Zum Inhalt der Seite

Hurt

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Some days I feel broken inside but I won't admit

„Sag bloß, du hast nicht eine meiner Nachrichten abgehört?”

Mit einem rügenden Blick folgte Tohma den Bewegungen seines Schwagers, als dieser sich gelassen auf seiner Couch nieder ließ und die Tasse Kaffee an seine Lippen führte, einen gleichgültigen Gesichtsausdruck aufgelegt.

„Nein” antwortete er augenblicklich, ohne eine Miene zu verziehen.

„Das ist doch…“ grummelte der Ältere und setzte sich neben seinen Schwager „Eiri, wir machen uns Sorgen um dich, also melde dich auch, wenn wir versuchen dich zu erreichen!“

„Ja ja…“ gelangweilt winkte Eiri ab und griff nach der Packung Zigaretten, die auf der Fernsehzeitschrift ihren Platz gefunden hatten.

Lässig steckte er sich eine an, blies den Rauch absichtlich in Richtung seines Schwagers. Er wollte bloß, dass dieser endlich verschwand und ihn wieder seiner verdienten Ruhe überließ.

„Ich hatte dich gefragt, ob du nicht zu uns zum Essen kommen möchtest. Du weißt, Mika würde sich sehr freuen, wenn du uns besuchen kommst!“

„Um mir dann ihre Launen anzutun?“

Abwertend schnaubte Eiri auf und nahm einen weiteren Zug an seiner Zigarette.

„Dann lade ich dich zum Essen ein!“ beharrte Tohma weiterhin darauf, seinen Schwager aus seiner gewohnten Umgebung zu reißen und ihn zurück ins Leben zu werfen.

„Vergiss es, ich habe noch einen Termin einzuhalten. Mein nächster Roman schreibt sich nicht von selbst.“

Verständnislos schüttelte Tohma den Kopf.

„Ich werde Mika anrufen und ihr sagen, dass ich nicht zum Abendessen kommen werde. Wie ich sehe, brauchst du dringend jemanden, der Ordnung in dein Leben bringt! Während du schreibst, werde ich etwas zu essen machen und du wirst sehen, wie sehr du meine Gesellschaft genießen wirst.“

Eiri zuckte mit den Schultern, stand auf und ging in die Küche.

Neugierig blickte Tohma ihm hinterher und verzog ein wenig das Gesicht, als er bemerkte, aus welchem Grund sein Schwager in die Küche gegangen war.

„Tu, was du nicht lassen kannst“ bemerkte der Romanautor nur noch knapp und verschwand dann, gemeinsam mit einer Dose Bier, in seinem Studio.

Tohma legte die Stirn in Falten. Weshalb reagierte Eiri noch immer so – distanziert auf ihn? Er sollte doch wissen dass es, neben Mika, niemanden gab, der sich derart um Eiri sorgte.

Niemand sonst meinte es so ehrlich mit ihm wie er selbst. Er zweifelte sogar daran, dass seine Frau sich derart aufopferungsvoll geben würde, nur damit es ihrem jüngeren Bruder besser ging.

Kopfschüttelnd begab er sich in die Küche, um den Kühlschrank zu durchforsten. Nichts.

Er seufzte. Das hieß, er musste vorher noch einkaufen, bevor er tatsächlich dazu kam, seinem Schwager ein Essen vorzusetzen, das er so schnell nicht vergessen würde.

„Eiri, ich werde noch einige Besorgungen machen müssen, gibst du mir deinen Schlüssel?“

Vorsichtig war er in das Zimmer eingetreten, in dem Eiri für gewöhnlich seine Ideen umsetzte und schwieg augenblicklich. Eiri schien vollkommen in seiner eigenen Welt zu sein, starrte auf den Bildschirm und hackte die Buchstaben in den Computer hinein.

Genervt wandte er sich einen Augenblick vom Bildschirm ab und grummelte etwas wie

„Du kannst froh sein, wenn ich dich überhaupt noch einmal rein lasse.“

Achselzuckend begab er sich suchend zur Garderobe, wo er die Schlüssel vermutete, und entdeckte auf der Anrichte einen Briefumschlag. Neugierig hob er ihn an und stellte erleichtert fest, dass er nicht zugeklebt war. Vorsichtig öffnete er den Briefumschlag und nahm einen Schlüssel heraus, an dem eine Notiz befestigt war. Er zog die Augenbrauen nach oben, was hatte das zu bedeuten?

Die Notiz in seinen für einen Mann zu grazilen Fingern begann er die wenigen Worte darauf zu lesen.

„Auf dass ich ihn niemals wieder benutzen werde“. Er lächelte. Shindou hatte Eiri also eine letzte Nachricht hinterlassen und zeitgleich Tohma die Möglichkeit gegeben, den Schlüssel an sich zu nehmen und nach seinem Schwager zu sehen, wenn er es für angebracht hielt.

Zufrieden steckte er den Schlüssel ein und verließ das Haus.

Es war ein befreiendes Gefühl, Shindou aus dem Leben seines geliebten Schwagers zu wissen.
 

###
 

„Ich hoffe, es schmeckt?“ hoffnungsvoll fragte Tohma, der sich alle erdenklichen Mühen in der Küche gemacht hatte, bei seinem Schwager nach. Eiri nickte mit dem Kopf und schob augenblicklich eine weitere Ladung Nudeln in seinen Mund.

„Schmeckt erstaunlich gut“ gab er zu. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal mit jemandem gemeinsam etwas an diesem Tisch gegessen hatte. Und es war schon eine Ewigkeit her, dass ihn jemand bekochte. Er spürte, wie sich langsam sein Magen entspannte, endlich auf den ständig zugeflößten Kaffee und den Alkohol etwas Festes, Beständiges aufzunehmen.

Glücklich lächelnd widmete sich nun auch Seguchi seiner Portion und strahlte Eiri an, welcher augenblicklich die Augen verdrehte und seinen Appetit schwinden spürte.

Er wollte nicht verhätschelt werden, er brauchte niemanden, der sich um ihn kümmerte, sich um ihn sorgte. Er wollte diese Zeiten ein für alle Mal vorüber wissen, ohne ständig daran erinnert zu werden, dass ihm Etwas im Leben genommen worden war.

Sein Hunger verbat es ihm jedoch, den Teller vorzeitig von sich zu schieben und eine Zigarette anzuzünden, so dass er zuerst den Teller von jeglichen Nahrungsmitteln leerte und sich dann satt zurück lehnte und sich streckte.

„Gut“ kommentierte er nochmals knapp und steckte sich, ungeachtet dem noch essenden Nichtraucher an seinem Tisch, eine Zigarette an, inhalierte tief den Rauch, spürte wie der Nikotin sich berauschend in seinem Körper verbreitete, und blickte Stirn runzelnd auf seinen Schwager.

Tohma genoss es, von Eiri angesehen zu werden, es kam zu selten vor, dass sich dieser tatsächlich dazu durchrang, ihn anzublicken. Ordentlich tupfte er seine Mundwinkel ab, bevor er zu Eiri aufblickte, der noch immer seinen Blick starr auf ihn richtete.

„Gibt es etwas, dass du mir sagen möchtest, Eiri?“

Schnaubend befreite Eiri erneut seine Lungen vom Rauch und schüttelte den Kopf.

„Ich frage mich nur, wie zum Teufel du überhaupt wieder hier herein gekommen bist. Hast du letztendlich doch meine Schlüssel gefunden?“

Eiris Tonfall war eindeutig zu entnehmen, dass er sich über ein solches Vorgehen nicht sonderlich erfreut zeigte. Lächelnd und graziös schüttelte Tohma den Kopf.

„Aber nicht doch, ich würde dir doch nicht einfach deine Schlüssel entwenden.“

Verschmitzt legte er einen Finger an die Lippen.

„Ich habe Shindous Hausschlüssel genommen!“

Die scheinbare Idylle Seguchis wurde von einem kräftigen Husten seines Schwagers unterbrochen. Aufgeregt sprang er von seinem Stuhl auf, eilte zu Eiri und klopfte ihm mehrmals auf den Rücken.

„Ist alles okay bei dir?“

Besorgt beugte er sich über Eiri, umfasste sein Gesicht und drehte es zu sich.

„Lass deine Finger von mir“ antwortete Eiri forsch und befreite sich von dem Griff, den sein Schwager auf ihn hatte.

„Wie bist du an seinen Schlüssel gekommen?“

Schweigend ließ sich Tohma zurück auf den Küchenstuhl fallen und blickte Eiri mit einem engelsgleichen Lächeln an.

„Er hat ihn dir hier zurück gelassen, hast du ihn etwa noch nicht bemerkt?“

Aus seiner Hosentasche zog er einen ordentlichen gefalteten Briefumschlag hervor und reichte ihn Eiri. Dieser starrte nur auf ihn herab.

„Er schreibt dir eigentlich nur, dass er hofft, ihn nieder wieder benutzen zu müssen.“

Eiri sagte nichts, er starrte nur auf den Briefumschlag vor sich und wagte es nicht, selbst hineinzuschauen aus Angst davor, dass Seguchi Recht haben konnte.

„Und habe ich dir erlaubt, ihn zu nehmen?“ fragte er emotionslos in die Stille zwischen ihnen hinein.

Er erwartete keine Antwort von seinem Schwager, stand auf und ging, ohne sich nochmals umzudrehen, in sein Studio und verschloss die Tür hinter sich.

Tohma saß regungslos da und seufzte, machte sich dann leise daran, das Geschirr einzuräumen und ließ Wasser in die Spüle ein.
 

###
 

Mit zittriger Hand durchsuchte Eiri seine Schreibtischschubladen und fluchte, als er die ersehnte Medikamentenpackung nicht fand. In seinem Schädel hämmerte es immer lauter, doch er besaß nicht die Nerven, sein Studio zu verlassen und nochmals der unangenehmen Fröhlichkeit seines Schwagers entgegenzutreten.

Was erlaubte er sich eigentlich, Shuichis Schlüssel an sich zu nehmen?

Sicherlich hatte er den Umschlag auf der Anrichte bemerkt, aber bisher gekonnt ignoriert in der Hoffnung, er möge sich irgendwann in Luft auflösen.

Dass ausgerechnet Seguchi ihn in die Finger bekam geschah nicht in seinem Sinne. Sicherlich hatte er damit gerechnet, irgendeine Abschiedsnotiz von Shuichi vorzufinden, es war ihm bisher aber lieber gewesen, solche Gedanken von sich fernzuhalten und daran zu glauben, der verdammte Quälgeist tauche schon eines Tages wieder auf.

Dass Shuichi seinen Hausschlüssel jedoch mit derartigen Worten hinterließ brachte ihm nur wieder nah, ein weiteres Mal verlassen worden zu sein, ohne dass die ersehnte Person zurückkehren wollte.

Ob eine Person nun tot oder lebendig war – für Eiri machte es keinen Unterschied, denn seine Fehler blieben Fehler, beeinflussten jede seiner Handlungen und waren nicht mehr zu entschuldigen.

Lange Zeit hatte er sich davor abgeschottet, jemals wieder eine besondere Person in sein Leben zu lassen, und als dies doch geschehen war, beschäftigte er sich die meiste Zeit damit, diese von sich zu drängen. Und nun, da er es vollbracht hatte, wurde ihm erst sein Verlust gewahr.

Shuichi war bereits zu einem solch festen Bestandteil seines Lebens geworden, dass es nun unerträglich war, die früher so quirlige und laute Person nicht mehr um sich zu haben. Viel zu lange war er sich seiner Sache zu sicher gewesen. Es bestand nie eine Schwierigkeit darin, Shuichi bei sich zu behalten, da der Sänger sich von ihm abhängig machen wollte.

Eiri hatte fest damit gerechnet, sich nicht mehr viel Mühe geben zu müssen, denn der Jüngere schien alles hinzunehmen, jedes harsche Wort, jeden kalten Blick, nur froh darum, mit ihm zusammen sein zu können.

Ewige Treue und Liebe hatte er ihm geschworen. Dass er nicht lachte…Nichts war von alle dem geblieben. Er hatte Shuichi niemals mit irgendjemandem teilen wollen, er brauchte seine Lebensenergie ganz für sich alleine, brauchte seine Fröhlichkeit, um sich von seiner eigenen Dunkelheit abzulenken.

Aber wie so oft im Leben ging auch dieser Wunsch nicht in Erfüllung. Shuichis Glanz, seine natürliche Fröhlichkeit waren einer gespielten Heiterkeit, einem wie ihm selbst verstörtes Eigenbild gewichen.

Eiri starrte mit zusammen gekniffenen Augen auf den Monitor. Das Licht des Bildschirms brannte sich tief in seinen Kopf hinein und verstärkte das hämmernde Gefühl.

Er hatte es einfach nicht besser verdient, sich so mies zu fühlen. Sein eigenes Leben aufzugeben war die eine Sache, zwei andere dagegen zu zerstören zerriss ihn innerlich noch mehr.

Er wusste, dass er ohne Kitazawa, ohne Shuichi existieren konnte, es war ihm jedoch ohne einen von ihnen egal, was weiter geschah. Er konnte sich weiterhin alle Annehmlichkeiten des Lebens leisten, aber ein ruhiges Seelenleben würde er sich niemals kaufen können.

Langsam hob er seinen Arm an, betastete mit den Fingern vorsichtig das vergilbte Bild an seinem Monitor.

Er wusste, dass diese Zeiten niemals wieder kommen würden, denn die Personen, die das Bild zeigte, gab es nicht mehr.
 

###
 

Shuichi kaute auf seiner Lippe herum, während er seinen Blick nicht von dem Bild abwenden konnte. Es war das erste richtige Date mit Yuki gewesen und auch fast das einzige geblieben in den Jahren, die sie miteinander verbracht hatten.

Yuki Eiri, der kühle, smarte Romanautor, und er, Shindou Shuichi, der unruhige aufgedrehte Sänger. Er, damals noch Freude strahlend, und neben ihm Yuki, mit seinem gewohnt ernsten Gesichtsausdruck.

Nicht einmal auf einem solchen Andenken war es Yuki möglich gewesen, zu lächeln! Wie selten hatte er ihn in all der Zeit lächeln sehen. Zugegebenermaßen hatte sich Yuki ein wenig geändert, aber es hatte nie ausgereicht, um den emotionalen Anforderungen Shuichis zu genügen.

Er konnte es nicht zerreißen – noch nicht, zumindest. Vielleicht sollte er so stark sein, wenn er endgültig mit Yuki abschließen wollte, aber er brachte es, trotz allem, nicht übers Herz.
 

###
 

Eiri zog seine Hand langsam wieder zurück.

Noch konnte er es nicht entfernen, zumindest in diesen Augenblicken brauchte er niemandem vorzuspielen, erneut gebrochen zu sein.

Und wenn er sich auf dieses Bild konzentrierte, konnte er sich für wenige Momente vielleicht betrügen und sich selbst glauben lassen, dass ihn nichts in sein altes Leben zurückgeworfen hatte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  moonlight_82
2006-12-18T14:54:12+00:00 18.12.2006 15:54
Hm, ich überlege schon die ganze Zeit, was ich zu Eiris Passivität schreiben könnte. Andererseits ist da auch noch Thoma, der mich mit jeder weiteren Aktion nur auf die Palme bringen könnte. Hilfe, ich bin völlig durch den Wind. Eins ist aber klar wie Kloßbrühe: Schreib weiter!
LG Sandra :)


Zurück