Nie gesagt
Wie konnte das nur passieren?
Ich weiß es nicht!
Langsam kommen die Erinnerungen zurück,
an das, was passierte.
Da warst du.
Ich konnte es nicht,
konnte es einfach nicht über meine Lippen bringen,
es hätte manches leichter machen können,
du standest da,
direkt vor mir,
wolltest mit mir reden,
deine Augen leuchteten vom Sonnenlicht,
ich aber,
ich war zu stolz,
wovor hatte ich nur Angst?
Dass du lachen würdest?
Dass das, was zwischen uns existierte zerstört würde?
Dass es die anderen erführen, dass ich eben doch einen Schwachpunkt hatte?
Dich.
Du, wie du mich mit deinen Augen mustertest.
Dann kam alles anders.
Der Himmel,
der grade noch so wundervoll in deiner Haarfarbe erstrahlt war,
wurde so dunkel, wie deine Augen.
Ein lauter Knall!
Plötzlich lagst du vor mir,
dein blaues Haar von deinem Blut ganz rot,
in mir setzte etwas aus,
sah wie in Trance,
wie die anderen zu dir eilten,
um dir zu helfen,
ich konnte nicht,
hatte noch diesen einen Satz auf den Lippen,
mein Herz plötzlich so schwarz wie mein Haar.
Tränen traten mir in die Augen.
Was war passiert?
Wer zerstörte grade mein Leben?
Meinen Traum?
Meinen Lebensinhalt?
Einen der wenigen Menschen, die mir etwas bedeuteten?
Meine große Liebe!!!
Also ging ich hin.
Die anderen waren weg.
Wieso?
Es kümmerte mich nicht.
Tränen laufen mir über die Wangen,
immer noch diesen einen Satz auf den Lippen,
den ich nie zu dir gesagt habe,
bis jetzt,
jetzt, wo es womöglich zu spät ist,
ich beuge mich vor,
bette deinen Kopf in meinem Schoß
und drücke meine Lippen auf die deinen
und sage mit bebender Stimme:
„Ich liebe dich“
Mein Herz steht still,
ich habe es getan!
Und du?
Endlich habe ich es über mich gebracht,
diese Worte, die ich mir so lange überlegt hatte,
wie ich sie dir sagen würde.
Doch du hörst sie nicht.
In mir steigt langsam die Erkenntnis auf,
was ich den Hinterbliebenen angetan hatte,
hatte selbst gemordet,
hatte selbst Leben zerstört,
hatte selbst Träume zerstört,
hatte selbst Lebensinhalte zerstört,
und Liebende auseinander gerissen!
Warum hab ich das getan?
Warum war ich ein Mörder?
Bin ich es nicht noch immer?
Nein!
Du und alle meine Freunde haben mich verändert.
Sie mit ihrer einzigartigen Freundschaft,
du mit deiner Liebe,
deiner Nähe,
deinem Wesen, dass ich so sehr vergötterte.
Warum musste das alles nur geschehen?
Ich beginne zu schreien,
doch niemand hört mich.
Will ich das denn überhaupt?
Was sollen sie auch sehen?
Einen Jungen, der zu stolz gewesen ist zu sagen, was er empfindet?
Dessen Augen verschleiert sind,
verschleiert von den vielen Tränen,
die er vergossen hat?
Dessen Augen und dessen ganzes Gesicht
verquollen sind,
von den ganzen Tränen,
die unaufhörlich seine Wangen hinab kullern?
Der sich so elend fühlt und wahrscheinlich genauso aussieht?
Erbärmlich heulend, wie ein kleines Kind?
Du hättest mich verstanden!
Wäre ich an deiner Stelle,
würdest du genauso wie ich hier sitzen und heulen?
Nein,
du warst so stark und mutig!
Du hättest es niemals so weit kommen gelassen!
Du hättest mir längst gesagt,
was du empfindest!
Oder doch nicht?
Wenn ich das,
was ich immer zwischen uns spüre,
nein,
gespürt habe,
wirklich so war,
so war, dass du mich auch liebtest,
warum hast du es mir nie gesagt?
War es,
weil ich immer scheinbar so kalt und verachtend dir gegenüber war?
Weil es so aussah, als wärst du mir egal?
Weil es den Anschein hatte,
dass unsere gemeinsame Zeit mir nicht das Geringste bedeutete?
NEIN!
Ich wollte dir nie wehtun,
glaub mir!
Es stimmt,
ich war kalt zu dir,
denn ich hatte Angst.
Angst vor meinen Gefühlen.
Doch meine Angst übersteigt jetzt alles,
alles, wovor ich mich in meinem erbärmlichen Leben gefürchtet habe,
diese Ängste kommen mir jetzt so winzig vor!
Denn ich habe Angst vor der Zukunft!
Werde ich die Zukunft ohne dich verbringen müssen,
oder doch nicht?
Ganz langsam öffnest du die Augen.
Träume ich?
Bin ich verrückt?
Ich traue meinen Augen nicht,
kann es nicht glauben,
du lebst,
trotz deiner Verletzungen,
trotz der Zeit,
die seit du sie bekommen hast vergangen ist!!!
Du schaust mich an.
Es ist, als ob du geradewegs in mein Herz schaust.
Warum starrst du mich so ungläubig an?
Plötzlich wird mir bewusst,
dein Kopf ruht immer noch in meinem Schoß.
Ich will etwas sagen,
doch es geht nicht!
Warum rührt sich mein verdammter Körper nicht?!?
Warum siehst du mich so an?
Warum?
Fragen über Fragen!
Antworten habe ich keine!
Dein Blick macht mich verrückt.
Du hebst deinen Arm, um mir zärtlich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen,
es macht dir sichtlich mühe,
doch ich, ich genieße sie,
deine Berührung,
obwohl deine Hand so kalt ist.
„Warum weinst du?“,
fragst du mich schwach, doch im jedem deiner Worte liegt so viel Wärme,
Wohlwollen,
Besorgnis,
was ist es jetzt genau?
Nur sehr schwer finde ich meine Stimme wieder
„Ich...“
Ich fange an zu zittern.
Habe meinen ganzen Körper nicht mehr im Griff.
Mein ganzer Mut,
wie weggeblasen.
Warum jetzt?
Frage ich mich nicht zum ersten mal.
„Schon gut,“
reißt mich deine schwache Stimme aus meinen Gedanken.
Wie schön du aussiehst,
selbst wenn du dem Tod so nahe bist wie jetzt,
„Ich liebe dich auch!“
Jetzt starre ich dich an,
wie gerne würde ich dich jetzt küssen!
Doch du hast keine Angst,
warum auch?
Du bist mutig.
Ich nicht.
Du ziehst meinen Kopf zu dir hinunter.
Sanft berühren sich unsere Lippen.
Es muss doch ein Traum sein!
Keine reale Berührung kann einen mit so viel Liebe erfüllen!
Keine reale Berührung kann in einem so viele Gefühle wecken
und doch auch meine Angst schmälern!
„Ich liebe dich“,
platze es aus mir heraus,
doch zu mehr kommen wir nicht,
du wirst wieder bewusstlos,
und die anderen kehren zurück,
danken mir,
dass ich auf dich aufgepasst hab,
wo ich dich doch hasse,
wenn die wüssten!
während sie Hilfe holen waren.
Könnte ich auch anders?
Ich muss doch über dich wachen,
weil ich dich liebe!!
Und im stillen gebe ich dir das Versprechen,
dass das auch immer so sein wird!
Weil ich dich liebe!
Und weil du mich liebst wirst du bei mir bleiben!
Jetzt bin ich mir sicher,
ich muss mich nicht vor der Zukunft fürchten,
denn du wirst bei mir sein!
