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Nadezhdas Entscheidung

von

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Marsch durch die Dunkelheit

Vorsichtig hebe ich sie hoch. Sie ist leicht wie eine Feder, was für ein Glück. Ich lege sie über meine Schulter, so habe ich wenigstens noch eine Hand frei, um mich festhalten zu können. Schon für mich allein ist der Abstieg durch die Katakomben in das Innerste des Bergmassivs gefährlich und beschwerlich. Mit ihr wird es ein riskantes Abenteuer. Doch ich muss ihr helfen, ich muss einfach. Wie beseelt bin ich von dem Gedanken, sie zu retten und nochmals in ihre wunderschönen, klaren braunen Augen zu blicken. Dieses Mädchen hat mich berührt, mich verändert, als hätte sie mich verzaubert. Warm und weich liegt sie auf meiner Schulter, während ich meinen Weg durch das Geröll suche. Sie riecht so gut.
 

Ah verdammt, ich muss aufpassen. Beinahe wäre ich auf dem losen Gestein ausgerutscht und den Abhang hinab gestürzt. Aus dem Gewölbe führt ein Gang tiefer in den Berg hinein. Eng ist es hier, stickig und muffig. Mit Mühe und Not klettere ich über Stalagmiten und versuche mit dem Kopf den Stalaktiten auszuweichen. Hoffentlich komme ich im Labyrinth der Gänge nicht vom Weg ab. Ich bin ein guter Fährtenleser, darauf hat Vater stets geachtet. Doch ein ums andere mal habe ich uns auch schon in die Irre geleitet. Dann musste Vater uns auf den rechten Weg zurückführen. Ach Vater, ich vermisse dich schon jetzt so sehr, wie soll ich bloß ohne dich zurecht kommen?

Der Höhlengang fällt zunehmend ins Dunkle. Nur vereinzelt dringen noch verirrte Sonnenstrahlen bis hier unten vor. Aufmerksam taste ich mich durch die Dunkelheit. Es hat keinen Zweck, ich werde eine Pechfackel entzünden müssen.
 

Vorsichtig lege ich das Mädchen zu Boden, um eine Fackel aus meinem Köcher zu ziehen. Es dauert eine Weile, bis ich sie mit dem Feuerstein und ein wenig Zunder zum Brennen bekomme.

"Oh nein!" Im flackernden Licht der Pechfackel entdecke ich, dass ein riesiges, schwarzes Loch vor uns aufklafft. Zwei, drei Schritte weiter und wir wären hineingestürzt. Vorsichtig leuchte ich mit der Fackel in die Dunkelheit. Du meine Güte, nur wenig mehr als zwei Fuß breit führt der Pfad zu meiner Linken über dem Abgrund an einer Steilwand entlang. Mit dem Fuß stoße ich einen Kiesel hinab. Und lausche. Zunächst höre ich gar nichts. Dann, ganz entfernt: "KLACK - KLACK, klack, klack". Dieser Abgrund muss unendlich tief sein.
 

Wie soll ich das bloß schaffen? Das Mädchen, die Pechfackel und mich selbst festhalten? Ich habe doch nur zwei Hände! Es nutzt nichts, ich werde sie irgendwie an mir festbinden müssen, dann bekomme ich wenigstens eine Hand frei. Ich nehme das Seil von meinem Gürtel und verbinde ihre Füße damit, als wollte ich sie fesseln. Dann hebe ich die Kleine auf meinen Rücken und verknote ihre Hände vor meiner Brust. Den Rest des Seiles schlinge ich mehrfach wie einen Gürtel um meine Hüfte und ihren Körper und knote die beiden Enden so fest es geht vor meinem Bauch zusammen. Fertig. Ja, so könnte es gehen. Ich beuge mich ein paar mal auf und ab, doch die Verbindung hält, ohne zu rutschen. Vorsichtig nehme ich die Fackel in meine Rechte und taste mich seitwärts mit dem Rücken zum Abgrund die Felswand entlang.

Hoffentlich wacht das Mädchen jetzt nicht auf. Sich gefesselt auf meinem Rücken über dem dunklen Abgrund wiederzufinden, würde sie sicherlich in Panik versetzen.
 

Mir kommt es wie eine Ewigkeit vor, bis wir die Steilwand endlich passiert haben. Aber auch danach bleibt es ein beschwerlicher Marsch. Felsabgänge, Wassereinbrüche und Geröll sorgen dafür, dass ich nur langsam voran komme. Immer tiefer dringen wir in das Bergmassiv vor. Langsam fällt die Temperatur, doch die Anstrengung treibt mir weiter den Schweiß aus den Poren. War das Mädchen anfangs noch leicht wie eine Feder, kommt sie mir nun bereits schwer wie ein Sack Kohlen vor. Ich entzünde die dritte Pechfackel und noch immer ist keine Menschenseele in Sicht. Sollte ich mich verlaufen haben?
 

Fortsetzung folgt...



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