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Der Bulle und der König

von

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Yakisoba mit Speed

„Willkommen“, quietschte die mehr als reizend gekleidete, aber höchst unattraktive Kellnerin, als er das Café betrat, „Sind Sie allein?“

„Nein, ich bin mit zwei Freunden verabredet.“
 

Er setzte sich an den Vierertisch in der hinteren Ecke des Ladens und sah ungeduldig aus dem Fenster. Hier war er schon lange nicht mehr, aber er konnte sich noch gut an die alten Zeiten erinnern. An genau diesem Tisch sah er oft Takashi und Jessie, wie sie sich ihre nahezu endlos dehnbaren Mägen vollschlugen. Während Jessie noch ein wenig Struktur in ihrer Ernährung hatte – Vorspeise, Hauptgang, Nachtisch, Kaugummi – graste Takashi meist nur die Dessertkarte ab. Er bekam längst keinen Durchfall mehr von den für normale Menschen unverträglichen Kombinationen aus Eiscreme, Pfannkuchen, Saft, Cremetorte,... Meist stand der treue Endanger neben ihrem Tisch und starrte, wie es sich für einen Bodyguard gehörte, vor sich ein Loch in die Luft. Gelegentlich würde er an Takashis Handy gehen und es seinem King ans Ohr halten, damit dieser die Hände zum Essen frei hatte. Takashi ließ es sich damals immer sehr gut gehen und lebte gern über seine Verhältnisse, wurde dabei aber niemals hochnäsig oder egoistisch.
 

Makoto bekam allmählich gar nichts mehr mit, wie er so in seinen Erinnerungen versank und in ihnen zu ertrinken drohte. Wie eine Welle, die ihn nicht an die Oberfläche zurückschwimmen ließ, unterbutterten sie ihn, füllten wie ekliges Salzwasser seine Kehle und zerrten ihn auf den kalten, dunklen Meeresgrund hinab.
 

„Yo!“
 

Völlig verschreckt fuhr er hoch, seine starren Augen bekamen ihren Glanz zurück und mit hängender Kinnlade starrte er den nun wirklich nicht imposanten jungen Mann an, der da vor ihm stand.
 

„Fu... Affe..!“

„Nenn mich nicht so! Warst wohl in deinen schmutzigen Gedanken versunken?“

„Red keinen Scheiß,“ murrte Makoto, als sein Herz sich wieder beruhigte. Das einzig Schmutzige an seinen Gedanken war Takashis Mund, der von Schokoladeneis verschmiert war, das Jessie ihm nahezu mütterlich abwischen würde.

„Kazunori noch nicht da?“

„Der müsste jeden Au... da is er ja.“
 

Wie immer schüchtern hinter einer gewaltigen Mähne versteckt, kam Kazunori dahergeschlurft. Verlegen grinsend setzte er sich neben Makoto und fuhr seinen Laptop hoch.
 

„Hebi und Matsuura soll ich suchen, stimmt’s?“

„Zuverlässig wie immer“, rief Makoto und schlug dem armen Kazunori auf den Rücken. Kazunori wiederum schlug beinahe auf der Tastatur auf und machte sich an die Arbeit, während Makoto und Fujio sich über die beiden Drogendealer unterhielten.
 

„Ryuji Matsuura, sechsundzwanzig,“ begann Fujio, „War uns schon länger bekannt. Seit seinem siebzehnten Lebensjahr hat er hier und da Hasch gedealt, später auch Speed, Extasy und anderen Mist. Als er einmal fast erwischt wurde, hat er beschlossen, unter dem Schutz größerer Fische zu dealen und kam so irgendwie an Hebi. Den Rest der Geschichte kennst du ja.“

Makoto nickte.

„Leider hätten sie Hebi und Matsuura getrennt inhaftieren sollen,“ seufzte Fujio und nahm einen Schluck von seinem Kaffee, „Die beiden lernen aus ihren Fehlern nur, wie man noch hinterhältiger wird und irgendwer steckt denen weiterhin Stoff zu.“

„Ah!“ kam es plötzlich von Kazunori, „Gefunden!“

„Zeig her,“ drängte Makoto sich auf und stützte sein Gewicht mit der linken Hand auf Kazunoris knochigen Schoß.

„Hier“, ächzte Kazunori genervt, „Tendoukai.“

„Hab ich’s mir gedacht“; flüsterte Saitou, „Die müssen einen ihrer Männer ins Gefängnispersonal eingeschlichen haben. Personal wird nicht gefilzt.“

„Kannst du herausfinden, wer genau?“, fragte Makoto Kazunori, wobei er sich auch auf Fujio bezog.

„Wenn ich an die Personalliste komme, könnte man vielleicht was finden, aber das wird ziemlich gefährlich.“

„Is ja gut“, meckerte Makoto, „Ich bezahl’s.“

„Lass dich nicht verarschen“, flüsterte Fujio, quer über den Tisch gebeugt, Kazunori viel zu laut zu, „Makoto kann an mehr rankommen, als du denkst. Der läuft nur so schäbig rum, damit man ihn nicht ausraubt.“

„Ey Affe, das hab ich gehört!“

„Wie auch immer“, räusperte Fujio sich, ohne auf „Affe“ einzugehen, „Tendoukai und Hebi mögen den Hanezawa-Clan und seine Freunde nicht. Zu unseren Freunden zählst du, Makoto, und natürlich deine Kontakte. Und Yamai mag dich genauso wenig, Takashi hasst er. Wir müssen damit rechnen, dass er sich mit Hebi und Matsuura zusammentut und Takashi ganz tief in der Scheiße sitzt.“
 

Makoto lehnte sich nervös zurück und verzog das Gesicht. Lästige Zeiten standen vor der Tür, das spürte er. Plötzlich fiel im etwas ein.
 

„Sagt mal, hat einer von euch jemals Speed genommen?“

„Wenn schon, dann fragt man so was leise, Makoto,“ lächelte Fujio, ratlos über so viel Taktlosigkeit, typisch Makoto. „Aber ich hab das ein, zwei mal genommen, aber nicht viel.“

„Wie lang blieb dir der Nachgeschmack im Mund?“

„Im Mund? Ich hab das geschnieft, aber manche schlucken’s... Wieso?“

„Na ja, als ich das letzte Mal bei Takashi war, ging’s ihm ziemlich mies. Er hatte sich im Schlaf übergeben und über einen komischen Geschmack gejammert.

„Also weißte,“ lachte, „Dafür reicht’s, kurz vorm Schlafengehen zu viel zu essen oder wenn du gesoffen hast. Das kommt dir dann durch den Mund, durch die Nase und sogar über die Tränen wieder raus und schmeckt echt widerlich.“

„Danke!“, fuhr Makoto ihn an, „So genau wollt ich’s gar nicht wissen! Und woher soll Takashi so spät noch was zu essen oder Alkohol herkriegen, hä!?“

„Stimmt auch wieder“, lachte Fujio, amüsiert über Makotos heftige Reaktion.

„Wer sagt eigentlich, dass es unbedingt Speed war?“, fragte Kazunori. „Nur, weil Hebi damals mit Speed erwischt wurde, heißt das noch lange nicht, dass das das Einzige ist, was er hat.“
 

Makoto rieb sich das Kinn. Letztendlich konnte Takashi also auch verschluckte Aspirintabletten erbrochen haben. Doch solange die Möglichkeit bestand, dass Yamai mit Hebi und Matsuura gemeinsame Sache machte, konnte er gefährlichere Substanzen nicht ausschließen, schließlich war da auch noch Takashis Zustand an dem Tag.
 

„Hey, Saitou,“ meinte Makoto nachdenklich und Fujio sah ihn verdutzt an. Nicht Affe? „Gibt’s keine Möglichkeit, ihn einfach rauszuholen? Müsste die Yakuza ihn nicht freikaufen können oder so? Ich meine, es ist doch eigentlich egal, was ihm da passiert, wenn er da bleibt, bringen sie ihn früher oder später eh um.“
 

Kazunori und Fujio schwiegen betreten. Makoto hatte zwar recht, aber „einfach rausholen“ war längst nicht so einfach. Könnte man jeden Gefangenen einfach freikaufen, würden Gefängnisse ihren Zweck verfehlen. Saitou ging nicht weiter auf Makotos Frage ein, notierte sie sich aber im Gedächtnis, um sie im Clan zur Sprache zu bringen.
 

„Ich glaube“, meinte Fujio, als er merkte, dass Makoto allmählich eine Antwort wollte, „Das Wichtigste ist erst mal, Takashis Hinrichtung zu verzögern. Solange wir uns darüber keine Sorgen machen müssen, stehen uns alle Möglichkeiten offen.“
 

Makoto stöhnte. Ja, die Hinrichtung. Das Wort wollte er eigentlich aus seinem Vokabular, seinem Gedächtnis und seinem Leben streichen. Was für ein Gesicht Takashi wohl machen würde, während er die dreizehn Stufen besteigt? Was wären wohl seine letzten Worte? Würde er sich wehren? Es war nicht Takashis Art, sich verdienten Strafen zu widersetzen. Wahrscheinlich würde er wieder alles mit einem Lächeln über sich ergehen lassen.
 

Er warf einen kurzen Blick auf Kazunoris Bildschirm. Er schien nicht vorzuhaben, sich hier und jetzt in die Datenbank des Gefängnisses einzuhacken, was Makoto verstehen konnte. Notfalls würde er ihm einen zweiten Laptop besorgen, um ihm möglichst viel Anonymität zu versichern.
 

Nach der vierten Portion Yakisoba mit Mayo, verabschiedete sich Makoto von seinen zwei Freunden, die ebenfalls getrennte Wege gingen.
 


 

Auf dem Nachhauseweg beobachtete Makoto einige G-Boys auf der anderen Straßenseite, die ihn zwar bemerkten, aber nicht grüßten. Erst dachte er, sie seien wütend auf ihn wegen der Verhaftung ihres Kings, doch je mehr er begegnete, desto auffälliger wurde es: nicht Makoto, sondern die G-Boys selbst schienen sich irgendeiner Schuld bewusst. Welche Schuld, das konnte und wollte Makoto jetzt nicht erforschen. Es regte ihn nur irgendwie auf, die Jungs wie die Ratten an ihm vorbeihuschen zu sehen. Irgendwann griff er in eine kleine an ihm vorbeirennende Gruppe und pflückte sich einen Gelben heraus. Zu seiner großen Überraschung war es Nishtie.
 

„Warst du nicht bei den Black Angels,“ fragte Makoto überrascht.

„Was soll das,“ keifte Nishtie ihn an und zappelte so sehr, dass er Makoto seine Dreadlocks übers Gesicht peitschte. „Lass los!“

„Ich wollte euch nur sagen, dass ihr ruhig reden könnt, wenn ihr mir was zu sagen habt.“

„Hä!?“
 

Genervt ließ Makoto ihn los und schubste ihn grob zurück in seine Gruppe, wo er Mohican auf die Füße trampelte. Der sah Nishtie kurz irritiert an und sah dann betreten rüber zu Makoto, der kopfschüttelnd weiterging.
 

„Hat er was gemerkt?“, fragte Mohican Nishtie, doch der zuckte mit den Schultern.

„Glaub nicht. Da kommt eh so schnell keiner drauf, und der doch erst recht nicht!“



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