“
„Ren, sieh mich an wenn ich mit dir rede!“
Völlig von der Rolle tat er das auch. Seit wann befiehlt Horo in so einem Ton? Er war sonst kumpelhaft und wuschelte einem durch die Haare. Er war nicht der Typ der sagte, dass man ihn ansehen sollte. Er rupfte einfach an den Haaren bis die Person das tat.
„Hör mal, ich weis nicht was los ist, aber du isst kaum noch was. Schlafen tust du auch kaum, und du kommst immer seltener hierher. Ich.. vermute das hängt damit zusammen das du hier bleibst und nicht nach China gehen willst.“
Da hatte der Blauhaarige richtig geraten. Er musste als Oberhaupt öfter nach dem Rechten sehen, eigentlich. Da er aber lieber bei einer gewissen Person bleiben wollte vernachlässigte er das. Zudem würde er, wenn er jetzt gehen würde, vor Problemen davonlaufen. Und vielleicht nie wieder nach Japan gehen. Aus Angst.
Und um seine Frustration und den Grund dafür zu vergessen.
„Kann sein…“, meinte er, während er das Buch zu Seite legte.
„Das alles auch… und noch ein paar Kleinigkeiten, die sich aber von selbst lösen mit der Zeit.“
„Meinst du?“
„Ja, meine Güte.“, verdrehte er die Augen. Er hoffte es zumindest. Denn nach Wochen fühlte er sich nun ausgelaugt und aufgedreht zugleich.
„Ok, also… kann ich ja auch mal was vom Herzen lassen. Kann ich bei dir einziehen?“
Perplex wandte sich der Chinese an den Blauhaarigen, der leicht verlegen zur Seite sah.
„Wie du vielleicht gemerkt hast ist Anna… nun, seit Yoh sie öffentlich küsst und so viel netter geworden, aber …“, er beugte sich zu Rens Ohr und flüsterte, den Schauer des Kleineren nicht bemerkend, “… ich hab letztens gehört was sie so treiben. Das will ich nicht noch mal erleben und zudem will ich nicht weiter schnorren…kann ich bei dir einziehen, bloß so lange bis ich eine eigene Wohnung gefunden habe, bitte?“
Ren musste nachdenken. Das war theoretisch die Gelegenheit schlechthin. Wenn man es so sah. Aber der Grund war ein ganz anderer als er ihn sich erhofft hatte.
Horo schien das Wanken in seinem Gesicht zu bemerken und fing an zu betteln.
„Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte…“
Seufzend brachte Ren ihn zum schweigen mit einem Handzeichen.
„Ist gut. Aber nur weil du anscheinend recht spät gemerkt hast was die machen, deswegen bin ich nämlich hier ausgezogen…“
„Also machen die das etwa über ein halbes Jahr schon?“, fragte er entgeistert.
Ren nickte nur.
Das war einer der Gründe, warum er sich gerade beschissen fühlte. Früher hatte ihm das nichts ausgemacht zu wissen, dass die beiden glücklich waren. Aber seit geraumer Zeit hatte er ein Interesse in diese ganzen Sachen entwickelt, wo er bis vor kurzem dachte das er da bereits heraus gewachsen war. Pech gehabt.
„Meine Güte…“
Horo lehnte sich zurück und musste das Ganze anscheinend verarbeiten. Aber er schien es gut aufzunehmen.
„Hoffentlich verhüten die! Mit 16 ein Kind wäre schon krass…“
„Würde aber zu Anna passen…“
„Stimmt auch wieder…“, meinte er gut gelaunt.
„Na, kann ich da dieses WE bereits einziehen? Ich putze auch, obwohl du mich am besten nicht kochen lässt, wenn dir dein Leben lieb ist. Aber mit einer Mikrowelle kann ich noch umgehen.“
Ganz leicht grinste Ren.
„Ok, du machst den Haushalt und ich das essen.“
„Richtig! Zwei Junggesellen, oder ist da etwas was ich nicht weis?“
Horo legte dabei so einen komischen Augenbrauenblick hin, das Ren unwohl und lachend zugleich zumute war.
„Nein.“
„Na dann ist ja gut.“
Er wirkte fast schon komisch erleichtert.
„Tja, und eigentlich meinte Anna du willst mit mir reden. Scheint so aus als wäre das umgekehrt.“
„So kann es gehen…“
Ren nahm sein Buch wieder in die Hand und sah auf den Umschlag. Er sah mehr durch dieses hindurch um Horo nicht direkt anschauen zu müssen.
Hoffentlich würden sich seine Gefühle bessern, oder er würde mindestens bessere Laune haben wenn der Ainu dabei ist. Der sorgte schließlich immer für Stimmung, auch wenn er die Mikrowelle hochjagen musste dafür.
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