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If I was a river

von

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Veränderungen

Nachdenklich saß Yohji an seinem Tisch in dem Café, seine Gedanken waren immer noch bei der mehr als seltsamen Mission von vor zwei Tagen.
 

Sie. Weiß.

Zusammen mit Schwarz.
 

Und nicht nur das. Es war gekommen, was er vom ersten Moment an gefürchtet hatte – sie sollten zusammenziehen und das schon in zwei Tagen. Stirnrunzelnd hob er seine Tasse wieder zum Mund, nippte an dem erfrischend starken Kaffee.
 

Er hatte herausgefunden, dass die Schwarz-Killer – so weit anwesend, auch nur Menschen waren. Dafür hatte er keine zwei Minuten gebraucht.
 

Nagi und Omi würden sicher relativ schnell Freunde werden und gute obendrein. Der neue Jüngste des Teams, der auch noch Omi den Rang abgelaufen hatte – sehr zu dessen Erleichterung - hatte wohl bereits Schlimmes durchgemacht, anders ließ sich dessen nach außen getragene Kälte und seine Menschenscheu kaum erklären. Der Junge war Aya erschreckend ähnlich, um es auf den Punkt zu bringen. Und doch bekam er menschliche Anflüge, wenn er mit Ken zusammen war.
 

Der Fußballer war mit den beiden Chibis unterwegs, etwas Fußball spielen, da er beschlossen hatte, dass Nagi definitiv zu viel herumhockte und Omi schleppte der Brünette ja von Haus aus schon immer mit.
 

Der Zusammenzug würde lustig werden...

Weiß in der Villa von Schwarz.
 

Oh, es hatte wirklich seine Vorzüge. Schwarz hatten keinen nervtötenden Blumenladen, der mit dem Schulgong von Minderjährigen, an denen er kein Interesse aufbringen konnte, überrannt wurde, sondern arbeitete als Detektei.
 

Die Räume, die sie bekommen würden, waren geräumiger und heller. Die Bäder besser ausgestattet. Alles vom Feinsten eben.
 

Und doch – da war immer noch das Problem mit dem ahnungslosen Aya. Nicht zum ersten Mal in den letzten Tagen glitt Yohjis Blick zu dem Handy, dass er aus Gewohnheit vor sich auf den Tisch gelegt hatte. Er war mehr, als einmal kurz davor gewesen, den Rotschopf zu warnen.
 

Nicht aus Freundschaft, sondern aus Gründen der Fairness. Was tat es denn schon, wenn er es wusste? Aya würde nur eher an die Decke gehen, dass man ihm nichts gesagt hatte, als wenn er es nachher wissen würde. Es wäre gesünder für alle Beteiligten. Wenn der stille, menschenverachtende Rotschopf etwas hasste, waren es schließlich Überraschungen...
 

„Denk nicht einmal dran, Kudoh."
 

Verwirrt sah Yohji auf – direkt in das Gesicht von Bradley Crawford, der ihn kurz über den Rand seiner Brille – von der er sich nicht sicher war, ob der Ami sie wirklich brauchte, oder sie nur trug, um etwas zu spielen zu haben – musterte und sich dann auf den freien Stuhl setzte, die Kellnerin herwinkte und einen weiteren Kaffe bestellte.
 

„Was soll ich lassen?"
 

„Das, was du gerade vorhattest."
 

„Und was hatte ich vor?"
 

„Deinen Anführer anrufen."
 

„Was geht dich das an?"
 

„Dass es ein sehr unpassender Zeitpunkt wäre."
 

„Und woher weißt du das?"
 

Brad lachte leise: „Kudoh, du hast ein erstaunlich kurzes Gedächtnis: Ich sehe die Zukunft, wenn du es vergessen haben solltest."
 

„Und was sollte ein Anruf schon auslösen?"
 

„Im Moment – einen Autounfall mit Todesfolge. Bitte."
 

Das Handy wurde näher zu ihm geschoben.
 

Yohji rührte es nicht an, starrte auf den Ami, von dem er wusste, dass er in dem Moment die Wahrheit sprach: „Warum so besorgt um Ayas Gesundheit?"
 

„An ihm hängt zu viel."
 

„Und was?"
 

„Ihr."
 

„Wir?"
 

Crawford nickte langsam: „Ihr. Weiß. Ihr braucht ihn. Als Anführer und als Freund."
 

„Weil Aya ja auch so was wie Freundschaft zulässt", spöttelte Yohji weiter.
 

„Er wird es zulassen."
 

„Das hat der Herr auch gesehen?"
 

„Er hat es doch schon fast getan."
 

„Jetzt sicher nicht mehr!"
 

„Abwarten."
 

„Was weißt du?", fragte Yohji auf einmal lauernd. „Du weißt was! Du weißt etwas, das du uns verschweigst!"
 

„Ja."
 

„Was?"
 

„Das verschweige ich, wie du so sinnkorrekt festgestellt hast."
 

„Warum?"
 

„Weil es für euch nicht an der Zeit ist, es zu erfahren."
 

„Und wer sagt das?"
 

„Die Zukunft, Kudoh."
 

Grummelnd schwieg Yohji, als die Kellnerin Crawfords Kaffee brachte, nippte an seiner eigenen Tasse, bis ihm eine Idee kam: „Du weißt, wer ihn so verletzt hat."
 

Brad musste nicht lange überlegen, um zu wissen, wovon der Playboy sprach. Denn entgegen seiner Sprüche sah Yohji Ran als Freund, den er nicht verlieren wollte und um den er sich – zurecht – tierische Sorgen machte. „Ja."
 

„Wer?"
 

„Er."
 

„Wie bitte??"
 

„Er. Er und seine Vergangenheit."
 

„Aya würde sich nie, niemals selbst verletzen!"
 

„Körperlich sicher nicht", gab Brad ruhig zu, beobachtete den anderen Mann eine Weile: „Aber es gibt mehr als einen Weg, sich selbst zu schaden. Mehr kann ich dir auch nicht sagen. Nur soviel: Du solltest ihn wirklich erst einmal nicht anrufen. Nicht in der nächsten Woche. Euer Anführer braucht etwas Zeit, um einige private Dinge zu regeln."
 

„Private... was?"
 

„Oh, auch er hat ein Privatleben und Geheimnisse, Kudoh. Und eines davon macht ihm gerade ziemlich zu schaffen."
 

„Was wird passieren, wenn er zurückkommt und feststellt, dass... wie die Dinge sich verändert haben?"
 

Brad lächelte amüsiert: „Das werdet ihr sehen."
 

„Sehr hilfreich. Ich wollte eigentlich eher wissen, wen er aufgrund dieser Nachricht umbringen wird."
 

„Niemanden, wenn dich das beruhigt."
 

„Ach?"
 

‚Ganz im Gegenteil', dachte Brad nur amüsiert. Es würden die Anderen sein, die dumm dreinsehen würden – und er würde es wortlos genießen.
 

„Gut, andere Frage", wechselte Yohji abrupt das Thema, bevor er beginnen konnte, sich über den neunmalklugen Schlauberger vor sich aufzuregen: „Kann es sein, dass dein Mündel irgendwie was von unserem Fußballer will?"
 

Der Amerikaner zog die Stirn kraus. Oh ja, das gehörte zu den Sachen, bei denen er sich selbst noch nicht so sicher war, was er denken sollte. „Ja. Und umgekehrt. Nicht erst seit kurzem."
 

„Und... du hast es nicht unterbunden??"
 

„Warum sollte ich?", konterte Brad. „Damit würde ich nur zwei Leute unglücklich machen. Und Nagi neigt dazu, sehr dumme Dinge zu tun, wenn er unglücklich ist."
 


 

Noch nie in seinem Leben hatte Ran sich so erbärmlich gefühlt. Allein das Wissen darum, wer in seinem Nebenzimmer schlief, nagte jede Sekunde an ihm. Er wusste, ohne das Make-up, das sich aus einem ihm nicht so ganz erfindlichen Grund in seinem Koffer befunden hatte, hätte ihn irgendeiner dieser übereifrigen Angestellten hier zum Arzt geschickt.
 

Unter der extrem hellen Tönungscreme war er noch bleicher, als ohnehin schon und außerdem hatte er, zum ersten Mal, seit er denken konnte, dunkelblaue Augenringe. Da half weder Kaffee, noch seine vorwiegend kalten, morgendlichen Duschen.
 

Schlaf hatte sich auch nicht eingestellt. Er lag immer nur im Bett und starrte gegen die Decke, während seine Gedanken sich überschlugen, er in das Nebenzimmer lauschte, darauf warte, von dort verräterische Geräusche zu hören.
 

Zwar ging er Schuldig großräumig aus dem Weg, während er verzweifelt versuchte, seinen Job zu machen, doch es ließ sich leider nicht vermeiden, dass er manchmal einen Blick auf den Deutschen erhaschte, der die meiste Zeit damit zubrachte, am Pool oder an der Bar zu hocken – in Gesellschaft irgendwelcher Weiber meist. Der eindeutigste Beweis dafür, dass Schuldig sich umorientiert hatte – und es versetzte ihm jedes Mal wieder einen schmerzlichen Stich, als habe man ihm ein Messer, ein stumpfes Messer obendrein, in den Bauch gejagt.
 

Außerdem hatte seine rechte Hand angefangen, immer öfter nervös zu zucken.
 

Dazu kam noch ein ganz neues Problem – er konnte nicht mehr wirklich essen. Er ernährte sich momentan von Wasser und trockenen Butterkeksen, die er in einen kleinen Supermarkt um die Ecke gekauft hatte, oder von etwas frischem Obst vom Buffet. Aber sobald er nur daran dachte, etwas anderes, etwas Richtiges zu essen, rebellierte sein Magen. So, wie die ersten Tage nach dem Tod seiner Eltern.
 

Wie lange würde das noch dauern? Wie lange würde er noch so vor sich hinvegetieren? Er hatte noch nie so große Probleme gehabt, sich zu konzentrieren und mehr als einmal hatte er sich dabei erwischt, wie er fast an die Tür des Deutschen geklopft hätte!
 

Gott, was würde er nur darum geben...
 

In dem Moment kam einer der Bediensteten auf ihn zu: „Ihr Taxi wartet draußen Mr. Fujimia. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend."
 

Müde nickend erhob Ran sich, ergriff den Mantel, den er trotz der Hitze auf diesem Kontinent dabei hatte. Ihm war kalt. Bitterkalt. Rasch schlüpfte er hinein, stellte fest, dass auch das ihm nicht wirklich half, lief hinaus, stieg in den Rückraum des Taxis und gab dem Fahrer, den er kaum beachtete, die Adresse des Restaurants, in das Schuldig ihn bestellt hatte.
 

Er kam sich schrecklich vor. Im Grunde hatte versagt. Er hatte gerade mal herausgefunden, wohin Everett weiter geflogen war. Nicht warum und nicht das genaue Hotel oder Haus. Eine erbärmliche Leistung für ihn, was Schuldig sicher auch feststellen würde, womit er ihn aufziehen würde nach Strich und Faden.
 

„Sir? Wir wären da."
 

Wortlos drückte Ran dem Mann viel zu viel Geld für die kurze Strecke in die Hand, stieg aus dem Wagen und trat mit unbehaglichem Blick in das Restaurant. Gut, dass er sich noch umgezogen hatte. Es war wieder einer von Schuldigs grauenvollen Edelschuppen.
 

An der Garderobe nahm man ihm seinen Mantel ab. Darunter trug er ein weißes Hemd. Der Deutsche hatte immer gesagt, das würde ihn bleich machen, wie Schwarz – umso besser. Dann fiel vielleicht nicht auf, wie bleich er wirklich war.
 

Ran sah Schuldig sofort. Der Telepath stach immer aus einer Menschenmenge hervor. Der Mann saß da, mit seinem üblichen, penetrant nervenden Grinsen auf dem Gesicht, die Beine überschlagen, irgend einen alkoholischen Drink in der Hand. Er trat auf den Tisch zu, ließ sich auf den einzig weiteren Stuhl fallen.
 

Eine Kellnerin eilte auf ihn zu, gab ihm eine Karte, fragte nach seinen Wünschen. Er konnte sehen, wie Schuldig kurz die Stirn runzelte, als er sich nur ein Wasser bestellte. Ihm wurde schon anders genug von dem alkoholischen Mief, der ihm aus dem anderen Glas entgegen kam.
 

Die Frau brachte ein Glas mit Wasser, zog sich dann zurück.
 

„Was weißt du?", fragte Ran schließlich in seiner besten Missionsstimme. Er wollte das hier schnell hinter sich bringen.
 

„Die Frage ist doch – was weißt du?", konterte Schuldig nur.
 

„Schweiz."
 

„Stimmt soweit."
 

„Edelschuppen in den Bergen."
 

„Sankt Maurizius, um präzise zu sein."
 

Aha! Das war das, was Ran sich erhofft hatte! Er griff nach seinem Handy..
 

„Spar es dir. Zwei Flüge erster Klasse, morgen Früh um neun."
 

Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte Ran den Älteren, schwieg aber dann, auch weil die Kellnerin erneut erschien.
 

„Haben Sie sich entschieden? Was darf ich Ihnen bringen, meine Herrn?"
 

„Für mich bitte Ihr Tagesgericht", lächelte Schuldig die Kellnerin an. Er wusste, wie

beschissen dieser Job war, weswegen er zu diesen Leuten immer höflich war. „Oh, und noch... hä?"
 

In dem Moment konnte Ran einfach nicht mehr. Er hatte nur an seinem Wasser genippt, doch als er sah, wie Schuldig mit dieser Frau flirtete, bewusst vor seinen Augen, um ihn noch mehr zu verletzen, wurde ihm wieder schlecht. Er wusste ja inzwischen, dass er nur ein Spielzeug für den Deutschen gewesen war, entgegen all seiner irrigen, fadenscheinigen Hoffnungen, aber das war einfach zu viel für ihn.
 

Wortlos, er hätte doch nur geschrieen, stellte er sein Glas ab, legte einen Schein auf den Tisch und verschwand.
 

Schuldigs erster Reflex war es, hinter dem Rotschopf herzurennen, doch dann zwang er sich, sitzen zu bleiben. Nippte ein weiteres Mal an dem Drink und lächelte die Kellnerin ein weiteres Mal an. „Ja, und bitte noch so einen Drink."
 

Gut, was war das wieder gewesen? Warum war Ran nun einfach abgehauen? Der Jüngere hatte ihn einfach hier sitzen lassen! Nur aus Spaß an der Freude oder wie??
 

Und wie der wieder rumgerannt war! In einem weißen Hemd, in dem er ausgesehen hatte, wie eine Leiche und mit einer Hose, die ausgesehen hätte, als würde sie ihm jeden Moment von den Hüften rutschen, nur mehr oder weniger vom gutem Willen gehalten wurde! Na ja, ihm konnte es egal sein. Sie waren, betreffend Everett, wohl zum selben Ergebnis gekommen. Nun konnte er sich auch einen netten Abend machen!
 

Von der Spaßbremse würde er sich nicht die Stimmung versauen lassen! Er kam sich so blöd vor, dass er sich auf dieses Treffen gefreut hatte! Tsche!
 


 

Vollkommen erschöpft sackte Ran auf seinem Bett zusammen. Im Grunde war es ihm immer noch ein Rätsel, wie er es geschafft hatte, sich bis hierher zu schleppen. Er fühlte sich erschlagen, als habe man ihm KO-Tropfen oder ähnliche Nettigkeiten verabreicht, wusste aber nur zu gut, warum es ihm so ging.
 

Wann hatte er das letzte Mal etwas gegessen? Richtig gegessen? Nicht nur einen Keks oder ein Stück Obst heruntergewürgt? Irgendwann in Japan, am Tag seines Abfluges, flüsterte ihm sein Verstand ein.
 

Und dann noch dieser Gewaltmarsch quer durch Melbourne, statt direkt wieder ins Hotel zu fahren und wenigstens zu versuchen zu schlafen! Seinen Körper soweit auszuruhen, dass er auch die nächsten Tage würde überstehen können!
 

Nebenan ging die Tür. Sicher zog Schuldig sich um, um anschließend noch einen schönen Abend zu verbringen. Angebote hatte er ja wieder mal zur Genüge bekommen. Hatte eigentlich EINE Frau in diesem Hotel ihm nicht ihre Nummer zugesteckt?
 

Na egal... was für eine Rolle spielte es schon?
 

Reglos, fast schon apathisch, lag Ran inzwischen auf dem Bett. Er hatte doch gewusst, dass er diese Nähe nicht würde ertragen können, dass sie ihn langsam aber sicher zerstören würde. Er hatte diesen Auftrag angenommen, um Abstand zu gewinnen, stattdessen war er auf einmal gezwungen, ausgerechnet mit Schuldig zusammen zu arbeiten!
 

Wie lange sollte das noch so weiter gehen?

Wie lange würde er das noch aushalten, bevor er beschloss, dass es auch andere Lösungen für ihn gab?
 

Verzweifelt drückte er seinen Kopf tiefer in das Kissen, versuchte vergeblich, sein Schluchzen zu unterdrücken. Er benahm sich wie ein gottverdammtes Kind! Himmelherrgott noch mal, er war doch erwachsen! Erwachsene wurden eben von anderen verlassen! Ein Mann hatte bei einem anderen Mann nun einmal keine Chance gegen eine Frau!
 

Wann würde er das endlich in sein verfluchtes Hirn reinpressen können!
 

Und seine ungerechtfertigte Eifersucht! Es hätte beim Abendessen nicht viel gefehlt und er hätte dem Älteren eine astreine Szene hingelegt!
 

Stattdessen war er zum Glück nur wortlos aufgestanden und gegangen... mal wieder ohne zu essen...
 

Schuldig hatte sich nun einmal entschieden – gegen ihn. Es war geschehen und es gab kein Zurück mehr! Damit musste er eben leben! War er nicht alt genug, um damit klar zu kommen? Ihm war schon so Viel und so viel Schlimmeres geschehen, bis hin zu dem Punkt, an dem er zu einem Killer, einem gemeinen Mörder geworden war. Warum also zog ihn das so schrecklich runter?
 

Warum? Warum hatte er damals nur nachgegeben? Seine Maske fallen lassen! All diese Probleme, die er nun hatte, verdankte er ausschließlich sich selbst! Hätte er seine Maske gehalten, die ihn immer vor der Außenwelt beschützt hatte, es wäre nie so weit gekommen. Er hätte sein einfaches Leben weiter leben können, ohne selbst daran zu zerbrechen!
 

°~°~°~°Flashback°~°~°~°
 

Fast schon nachlässig schlug Ran das Blut von seiner Klinge, die im Mondlicht wieder einmal eigenartig schimmerte. Nichts mehr, was ihn weiter erschrecken konnte, wie es das zu Beginn seiner ‚Karriere' bei Weiß getan hatte. Er hatte gelernt, seine Gefühle vollständig zu beherrschen. Er hatte nun einmal keine Wahl.
 

Wenigstens war er nicht schon wieder mit Schwarz zusammengestoßen. Dieser Auftrag war auch so kniffelig genug gewesen.
 

Nur die Zielperson aus dem riesigen Pulk zu separieren war so eine Sache gewesen...
 

Trotzdem – auf eine abartige Weise tat es ihm fast leid, dass nicht einmal Schuldig aufgetaucht war.
 

Nein!
 

Was dachte er da nur! Der Deutsche war genauso sein Feind, wie alle anderen von Schwarz! Wenn nicht sogar noch schlimmer, als die meisten! Was dachte er sich da nur schon wieder! Ließ er sich nun schon von dessen arroganten Kommentaren beeinflussen oder wie!
 

Wütend auf sich selbst ließ er das Katana mit einem für seine Verhältnisse sehr lauten Geräusch in die Scheide gleiten. Er musste sich beherrschen, wenn er diesen Job überleben wollte!
 

Hatte er aus seiner ersten Zeit denn gar nix gelernt! Ließ er Gefühle zu, würde dieser Job ihn auffressen! Außerdem – was dürfte er sich wohl erst von seinen Kollegen oder gar von Ich-hab-immer-eine-Frau-um-mich-Schuldig anhören, wenn er dazu stehen würde, dass er schwul war! Damit hätte er sich erfolgreich das letzte bisschen Respekt verspielt, was dieser vielleicht noch irgendwo für ihn hatte!
 

„Also, ich weiß ja nicht, wie du das siehst Kitten, aber du solltest schleunigst einen Abgang machen", erklang in dem Moment eine nur zu vertraute Stimme.
 

Auf dem Absatz fuhr Ran herum, sah an der Hausecke den Deutschen stehen. Die Hände in den Taschen des schneeweißen Gehrocks vergraben, das übliche Grinsen im Gesicht.
 

„Ich mein ja nur mal so, die Bullen werden es bald merken, dass ich sie in die Sackgasse gejagt hab..."
 

„Was tust du hier?", knurrte Ran wütend.
 

„Weiß nicht", gab der Deutsche schulterzuckend zurück. „Meinen Arsch riskieren, weil mir langweilig ist, nehme ich mal an. Und jetzt komm."
 

Irritiert stürmte Ran hinter dem Telepathen hinterher, gerade noch rechtzeitig, denn schon hörte er die quietschenden Bremsen mehrere Fahrzeuge. Na großartig!
 

„Dass ich mich bedank...hgn.:!!"
 

Was...? Warum...? Wieso...?
 

Nein, stellte Ran fest, träumen tat er nicht. Es waren tatsächlich Schuldigs Lippen, die sich über Seine gelegt hatten, die Zunge des Deutschen, die in seinen Mund geglitten war. Sein erster Reflex war es, zuzubeißen, doch das brachte er nicht über sich. Er... warum wehrte er sich nur nicht??? Ganz einfach – weil er es nicht konnte.
 

Es war zu spät. Er hatte seine Maske fallen lassen und Gefühle hatten sich wieder in ihm breit gemacht.
 

Und gerade in dem Moment war ihm so unendlich warm ums Herz. Dieser schreckliche Klumpen, seine ständige Einsamkeit, begann sich plötzlich zu lösen...
 

„Du bist ein süßes Kätzchen. Ein süßes, rotes Kätzchen... mein Kätzchen", meinte Schuldig nur, als er den verwirrten Blick des Weißanführers sah, bevor er den Jüngeren zu einem weiteren Kuss an sich zog....
 

°~°~°~°Flashback Ende°~°~°~°
 

Nie!
 

Stattdessen hatte er sich hinreißen lassen, sich von den Gefühlen, die er sich zu unterdrücken geschworen hatte, von dem Moment an, in dem er sein Katana zum Töten eingesetzt hatte, überspülen zu lassen!

Dummheit hatte es eben nicht besser verdient!!!
 

Es war alles nur seine Schuld...
 

Was war nur aus ihm geworden?! Ihm, der einmal ein so hoffnungsvoller und fröhlicher, wenn auch stiller Mensch gewesen war! Die große Karriere, die man ihm vorausgesagt hatte, all das hatte er verloren – und nun auch noch sein Herz.
 

If

If I was a river

You would be my ocean

Every stream would lead me to your arms

And if

If I was a river

I'd flow to you forever

Love would run forever in this heart of mine

If I, if I

If I was a river
 

Er wusste, er würde nie, nie wieder lieben können...
 

Unter Tränen schlief Ran schließlich aus purer Erschöpfung ein, einem weiteren,

schrecklichen Tag entgegen, in dem er nach außen hin die Stärke zeigen musste, die er schon so lange nicht mehr besaß...

Sie würden weiter fliegen, in die Schweiz. Vielleicht fand alles dort endlich ein Ende...
 


 

„He, Kleiner!"
 

Verwirrt sah Nagi sich um, als dieser penetrante Ruf ein weiteres Mal ertönte und, da er sich allein hier befand, wohl an ihn gerichtet sein musste. Als er aufsah, erblickte er Ken, der lachend mit seinem Fußball im Arm da stand. Oh nein! Hatte der Andere etwa schon wieder vor, ihn mitzuschleppen!? Er hatte noch genug Muskelkater vom letzten Mal!
 

„Was?", fragte er kurz angebunden.
 

„Jetzt hat es sich aber auscomputert! Marsch! An die frische Luft mit dir!"
 

„Aber...!"
 

„Nix da! Die Anderen sind auf Mission, Omi ist als technisches Backup mit dabei und du hast nix anderes zu tun! Los!" Amüsiert beobachtete Ken den Jüngeren, der fast genauso war, wie er es sich während ihrer Zeit als Feinde immer vorgestellt hatte. Ein kleiner Stubenhocker, der wie Aya, Gott und die Welt zu hassen schien. Nun – zumindest aber alles was lebte, den Fehler hatte, auf zwei Beinen zu gehen und sprechen zu können – Papageien ausgenommen.
 

„Aber..!"
 

„Marsch!"
 

Na toll. Das leise Aufstöhnen unterdrückend als er aufstand, lief er los. Er hätte es nicht tun müssen, das war ihm klar. Er hätte den Anderen ganz schnell mit Telekinese aus dem Raum befördern können, aber alles in ihm sperrte sich abstruserweise gegen die Idee, den Anderen ernstlich zu verletzen oder ihm auch nur weh zu tun. Einer der Gründe, warum Crawford ihn wahrscheinlich auch mit Vorliebe gegen Yohji eingesetzt hatte. „Sklaventreiber...!"
 

Ken lachte nur: „Das hilft auch nichts! Für deinen Job bist du erbärmlich unbeweglich! Und das werden wir jetzt ändern!"
 

Nagi verdrehte nur wortlos die Augen. Zum Wegrennen hatte es bei ihm noch immer gereicht. Aber er wusste, dieses Argument würde sicher weder Gehör noch Gnade in den Augen des Älteren finden.
 

Schweigend liefen sie zusammen in den weitläufigen Garten, der Brads Anwesen umgab – und der zufrieden wild vor sich hinwucherte – außer Brad bekam einen seiner gefürchteten Rappel und begann, Gärtner zu spielen. Das war aber die letzten zwei Jahre zum Glück nicht mehr vorgekommen.
 

Welch Überraschung – dort stand ein neuer Gegenstand: Ein Fußballtor.
 

Mit einer eleganten Bewegung warf Ken den Ball in die Höhe, fing ihn mit dem Knie auf und begann, ihn darauf zu dribbeln. Nagi beobachtete den Älteren einfach nur, der so glücklich aussah, wenn er begann, mit dem runden Leder zu spielen, es quer überall durchzukicken.
 

„Achtung!"
 

Die Warnung kam zu spät und nur seinen Reflexen war es zu verdanken, dass der Ball nicht in seinem Gesicht landete.
 

Ken verdrehte die Augen: „Spielen sollst du, nicht ihn in der Luft abfangen! So läuft dieses Spiel einfach nicht!"
 

„Ich hänge an meinem Gesicht", gab Nagi ruhig zurück. „Nicht, dass es besonders nett wäre, aber es ist dummerweise das Einzige, das mir zur Verfügung steht."
 

Über diesen Kommentar, der wohl als Witz gedacht war, konnte Ken beim besten Willen nicht lachen. Erneut spürte er nur diese Welle aus Mitleid für den Jüngeren in sich aufsteigen, gepaart mit dem unendlichen Bedürfnis danach, Nagi vor allem Bösen dieser Welt zu beschützen, was natürlich Unsinn war. Egal, wie der Junge aussah, auch er war ein Killer – und ein verdammt Guter noch dazu.
 

Als der Ball wieder zu Ken zurückflog, stieß er diesen mit dem Kopf noch höher, sprang kerzengerade in die Luft, vollführte eine halbe Drehung, erwischte den Ball in der Luft und schoss ihn mit voll Karacho ins Tor. Den hätte niemand halten können, stellte Ken fest, als er landete. Außer jemand mit Nagis Gaben eben.
 

Der Fußballer lief zum Tor, warf den Fußball zu Nagi: „Und jetzt aber richtig!"
 

Mit herzlich wenig Lust, aber kaum einer Wahl kickte der Jüngere den Ball auf das Tor zu, nur, dass der absolut in die andere Richtung wollte. Er musste ihn mit seiner Kraft aus einem zugewucherten Rosenbusch holen.
 

„He! Kraft einsetzen verboten!", beschwerte Ken sich schon vom Tor aus.
 

„Ja, ja", meckerte Nagi, legte den Ball wieder vor seine Füße, fixierte ihn, nahm Anlauf – und stieß zu.
 

Ken lachte, fing den Ball mit Leichtigkeit, warf ihn zurück.
 

Sie spielten, sie spielten erstaunlich lange und Nagi wollte auch gar nicht aufhören, wenn das bedeutete, dass Ken dann wieder irgendwohin verschwinden würde und er allein da saß. Aber irgendwann konnte er einfach nicht mehr. Er war so viel Bewegung einfach nicht gewohnt, dazu kam noch der Muskelkater vom letzten Mal. Er ließ sich fallen, wo er gerade stand.
 

„He! Was hast du?"
 

Sofort stand Ken da, der Ball lag unbeachtet mitten auf der Rasenfläche.
 

„Ich mag nicht mehr", beschwerte Nagi sich nun. „Meine Beine tun schon weh!"
 

Da lachte Ken: „Na, da siehste mal, wie wenig du Bewegung gewöhnt bist!" Er ließ sich neben dem Jüngeren nieder, zerrte ihn aber dann recht schnell wieder in die Höhe. „Ab ins Warme. Es ist zu kalt, um auf dem Boden zu hocken! Im Wetterbericht haben sie gemeint, dass es schneit."
 

Erleichtert und gleichzeitig mit einem bedrückenden Gefühl folgte Nagi dem Älteren, der ihn zum Wohnzimmer führte, ihn dort auf die lange Couch setzte... und sein Bein packte...??
 

„He...!"
 

„Ich massiere dir nur die Beine, sonst kannst du morgen mit Sicherheit nicht mehr laufen."
 

Mit einer schnellen Bewegung zog Ken dem Jüngeren die Hose von den Hüften und begann, die vollkommen und beeindruckend verspannten Muskeln am Unterschenkel zu massieren.
 

Im ersten Moment wurde Nagi stocksteif, sah Ken mit großen Augen verständnislos an, aber dann begann er, die Behandlung zu genießen, sich zurückzulehnen, die Aufmerksamkeit zu genießen, die der Ältere ihm zukommen ließ...
 

Nach einer ganzen Weile sah Ken wieder auf, direkt in die fragenden Augen des Jüngeren, die ihn weiterhin beobachteten. Er wusste, wenn er jetzt nicht aufstehen und eine eisig kalte Dusche nehmen würde, hätten sie gleich beide ein Problem. Und seines würde wahrscheinlich ein gebrochener Schädel sein.
 

Nagi betrachtete die sanften, braunen Augen des Älteren, ohne sich von ihnen losreißen zu können. Sein Mund, noch im Ansatz des Protestes darüber geöffnet, dass Ken aufgehört hatte, klappte wieder zu, nicht mehr sicher, ob er wirklich etwas sagen wollte. Sein Blick dagegen wanderte weiter zu den leicht geschwungenen Lippen des Fußballers. Wann hatte er eigentlich davon angefangen, sich vorzustellen, wie es wohl wäre, wenn die ihn küssen würden?
 

Nein! Sofort verbot er sich jeglichen weiteren Gedanken in diese Richtung. Auf gar keinen Fall! Brad würde ihn dafür killen! Das... das war sein ehemaliger Feind, mit dem er erst seit drei Tagen eine Art Friedensvertrag hatte!

Ken hatte den Blick des Jüngeren erstaunt registriert. Aber – konnte das WIRKLICH sein?? Sollte er es riskieren? Ganz langsam beugte er sich vor. Was hatte er schon zu verlieren?
 

Wenn er sich irrte, bekäme er ohnehin etwas auf den Kopf, dass ihn wohl für immer außer Gefecht setzen sollte. Denn wenn Nagi Panik bekam, setzte er ein, was ihm unter die Finger kam – und zwar mit voller Kraft.
 

Als sich ihre Lippen trafen, zuckte Nagi im ersten Augenblick vollkommen perplex

zusammen, sah in die braunen Augen, die ihn musterten, mit diesem zusätzlichen Glanz, den er nicht deuten konnte, doch dann entspannte er sich, egal, wie sehr seine Vernunft ihn davon zu überzeugen versuchte, dass das eine ganz, ganz schlechte Idee sein würde, die Brad nicht wirklich gefiel.
 

Andrerseits – wie wahrscheinlich war es denn schon, dass er nichts davon wusste? Und war es nicht Brad selbst gewesen, der sie zu einem Zweierteam gemacht hatte? Ihn und Ken? Und war es nicht auch Brad gewesen, der ausdrücklich gesagt hatte, dass er und Ken zu Hause bleiben sollten?
 

Nein, stellte Nagi fest. Sein Adoptivvater hatte es von Anfang an gewusst und so, in seinen Augen, mehr oder weniger, eine Zustimmung erteilt, Nagi gesagt, dass er tun konnte, was er wollte...
 

Also ließ er sich fallen, lehnte sich nach einer kurzen Zeit gegen Ken, öffnete sogar seinen Mund ein wenig, als er die Zunge fühlte, die seine Zahnreihen entlang strich. Es war, als habe man ihm einen elektrischen Schlag versetzt, als die Zunge des Älteren die Seine das erste Mal berührte.
 

Nach einer scheinbaren Ewigkeit, in der er immer noch nicht KO geschlagen worden war, sah Ken auf, blickte in Nagis Gesicht, dass er noch nie zuvor so gelöst gesehen hatte. Fast sah er wirklich wieder aus, wie der Jugendliche, der er war.
 

„Nagi, ich fürchte, ich liebe dich", murmelte Ken schließlich ergeben, zog den Kleineren fest in seine Arme.
 

Nagi lehnte sich glücklich in die Arme des Älteren, kuschelte sich an dessen Brust: „Gut so", nuschelte er noch, bevor ihm die Augen zufielen. Die ganze Rennerei war einfach zu anstrengend gewesen...



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  silvermoonstini
2008-01-21T22:01:01+00:00 21.01.2008 23:01
Das ist mal ein Liebesgeständnis! "ich fürchte ich liebe dich " "gut so" *lol* das gefällt mir! Es ist mir vorher nie aufgefallen aber die beiden geben ein süßes Paar ab! Mach weiter so!
Von:  sanisa
2007-07-18T14:08:06+00:00 18.07.2007 16:08
Hi ich bin mal auf dein ff gestoßen und muss sagen ich bin bis hier her hellauf begeistert.
Und bin schon gespannt wie das mit den beiden schuldig und Ran noch so weiter geht,
bei de andren scheint es ja nicht so problematisch zu laufen *grins*.
so würd michfreuen wenn du mir ne ens zu kommen lassen würdest wenn es weiter geht,
so nun noch nen lieben Gruß mal unbekannterweise da lass by sanisa.
Von:  sanisa
2007-07-18T12:23:19+00:00 18.07.2007 14:23
Hi ich bin mal auf dein ff gestoßen und muss sagen ich bin bis hier her hellauf begeistert.
Und bin schon gespannt wie das mit den beiden schuldig und Ran noch so weiter geht,
bei de andren scheint es ja nicht so problematisch zu laufen *grins*.
so würd michfreuen wenn du mir ne ens zu kommen lassen würdest wenn es weiter geht,
so nun noch nen lieben Gruß mal unbekannterweise da lass by sanisa.


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