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Strangers

von

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Stille Nacht

Hallo!

Also erstmal das Übliche: Alle meine. Ähnlichkeiten mit Lebenden, Toten, Orten und sonstigen Begebenheiten sind rein zufällig und keineswegs beabsichtigt.

Das wäre das, und viel Spaß beim Lesen.

Eure Naoko
 


 

Stille Nacht
 


 

Dominik
 

Unser Atem ging schwer und schien in der Luft zwischen uns zu gefrieren. Ich kann nicht mehr genau sagen, wie lange wir da standen, an diesem menschenleeren Strand. Die Temperatur lag irgendwo bei minus zwanzig Grad, aber das war mir in dem Moment egal. Wir starrten uns einfach nur an. In Victors Augen schien etwas aufzuflammen, doch noch bevor ich ergründen konnte, war er ganz nah vor mich getreten, hatte seinen Mantel um mich gewickelt und drückte mich an sich.

„Was … was tust du?“, stotterte ich.

„Du hättest deinen Mantel nicht vergessen sollen, dann würdest du nicht so zittern.“

Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und ungewohnt sanft. Wie kalt es war, merkte ich erst jetzt, als ich seine Wärme spürte. Woran es lag, dass ich mir wünschte, wir könnten ewig so bleiben, weiß ich nicht. Vielleicht lag es an ihm, vielleicht aber auch nur an meinem langsam wieder auftauenden Körper. Leider löste er sich nach einer Weile wieder von mir, zog seinen Mantel aus und hing ihn mir über die Schultern.

Gerade als ich etwas sagen, protestieren wollte, lächelte er mich an und sagte kaum lauter als zuvor: „Für den Rückweg bekommst du ihn.“

Ich konnte nicht widersprechen. Sein Blick, sein Lächeln hatten mich überzeugt. Langsam gingen wir zurück.
 

„Schöner Pullover übrigens“, murmelte er grinsend auf halbem Weg. Leider trug ich einen roten Pullover mit Elchmuster. „Wollte ich dir schon den ganzen Tag sagen. Hast du den selbst ausgesucht?“

„Ich hab ihn von meiner Mutter vor Jahren bekommen, und weil sie mich dann ständig damit genervt hat, warum ich das Teil nicht anziehe, trage ich jetzt einmal im Jahr und hoffe, dass mich niemand darin sieht.“

„Aha.“ Und fast hätte er mich mit seinem nur stümperhaft unterdrückten Lachen angesteckt, aber …

„Dominik! Victor! Wo ward ihr denn? Weißt du eigentlich was für Sorgen sich deine Mutter macht?!“ Mein Vater kam auf uns zugelaufen und er war wütend. In der Hand hielt er meinen Mantel, aber als er sah, dass ich Victors trug, drückte er ihn diesem in die Hand, drehte um, doch bevor zurückging, brummte er noch: „Beeilt euch.“

Etwas schneller gingen wir weiter, Victor in meinem Mantel, der an ihm irgendwie zu kurz wirkte, und ich in seinem, den ich hoch halten musste, wenn ich nicht Straßenreinigung spielen wollte. Und die ganze Zeit wünschte ich mir, wir wären meinem Vater nicht begegnet, würden nicht schon wieder vor der Haustür stehen.
 

„Trotzdem schöner Pullover“, meinte Victor noch bevor er die Tür öffnete und unglaublicher Weise schaffte er es, dabei völlig ernst zu bleiben.

Sobald die Tür hinter uns ins Schloss fiel, kamen meine Eltern aus dem Wohnzimmer gestürzt, mein Vater immer noch sauer, meine Mutter eher erleichtert.

„Es tut mir Leid“, begann Victor noch bevor irgendjemand sonst etwas sagen konnte. „Mir wurde plötzlich schlecht und ich wollte an die frische Luft. Dominik wollte mich zurückholen, aber ich habe nicht auf ihn gehört. Bitte verzeihen sie mir.“

Einen Augenblick lang sahen sie ihn nur an, wie da im Flur stand, den Kopf gesenkt, fast als warte er auf den Richterspruch. Ich weiß nicht, ob das mit der Übelkeit stimmte, aber seine Entschuldigung war ehrlich gemeint.

Schließlich brach meine Mutter das Schweigen. „Jetzt kommt schon rein.“ Sie machte den Weg ins Wohnzimmer frei und lächelte schon wieder. Wenige Sekunden später verschwand sie in der Küche. Mein Vater sagte nichts, aber seine Wut war schon fast nicht mehr vorhanden. Bis dahin hatten wir nur einmal länger als 24 Stunden nicht miteinander gesprochen und das war eher die Schuld meiner Großmutter mütterlicherseits. Sie hatte mir wie jedes Jahr etwas völlig dämliches zum Geburtstag geschenkt und in diesem einen Jahr hab ich ihr das ins Gesicht gesagt. Für mein ‚absolut unentschuldbares Verhalten’, wie sie es nannte, machte sie meinen Vater verantwortlich, den sie sowieso nie gemocht hatte. Die beiden hatten sich richtig in der Wolle und danach war mein Vater auf mich wütend, weil ich den Streit angezettelt hatte. Normalerweise ist er ziemlich friedlich und hasst Streit.

Als meine Mutter wieder rein kam, stellte sie zwei Tassen Kakao vor uns ab.

„Hier, ihr müsst ja total durchgefroren sein.“ Ihrem Gesichtsausdruck sah man an, dass sie keineswegs sauer war, es nie gewesen ist. Sie kann das einfach nicht, konnte es noch nie. Und nach dem, was Victor passiert war, noch weniger. Seit dem war sie froh, wenn wir in einem Stück zu Hause ankamen.

Danach verlief dann alles so, wie es eigentlich hätte verlaufen sollen, nur das Singen ließen wir ausfallen, zum Glück. Allerdings bekam mein Vater ein Buch gleich zweimal. Eine leichte Enttäuschung, aber er ließ es sich nicht anmerken, protestierte sogar noch als wir meinten, er könne eines doch umtauschen.
 

Kurz darauf gingen meine Eltern zu Bett und ich bemerkte, dass Victor auf das einzig verbliebene Packet unterm Weihnachtsbaum starrte.

„Was ist damit?“, fragte ich.

„Es ist von meinen Eltern“, antwortete er fast völlig tonlos.

„Mach es auf.“ Und zu meiner Überraschung öffnete er das Geschenk.

„Da sieht man mal wieder, wie gut mich meine Eltern kennen“, sagte er mit einer Stimme, wie ich sie sarkastischer selten zuvor gehört hatte. Und mit einem bitteren Lächeln stellte er die X-Box wieder unter den Baum, blieb davor hocken. „Ich habe Videospiele noch nie gemocht. Mit dem Gameboy, den ich als Kind hatte, habe ich vielleicht eine Woche lang gespielt, dann ist das Ding in meinem Zimmer verstaubt, weil es mir zu blöd war. Aber das haben sie natürlich schon längst vergessen, wenn es ihnen damals überhaupt aufgefallen ist.“

„Warum bist du vorhin wirklich weggelaufen?“ Ich war mir nicht sicher, ob Victor auf diese Frage antworten würde, aber ich hoffte es.

Langsam stand er auf und setzte sich mir gegenüber auf einen Sessel.
 

„Bei uns war Weihnachten immer eine Pflichtübung, die alle so schnell wie möglich hinter sich bringen wollten. Kurz und schmerzlos und nach zwei Stunden war der Kleine im Bett und alles wieder vorbei. So richtige Weihnachtsstimmung kam dabei nicht auf. Und dann das hier. Das war einfach zuviel. Tut mir Leid, ich hätte nicht überreagieren sollen.“

„Dann… dann war das alles neu für dich?!“

„Na ja, einen Baum hatten wir schon, aber der wurde schon geschmückt geliefert. Auch den Rest haben meine Eltern nicht selbst gemacht, das wäre ja eine Zumutung für sie. Sie haben alles gekauft, nur um so zu tun, als fänden sie Weihnachten toll.“

„Das ist krank“, murmelte ich bevor ich mich bremsen konnte.

„Was du nicht sagst. Aber trotzdem finde ich das alles eigentlich schön und gut, aber manchmal ist es einfach zuviel.“

„Was meinst du, wie oft ich schon abhauen wollte, weil mir der ganze Kram viel wurde?“

„Aber noch nicht am Heiligen Abend“, stellte er trocken fest.

„Nein“, gab ich zu.

Schweigen, aber es war nicht unangenehm. Im Laufe des Abends waren wir zu Wein übergegangen, und ich leerte mein Glas und schenkte mir noch etwas ein.

„Meinst du, deine Eltern sind sehr sauer?“, fragte er in die Stille und sah mich todernst an.

„Nein, glaub mir, deine Entschuldigung haben sie dir abgenommen, und sehr lange sauer sind sie eh nie. So, und jetzt wünsch ich mir noch etwas von dir.“

„Was?“

„Ein Lächeln, schließlich ist Weihnachten, das Fest der Freude.“

„Und der Glühweinbesäufnisse und der exorbitanten Preise und der gestressten Mütter und der nervenden Kinder und…“

„Och bitte, nur eins, kann auch ein ganz kleines sein“, unterbrach ich ihn.

„Na gut“, seufzte er und verzog seinen Mud zu einen schiefen Grinsen, das eher lächerlich als ein Lächeln war.

„Gut so?“ Und schon war da wieder dieses ernste Gesicht, bei dem man nur in den seltensten Fällen merkt, was dahinter vorgeht.

„Nein, das war kein Lächeln.“

„Was willst du denn dann sehen?“

„Na ja, ein Lächeln halt, ein ehrliches, wenn’s geht. Ich weiß, dass du es kannst.“

Da war es, genau was ich sehen wollte. Er lächelte und schüttelte den Kopf. „Du bist krank.“

„Genie und Wahnsinn liegen eben nah beieinander.“

„Wie viele davon hattest du heute schon?“, fragte er und zeigte auf mein Weinglas.

„Zwei“, antwortete ich wahrheitsgemäß.

„Und wie viele verträgst du?“

„Eins bis anderthalb.“

„Gut.“

„Wieso gut?“

„Na ja, dann hast du bestimmt nichts dagegen.“ Mit diesen Worten stand er auf und zog ein Monopoly-Spiel aus einem Regal.

„Das ist nicht dein Ernst!“

„Ich hatte mehr Wein als du. Das ist mein voller Ernst.“ Schon war er dabei das Spiel aufzubauen.
 

Wir spielten, lachten, als wir uns gegenseitig das Geld aus der Tasche zogen, tranken noch etwas mehr und es fühlte sich so richtig an. Meine und Victors Eltern waren völlig vergessen, zumindest was mich betrifft, genauso wie der Rest der Welt.

Und eigentlich habe ich kein Problem damit, zu verlieren, aber in dieser Nacht fing ich doch glatt an zu heulen als ich Victor mein letztes Geld in die Hand drückte. Seit Jahren hatte ich nicht mehr geweint, nicht einmal wenn Axel sich wieder einmal ausgetobt hatte. Vielleicht lag es ja am Alkohol.

Wir hatten auf dem Boden gespielt, und nun kam Victor zu mir gekrabbelt und lächelte mich an. Ich stotterte etwas davon, dass es mir Leid täte und sah ihn nur verschwommen den Kopf schütteln. Dann spürte ich, wie er mir die Tränen von den Wangen wischte.

Im nächsten Moment klammerte ich mich so fest ich konnte an ihn.

„Ganz ruhig“, flüsterte er und strich mir dabei über Kopf und Rücken.

Das einzige, was ich zustande brachte, war ein kaum hörbares ‚Sorry’.

„Keine Gesellschaftsspiele mehr für dich. Und kein Alkohol.“

Seine Stimme hatte etwas beruhigendes, aber auch sie konnte die Tränen nicht stoppen. Weshalb sie liefen, wusste ich nicht einmal mehr. Vielleicht für ihn, für mich oder für die Welt? Wer weiß.

Ich drückte mich immer fester an ihn, aber sagte nichts, strich mir nur wieder und wieder über den Kopf, bis ich schließlich einschlief.
 

Ende Kapitel 7



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sakiko_Seihikaru
2006-12-20T17:19:55+00:00 20.12.2006 18:19
Oh, wie niedlich!
Aber hey, Alkohol und zwei Jungs und dann spielen sie nur Monopoly und der eine heult? Ich weiß warum, weil Victor so eine gute Gelegenheit ungenutzt lässt. *Victor einen Zettel mit Tipps zusteck (ähnlich wie der von Lehmann zur WM, nur eben situationsbezogen ^^)*

In zwei Sätzen ziemlich am ENde von Seite 1 fehlen jeweils ein Wort, jedenfalls kam es mir so vor, musst mal gucken.
Ansonsten: SCHNELL WEITERSCHREIBEN!!! ^^


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