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Stadt der Engel

Schatten und Licht, Band 1
von

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Ein stürmisches Treffen

Der Konvoi, bestehend aus drei Ochsenkarren und zwei Pferdewagen, schlängelte sich auf einen kaum erkennbaren Weg durch den Wald, der den Grenzstreifen von Farnelia zu Astoria darstellte. Die Pferdewagen bildeten den Anfang und das Ende des Zuges, während auf den Karren Räuber, gefesselt und mit Getreidesäcken bekleidet, die nicht vorhandene Aussicht auf den Wald genossen. Alles, was sie sehen konnten, waren die Unterseiten der Baumkronen und Lanzen aus Licht, die durch das Blätterdach auf sie herab schossen.

Siri lehnte sich zurück, blickte auf die leere Straße vor ihr und zweifelte einmal mehr an den Sinn ihrer Mission. Die Sonne stand beinahe auf dem Höhepunkt ihrer täglichen Reise, die Stunden krochen nur langsam vor sich hin und ihr fielen immer wieder die Augen zu. Neben ihr saß Allen Shezar, der Himmelsritter, in einer wenig himmlischer Aufmachung und hielt die Zügel, während die Hufe ihrer Zugtiere lautstark im regelmäßigen Rhythmus auf den gefrorenen Boden auftrafen. Die Straße, die man kaum als solche bezeichnen konnte, schüttelte Siri immer wieder kräftig durch, so dass sie trotz ihrer Langweile nicht zur Ruhe kam.

„Wann sind wir endlich da?“, quengelte sie.

Allen hüllte sich, wie schon in den Stunden davor, in Schweigen und starrte wie gebannt auf den Weg vor ihnen. Siri verstand die Welt nicht mehr. Heute Morgen hatte er noch mit Nachdruck darauf bestanden, dass sie zusammen mit ihm den ersten Wagen des Konvois besetzen. Jetzt sprach er nicht ein einziges Wort mit ihr.

„Wo wollen wir überhaupt mit den Gefangenen hin? Wie weit ist es noch?“, fragte Siri ungeduldig. Allen schwieg. „Nun antwortet mir doch endlich mal, Kommandant.“ Sie wollte schon zur Frage ansetzten, da fing er plötzlich und völlig unerwartet an zu sprechen.

„Hat man dir keine Geduld beigebracht?“

„Hä?“, fragte Siri verdutzt.

„Oder Aufmerksamkeit? Du verschwendest mehr Gedanken auf das Ende als auf den Weg, der vor dir liegt.“, erklärte er.

„Ich wollte doch nur wissen, wie lange unsere Reise noch dauert.“

„Was nützt dir diese Information. Wird die Reise schneller vorüber sein, wenn du es weißt?“

„Das hat niemand behauptet.“, erwiderte das Mädchen störrisch.

„Seitdem wir unseren Posten auf dem ersten Wagen bezogen haben, hätten Wegelagerer dich jederzeit töten können. Ich musste dich nicht einmal ablenken. Das hast du ganz allein geschafft. Wer hat dich ausgebildet?“, fragte Allen ernst.

„Was soll die Frage? Wollt ihr meine Meister kritisieren?“

„Nein, deine…eure Ausbildung ist unvollständig. Ihr kämpft mir der Entschlossenheit eines Kriegers, aber ihr habt nicht dessen Geduld. Ihr seid sehr talentiert mit dem Schwert, aber ihr tragt es auf dem Rücken und achtet nicht auf eure Umgebung. Im Falle eines Hinterhalts sind eure Fähigkeiten nutzlos.“

„Kritisiert ihr jetzt mich?“, fuhr Siri ihn an.

„Ihr müsst noch sehr viel lernen. Mehr sage ich nicht“, beruhigte Allen sie, dann hielt er einen Augenblick lang inne. Bildete es sich Siri nur ein oder flatterten hinter der ruhigen Fassade seine Nerven? „Ich könnte es euch beibringen, so wie mein Meister es mir beigebracht. Ihr könntet mein Schüler werden.“ Mein erster, fügte er in Gedanken hinzu.

„Euer Schüler?“, staunte Siri. In ihrem Kopf ratterte es gewaltig. Sie sah natürlich die Möglichkeiten, die mit diesem Angebot verknüpft waren, dann aber kamen die Pflichten hinzu. Sie würde sehr lange von Zuhause weg sein, ihr Mutter würde sie kaum sehen können. Sie würde sich um ihre Tochter sorgen, mehr noch als sonst. Oder frohlocken. Immerhin war Allen Shezar alleinstehend und gut betucht. Anderseits jagte Siri der Gedanke sich einem Mann zu versprechen einen Tornado durch ihren Verstand. War sie bereit? Wollte sie ihn? Immerhin sah er verdammt gut aus und sein Körper spiegelte sein Können wieder, so viel hatte sie diesen Morgen feststellen können. Aber noch nie hatte ein Mädchen ihn ganz für sich gewinnen können, obwohl er den Gerüchten zur Folge schon mit vielen sein Bett geteilt hat. Sollte sie es ihm so einfach machen? Wie würde es sich anfühlen, seinen Astralkörper über sich zu spüren, während er tief... Wie ging er wohl mit der Möglichkeit einer Schwangerschaft bei seiner Partnerin um? Halt! Schwangerschaft! Sie war noch nicht so weit. Sie musste unbedingt raus aus dieser Sache. „Ist das eure neueste Art ein Mädchen zu umwerben?“, erwiderte Siri grinsend.

„Ich meine es ernst.“, erwiderte Allen mürrisch.

„Oh, entschuldigt bitte, aber allein der Gedanke…“ Sie konnte nicht aufhören zu schmunzeln, also wandte sie sich von ihm ab. Allen beließ es dabei und konzentrierte sich wieder auf den Weg vor ihm. Die Sonne setzte ihre Reise über den hellblauen Himmel fort, ohne dass er und das Mädchen neben ihn auch nur ein Wort wechselten, bis der kalte Stern fast den Horizont berührte. Dessen Untergang war durch die dicke Mauer aus Bäumen nicht zu sehen. Nur ein dunkler werdendes Himmelszelt kündigte den Abend an. Als es fast kein Licht mehr zu sehen war, konnte Siri das Leuchten von Lampen durch die Reihen der Bäume hindurch ausmachen.

„Hey, dort drüben ist ein Dorf. Endlich können rasten.“, freute sie sich.

„Nicht nur das. Dort werden wir auch unsere Gefangenen los.“, informierte der Ritter sie.

„Bringen wir sie denn nicht nach Palas?“, wunderte sich Siri.

„Nein. Im Keller des Gasthauses gibt es ein paar Zellen. Dort bleiben die Räuber, bis ein Militärzug sie abholt. Wir sind für die Überführung bis nach Palas zu schlecht ausgerüstet. Ab morgen sind wir wieder harmlose und leicht zu überfallender Händler, die Nahrungsmittel transportieren.“

„Und ihr seid wieder der Kranke, den niemand sehen darf? Das wird nicht funktionieren.“

„Warum?“

„Weil die Wegelagerer auf jeden Fall Informanten in diesem Dorf haben. Selbst wenn ihr euch versteckt, werden sie uns garantiert nicht noch einmal überfallen, da sie über ihre bereits gefangenen Kollegen Bescheid wissen.“

„Und was schlägst du vor?“

„Gar nichts. Eine Falle funktioniert eben nur einmal. Dagegen kann man nichts machen. Vielleicht wird man uns hinter dem nächsten Dorf wieder überfallen, wenn wir uns bis dahin wie normale Händler benehmen.“

„Also werden wir morgen einen ruhigen Tag haben.“, meinte Allen, während sie gerade das Tor der Dorfpalisade passierten.

„Nur wenn die Räuber sich nicht dazu entschließen, uns mit Pfeilen oder in einer großen Überzahl anzugreifen.“, entgegnete Siri, als sie vor dem Gasthaus von dem Wagen runter stieg.

„In beiden Fällen werde ich sie rechtzeitig bemerken.“, versicherte er.

„Ach ja, ich vergaß, wir haben ja Ritter Perfekt in unseren Reihen.“

Allen blieb scheinbar unbeeindruckt von Siris Stichelei. Während Gades und der Rest der Truppe die Gefangenen für die Überführung in die Zellen vorbereiteten, gingen beide Seite an Seite auf das Gasthaus zu. Allen öffnete die Tür und ließ Siri mit einer Geste erkennen, dass sie den Vortritt hatte. Siri blieb stehen und verschränkte demonstrativ die Arme und sagte ihrerseits: „Nach euch.“

Er betrachtete sie verwirrt, betrat dann aber das Gasthaus vor ihr. Bevor die Tür zufiel, folgte Siri ihm. Nachdem sie den Eingang hinter sich gelassen hatte, löste sie sich von Allens Rücken, woraufhin ihr eine Wolke aus Schweiß, Mundgeruch und Erbrochenen entgegenschlug. Wie von Gegenwind getroffen, torkelte sie einen Schritt rückwärts, ehe sie sich wieder gefangen hatte.

„Hilfe, das stinkt ja ekelhaft. Die sollten mal lüften.“

„Hier gilt die Weisheit: Erfroren sind schon viele, erstunken ist noch keiner.“

„Na toll! Hat mein Zimmer wenigstens ein Fenster?“

„Dein Zimmer?“, wunderte sich Allen. „Wir schlafen alle in einem Gemeinschaftsraum.“

„Was? Aber das geht nicht!“, fleht Siri.

„Warum nicht? Du hast doch auch ein Lager mit uns geteilt.“

„Da hatte ich keine Wahl. Gasthäuser haben Einzelzimmer.“

„Bei dem Betrieb hier wird wohl kaum eins frei sein.“, konterte Allen und weiß auf den überfüllten Raum. „Außerdem...Wer soll dein Zimmer bezahlen?“

„Ihr natürlich.“, forderte Siri.

„Ich denk nicht dran.“

„Wo bitte schön ist eure Höflichkeit gegenüber Damen geblieben, für die ihr so berühmt seid?“

„Die hört dort auf, wo sie mein Gewinn schmälert.“, erwiderte Allen vollkommen ernst.

Beschämt wurde sich Siri dem Schauspiel bewusst, dem sie sich eben unbewusst verpflichtet hatte. Mürrisch gab sie nach und schmollte, dann fiel ihr ein Mädchen an der Theke auf. Sie war dank des Mantels und der weiten Kapuze fast nicht als solche zu erkennen, doch die kleine Statur verriet sie. Was jedoch wirklich Siris Aufmerksamkeit weckte, war die mit Fell überzogenen Hand, die gerade zum Becher griff.

„Kommandant!“, schrie sie wütend und zog ihr Schwert aus der Rückenscheide. Im Lauf sprang sie auf einen Tisch und flog nach einem mächtigen Satz mit erhobenem Schwert auf ihr Opfer zu. Das verhüllte Mädchen schien die Angreiferin überhaupt nicht wahrzunehmen. Erst im letzten Moment wich sie zur Seite aus und Siris Klinge spaltete den Tresen. Während das Mädchen noch damit beschäftigt war ihre Waffe zu lösen, wirbelte das vermeintliche Opfer herum und versetzte ihr einen Tritt unter die Brust. Von der Wucht des einschlagenden Fußes betäubt stürzte sie rückwärts und landete unsanft auf den Brettern des Bodens.

Allen lief auf die beiden Kontrahentinnen zu. Die verhüllte Gestalt gönnte ihm und Siri einen kurzen Blick, landete dann nach einem für einen Menschen schier unmöglichen Sprung auf der Treppe, die zu den Gästeräumen führte, und verschwand hinter der ersten Türen. Nach einem kurzen Moment der Verwunderung lief der Ritter ihr hinterher. In einer eleganten Bewegung zog er sein Schwert und trat auf die Tür des Zimmers ein.

Das Holz flog krachend auf, doch er sah niemanden. Vorsichtig wagte er sich vor. Als er mit einem Fuß schon im Zimmer stand, erschienen wie aus dem Nichts zwei Stiefel samt Anhang vor seiner Brust. Die Wucht des Tritts beförderte ihn aus dem Zimmer hinaus gegen die gegenüberliegende Tür. Er rappelte sich auf, musste währenddessen aber zusehen, wie die Gestalt auf das kleine Fenster des Zimmers zuhielt und sprang. Das Holz und dünnen Scheiben splitterten fast widerstandslos und von der Flüchtigen war nichts mehr zusehen.

Unsicher, was gerade passiert war, betrat er in den verwüstete Raum. Eine Verfolgungsjagd war sinnlos. Nicht einmal er konnte bei ihren Tempo mithalten, geschweige denn sein Männer. Die Pferde hingegen würden sich eher die Beine brechen, als das sie die Kriegerin im dichten Gestrüpp einholen konnten. Ratlos schaute sich Allen im Zimmer um. In der Wand über dem Türrahmen sah er Kratzspuren in der Form zweier menschlicher Hände.

„Ein Katzenmensch.“, meinte Siri. Überrascht schaute er zur Tür, in der sie stand.

„Kennst du sie?“, fragte der Ritter. Anstatt ihm eine Antwort zugeben, starrte das Mädchen beschämt auf den Boden. „Du hattest sie vorhin Kommandant genannt. Hat sie etwas mit der Königlichen Leibwache zu tun?“, versuchte er es ein zweites Mal, doch sie stürmte den Tränen nahe aus dem Gasthaus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Doena
2010-11-24T20:37:58+00:00 24.11.2010 21:37
Erfroren sind schon viele, erstunken ist noch keiner.
der ist echt geil XD


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