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Stadt der Engel

Schatten und Licht, Band 1
von

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Fest der Masken

Die Kutschfahrt von Allens Villa zum Ball im Königspalast verdarb Siris Stimmung, ehe der Abend überhaupt angefangen hatte. Das Rütteln und Schütteln der offenen Kutsche auf dem mit Löchern gespickten Kopfsteinpflaster zerrte an ihren Nerven und auch die angenehm kalte Meeresluft und der überwältigende, klare Sternenhimmel konnten daran nichts ändern. Grimmig griff sie in die Falten ihres Umhanges und warf Allen einen erbosten Blick zu.

„Ich dachte, Astoria wäre eine Großmacht, aber anscheinend hat es nicht einmal genug Geld um die Löcher in den Straßen zu stopfen.“

Allen widerstand dem Reflex seinen Mantel enger an sich heran zu ziehen und erwiderte Siris Blicke mit einem ermunternden Lächeln.

„Gerade weil Astoria eine Großmacht ist, bezahlt es viel Geld für den Unterhalt der Armee und der Stützpunkte. Außerdem musste nach dem Krieg viel wiederaufgebaut werden und die Bevölkerung von Zaibach ist auch heute noch auf Lebensmittellieferungen aus dem Ausland angewiesen.“, erklärte er. „Ich fürchte, für das Straßennetz bleibt nicht mehr viel übrig. Aber keine Sorge. Gleich kommen wir in die unmittelbare Umgebung des Palastes. Dort werden die kleinsten Straßenschäden sofort repariert.“

„Toll! Warum nur dort?“, fragte Siri mürrisch.

„Weil dort der Adel größtenteils wohnt und die Diplomaten anderer Länder herumgeführt werden, um den Reichtum von Astoria zu demonstrieren.“

Siri schnaubte verächtlich und im Stillen stimmte Allen ihr zu, doch konnte er eine solche Taktlosigkeit, wie Siri sie an den Tag legte, angesichts des Anlasses dieser Fahrt nicht tolerieren.

„Siri, du weißt doch, dass du dich auf dem Ball im Palast nicht so benehmen kannst wie jetzt?“, erkundigte er sich, wobei in seiner Stimme schon ein gewissen Gesicht lag.

„Wir sind ja noch nicht im Palast, Meister.“, konterte Siri.

„Trotzdem könntest du dich doch schon darauf einstellen. Es kommt nicht oft vor, dass ein Krieger weiß, wann eine Schlacht kommt. Wenn er es weiß, nutzt er natürlich die Zeit, die ihm noch bleibt, und bereitet sich vor.“

„In den letzten Tagen habe ich nichts anderes gemacht als mich vorzubereiten. Ich dachte, als euer Schüler würde ich lernen wie man kämpft, stattdessen musste ich Tag ein Tag aus mit einem Buch auf dem Kopf die Treppen hoch und runter stolzieren und tanzen lernen. Glaubt ihr, ich weiß auch nur noch die Hälfte der Benimmregeln, die ihr mir eingetrichtert habt?“

„Es wäre besser für dich, denn wenn du sie verletzt, ruiniert dein Fehlverhalten deinen Ruf auf ewig.“

„Aber es sind einfach zu viele Regeln, als dass ich sie in zwei Tagen lernen könnte.“; beklagte sich Siri. „Allein um die Tischregeln alle zu beherrschen, bräuchte ich jahrelangen Unterricht.“

„Da bist du nicht die einzige. Im Gegensatz zu den anderen Damen am Hof hast du diese Zeit nicht. Trotzdem sollte es für ein ehemaliges Mitglied eines Geheimdienstes kein Problem sein nicht aufzufallen.“, beruhigte Allen sie.

Siri blieben angesichts Allens Optimismus die Worte im Halse stecken. Ihre Nervosität jedoch wollte nicht verschwinden. Als die Kutsche die letzte Brücke vor dem Palast überquerte, fing er mit ihr ein belangloses Gespräch an und legte seine Hand auf ihre. Siris Gesicht flammte einen Moment lang auf, doch dann erinnerte sie sich mit einem wehmütigen Gefühl daran, dass beides von vorneherein abgesprochen war. Sie sollte Allens neue Gefährtin spielen, damit jeder sie für eine weitere seiner zahllosen Eroberungen hält und niemand sie ernst nimmt. Auf diese Art sollte Siri den Freiraum bekommen sich unbehelligt in der Menge bewegen zu können.

Nach einer kurzen Kontrolle am Tor fuhr die Kutsche in den Innenhof des Palastes und machte vor dem Eingang zur goldenen Halle halt. Allen stieg aus der Kutsche, nachdem ein Diener ihm die Tür geöffnet hatte. Gemäß der Etikette wartete er bis derselbe Diener Siri aus dem Wagen half, indem er ihre Hand hielt. Allen übernahm dann diese Hand durch seine eigene und führte Siri drei dutzend halbkreisförmigen Stufen hinauf zu einer Flügeltür, die durch geschnitzte Ornamente die Geschichte Astorias erzählte. Dahinter erstreckte sich ein langer Flur, der mit einem Purpurteppich ausgelegt war. Zwei Diener nahmen Allen seinen Mantel und Siri ihren Umhang ab und brachten sie durch eine kaum erkennbare Tür in die Garderobe. Möglichst unauffällig musterte Siri ihn nochmals, wie er in seiner blauweißen Paradeuniform vor ihr stand. Erst ertappte sie sich dabei, dann fiel ihr auf, dass Allen bei ihr dasselbe tat. Plötzlich fragte sie sich, ob das weinrote, enge Kleid nicht doch besser seinen Zweck erfüllt hätte als das dunkelblaue, für welches sie sich nach langem Hin und Her vor dem Spiegel entschieden hatte. Schüchternd lächelnd Siri hakte sich bei Allen ein und zusammen schritten sie den Flur entlang auf eine weitere Flügeltür zu, welche von zwei sich verbeugenden Dienern geöffnet wurde. Das spöttische Grinsen auf den Lippen der Bediensten entging Siri ebenso wenig wie Allen, der jedoch müde darüber hinweg lächelte. Die nun offene Tür gab den Blick auf eine bunte Gesellschaft frei, die allesamt auf die Tür starrten.

„Unser Erscheinen ist wohl groß angekündigt worden.“, kommentierte Siri flüsternd.

„Jeder eintreffende Gast wird durch einen Herold angekündigt.“, erklärte Allen leise, während beide Arm in Arm, tapfer lächelnd die Menge abschritten, bis sie vor König Aston traten, der sie von seinem Thron aus auf sie herabsah. Pflichtgemäß zollten sie ihm ihren Respekt und mischten sich dann unter die Gäste. Mehr oder weniger führte Allen sie durch die Masse.

Schließlich hielt er vor einer Frau mit langen, blonden Haaren, deren Anblick Siri die Sprache verschlug. Die Frau empfing beide mit einem warmherzigen Lächeln, welches durch die goldene Kette und das funkelnde Diadem noch strahlender wurde.

„Guten Abend, Ritter Allen. Wer ist eure Begleitung?“, fragte sie freundlich.

„Prinzessin Milerna, was für eine Freude euch zu sehen.“, begrüßte Allen sie, ohne auf ihre Frage einzugehen. Milerna bot ihm ihre Hand an, woraufhin er sofort in die Knie ging und ihr einen Handkuss gab. In Siri regte sich plötzlich Wut, deren Ursprung sie sich selbst nicht erklären konnte. Allen erhob sich und wandte sich dann an sie.

„Könntest du uns bitte für einen Moment entschuldigen, Schatz?“

Missmutig sah Siri ihn an und die amüsierten Blicke der Umstehenden verrieten ihr, dass sie gerade zutiefst beleidigt worden war.

„Natürlich.“, antwortete sie und wendete sich von ihm ab. Mit schnellen Schritten tauchte sie in der Menge unter. Milerna trat näher an Allen heran.

„Hast du wieder ein neues Opfer gefunden?“, sagte sie leise zu ihm, sodass nur er sie hören konnte.

„Nein, habe ich nicht. Siri ist nicht meine Geliebte, sondern mein Schüler.“, erklärte er sich.

„So?“, wunderte sich Milerna. „Was sollte dann ihr Auftritt?“

„Es ist alles abgesprochen. Jetzt kann sie ungestört ihren eigenen Interessen nachkommen.“, antwortete Allen.

„Bei all deinen Eroberungen hätte ich dir mehr Sachverstand zugetraut, Allen.“, neckte sie ihn. „Das eben in ihrem Gesicht war keine gespielte Eifersucht.“ Er nahm diese Nachricht mit Schweigen zur Kenntnis. „Was für Interessen geht Siri denn nach?“

Überrascht stellte Allen fest, dass er einen Moment überlegte, ob er Milerna trauen konnte.

„Hitomi ist nach Gaia zurückgekehrt.“, erzählte er, während er seine Zweifel energisch zerstreute.

„Was?“, platzte es aus Milerna heraus.

„Siri behauptet, dass Hitomi von Merle verschleppt worden ist. Anscheinend gibt es eindeutige Hinweise, dass sie nach Astoria gebracht werden sollte.“

„Dann willst du Baron Trias also wieder nachstellen.“, warf sie ihm vor.

„Seine Kopfgeldjäger töten und entführen Menschen in ganz Gaia.“, rechtfertigte er sich.

„Sie jagen nur Verbrecher, welche sich durch die Flucht ins Ausland sich unserem Zugriff entziehen.“

„Nein, sie tun mehr als das. Politische Gegner Astons sind ebenfalls auf ihrer Liste.“

„Dafür hast du keinen Beweis.“

„Aber ich werde einen bekommen, wenn die Entführung Hitomis offen gelegt wird.“

„Meinst du? Hast du es denn noch gar nicht gehört?“, erkundigte sich Milerna.

„Was gehört?“

„Nach Vaters Ankunft vor ein paar Tagen wurde ein offizielles Kopfgeld auf Hitomi ausgesetzt, welches in Farnelia beschlossen worden war.“

Allen wurde kreidebleich.

„Mit welcher Begründung?“, fragte er beherrscht.

„Unter anderem Anstiftung zum Krieg. Es sieht nicht gut für Hitomi aus. Warum auch immer sie auf unsere Welt zurückkam, sie sollte so schnell wie möglich wieder verschwinden.“, riet Milerna. Große Sorge und eine Spur von Traurigkeit zeichnete plötzlich auf Allens Gesicht ab.

„Was ist passiert?“, fragte Siri erstaunt, die gerade ihre Runde durch die Halle beendet hatte.

„Nichts, was für dich von Belang ist.“, log Allen und zwang sich ruhiger zu werden. „Wie war deine Runde?“

„Enttäuschend, Meister. Alles, was ich die letzten fünf Minuten über gemacht habe, war sinnlos Leute anzulächeln. Morgen habe ich bestimmt ein Muskelkater im Gesicht.“

Milerna kicherte, während Allen der flapsige Ton seiner Schülerin ganz und gar nicht gefiel, doch konnte er es sich unmöglich erlauben sie vor allen Leuten zur Schnecke zu machen, da sonst ihre Tarnung auffliegen würde. Plötzlich vielen ihm die Blicke von einem der Gäste auf.

„Dein Ausflug war aber nicht umsonst. Du hast die Aufmerksamkeit der genau richtigen Person auf dich gelenkt. Nicht umdrehen!“, mahnte er Siri.

„Wer ist es?“

„Er steht direkt hinter dir. Ein Mann mittleren Alters mit langen, blonden Haaren. Sein Name ist Baron Trias. Er ist einer der beiden persönlichen Berater von König Aston und Leiter der Kopfgeldjägergilde in Astoria.“

„Steckt er hinter Hitomis Entführung?“, erkundigte sich Siri.

„Wahrscheinlich. Sei still jetzt, er kommt her!“

Ein paar Sekunden später stand der Baron neben Siri.

„Seid gegrüßt, Allen Shezar. Ich hörte, eure Räuberjagd war ein voller Erfolg.“

„Ja, euer Hochwohlgeboren. Wir konnten mehrere Banden gefangen nehmen.“, antwortete er respektvoll.

„Prinzessin Milerna, ich fürchte, wir heute noch nicht das Vergnügen.“

Milerna erwiderte seine Begrüßung, indem sie ihre Hand für einen Kuss anbot, den der Baron auch sogleich ausführte.

„Das Vergnügen ist ganz meinerseits.“, sagte sie ihm.

„Allen, wollt ihr uns nicht einander vorstellen?“, fragte der Baron und wies dabei mit einem Nicken auf Siri.

„Ja, natürlich, euer Exzellenz.“, bestätigte Allen und stellte die beiden aneinander vor. Auch Siri empfing einen Handkuss.

„Ich muss gestehen, ich habe euch noch nie zuvor gesehen und euer Name sagt mit auch nichts. Von wo kommt ihr?“

„Aus Farnelia.“, antwortete Siri wahrheitsgemäß. „Ich kam als Arzt mit Allens Konvoi nach Astoria.“

„Und ihr seid nicht zurückgekehrt?“

„Nun, die Vorzüge Allens haben mich bewogen in dieser schönen Stadt zu bleiben.“

„Ja, da seid ihr wahrlich nicht einzige.“, kommentierte der Baron ihre Geschichte. „Ich hoffe, Ritter Allen, ihr habt nichts dagegen, wenn ich mir dieses liebreizende Geschöpf für einen Tanz ausleihe.“

Obwohl ihm eigentlich der erste Tanz mit ihr zustand, ließ Allen ihn gewähren, woraufhin der Baron Siri zur Tanzfläche führte und sie beide in den Walzer mit einstimmten. Wieder blieb Allen mit Milerna allein in der Menge zurück. Mit wachsamen Augen beobachtete er, wie Siri den Tanz mit Trias durch militärische Disziplin und Konzentration meisterte. Er war von der Geschwindigkeit, mit der sie die letzen Tage über gelernt hatte, sehr beeindruckt.

„Wo ist eigentlich Dryden?“, fragte er Milerna scheinbar desinteressiert.

„Er ist noch immer auf Reisen. Ich habe schon seit Jahren nichts mehr von ihm gehört.“, antwortete Milerna wehmütig lächelnd.

„Warum trägst überhaupt noch den Ehering?“

„Weil ich weiß, dass er zu mir zurückkommen wird. Noch hat mein Vater die Ehe nicht für nichtig erklärt.“

„Woher weißt du, dass er zurückkommen wird. Er ist schon seit fast drei Jahren unterwegs ohne auch nur einen Brief geschrieben zu haben.“

„Das kannst du nicht verstehen, weil du noch nie jemanden wirklich geliebt hast.“, behauptete Milerna. Allen traute seinen Ohren nicht.

„Wie kommst du darauf? Ich hatte schon mehr Beziehungen, als du jemals in deinem Leben haben wirst.“, konterte er.

„Dennoch hast du niemanden wirklich an dich rangelassen und daran sind deine Beziehungen alle gescheitert. Selbst Hitomi musste um den Blick in dein Herz kämpfen und weil sie diesen Blick schließlich auch bekommen hatte, wolltest du sie heiraten. Du hattest Angst, eine Fremde könnte alles über dich wissen, also wolltest du sie an dich binden und sie gefangen nehmen.“, erklärte Milerna einfühlsam.

„Woher willst du das wissen?“, fragte Allen unsicher.

„Vieles wird einem klar, wenn man die Geschehnisse und Eindrücke aus der Vergangenheit wie ein Puzzle neu zusammensetzt. So wurde mir auch bewusst, dass Dryden der einzige Mensch ist, der sich je für mich eingesetzt hat. Er beschützte mich, als die Trümmer des Turmes die Hochzeit unter sich begruben. Seitdem vermisse ich ihn jeden Tag mehr.“

„So etwas würde ich jederzeit tun.“

„Aber nur aus Pflichtgefühl.“

„Er hat dir seinen Ring aber bereits gegeben. Bedeutet das nicht, dass er nie mehr wiederkommen wird?“

„Nein, das bedeutet nur, dass er sich ihn wiederholen wird.“, erwiderte Milerna überzeugt. Allen wollte gerade darauf antworten, als er Siri auf sich zukommen sah.

„Hast du etwas rausbekommen?“, fragte er, als sie nah genug war.

„Nun, Meister, ich habe mich bei dem Baron über das Schicksal eurer Verflossenen erkundigt. Er erwähnte bei seiner Aufzählung auch Hitomi, doch er erzählte mir nur etwas über ein offizielles Kopfgeld, welches vor kurzem auf sie ausgesetzt worden ist. Ihr wisst nicht zufällig etwas darüber?“, fragte Siri drohend.

„Ich habe selbst eben erst davon erfahren.“, log Allen.

„Ich fragte Trias daraufhin, ob man Hitomi bereits verhaftet hat. Er verneinte dies.“

„Hast du irgendwelche Anzeichen einer Lüge entdeckt?“, hakte Allen nach, doch er kannte die Antwort bereits. Wenn Siri schon seine Lüge nicht durchschaut hatte, wie hätte es ihr dann bei einem Vollblutpolitiker, wie Baron Trias einer war, gelingen können.

„Nein, Meister, das heißt aber nicht, dass er es nicht getan haben könnte.“, antwortete Siri wahrheitsgemäß.

„Was wirst du also als nächstes tun?“, erkundigte sich Allen weiter.

„Sie wird den Ball genießen und nicht weiter über Pflichten nachdenken.“, antwortete Milerna an Siris Stelle mit einem scharfen Blick zu Allen. Wieder ließ er es zu. Er war zu müde um zu Widersprechen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Doena
2010-11-28T15:57:21+00:00 28.11.2010 16:57
ja ja Allen muss sich viel gefallen lassen ^^


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