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Children of Elements

Buch I - Freundschaft
von

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Der verlorene Drache

Jemand jagte durch den Wald.

Flink wie ein Hase schlug er Haken, sprang über Wurzeln und kleine Bäche und zwängte sich durch Dornenhecken und Gestrüpp, ohne darauf zu achten, dass die Dornen und Äste seine Haut zerfetzten.

Hinter ihm ertönte Hundegebell und wütendes Gebrüll von Männern.

‚Gleich!’, dachte Fynn, ‚Gleich bin ich in Sicherheit!’

Dort vorne war schon die große Eiche, bei der er seine Freunde verlassen hatte.

Er stürzte auf den gewaltigen Baum zu und sah sich gehetzt um.

„Nexel! Rorax!“, keuchte er und Panik kroch in ihm hoch.

Wo waren die beiden?

Fynn wusste, dass er keine Chance hatte.

Nach Luft ringend lehnte er sich an die Rinde der Eiche, prasste sich beide Hände in die stechende Seite und lauschte dem Hundegebell, das immer näher kam.

Gleich würden sie ihn haben. Und dann? Was würden sie mit ihm machen?

Verzweifelt sank der Junge auf den Boden und ergab sich seinem Schicksal.

Und dabei wollte er doch nur noch einmal kurz bei seinen Eltern vorbeischauen, bevor er sich mit seinen Freunden erneut an Xankirs Rettung machen wollte.
 

Nachdem er die Magiza-Pflanze hatte, war er wieder hinaus zu seinen Freunden gegangen.

Er hatte ihnen schon vom Höhleneingang aus zugewunken, doch sie schienen ihn überhaupt nicht zu bemerken.

Plötzlich hatten sie sich sehr merkwürdig benommen. Sie waren erschrocken aufgesprungen und hatten sich verwirrt umgesehen, Angst hatte sich in ihren Gesichtern gezeigt und ihre Stimmen klangen verzagt, als sie begonnen hatten, sich gegenseitig zu rufen.

Es hatte eine Weile lang Verwirrung gegeben, bis endlich klar wurde, dass es die Magiza-Pflanze war, die bloß ihre natürliche Wirkung entfaltete.

Fynn hatte versucht, die Pflanze mit seinen Händen abzudecken, oder irgendwie mit ihr zu kommunizieren, doch nichts hatte gewirkt.

Er wollte schon resignieren, die Pflanze als Fluch akzeptieren und hatte wütend den Arm an seinen Körper gepresst, als könnte er die Pflanze dadurch wieder loswerden, da konnten die beiden Drachen mit einem Mal wieder sehen.

Verdutzt hatte Fynn sich daraufhin den Arm vor die Augen gehalten, um zu sehen, ob sich die Pflanze irgendwie verändert hatte, da setzte die Wirkung wieder ein.

Nach kurzem Überlegen, diskutieren und testen fanden sie heraus, dass die Wirkung der Pflanze von dem groben Leinen des Hemdes neutralisiert wurde.

So hatte er sich einen breiten Streifen vom Bauch seines Hemdes Abgeschnitten und ihn sich sorgfältig um den Unterarm gewickelt. So konnte er kontrollieren, wann die Wirkung einsetzte und wann nicht.

Sie hatten die Nacht dort vor der Höhle verbracht, obwohl sie vom Berg-Plateau aus schon von weitem sichtbar waren, da es dort auf den Felsen keine Bäume und nur vereinzelt ein paar kleine Fleckchen Gras gab.

Am nächsten Morgen hatten sie sich auf den Rückweg gemacht und landeten gerade auf der Lichtung des Waldes, der Fynns Dorf umgab, als die Sonne versank.

Bevor der zweite Versuch, Xankir zu retten gestartet werden sollte, sollten sich alle erst mal ausruhen.

Er, Fynn, wollte die Nacht bei seinen Eltern verbringen und sich eine Geschichte zurechtlegen, die er ihnen erzählen wollte, um zu erklären, warum er so schnell schon wieder weg musste. Denn eins war klar: Sollte die Rettung Xankirs nun missglücken oder nicht, Fynn würde nicht so einfach wieder nach Hause gehen können, das Risiko war zu groß, dass ihn irgendjemand entdecken und erkennen würde.

Doch alles war schief gegangen.

Entweder hatten die Soldaten, die ihn beim letzten Mal erkannt und in die Burg gelassen hatten verdächtigt und dem Fürsten gemeldet, oder der weiße Drache war zu seinem Herrn zurückgekehrt und hatte von dem Menschenjungen berichtet, der in die Burg eingedrungen war.

Jedenfalls schaffte er es nicht bis zu seinem Zuhause, ja noch nicht mal aus dem Wald raus und ins Dorf hinein.

Schon am Waldrand waren Soldaten mit Hunden patrouilliert, die auf seinen Geruch abgerichtet worden waren, ihn bemerkt hatten und nun wurde er von ihnen verfolgt.

Und seine einzige Rettung, seine Freunde, waren nicht da, wo er sie noch vor wenigen Minuten zurückgelassen hatte.

Wahrscheinlich hatten sie ein sichereres Versteck für die Nacht gesucht.
 

So saß der Junge nun hilflos auf den Wurzeln der alten Eiche und hatte sich seinem Schicksal ergeben.

Der erste Hund sprang schon auf die Lichtung, auf ihn zu und schnappte nach seinem Bein.

Doch plötzlich winselte er erschrocken auf, zog den Schwanz ein, legte die Ohren an und trat den Rückzug an. Auch die anderen Hunde hatten aufgehört zu kläffen und winselten leise.

Ärgerliche und verwunderte Stimmen drangen aus dem Wald, als sich die Soldaten fragten, was sie Tiere wohl haben könnten.

Jedoch war die Gefahr noch längst nicht vorüber. Was auch immer die Hunde davon abhielt, die Lichtung zu betreten, die Soldaten hatten keine Angst.

Inzwischen war es so dunkel geworden, dass Fynn nur noch Schatten erkennen konnte.

Zwei große Schemen kamen schnell auf ihn zu, packten ihn an dem Armen und zogen ihn hoch.

„Wir haben ihn!“, rief eine dunkle, raue Stimme neben Fynns rechtem Ohr in den Wald.

Die beiden Soldaten lachten heiser und zerrten den Jungen mit sich, doch da erhellte plötzlich etwas die Nacht.

Dann ging alles sehr schnell, die beiden Soldaten schrien laut auf, schmissen Fynn zu Boden und rannten Hals über Kopf davon, die Hände schützend über den Haaren, als könnten sie sie davor bewahren, von Nexels heißem Feuer verbrannt zu werden, der seine Flammen durch die Luft zischen ließ und zur Landung ansetzte.

Kaum hatte er den Boden berührt, da saß der Junge auch schon auf seinem Rücken und der Feuerkiuma schwang sich wieder in den Nachthimmel.

Erleichtert fühlte Fynn die kalte Luft auf seinem Gesicht und hörte die Schreie der erschrockenen Männer unter sich zwischen den Bäumen hinaufwehen.

„Wo wart ihr denn?“, fragte er seinen Freund, der den Berg ansteuerte, der sich hinter dem Wald erhob.

„Wir haben uns einen besseren Platz für die Nacht gesucht“, bestätigte Nexel die Ahnung seines Freundes.

„Doch hoffentlich nicht in der Höhle?“

„Ich weiß zwar nicht, von welcher Höhle du sprichst, aber wir haben uns auf einem hohen Felsvorsprung niedergelassen. Was war denn bloß los? Warum haben dich diese Männer verfolgt? Wer waren sie?“, fragte der Feuerkiuma und setzte zur Landung auf besagtem Felsvorsprung an, der weit über eine tiefe Schlucht hinausragte und auf dem Rorax ihnen verwundert und erschrocken zugleich entgegensah.

Sie landeten und Fynn erzählte seinen Freunden von seiner Vermutung.

„Das sind schlechte Nachrichten. Gut, dass du auf dein schlechtes Gefühl geachtet hast und noch mal los geflogen bist, um nach Fynn zu sehen“, meinte Rorax erleichtert.

Der Feuerdrache nickte nur kurz und sagte dann ernst: „Das sind wirklich sehr schlechte Nachrichten. Das bedeutet, sie sind jetzt vorgewarnt und es wird noch schwerer, wenn nicht sogar unmöglich, in die Burg zu kommen.“

Die beiden anderen senkten bedrückt und verzagt die Köpfe.

„Ich werde es trotzdem versuchen!“, kam es trotzig von dem Menschen. „Und ihr könnt mich nicht davon abhalten!“

Die Drachen sahen ihn überrascht an.

„Was redest du da, Fynn?“, fragte Nexel und zog die Nase kraus, was bei Drachen wohl so etwas Ähnliches war, wie bei Menschen das Stirnrunzeln.

Gerade wollte der Junge anfangen zu schimpfen, er könnte seinen Freund nicht einfach aufgeben, doch Rorax kam ihm zuvor.

„Ja, was redest du da für Unsinn? Natürlich werden wir es trotzdem versuchen. Wir MÜSSEN es versuchen! Schließlich wartet Xankir schon lang genug darauf, von uns gerettet zu werden!“

Dem Jungen blieb der Mund offen stehen.

Er hatte erwartet, dass ihm seine Freunde das ausreden wollten und darauf beharren würden, dass es zu gefährlich wäre, aber das taten sie nicht! Stattdessen war sogar Rorax, der so eine Angst vor Menschen hatte, bereit, in eine gut bewachte Burg zu schleichen um Xankir zu befreien.

Der Wasserdrache grinste.

„Du hast gedacht, wir würden versuchen, dich aufzuhalten und dir raten, es lieber zu einem späteren Zeitpunkt zu versuchen, wenn der Fürst uns nicht mehr erwarten würde, oder?“

Auch Nexel schien zu lächeln.

Der Junge klappte den Mund zu und umarmte wortlos seine Freunde. Was sollte er dazu noch sagen?

„Nun gut“, wurde er wieder ernst. „Dann lasst uns mal einen Plan ausarbeiten. Wo sollten wir anfangen zu suchen? Wann soll es losgehen, wollt ihr mitkommen, oder habt ihr einen anderen Plan?“
 

Nach einigem hin und her entschieden sie sich, dass ein Drache draußen für Ablenkung sorgen, während der andere mit Fynn in die Burg hineingehen sollte. Magiza würde dafür sorgen, dass sie niemand sah.

Fynn, der durch Sanduku sehen konnte, würde seinem Begleiter den Weg weisen. Das hatte den Vorteil, dass, egal, wer ihnen begegnen würde, erstens nichts sehen würde und zweitens, sollte das noch nicht ausreichen, um jeden Feind in die Flucht zu schlagen, so könnte der Drache durch Fauchen und Knurren dafür sorgen, dass auch der Mutigste schleunigst das Weite suchen würde.

Denn wer würde sich schon einem DRACHEN entgegenstellen, den er noch nicht einmal SEHEN konnte?

Als sie ihre Überlegungen beendeten und sich schlafen legten, stand der Mond schon hoch am Himmel.
 

Es wurde gerade erst hell und die ersten Vögel begannen, zaghaft ihre Lieder zu trällern, als Fynn aufschreckte.

Er rieb sich die Augen und sah sich um, genoss den sorglosen Zustand zwischen Schlafen und Erwachen.

Er erblickte seine Freunde, Rorax lag direkt vor ihm, den Kopf auf seine Tatzen gebettet und schnarchte leise, Nexels Haupt war für Fynn nicht zu sehen, der an dessen Bauch lehnte, doch die Schwanzspitze des roten Drachens lag auf seinen Füßen.

Dann wurde der Junge schlagartig wach.

Heute! Heute war der Tag, auf den er schon so lange wartete! Er konnte nicht länger still sitzen und sprang auf, wodurch seine beiden Freunde geweckt wurden.

Dann ging alles sehr schnell.

Fynn aß den Rest seines Proviants, den er immer noch von der Reise übrig hatte und der aus einem Stück trockenem Brot bestand, während Nexel ein paar Äste anzündete und drei kleine Flammen verschlang und Rorax etwas Morgentau von ein paar Blättern leckte.

Keiner von ihnen hatte großen Hunger.

Sie hatten beschlossen, bei Tag anzugreifen, da sie sicherlich nachts erwartet wurden und somit das Überraschungsmoment auf ihrer Seite hatten.

Während die Sonne aufging und langsam höher stieg, besprachen die drei noch einmal den Plan und erklärten, dass sie sich hier auf diesem Felsvorsprung treffen würden, sollten sie getrennt werden.

Dann saß Fynn bei Rorax auf und sie flogen los.

Ein Stück weit vor der Burg trennten sie sich, Nexel flog auf die Burg zu, während der Wasserdrache und der Junge einen Umweg machten, um ungesehen von hinten zu kommen.

Zur Überraschung seiner Freunde hatte sich Rorax heftig dagegen gewehrt, draußen zu bleiben und aus sicherer Entfernung zum Boden die Ablenkung zu spielen. Er wollte an Fynns Seite bleiben und mit in die Höhle des Löwen – in die Burg hinein gehen.

Er war so entschlossen und mutig, wie er es vor seinem Tod gewesen war.

Als sie an der Rückseite der Burg angekommen waren, blieb der blaue Drache beinahe bewegungslos in der Luft stehen und die beiden beobachteten die Burg eine Weile.

Dann sahen sie einen riesigen Feuerball hinter der Burg in die Luft steigen. Das war Nexels Zeichen, er hatte nun die volle Aufmerksamkeit der Dorf- und Burgbewohner und seine Freunde konnten nun ihre Mission starten.

Fynn war etwas besorgt darüber, ob Nexel lang genug durchhalten würde, denn er hatte dem roten Drachen gut eingeprägt, er sollte bloß abhauen, wenn es zu gefährlich für ihn werden würde.

Doch Rorax beruhigte ihn, und meinte, sie sollten sich nun besser voll und ganz auf ihre Arbeit konzentrieren.

Sanft landete der Wasserkiuma an der Rückseite der Burg, auf eben jenem Balkon, auf dem Nexel und der weiße Drache des Fürsten gekämpft hatten.

Die Fensterscheiben zum Thronsaal waren noch nicht ersetzt, sondern bloß mit Wandteppichen verhängt worden, durch die der große Drache locker hindurch kam.

Fynn hatte, bevor Rorax den Saal betreten hatte, den Stoff um seinen Arm abgewickelt und somit dafür gesorgt, dass sich Magizas Wirkung voll entfalten konnte.

Er blieb auf Rorax’ Rücken sitzen und flüsterte dem Drachen ins Ohr, wo dieser hin musste und was er tun sollte.

Der Thronsaal war menschenleer, doch vollgestellt mit Tischen – anscheinend hatte der Fürst hier gerade mit seinem Gefolge frühstücken wollen, als Nexel mit seinem Ablenkungsmanöver begonnen hatte.

Vorsichtig, um keinen Lärm zu machen, ging Rorax, laut Fynns Anweisungen um alle Tische herum und auf die Treppe zu, die in die untere Halle führte.

Auch dort war niemand und so kamen sie unbehelligt in der kleinen Halle an, von wo aus sie auf den Burghof traten.

Dort herrschte heilloses Durcheinander.

Soldaten rannten umher und zeigten in den Himmel, wo Nexel feuerspuckend seine Runden drehte.

Erschrocken ließen die Männer ihre Schwerter, Lanzen und Bogen fallen, als Fynn und Rorax aus der Burg traten und fingen jämmerlich an zu quietschen, als sie, dank der Magiza-Pflanze blind wurden.

Leise flüsterte Fynn Rorax ins Ohr, woraufhin dieser sich in die Luft erhob, über die erstarrten Männer schwebte, um das Hauptgebäude herum, zu der linken Seite, wo, in die Mauer eingelassen, ein schweres Gitter den Weg zu den Kerkern versperrte.

Fynn ließ Rorax die Gittertüre mit seinem Maul herausreißen und auf dem Boden ablegen.

Als die Soldaten das Knirschen und Scheppern hörten, brach Panik aus.

Was könnte das für ein Ungeheuer sein, das sie erblinden ließ und – so wie es sich anhörte – die Burgmauern einriss?

Entsetzt stoben sie von der Quelle dieser Geräusche – dem Drachen und seinem Freund – weg und die beiden betraten in aller Ruhe die Steintreppe, die in die Tiefen der Burg führte.

Fynn war erstaunt, wie ruhig und gelassen der blaue Drache wirkte, obwohl er nichts sehen konnte und auch noch von gefährlichen Menschen umgeben war! Die Entschlossenheit, seinen Freund Xankir zu retten, hatte den alten Rorax, den mutigen, stolzen Wasserkiuma zurückgeholt und den schüchternen, ängstlichen verschwinden lassen!

Als sie das Ende der Treppe erreicht hatten, lag vor ihnen ein langer Gang, gesäumt von Gittertüren, hinter denen sich zerlumpte und krank aussehende Menschen in die Ecken ihrer Zellen drückten und vor denen Soldaten mit Lanzen standen und sich unterhielten.

Diese Unterhaltungen verstummten nun, da die Soldaten von ihrer plötzlichen Blindheit abgelenkt wurden.

„Verschwindet! Raus hier!“, rief Fynn laut.

Daraufhin packten die Soldaten ihre Lanzen und liefen seiner Stimme nach.

„Wer auch immer du bist, wie auch immer du uns geblendet hast, hier kommst du nicht durch!“, rief einer der Soldaten zurück.

Fynn klopfte seinem Freund leicht auf den schuppigen Rücken und dieser ließ ein leises, bedrohliches Knurren hören.

Mit Freude sah der Junge, wie nicht wenige Soldaten ihre Lanzen fallen ließen und schleunigst zurückwichen, wobei einer der Wächter gegen einen anderen stieß, erschrocken aufschrie und die beiden Männer übereinander fielen.

„W-was geht hier vor?“, schrie der vorlaute Soldat von vorhin, doch nun klang seine Stimme seltsam hoch.

„Zu spät!“, antwortete Fynn. „Nun kann ich euch nicht mehr gehen lassen! Wie ich sehe, ist dort hinten, auf der rechten Seite eine leere Zelle! Wer nicht von mir gefressen werden will, sollte sich schnellstens dort hinein verziehen!“

Rorax grinste bei diesen Worten. Er merkte, dass es seinem Freund mächtig Spaß machte, das menschenfressende, sprechende Ungeheuer zu spielen und den Soldaten seinen Willen aufzuzwingen.

Ängstlich und mit Hilfe von Fynns Anweisungen, sperrten sich alle Soldaten in besagte, leere Zelle ein und warfen sogar den Schlüssel weg.

Der Junge sprang von Rorax’ Rücken und holte ihn. Sicher ist sicher.

Dann packte er seinen Freund an einem seiner Hörner und führte ihn wortlos den Gang entlang.

Als sie an der Zelle der Soldaten vorbei kamen, fragte Fynn mit bedrohlicher Stimme: „Gibt es eine Zelle, in deren Näher keiner von euch darf, sondern zu der nur der Fürst Zutritt hat?“

„Ja!“, erscholl es hinter dem Gitter – der Junge sah mit Vergnügen, wie sich die Männer alle in eine Ecke drängten. „Sie befinden sich einen Stock tiefer, am Ende des Ganges, führt eine Treppe hinunter in das Hochsicherheitsverlies!“

Fynn stutzte.

Irrte er sich, oder hatte das geklungen, als gäbe es mehr als eine Zelle, in die – außer dem Fürsten – keiner hinein durfte?

Er fragte nicht lang, sondern führte Rorax weiter den Gang entlang.

Der ließ es sich nicht nehmen, kräftig mit dem Schwanz gegen das Gitter zu knallen, was die Männer aufschreien ließ.

Als sie auf besagter Treppe waren, lachten sie leise.

Das lief alles einfacher als geplant! Dann wurden sie wieder ernst.

Sie hatten es noch nicht geschafft!

Fynn ließ Rorax einen Moment stehen, sprang die Stufen hinunter und sah sich erst mal um. Doch viel zu sehen gab es nicht.

Im unteren Stockwerk gab es nur zwei massive Eisentüren und keine Wache.

Der Junge holte Rorax nach und versuchte dann, die beiden Türen zu öffnen, doch beide waren mit großen, schweren Eisenriegeln verschlossen, die er nicht bewegen konnte.

Hinter welcher war Xankir?

Es gab keine Fenster und keine Luken in den Türen, durch die man hätte hineinsehen können.

Fynn beschloss, erst mal Rorax seine Sehkraft wieder zu geben und verband sich den Arm.

Dann überließ er es seinem Freund, sich eine Tür auszusuchen.

Rorax wählte die, die ihm am nächsten war – die rechte.

„Bekommst du denn den Riegel einer so schweren Eisentür auf?“, erkundigte sich der Mensch besorgt.

„Keine Sorge. Diese Riegel sind offensichtlich so konstruiert, dass nur zwei starke Menschen sie mit vereinter Kraft öffnen können, aber ich bin ein Drache, ich schaffe das locker alleine.“

„Eigentlich seltsam, dass es kein Schloss, sondern bloß Riegel gibt…“, meinte Fynn.

„Wahrscheinlich hätte der Fürst nicht gedacht, dass es jemand schaffen würde, hier hinunter zu kommen. Ist ja auch egal. Jetzt sehen wir mal, wer hinter dieser Tür ist“, antwortete der blaue Drache und drückte seine Schulter gegen den Riegel, der mit einem metallisch schabenden Geräusch zur Seite glitt.

Angespannt zog Fynn die Tür auf und sie lugten hinein.

Da lag er.

Auf schimmligen Stroh und blinzelte in das flackernde Licht der Fackeln, die den Kerkergang beleuchteten.

„Xankir.“

Es war nichts weiter als ein heiseres Flüstern, das Fynn herausbrachte, doch sein Freund hörte und erkannte seine Stimme.

„Fynn!“, krächzte er und rappelte sich auf.

Der Junge stürzte sich auf den völlig verdreckten und – wie es schien auch abgemagerten Drachen und fiel ihm um den Hals.

Rorax blieb vorsichtshalber draußen stehen, nur zur Sicherheit, doch auch er begrüßte Xankir erleichtert.

Der grüne Drache schien nicht besonders gut behandelt worden zu sein. Überall klebte Dreck und nasses, verschimmeltes Stroh an ihm, mit dem die ganze Zelle ausgelegt war.

Doch er war nicht verletzt, wie er seinen besorgten Freunden schnell versicherte und kräftig genug um zu fliehen.

So traten sie zurück zu Rorax auf den Gang und der war schon auf dem halben Weg die Treppe hoch, als Fynn ihn zurückrief.

„Was ist los? Wir müssen schnellstens hier raus! Wer weiß, ob Nexel nicht schon fliehen musste!“, rief der Wasserdrache.

„Nexel ist auch da?“, fragte Xankir freudig überrascht.

„Ich will wissen, wer hinter der anderen Tür ist“, sagte Fynn.

Rorax klappte das Maul auf, doch dann schien er zu verstehen.

„Du denkst an den weißen Drachen, richtig?“

Der Junge nickte, während Xankir bloß verständnislos von einem zum anderen sah, aber seine Frage runterschluckte.

Jetzt war nicht die Zeit für Erklärungen.

Rorax öffnete auch den zweiten Riegel und Fynn öffnete die Tür.

Die drei sogen scharf die Luft ein.

Dort, auf ebenso vergammeltem Stroh, wie bei Xankir, lag der fremde Drache. Er rührte sich nicht und an einigen Stellen seines Körpers fehlten Schuppen und getrocknetes Blut zeigte dort Verletzungen an.

Doch was die drei so erschreckt hatte, war sein Gesicht.

Es sah so aus, als wären seine weißen Schuppen zu einer grauen Maske verschmolzen und es schien, als hätte ihm diese Maske die Augen verschlossen.

Fynn wollte schon zu ihm laufen, da hörten sie wütende Stimmen und Waffengeklirre aus dem oberen Stockwerk.

Anscheinend hatte sich Nexel inzwischen zurückgezogen und ihr Einbruch war bemerkt worden.

Die drei verschwendeten keine Zeit.

Fynn sprang auf Rorax’ Rücken und die beiden Drachen sprangen die Treppe hinauf.

Der Gang war voller Soldaten, die überrascht aufschrien, als sie die beiden großen Wesen auf sich zurasen sahen.

Sie waren zu überrumpelt, um auch nur daran zu denken, sie anzugreifen und so überrannten die Drachen sie einfach und verschwanden die Treppe in den Burghof hinauf, wo sie sofort ihre Flügel spreizten und, ehe noch irgendjemand auf die Idee kommen konnte, seinen Bogen auf sie zu richten, waren sie auch schon in der Luft und über die Burgmauern Richtung Wald verschwunden.

Fynn drehte sich auf Rorax’ Rücken um und sah erst Xankir an und dann in Richtung Burg. Irgendwie wollte bei ihm keine Hochstimmung aufkommen.
 

Xankir war frei, aber trotzdem hatte er das Gefühl, nicht einen zurück gewonnen, sondern sogar einen Drachen verloren zu haben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Thuja
2008-05-21T13:33:35+00:00 21.05.2008 15:33
Hi
Sorry hab schon damals gesehen, dass es weiter geht, dann wollt ich am nächsten Tag lesen und da hat ich’s dann vergessen
„seufz“
hoffe du verzeihst mir
war auf jeden Fall ein schönes und sehr spannendes Kapitel

Schon beim Einstieg ging es ja aufregend los. Einen Moment lang dachte ich schon, dass Fynn verloren hat und ebenfalls eingesperrt wird, aber glücklicherweise hat er so gute Freunde, die ihn nicht einfach im Stich lassen
Die Drachen sind eben echt gute Wesen, umso schlimmer ist es, dass der Fürst sie missbraucht. Dafür hat er echt ne Strafe verdient :D

Die Rettungsaktion fand ich cool und auch ein wenig lustig. Vor allem das im Kerker. Lol Die Soldaten wurden voll verarscht

Richtig toll war auch, wie du das Elend der eingesperrten Wesen beschrieben hast. Sehr anschaulich!
Nur warum der Fürst Xankir überhaupt einsperrt. Ich dachte er würde den Drachen für seine Zwecke nutzen wollen, da hät ich schon dafür gesorgt, dass er nicht kurz vorm verrecken ist, zumal es dem weißen ja damals scheinbar besser ging. Aber inzwischen muss auch er leiden

Fynn hat mal wieder sein gutes Herz bewiesen
Ich wünsch mir eigentlich, dass der weiße auch gerettet wird
Er tat mir so Leid

Also mach bald weiter

Von:  blacksun2
2008-05-14T12:00:17+00:00 14.05.2008 14:00
hey, du hast ja kein Ton gesagt, dass es weitergeht *grummel*

also ich find es toll, wie sich Fynn um seinen Freund sorgt und freu mich, dass er es endlich geschafft hat Xankir zu retten.
er ist ja mehr als nur gutherzig, dass er den andren Drachen auch noch am liebsten gerettet hätte, bei dem Anblick kann ich das allerdings verstehen, deine Beschreibung da war gut, konnt mir das Bild des Elends richtig gut vorstellen
die Anfangszene war spannend auch wenn Fynn sich da etwas doof angestellt hat, er hätte ja die Kraft von Magiza nutzen können um zu entkommen, war wohl die Aufregung . . .

wenn es weitergeht sag mir bitte Bescheid


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