Mit einem Becher heißen Kaffees sitze ich in einem der Aufenthalsräume in der Halle, in der wir unser erstes Konzert vor europäischem Publikum geben sollen. Draußen ertönen Stimmen und Schritte, doch nach wenigen Augenblicken werden sie schon wieder leiser und ich lasse den Kopf erschöpft auf die hölzerne Tischplatte sinken.
Die letzte Nacht habe ich kaum geschlafen, aber trotz der Müdigkeit freue ich mich jetzt darauf gleich auf diese vergleichsweise kleine Bühne zu treten, das Mikro in die Hand zu nehmen und den Leuten da draußen das beste Konzert zu geben, das sie jemals in ihrem – meist doch noch recht kurzem – Leben erlebt haben. Für mich wird es der Abschluss eines Kapitels in meinem Leben sein, dass ich zwar bereue überhaupt eröffnet zu haben, aber das wohl jeder irgendwann einmal durchmacht. Den ganzen Tag über habe ich mich die meiste Zeit an Shinya gehalten, saß beim Essen neben ihm, im Auto und in Pausen habe ich mit ihm gesprochen. Seine übliche Ruhe hat auch mich beruhigt, während ich immer wieder versucht habe, deine Blicke auf mir zu ignorieren. Diese Blicke machten mir beinahe schon ein schlechtes Gewissen, sie waren so voller Trauer und noch etwas anderem, dass ich nicht ganz benennen kann. Aber wie heißt es noch so schön? Die Zeit heilt alle Wunden.
Oder nicht?
Als sich plötzlich etwas eisig kaltes in meinen Nacken legt, setze ich mich erschrocken auf. Ich war so in Gedanken verloren, dass ich nicht bemerkt habe, wie du hereinkamst. Ich weiß, dass du es bist, ohne mich umdrehen zu müssen. Es kannst nur du sein. Aber dieses Wissen bereitet mir alles andere als ein angenehmes Gefühl, vielmehr bekomme ich Gänsehaut und kalte Schauer laufen mir über den Rücken. Wieso kann ich mich plötzlich nicht mehr herumdrehen? Wieso kann ich dich nicht ansehen? Wieso sagst du nichts?
“Die?”, frage ich leise. Meine Stimme zittert. Ein leises Klacken ertönt, das mich an das Geräusch einer entsicherten Waffe erinnert. Sicher geht meine Fantasie nur wieder mit mir durch. Wüsstest du von meinen Gedanken, würdest du mich auslachen.
“Warum kannst du mich nicht lieben, Tooru?” Du stellst weniger eine Frage, als dass du deiner Verzweiflung Ausdruck zu verleihen versuchst. Müssen wir dieses Gespräch schon wieder führen? Kannst du es nicht einfach akzeptieren? Reicht es dir nach gestern Abend nicht endlich?
Der Gegenstand in meinem Nacken drückt sich jetzt stärker gegen die Haut, dass es schon beinahe wehtut. Du machst mir Angst, ich wage es nicht mich zu bewegen, mich umzudrehen um mir selbst zu versichern, dass es wirklich nur meine Fantasie ist und keine reale Waffe. Wir komme ich überhaupt auf so einen Gedanken?
“Ich hätte alles für dich getan.” Deine Stimme ist kalt, so überhaupt nicht wie sonst. Keine Spur von deiner üblichen Fröhlichkeit. Doch ein Wort macht mich noch unruhiger.
“Hätte?”, hake ich mit mulmigem Gefühl nach.
“Es ist zu spät...” sagst du mit immer leiser werdender Stimme, als wärst du mit Gedanken weit fort. “Das Leben hat ohne Liebe keinen Sinn, Tooru. Wofür lebst du, wenn du nicht lieben kannst? Dein Leben ist sinnlos ohne Liebe und mein Leben ist sinnlos ohne dich... vielleicht können wir in einer anderen Welt miteinander glücklich werden...” Du sprichst so leise, dass ich dich kaum verstehe, doch bei deinen letzten Worten scheint der Bann gebrochen, der mich an meinem Platz hielt und wie von der Tarantel gestochen springe ich auf, so schnell, dass der Stuhl auf dem ich saß, nach hinten kippt.
Meine Fantasie ist nicht mit mir durchgegangen.
Du zielst mit einer Waffe auf mein Herz, den Finger am Abzug. Dein Blick ist in die Ferne gerichtet, als wärst du in deiner eigenen Welt versunken und würdest nicht mehr realisieren was hier passiert.
Dein Finger bewegt sich, unaufhaltsam, immer weiter. Meine Gedanken schwirren wieder umher, können sich nicht einigen, ob dies hier nur einer deiner dummen Scherze ist oder ob ich ganz einfach träume. Es wäre ein schlechter Scherz und der schlimmste Albtraum, den ich jemals hatte. Mein Blick bleibt an deinem Finger haften, mein Verstand schreit danach zu fliehen und gleichzeitig weiß ich längst, dass mein Leben gänzlich in deiner Hand liegt.
Aber wann hat es das nicht? Ich habe dir mein Leben freiwillig anvertraut. Schon vor langem, auch wenn ich es damals vielleicht nicht gewusst habe.
Ein lauter Knall ertönt.
Die Welt versinkt in Rot.
Ich mochte rot schon immer. Rot ist die Farbe des Blutes, und Blut bedeutet Leben. Doch in diesem Fall verrinnt das Leben. Es ist mein Leben.
Bevor sich das Rot in schwarz verwandelt, höre ich wie von weit entfernt einen weiteren Knall, diesmal leiser, aber nicht weniger durchdringend.
Werden wir uns in dieser anderen Welt, von der du gesprochen hast wieder sehen?
Werden wir dort zusammen sein können?
Werden wir beide in der Hölle enden und auf ewig im Fegefeuer brennen?
Ich bin schon gespannt auf die Antwort. Aber zuerst werde ich schlafen. Für immer?
Love that lives in the heart
cannot so easily be terminated by time
Even though its encounter is brief
Its impression shall last a lifetime
Noone can change the direction of
love that lives in the heart
If you have loved
That in itself is the answer
OWARI
...oder ein neuer Anfang?
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Vielen Dank an alle, die die FF gelesen haben und vor allem an alle Kommi-schreiber ^^ es gibt noch eine Fortsetzung zu dieser FF, die bereits auf fanfiktion.de läuft. Wann ich sie hier hochladen werde, weiß ich noch nicht, aber wer trotzdem lesen will, kann ja auf besagter seite vorbeischauen.
Hoffe, der SChluss hat euch nicht zu sehr geschockt oder so (*muahaha*) aber da es ja eben ne Fortsetzung gibt, ist wohl zu erraten, dass nicht alles so ist, wie es am Ende hier scheint... *unschuldig summ*
*winkz* bis zum nächsten mal ^.~