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Schicksalswerkzeug

Traum über die von Yoshiki zerbrochene Nadel des Schicksals
von

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Schicksalswerkzeug
 

Dunkle schattige Kühle umgab sie, verbarg sie vor dem Tageslicht in welches sie jegliches Vertrauen verloren hatte, weil es sie weder schütze, noch verbarg. Das Wissen, dass außerhalb des schmalen Hauseinganges, in den sie sich ängstlich schmiegte, heller Sonnenschein die verlassenen Straßen beschien, bestärkte sie keinesfalls in ihrem Vorhaben.

Sofern man es überhaupt Vorhaben nennen konnte, dachte das junge Mädchen mit einem grimmigen Lächeln, während sie kalt und rau die unebene Struktur der Steinwand an ihren Fingerspitzen fühlte. Nichts von all dem hatte sie sich vorgenommen, vielmehr war sie kopfüber in die Ereignisse gestürzt, aus denen sie sich nun nicht mehr befreien konnte, als wäre sie sowohl physisch als auch psychisch in einer klebrigen Substanz gefangen. Und diese griff immer wieder mit ihren zähflüssigen Fingern nach ihr, kroch an ihr hoch und jagte der Schülerin eiskalte Nadeln des Entsetzens in das Rückenmark, trieb sie hinauf, hinauf bis in ihren Kopf, wo sie die Bilder erneut zum Leben erweckten. Bilder von mit Blut gesättigter Erde, hungriger alter Erde, welche gierig den roten Lebensquell aufgesaugt hatte.

Fest presste sie die Augenlider aufeinander, rieb sich über die gequält gerunzelte Stirn als könne sie die Erinnerungen -(Erinnerungen? Imaginationen? War es überhaupt real gewesen?)- damit ein für allemal abschütteln. Sie musste in die Wohnung, das war das einzige was zählte. Dort oben gab es eine vielleicht ungerechtfertigte Hoffnung auf Schutz, auf die Sicherheit, die sie seit jenem Morgen so sehr vermisste. Jener Morgen, als unter den träge im Wind hin und herpendelnden Ästen der Trauerweide, die tief in der satten dunklen Erde wurzelte, die Leichen ihrer Mitschüler gelegen hatten. Als die Flucht begonnen hatte, das anhaltende, ewige Wegrennen, verstecken, sich nicht aufstöbern lassen, auf deren Ende sie nun hoffte.

Du hoffst vergeblich, vergeblich, vergeblich… hallte eine leise Stimme in ihr, niemand wird dir helfen, weil du ES gespürt hast, niemand kann dir helfen, weil ES dafür sorgt, dass die Menschen nur mit leeren Augenhöhlen sehen, niemand hört das Schreien, taube Ohren, ES sorgt für Ohren die nichts hören, für taube Körper, ES baut Mauern, errichtet aus Menschen die nichts tun.

Visionenhaft stieg die Gestalt ihres Englischlehrers vor ihr auf, sein regloses Gesicht mit einem Blick der durch sie hindurchging, als sei sie lediglich eine durchsichtige Plastikfolie.

Es war nicht real, das ist nie passiert! Du hast nichts uraltes Böses gespürt, nichts davon war wirklich, lediglich die Eindrücke eines überspannten, vollkommen überlasteten Hirns, flüsterte es aus einem anderen Winkel ihres Verstandes, während sie sich den Flur entlang tastete, das Geländer als Führung benutzend, das sie unausweichlich in die Fänge des Schicksals treiben würde.

Erst im weiträumigen obersten Geschoß viel wieder Licht auf ihre an der Wand entlang huschende Gestalt, die jedoch mit einem mal stocksteif stehen blieb, als sie sah, dass ihre eigene Hand rot von Blut war, einem dunkelrot, das sich langsam an den Stellen, an denen es schon getrocknet war, in ein dunkles Rotbraun veränderte. Fest biss sie sich auf die zitternden Lippen, ersticke den eigenen Schrei tief in sich, denn nicht nur ihre Finger, ihre Hand, ihr Arm, sondern ihre gesamte Schuluniform schien vollkommen von Blut getränkt zu sein. Davon getränkt gewesen zu sein, wie die sich allein im Hausflur befindende Schülerin feststellte, als sie die trockenen, aber versteiften Stellen auf ihrer Kleidung befühlte und diese dann an ihre Nase hob. Tast und Geruchsinn kämpften gegen die kühle Stimme des Verstandes, irreales Empfinden gegen geistige Gesundheit, bis ein unfassbarer Abgrund, in dem es mehr gab als das rational Erklärbare, sich mit einem mal erneut vor ihr auftat.

Sie hatte sie in den Armen gehalten. Die Freundin, die ihr so wertvoll war, die sie mit ins Verderben gerissen hatte. Deren Blut nun an ihr klebte, ständiges Mahnmal gegen das Vergessen. Die Schuld der nun am Rande des Wahnsinns stehenden Schülerin wog schwer, denn sie war es gewesen, die die Fäden des Schicksals um die andere herum gewebt hatte, das konnte sie mit einem mal so klar sehen, als hätten sich aufgewirbelte Sedimentteilchen in einem trüben Teich nun gelegt und ließen sie bis auf den Grund sehen. Bis auf den Grund ihres Herzens, das erst jetzt das Entsetzten, die abgrundtiefe Angst vollkommen spüren konnte.

Tränenblind stolperte sie in die Wohnung hinein, betete einerseits darum, sie möge alleine sein um sich in dem alles verzehrenden Schmerz, der ihr Gewissen erfüllte, vergraben zu können und erflehte andererseits aus voller Seele die Hilfe, die sie sosehr brauchte.

Nur am Rande ihres Bewusstseins realisierte sie die Arme, die sie auffingen, sah das freundliche, besorgte von langen braunblonden Haaren umrahmte Gesicht, welches sich in ihr Blickfeld schob.

Wer war dieser Mann…? Kannte sie ihn, oder war er wieder nur eine Vision, eine Erinnerung die sie nicht einordnen konnte?

„Hilf mir, bitte hilf mir!“, bat sie, nicht wissend, welche Kräfte sie ausgerechnet in seine Wohnung gedrängt hatten. Sie an Fäden zu ihm hingezogen und ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert hatten, als sei sie lediglich seine Marionette in dem unabwägbaren Spiel das sich Leben nannte. Das Einzige was sie wusste war, das er ihre letzte Hoffnung auf der Flucht vor dem namenlosen Grauen war, welches von ihr Besitz zu ergreifen drohte. Ihre einzige Hoffnung… die sich in schreckliches Erkennen auflöste, als der junge Mann sich erneut zu ihr umdrehte.

Ein Fehler! Oh, trügerische Hoffnung, du hieltest die Verzweifelten immerfort zum Narren, schrie die Stimme in ihr, denn sein Gesicht wies nicht länger die hübschen Züge des bekannten Musikers auf. Stattdessen blickte er sie mit den Augen der Toten an, lächelte mit Lippen, die rotes Blut der Unschuld gekostet hatten. Rote Lippen, die von einem Weltverachtenden höhnischen Zug des ewig überlegenen Siegers geziert wurden.

„Flink vernäht die Nadel die Schicksalsfäden, fügt die Werkzeuge des Unentrinnbaren an die Opfer des Irrealen, damit die Meister der Nacht an das Leben gebunden bleiben“, stellte der Mann mit einem beinahe nachsichtigen Lächeln fest, als er mit einer langsamen, raubtierartigen Bedrohlichkeit auf sie zukam.

Panisch blickte das Mädchen sich um, es war eine Falle, ES hatte sie hierher gelockt! All das war von vorneherein geplant gewesen, Schicksal, Vorsehung, Notwendigkeit?! Nur ein Fluchtweg blieb ihr. Eher zerbrach sie die Nadel, als sich derartig benutzen zu lassen! Noch während sie mit wild rasendem Herzen diesen Gedanken in sich aufsteigen spürte, nahm sie die offene Glastür, an der sie förmlich vorbei flog, nur als glitzernden verschwommen Schemen war, spürte das Hindernis des Balkongitters nur als kalte Endgültigkeit unter ihren Händen.

Das letzte was sie auf ihrer Flucht hörte, war wie das Schreien der Menschen, die ihren herabstürzenden Körper sahen, sich mit dem stetigen Verkehrslärm der Großstadt in der sie gelebt hatte, vermischte.

„Also hat eines deiner Schicksalswerkzeuge den Kreis durchbrochen, Yoshiki“, flüsterte eine leise Stimme, die alt wie die dunkle hungrige Erde und rau wie das Rascheln von Wind in den Zweigen einer Trauerweide war. Eine Stimme die allein für die staubige Ewigkeit des Wahnsinns geschaffen schien und die dem Musiker als letzte Worte mit auf den Weg gaben:

„Die Frucht deiner Entscheidung wartet in der Leichenhalle auf dich.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Croft_Manor
2007-07-08T18:50:48+00:00 08.07.2007 20:50
Nyaaaa das habe ich ja schon gelesen
*kicher*
Und auch bewertet
und durch diese glorreich coole FF hatte ich ja letztendlich auch die rettende idee für meine FF ^^
gefällt mir gut. ich fidne diese dunklen "Charaktere" auch sehr gut zu Yoshiki passend, so wie green schon gesagt hat. Aber ich fidne er passt in ziemlich viel gut rein XD
Na ja auf eden fall gefällt mir das super.
Von:  RedSky
2007-07-05T09:40:19+00:00 05.07.2007 11:40
Wow......... o___o
Das ist ganz schön gut geschrieben.... o,o;;;
Die Wortwahl, die lyrischen Formulierungen sind echt sehr schön gelungen. Man merkt, wie gut du mit Worten umgehen kannst.
Die Atmosphäre ist sehr dicht geworden und obwohl die Geschichte ja irgendwie mittendrin angefangen hatte, konnte ich mich gut in die Atmosphäre einfinden.
Mir ist dabei auch aufgefallen, wie gut Yoshiki für solche Charakterrollen doch zu "verwenden" ist (das klingt jetzt etwas blöde formuliert, aber ich weiß gerade nicht wie ich es anders sagen könnte x///x). Er passt einfach in solche Atmosphären wie die Faust auf´Auge.
Auf alle Fälle ein guter Text.


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