Neue Gefährten
Kap 3: Neue Gefährten
Als Ruan die Augen aufschlug, war die Sonne schon längst aufgegangen. Verschlafen
blinzelnd richtete sie sich auf und blickte leicht verwirrt auf die Überreste ihres Lagerfeuers.
Normalerweise schlief sie nie so lange. ,Vielleicht liegt das ja an dem Stress von
gestern…?’, mutmaßte sie und stand auf. Immer noch leicht verschlafen streckte sie sich, um
wieder mehr Gefühl in ihre steifen Glieder zu bekommen.
Wie weit sie wohl gestern noch gekommen war?
Na ja, eigentlich war das ja auch egal. Soweit sie wusste, gab es in der Nähe des Schlosses
ziemlich viele Siedlungen und Dörfer. Es käme schon fast einem Wunder gleich, wenn sie an
all diesen vorbeilaufen würde, ohne es zu bemerken. Im Stillen hatte Ruan schon längst
beschlossen, sich bei jedem, den sie traf, nach einer Schlossruine zu erkundigen. Wenn sie
Hinweise auf ihre Eltern finden wollte, dann musste sie an dem Ort, an dem sie einst
gefunden worden war, anfangen zu suchen. Nachdem sie ein bisschen von ihrem Proviant
gegessen hatte, machte sie sich auf den Weg. Dabei schweiften ihre Gedanken immer
wieder zu ihrer Ziehmutter und Mia ab, was sie eigentlich hatte vermeiden wollen. Es war
nicht gut, wenn sie ihrem früheren Leben hinterher trauerte, aber sie konnte es nicht
vermeiden.
Was die beiden jetzt wohl machten? Ob sie sie genauso vermissten, wie sie es tat? Wie der
Schlossherr wohl reagiert hatte, als er gehört hatte, dass sie seine Soldaten einfach so
abgehängt hatte?
All diese Fragen und noch viele mehr schwirrten ihr im Kopf herum, als sie plötzlich in der
Ferne die Hütten eines kleinen Dorfes ausmachen konnte. Ein leichtes Lächeln legte sich auf
ihre Züge. Das war schneller gegangen, als sie gedacht hatte.
Zielstrebig ging sie auf die kleine Siedlung zu und schon kurze Zeit später war sie an den
ersten Hütten angekommen.
Neugierig blickte Ruan sich um. Das kleine Dorf wirkte weitestgehend menschenleer, nur in
einiger Entfernung zu ihr stand ein Mann, der ihr den Rücken zugewandt hatte. Er schien mit
irgendetwas beschäftigt zu sein, aber Ruan konnte nicht erkennen, was es war. Langsam
ging Ruan zu dem Mann hin und meinte vorsichtig:
“Ähm, entschuldigt bitte, aber könntet…”
Während sie sprach hatte sich der Mann umgedreht und blickte sie nun mit
schreckensweiten Augen an.
“Eine… eine Youkai!”, keuchte er überrascht.
Leicht verwirrt blinzelte Ruan, ehe sie antwortete: “Ja, ich bin eine Youkai. Könntet…”
Erneut konnte sie ihren Satz nicht beenden, da der Mann plötzlich so laut los schrie, als
wenn sie ihn töten wolle.
“Ah! Hilfe! Eine Youkai! Eine Youkai ist hier im Dorf!”
Hatte das kleine Dorf bis eben noch menschenleer gewirkt, so war jetzt das genaue
Gegenteil der Fall. Von überall her strömten die Menschen auf die Straße und blickten
geschockt zu ihr. Einige hielten sogar Mistgabeln in der Hand und Ruan fragte sich ernsthaft,
wie jemand so schnell und unvorbereitet an Mistgabeln kommen konnte.
Standen die hier etwas generell neben der Tür? Für den Fall der Fälle?
Fast hätte Ruan bei der Vorstellung laut losgelacht, aber eben nur fast. Dafür war ihr die
Situation dann doch ein bisschen zu ernst.
“Kann einer von euch mir sagen, wo ich eine abgebrannte Schlossruine finde?”, rief sie laut
in die Menge. Irgendwie musste sie diesen Menschen schnellstmöglich klarmachen, dass sie
es auf keinen Kampf angelegt hatte. Eine simple Frage zu stellen, erschien ihr da noch am
Sinnvollsten.
“Woher sollten wir so etwas wissen, Youkai?! Mach, dass du von hier verschwindest!”, rief
ein älterer Mann, der mit einer Heugabel bewaffnet war.
,Dieser…!’ Brodelnde Wut kam in Ruan auf, dennoch zwang sie sich äußerlich zur Ruhe.
Früher war ihr nie aufgefallen, wie verbohrt manche Menschen doch in ihrem Glauben
wären, dass alle Youkai böse wären. Zugegebenermaßen, hatte sie früher auch nie großartig
über dieses Thema nachgedacht, es hatte sie einfach nicht interessiert. Jetzt sprang es ihr
dafür umso mehr ins Auge.
“Vielen Dank für die Auskunft, Väterchen.”, presste sie zwischen zusammengebissenen
Zähnen hervor. Danach wandte sie sich zum Gehen.
“Und sieh zu, dass du hier nie wieder auftauchst!”, schrie ihr noch jemand hinterher und das
war es, was bei Ruan das Fass zum Überlaufen brachte.
Mit vor Wut blitzenden Augen wirbelte sie herum und fragte mit bedrohlich leiser Stimme:
“Was hast du gesagt?!”
Bei ihrem Blick machten die meisten Dorfbewohner verängstigt einige Schritte zurück, nur
der junge Mann, der ihr hinterher gerufen hatte, nahm die deutliche Drohung in ihrer Stimme
scheinbar nicht wahr.
“Ich sagte, dass du dich hier nie mehr blicken lassen sollst, Youkai!”, das letzte Wort
spie er aus, wie eine besonders schlimme Beleidigung.
Als Ruan das hörte und gleichzeitig die Angst und Ablehnung in den Augen der Menschen
sah, da war es so, als ob jemand einen Schalter in ihrem Kopf umgelegt hätte.
Sie wusste nicht, wie es geschah und warum, aber im nächsten Augenblick fand sie sich mit
erhobener Klaue über dem jungen, am Boden kauernden Mann wieder. Zu einer Klaue war
ihre Hand auch tatsächlich geworden. Dort, wo eben noch ganz normale Fingernägel
gesessen hatten, prangten jetzt zentimeterlange, sehr scharf aussehende Krallen.
Erschrocken weiteten sich Ruans Augen, als sie sich bewusst wurde, was das bedeutete. Sie
hätte diesen Mann fast getötet und das nur weil sie wütend gewesen war! Wenn sie nur
einen Augenblick später wieder zu sich gekommen wäre, dann…. Sie wollte gar nicht daran
denken.
“Es… es tut… es tut mir leid.”, stotterte sie verwirrt, wandte sich um und lief davon.
Auf die Dorfbewohner, die ihr verwundert nachblickten, achtete Ruan nicht. In ihrem
Kopf arbeitete es. Sie hätte diesen Mann zwar fast getötet, aber es gab etwas, dass ihr noch
mehr Sorgen bereitete und das war die Tatsache, dass sie nicht einmal bemerkt hatte, wie
sie den Mann angegriffen hatte, geschweige denn, wie sie so schnell zu ihm gekommen war!
Und schnell musste sie gewesen sein, sie hatte es an den erschrockenen Gesichtern der
Dorfbewohner erkannt.
So lief sie weiter, während sich Angst und Verwirrung in ihr breitmachten. Sie fürchtete sich,
fürchtete sich davor, dass sie das nächste Mal nicht mehr rechtzeitig zur Besinnung kommen
könnte und jemanden schwer verletzen oder gar töten könnte.
Sie stoppte ihren halsbrecherischen Lauf durch den Wald erst, als sie an einem kleinen
Wasserfall ankam, der in einen ebenso kleinen Bach mündete, ankam.
Dort ließ sie sich ins Gras fallen, welches auf der kleinen Lichtung wuchs, zog die Beine an
und legte ihre Arme darum.
Die meisten hätten, wenn sie Ruan jetzt gesehen hätten, gesagt, dass sie verträumt den
kleinen Bachlauf beobachten würde. Nur ein genauerer Beobachter hätte feststellen können,
dass ihr Blick leer und ihre Haltung verkrampft war.
Ruan fühlte sich schrecklich einsam und verlassen. Niemand konnte oder würde ihr jetzt
helfen. Ihre Familie und ihre Freunde waren alle im Schloss, wohin sie nicht zurück durfte
und alle anderen Menschen sahen in ihr lediglich eine grausame Bestie, die es loszuwerden
galt.
Außerdem, was verstanden gewöhnliche Menschen schon von den Problemen einer
Youkai? Was verstand sie davon?
Die Antwort war genauso einfach wie frustrierend.- Nichts! Sie wusste nicht das kleinste
bisschen darüber!
Ihre Sicht verschwamm, als sich die ersten Tränen ihren Weg über Ruans Wangen bahnten.
Sie war allein! Zum ersten Mal in ihrem leben war sie vollkommen allein! Die Verzweiflung
über diese Erkenntnis brach wie eine Woge über sie herab.
Was sollte oder besser: was konnte sie jetzt noch machen? Sie war doch für praktisch
jeden, der in ihre Nähe kam, eine Gefahr!
Still saß sie auf der Lichtung und überließ sich ihrer aufkommenden Hoffnungslosigkeit. Ihr
Blick ging ins Leere, ihren Bogen hatte sie nachlässig neben sich abgelegt.
Alles in allem sah sie genauso aus, wie eine potenzielle Beute auszusehen hatte, dass fand
zumindest der Oni, der Ruan aus einem Gebüsch heraus mit blutroten Augen fixierte.
Nicht weit entfernt wanderte ein großgewachsener Mann in teurer Kleidung und in Rüstung
durch den Wald. Am Gürtel hatte er zwei Schwerter befestigt.
Nicht nur die langen, silbernen Haare des Mannes verrieten seine Unmenschlichkeit, nein,
auch die zwei rötlichen Streifen, die jede seiner beiden Wangen zierten sowie der der blaue
Halbmond auf der Stirn deuteten auf seine wahre Abstammung hin.
Er war ein Youkai, genauer gesagt ein Inu-Youkai und Herrscher der westlichen Ländereien
Japans- Sesshoumaru.
Schon vor Tagen hatte er eine seltsame Dämonenaura ausgemacht und war nun auf dem
Weg zu dem Ursprung eben dieser Aura.
Vor einigen Stunden hatte er seine Begleiter, ein kleines Menschenmädchen namens Rin,
einen Krötenyoukai mit dem Namen Jaken und einen zweiköpfigen Drachen, auf einer
Wiese zurückgelassen um alleine weiterzugehen. Er konnte fühlen, dass er dem Ursprung
der seltsamen Dämonenaura schon sehr nahe war.
Aus dem Augenwinkel heraus nahm Ruan eine Bewegung wahr, dicht gefolgt von dem
Geräusch brechender Äste. Instinktiv machte sie einen Satz zur Seite und nur das rettete ihr
das Leben.
Erschrocken blickte sie auf den Platz, wo sie eben noch gesessen hatte. Dort war nun ein
riesiges Loch im Boden und direkt neben diesem stand ein ca. drei Meter großer Oni, der
sie aus gierigen Augen heraus betrachtete.
Einen Moment war Ruan wie erstarrt, doch im nächsten blickte sie sich schon fast panisch
nach ihrem Bogen um. Sie brauchte unbedingt eine Waffe, wenn sie sich verteidigen wollte
und sie musste wirkungsvoller sein, als der kleine Dolch, den sie dabeihatte.
Schon kurze Zeit später erblickte sie dann auch ihren Bogen, der aber unglücklicherweise
direkt hinter dem Oni lag.
“Bleib schön da stehen, Kleine. Ich werde es auch kurz und schmerzlos machen.”, knurrte
dieser gerade mit grollender Stimme und machte einen Satz auf Ruan zu.
Mit einem schnellen Sprung zur Seite brachte Ruan sich in Sicherheit und hatte nun
gleichzeitig freie Bahn, um zu ihrem Bogen gelangen zu können. Mit ein paar schnellen
Schritten war sie dort, hob ihn hoch, legte den ersten Pfeil an die Sehne und drehte sich um.
Im Stillen dankte sie ihrer Mutter dafür, dass sie sie praktisch gezwungen hatte, den Bogen
mitzunehmen. Ohne eine Waffe wäre sie jetzt sicher verloren gewesen, dessen war Ruan
sich sicher.
Auch der Oni drehte sich nun mit wütend funkelnden Augen zu ihr um. Er machte schon
Anstalten, erneut auf sie loszugehen, doch da sah er den Bogen in ihren Händen und…
brach in schallendes Gelächter aus.
“Mit so einem kleinen Teil willst du mir etwas anhaben können?! Ich lebe schon seit Urzeiten
in diesen Wäldern, aber noch nie ist jemand auf die Idee gekommen, mir mit einem
Menschenbogen etwas anhaben zu können!”, grölte er.
Unterdessen kochte erneut Wut in Ruan auf. Es reichte anscheinend nicht, dass sie die
Menschen verachteten, nein, jetzt machten sich sogar noch die Youkai über sie lustig!
“Wir werden ja sehen, wer hier gleich über wen lacht!”, zischte sie leise, zielte und schoss.
Das sie hätte üben sollen, erkannte Ruan, als der Pfeil nicht wie geplant den Oni traf,
sondern gut einen halben Meter an ihm vorbeischoss.
“D… der nächste Trifft! Lass mich in Ruhe!”, rief sie, in der Hoffnung, dass der Oni ihre
aufkommende Angst nicht bemerken würde.
Leider hatte sie sich da gewaltig verschätzt. Mit einem leichten knurren schoss der Oni
erneut auf sie zu, und diesmal konnte Ruan nicht mehr ausweichen.
Mit einem unterdrückten Angstschrei schloss sie die Augen und wartete auf den Schmerz.
,Jetzt ist es vorbei!’, schoss es ihr durch den Kopf und plötzlich kam das gleiche Gefühl in
ihr auf, dass auch zuvor im Menschendorf aufgekommen war…
,Müsste er nicht schon längst bei mir sein…?’, fragte Ruan sich nach einer Weile und öffnete
vorsichtig ihre Augen.
Erschrocken machte sie einen Satz nach hinten, als sie sah, was vor ihr lag. Dabei handelte
es sich um nichts anderes als den Kadaver des Onis, der sie hatte töten wollen. Seine Augen
waren weit aufgerissen und seine Glieder unnatürlich verrenkt und das war es, was Ruans
sowieso schon überspannen Nerven den Rest gab. Eine bodenlose Schwärze umfing sie und
Ruan gab sich schon fast erleichtert der Ohnmacht hin.
Sesshoumaru hatte das ganze Geschehen beobachtet. Mittlerweile hatte er keine Zweifel
mehr, dass die Aura, der er erfolgt war, von der Youkai ausging. Er musste zugeben, dass
ihn das Verhalten eben dieser doch sehr verwunderte. Sie hätte diesen niederen Oni mit nur
einem Schlag erledigen können, wenn sie gewollt hätte, aber stattdessen war sie seinen
Attacken großteils nur ausgewichen, ja, hatte sogar Todesangst gehabt. Er hatte die
aufkommende Panik deutlich bei ihr wittern können.
Nur ihr letzter Angriff, der den Oni auch getötet hatte, war ganz passabel gewesen, wobei
Sesshoumaru den dringenden verdacht hatte, dass sie unabsichtlich angegriffen hatte.
Schließlich hatte die Youkai echtes erstaunen gezeigt, als der Oni tot war und war
letztendlich sogar in Ohnmacht gefallen. Hinzu kam noch, dass sie viel zu viel Youki in ihre
Attacke gelegt hatte.
Er musste zugeben, dass das seltsame Verhalten der Youkai seine Neugier geweckt hatte.
Er schätzte, dass sie durchaus mächtig war, wenn auch nicht so mächtig wie er, aber ihr
Verhalten passte eher zu dem eines Menschen.
Mit einem Sprung war er neben ihr und blickte zu ihr herab. Auch der Bogen, sowie die
Pfeile, die sie besaß schienen menschlichen Ursprungs zu sein. Kurz zögerte er noch, dann
hob er sie, samt ihrem Bogen und dem Köcher, hoch und machte sich auf den Weg, zurück
zu seinen Begleitern.
Ruan fühlte, dass sie auf etwas weichem lag. Jemand hatte ihr einen feuchten Lappen auf die
Stirn gelegt. Hatte sie etwa Fieber? Wessen Stimme war es, die sie da im Hintergrund hören
konnte? Was sagte sie?
Ruan konnte es nicht verstehen. Das einzige, was sie erkennen konnte war, dass es sich um
eine helle Kinderstimme handelte, die sich mit einer anderen Person zu unterhalten schien.
Ihre Lider fühlten sich schwer wie Blei an, aber dennoch öffnete sie die Augen. Sie wollte
wissen, zu wem diese Stimme gehörte.
Im ersten Moment konnte sie nur undeutliche Schemen erkennen, doch schon kurze Zeit
später wurde ihre Sicht wieder klarer.
Als sie in die Richtung blickte, aus der die Stimme gekommen war, erblickte sie ein kleines
Menschenmädchen, das mit dem wohl hässlichstem sprach, was sie je gesehen hatte.
Das Vieh ging ihr wahrscheinlich nicht einmal bis zum Knie, hatte große, wässrig- gelbe
Augen, besaß einen Stab der fast doppelt so groß war wie es selbst uns war zu allem
Überfluss auch noch grün.
In diesem Moment drehte sich das kleine Mädchen um und rief freudig:
“Jaken-sama, seht doch! Sie ist wach!” Danach lief sie glücklich lächelnd auf Ruan zu.
Über die Offenheit des Mädchens verblüfft richtete diese sich auf. Wusste die Kleine etwa
nicht, dass sie eine Youkai war?
Aber… wenn sie es sich recht überlegte, dann hatte die Kleine ja auch ohne Vorbehalte mit
dem grünen Vieh- Wie hatte sie es noch mal genannt? Jaken? -gesprochen. Und das der ein
Youkai war, sah wohl jeder.
Mittlerweile war das kleine Mädchen bei ihr angekommen, kniete sich neben ihr hin und
fragte neugierig:
“Mein Name ist Rin. Wie ist euer Name?”
“Mein Name ist Ruan. Du kannst ruhig ,du’ zu mir sagen.”, meinte Ruan lächelnd. Sie hatte
die Kleine auf Anhieb ins Herz geschlossen. Sie war auch einfach zu niedlich.
“Sag mal, weist du, wie ich hier hingekommen bin?”, fragte Ruan kurz darauf. In einem
Punkt war sie sich nämlich absolut sicher. Das hier war nicht die Lichtung, auf der sie
angegriffen worden war.
“Ja, Sesshoumaru-sama hat dich hergebracht!”, antwortete Rin prompt und ihr Lächeln
wurde dabei, soweit das noch möglich war, breiter.
,Sesshoumaru? Das ist kein Menschenname. Ist er vielleicht auch ein Dämon…?’, überlegte
Ruan und blickte sich suchend um. Außer ihr, Rin und dem grünen Gnom konnte sie
niemanden entdecken.
“Wo ist dieser Sesshoumaru denn…?”, sprach sie ihre Gedanken laut aus.
“Das weiß ich nicht. Er verschwindet ab und zu einfach. Übrigens, das ist Jaken-sama.”,
meinte Rin und deutete auf den Gnom.
“Hallo.”, meinte Ruan schlicht. Sie legte nicht wirklich viel Wert darauf, nähere
Bekanntschaft mit diesem… diesem Ding zu machen. Sie wollte bloß Rin nicht
beleidigen, denn das Mädchen schien Jaken zu mögen.
Ruan hatte keine Ahnung, dass ein schlichtes “Hallo” bei Jaken schon ein großer Fehler sein
konnte, aber sie sollte es bald erfahren.
“Bild dir ja nichts darauf ein, dass mein Meister dich mitgenommen hat, Weib! Um eins klar
zu stellen: Du hast hier nichts zu sagen und dich meinen Anweisungen zu Beugen!”
Wütend blickte Ruan zu dem Dämon und erhob sich langsam. Sie hätte sich ja denken
können, dass der Charakter von diesem Vieh perfekt zu seinem Aussehen passte! Wie
konnte Rin es nur mit diesem Kerl aushalten?
“Ich an deiner Stelle, würde nicht so respektlos mit Leuten umgehen, die mehr als einen
Kopf größer sind als du! Das könnte ziemlich ungesund werden!”, zischte sie bedrohlich.
“Ich stehe schon seit Ewigkeiten im Dienste meines Meisters! Von so einer dahergelaufenen
Youkai wie dir lasse ich mir nichts befehlen!”, keifte Jaken daraufhin aufgebracht.
Nach dieser Aussage war Jaken endgültig bei ihr unten durch. Als dieser dazu ansetzte,
weiter zu reden, verpasste sie ihm einen gepfefferten Fußtritt, der ihn gegen den nächsten
Baum krachen lies.
“Endlich Ruhe…”, murmelte Ruan erleichtert. Danach sah sie sich nach ihren Sachen um.
Ihren Bogen und ihren Köcher hatte sie schnell gefunden, doch, wo war ihr Beutel? Sie
konnte ihn beim besten Willen nicht entdecken.
,Vielleicht liegt er ja noch auf der anderen Lichtung…?’, überlegte sie.
Sie wollte sich gerade wieder zu Rin umdrehen, da spürte sie plötzlich, wie ihr warmer Atem
in den Nacken geblasen wurde. Das konnte weder Jaken noch Rin sein.
Erschrocken wirbelte sie herum und blickte direkt auf ein großes Maul, dass leicht geöffnet
war und so die spitzen Zähne sichtbar machte.
Mit einem erschrockenem Aufschrei wollte sie zurückweichen verlor dabei aber ihr
Gleichgewicht und stolperte.
In diesem Augenblick hörte sie von der Seite her Rins Kichern.
“Das… das ist Ah-Uhn. Der ist ganz Zahm.”, meinte das kleine Mädchen und versuchte
dabei wenig erfolgreich ihr Lachen zu unterdrücken.
Leicht beschämt blickte Ruan nach oben, von wo der eben benannte neugierig auf sie
herabblickte. Bei näherer Betrachtung sah dieser, oder besser: sahen diese ja eigentlich ganz
lieb aus. Aber wer konnte schon von ihr erwarten, dass sie ruhig blieb, wenn plötzlich ein
zweiköpfiger Drache hinter ihr stand?
Vorsichtig stand Ruan wieder auf und ging einen Schritt auf Ah-Uhn zu. Er sah wirklich ganz
lieb aus…. Langsam hob Ruan die Hand und streichelte behutsam einen der beiden Köpfe.
Diesem schien das auch durchaus zu gefallen, denn sogleich stupste sie auch der zweite
Kopf auffordernd an.
Mit leichtem Lächeln streichelte sie auch diesen und ihr Lächeln wurde größer, als diesem
daraufhin ein genießerisches Brummen entwich.
So ging es einige zeit weiter, bis der Drache sich plötzlich abwandte und anfing zu
grasen! Leicht fassungslos starrte Ruan dem Tier hinterher. Ein Drache, der Gras fraß?
Hätte ihr früher jemand so etwas erzählt, hätte sie ihn ohne zu zögern für verrückt erklärt und
jetzt sah sie es mit eigenen Augen! In diesem Augenblick beschloss Ruan, sich über nichts
mehr zu wundern.
Sie hatte aber keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn schon kurze Zeit später wurde
sie schon von Rin in Beschlag genommen. Diese wollte unbedingt mit ihr Blumen pflücken.
Ohne zu zögern stimmte Ruan dem Vorschlag zu. Rin hatte so eine Unbesorgtheit an sich,
die sie all ihre Sorgen vergessen ließ.
Und während sie sich mit Rin beschäftigte, da kam ihr plötzlich ein Gedanke:
,Wenn dieser Sesshoumaru ein Youkai ist, dürfte er doch eigentlich nichts dagegen haben,
wenn ich mit seiner Gruppe reise… . Rin und Ah-Uhn sind wirklich lieb und mit Jaken wird
man auch leicht fertig! Ich will nicht mehr alleine reisen! Wenn dieser Sesshoumaru
wiederkommt, werde ich ihn fragen, ob ich bei ihnen bleiben kann! Hoffentlich ist er nett.’
Aber, was half es jetzt darüber zu spekulieren, wie Sesshoumaru war? Sie musste es halt
nehmen, wie es kam. Dennoch erwartete sie die Ankunft Sesshoumaru’s von diesem
Augenblick an mit Ungeduld.
Als die Sonne schon halb hinter dem Horizont verschwunden war, kam er dann auch
endlich.
“Sesshoumaru-sama! Herr, endlich seit ihr wieder da!”, rief Jaken mit einer gehörigen Spur
von Schleim in der Stimme.
Sofort wirbelte Ruan herum und erstarrte noch im gleichen Augenblick. Sie hatte zwar nicht
damit gerechnet, einem Oni oder ähnlichem gegenüberzustehen, aber auf diesen Anblick war
sie auch nicht gefasst gewesen.
,Diese Augen…’, dachte sie leicht verträumt. Sie hatte noch niemals goldene Augen
gesehen! Und generell sah er einfach verdammt gut aus…
Moment, was dachte sie da eigentlich?! Begann sie jetzt etwa schon damit, für einen Youkai
zu schwärmen?
,Verdammt, jetzt reiß dich zusammen! Ich wollte ihn doch etwas fragen! Und dafür
bedanken, dass er mich mitgenommen hat, muss ich auch noch!’ rief sie sich zur Vernunft.
Entschlossen ging sie daher auf Sesshoumaru zu, der sich mittlerweile an einem Baum
niedergelassen hatte und sie nicht weiter zu beachten schien.
Durch dieses Verhalten seinerseits leicht unsicher kniete Ruan sich in gebührendem Abstand
nieder.
“Ich wollte mich dafür bedanken, dass ihr mich mitgenommen habt.”, setzte sie an und als er
in keinster Weise reagierte, fuhr sie fort, “Ich wollte euch auch um einen Gefallen bitten.
Würdet ihr mir vielleicht gestatten, mit euch zu reisen? Ich würde euch auch gewiss nicht zur
Last fallen!”
Sesshoumaru warf Ruan einen kurzen, eiskalten Blick zu, der ihr einen kalten Schauer über
den Rücken jagte.
“Woher kommst du?”, fragte er mit gefühlskalter Stimme.
Leicht irritiert blickte Ruan ihn einen Moment einfach nur stumm an, ehe sie antwortete.
“Ich stamme aus dem Schloss des Fürsten Kayama.”
“Ein Menschenschloss.”
Irrte sie sich, oder hatte in Sesshoumaru’s Stimme eben Verachtung gelegen?
“Ja, es ist ein Menschenschloss. Warum fragt ihr?”
Kühl musterte Sesshoumaru sie. Sie hatte diese Frage anscheinend wirklich ernst gemeint.
In ihrem Blick spiegelte sich echte Neugier wieder. Erneut fragte er sich, was mit dieser
Youkai los war. Sie konnte nicht mit ihren Kräften umgehen und hatte anscheinend auch
noch in einem Menschenschloss gelebt. Das alles war mehr als nur untypisch für eine
Youkai. Sesshoumaru gestand es sich zwar nur ungern ein, aber Ruan hatte echtes Interesse
in ihm geweckt.
“Warum lebt eine Youkai in einem Menschenschloss?”, hakte er deswegen etwas genauer
nach.
Nervös blickte Ruan zur Seite. Sollte sie ihm es erzählen? Damit würde sie ihm schließlich
ihre gesamte Lebensgeschichte vorsetzen. Konnte sie ihm bereits so sehr vertrauen, dass sie
ihm alles erzählte?
Nein, entschied sie nach kurzem Bedenken. Sie würde ihm damit ja praktisch auf die Nase
binden, wie schwach und Hilflos sie noch war. Sie kannte diesen Youkai kaum, wer wusste
schon, auf was für Ideen er oder andere Youkai kommen konnten?
“Das ist eine sehr persönliche Frage, Sesshoumaru-sama.”, wich sie daher aus.
Sesshoumaru musterte sie daraufhin noch einen Moment, ehe er kalt wie immer sprach:
“Du wirst in Zukunft auf Rin aufpassen.”
Ruan brauchte erst einmal einen kurzen Moment, ehe sie verstand, was er meinte, doch als
sie den Sinn seiner Worte begriff, hellte sich ihr Gesicht auf.
“Ich danke euch!”, sagte sie mit einer leichten Verbeugung, stand auf und ging zu Rin.
Dabei klopfte sie sich in Gedanken selbst auf die Schulter. Sie hatte gerade ihr erstes
richtiges Gespräch mit einem Youkai überstanden und sie nahm an, dass sie sich gar nicht
mal so schlecht gemacht hatte. Schließlich hatte Sesshoumaru ihr ja erlaubt, sie zu begleiten.
“Stell dir vor, ich darf mit euch reisen!”, eröffnete sie Rin auch sogleich, als sie bei ihr war.
“Ist das wahr? Oh, das ist toll! Hast du gehört, Jaken-sama? Ruan- chan wird mit uns
kommen!”, rief Rin dem Krötenyoukai freudig zu.
Dieser schien daraufhin aus allen Wolken zu fallen. Noch bis vor einem Moment war er
damit beschäftigt gewesen, Feuerholz sorgfältig für ein Lagerfeuer aufzuschichten, doch jetzt
glitten ihm die Holzscheite aus den Händen und fielen unbeachtet zu Boden.
“Was?! Dieses Weib kommt mit uns?! Das kann Sesshoumaru-sama niemals erlaubt
haben!”, schrie er aufgebracht.
Hastig lief er zu seinem Meister.
“Habt ihr diesem Weib etwa erlaubt, uns zu begleiten?!”
Ein kühler Blick Sesshoumaru’s war die einzige Antwort. Für Jaken war das aber
anscheinend Antwort genug.
“A… aber, das könnt ihr doch nicht machen! Dieses… dieses Weib…” Er kam nicht dazu,
seinen Satz zu beenden, denn er wurde von Sesshoumaru unterbrochen.
“Zweifelst du etwa meine Entscheidungen an, Jaken…?”, fragte er in einem Tonfall, der
einem das Blut in den Adern gefrieren ließ.
“N… natürlich nicht, S… Sesshoumaru-sama!”, stotterte der kleine Youkai erschrocken
und zog sich sofort zurück.
Schadenfroh blickte Ruan ihm nach. Normalerweise freute sie sich nicht über das Unglück
anderer, aber sie beschloss, heute mal eine Ausnahmen zu machen. Jaken hatte das wirklich
mehr als nur verdient.
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So, hier ist auch das zweite Kap zuende^^
Über Kommies würd ich mich wie immer sehr freuen^^
Bye,
_Corchen_