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Schattenfedern

Gedanken der Nacht
von

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Eine neue Nachricht

Eine neue Nachricht
 

Und wieder dreht sich das Rad des Lebens weiter.

Speiche um Speiche.

Stunde um Stunde.

Und liefert sich ein Rennen mit der Zeit.
 

Wieder sitzt sie am Fenster, einen Spiegel in den Händen, den Blick ziellos in die Nacht gerichtet.

"Wer bin ich" flüstert sie. "Und wer bist du?"

Doch die Nacht bleibt stumm. Ein leiser Wind haucht durch die Gassen, doch außer leisen Autogeräuschen einer Umgehungsstrasse ist nichts zu hören.

"Wer kann mich überhaupt hören?" Traurig blickt sie zu ihrem Computer, der das Zimmer in ein gespenstisches Licht tauchte. Sie schaut in den Spiegel, heftet ihre Augen an deren Ebenbilder.

Stumpf und leblos sehen sie aus. Ausdrucklos, wie der Rest ihrer Gesichtszüge.

Schnell legt sie den Spiegel zurück auf die Fensterbank und setzt sich vor den Bildschirm. "Bitte sei da..." Gebannt schaut sie ihre Foren durch, ihre Mails, sogar ihre Gästebücher.
 

Nichts.
 

Enttäuscht lehnt sie sich zurück. Wiegt sich leise hin und her, legt die Arme um sich und starrt weiter auf den Bildschirm. Es war nur Wunschdenken. Warum sollte sich ein Mensch hunderte von Kilometern entfernt für sie interessieren? Für ihre Probleme? Morgen war doch Schule, da würde wohl kaum einer um diese Uhrzeit wach sein. Eine stumme Träne kämpft sich ihren Weg an die Oberfläche, rollt über die Wange. Unwirsch wischt sie die Träne hinweg. Es gab keinen Grund zum Weinen. Es gab viele, denen es schlimmer ging, viel schlimmer. Trotzdem muss sie sich auf die Lippe beißen um nicht zu Weinen. "Keiner ist da." stellt sie unnötigerweise fest.
 

Schnell drückt sie alle Fenster weg und schaltet ihre Musik auf leiser Lautstärke an. "Niemand mag mich" flüstert sie. Nein. Nicht daran denken. Es war doch immer so gewesen. Sie hatte noch nie Freunde gehabt. Nie. Und warum sollte sich das je ändern. Sie war es doch selbst Schuld. Sonst wäre jetzt jemand für sie da. "Unbedeutend für die Welt." Fast geisterhaft wirken ihre Worte im Zimmer.
 

Unbedeutend für die Welt

Nichts was dich zusammenhält

Dich umgibt die Dunkelheit

Fast noch mehr die Einsamkeit
 

Schuld alleine bist doch du

das ist dein Paar kleine Schuh

Das Päckchen hier hast du zu tragen

Du hast kein Recht dich zu beklagen
 

Niemand mag dich kleines Kind

Weil Kinder wie du abscheulich sind

So jemand wie dich sollte es nicht geben

Warum bist du trotzdem noch am Leben?
 

Immer wieder schüttelt sie den Kopf, als wolle sie nicht hören, was der Sänger in ihr Ohr raunt.

Greift mit ihren Händen in ihre Haare und verbirgt ihr Gesicht dahinter. Wippt weiter auf ihrem Stuhl. Ein Knarren im Flur lässt sie erstarren und ängstlich die Luft anhaltend schaut sie zur Tür. Doch nichts passiert und nach einer Weile wendet sie ihren Kopf zurück zum Rechner. Schaut nochmal ihren Foren durch, doch das Ergebnis bleibt gleich: Keine Antwort.

Sie öffnet ihr Textprogamm und mit einem letzten Blick aus dem Fenster schreibt sie ihre Gedanken auf.
 

Ich wünsche mir kein Geld, keine Zeit und keine Schönheit.

Ich wünsche mir nur einen Funken Hoffnung.

Einen Menschen, der mich versteht. Der auch mitten in der Nacht die Dämonen meiner Gedanken hinfortweht und mir das Gefühl gibt zu leben.

Ich wünsche mir kein Haus.

Nur einen Ort der Ruhe. Zu dem ich flüchten kann vor der Welt.

Wo ich Frieden finden kann in diesen Zeiten.

Ich wünsche mir nichts.

Nur einen Funken Hoffnung
 

Sie liest die Zeilen erneut. Dann drückt sie "Löschen".

Steht auf und stellt sich wieder vor ihr Fenster, blickt in die Nacht. Weit in der Ferne leuchtet ein Stern, trotzt der Dunkelheit in der Unendlichkeit des Weltalls. "Ich will doch nur leben..."

Die wiederaufkommenden Tränen unterdrückend aktualisiert sie ein letztes Mal die Seiten ihrer Foren, schon bereit den Rechner herunterzufahren. >Eine neue Nachricht< flammt auf.
 

>Hallo,

>ich weiß, du wirst das wohl erst später lesen, aber dennoch musste ich gerade an dich denken. >und ich wollte, dass du weißt, wie viel mir unsere Bekanntschaft bedeutet. Ich habe schon lange >nicht mehr so frei mit einem Menschen reden- oder wohl eher schreiben- können. Du hast mir

>Hoffnung gegeben, dass es noch vernünftige Menschen gibt.

>lg
 

Ein Flackern huscht durch ihre Augen, um wieder zu verlöschen, als wäre es nie dagewesen. Nur eine Reflexion der Lichter, ein Aufflackern einer verlöschenden Kerze. "Ich würde so gerne daran glauben...aber dazu müsste ich vertrauen...." Sie tippt eine Antwort und fährt den Computer runter. Zieht die Vorhänge zu und schlüft unter ihre Decke.
 

Niemand mag dich kleines Kind

Weil Kinder wie du abscheulich sind

So jemand wie dich sollte es nicht geben

Warum bist du trotzdem noch am Leben?
 

Mit diesen Zeilen auf den Lippen und Tränen in den Augenwinkeln wartet sie auf die erlösende Taubheit des Schlafes. Der Spiegel liegt achtlos auf der Fensterbank. Und draußen beginnt es zu regnen.

___________________________________________________

Für alle, die Nachts keine Ruhe finden.



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