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Drachenherz

Ein kleiner Zujin Roman
von

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Der Lord im Schafspelz

Ba Sing Se, Gegenwart
 


 

Im Palast des Erdkönigs wurden penibel die letzten, imaginären Stäubchen von der Robe des Feuerlords entfernt, akribisch die Schulternähte zurechtgerückt und die Hono ein letztes Mal poliert.

„Fon, denkst Du wirklich, Du schaffst es, mich noch sauberer, glänzender oder irgendwie schicker zu machen?“ 

„Hoheit, wenn Ihr schlampig vor dem Kanzler herumscharwenzelt, wird das auf mich zurückfallen.“

„Herumscharwenzeln? Ah, aber das hört sich so überaus gewöhnlich an, dass ich so etwas doch niemals tun würde, Fon!“

Zukos leiser Spott wurde mit wahrhaft meisterlicher Herablassung ignoriert.

Ein letztes Mal überprüfte Fon die Erscheinung seines Herrschers.

Anscheinend fiel die Inspektion zu seiner Zufriedenheit aus, denn nun verbeugte er sich tief.

„Viel Glück, mein Lord!“

„Danke, Fon!“

Vor der Tür wartete General Iroh auf seien Neffen.

„Viel Glück, Zuko!“

„Danke, Onkel!“

„Ich habe das Gefühl, heute wird ein großer Tag, mein Junge!“
 

An diesem Morgen stand Jin beschwingt auf.

Sie war zwar gestern um ihren heiß ersehnten Gute-Nacht-Ringkampf gebracht worden und würde vermutlich auch heute leer ausgehen, aber sie würde schon Mittel und Wege finden würde, die Schuld ihres Drachen mit Zins und Zinseszins einzutreiben.

Auf gewisse Dinge reagierte der Herr schließlich recht ,äh ... zuverlässig.

Außer Gestern. Da hatte nicht mal ihr Enthusiasmus den gewünschten Erfolg erzielt.

Aber da war er nach eigener Aussage auch nicht wirklich satt gewesen.

Vielleicht war er ja mit vollem Bauch grundsätzlich weniger prinzipientreu?

Nach seinem Gelage bei Tante Ria hatte er seine Grundsätze schließlich mit wehenden Fahnen untergehen lassen.

Jin grinste, als ein Plan Formen annahm. 

Nun, wenn das so war, würde sie ihn bei der nächst bietenden Gelegenheit eben bis zum Anschlag voll stopfen!

Der Weg zur Arbeit stellte sich ohne Lee als furchtbar einsam heraus.

Jin fiel siedend heiß ein, weshalb sie heute allein unterwegs war.

Sein Termin! Der Termin mit dem Kanzler!

Sie schielte unauffällig umher, damit niemand sie bei dieser Albernheit erwischte, zog den Teecoupon aus ihrer Tasche und drückte einen kurzen Schmatzer darauf.

„Viel Glück, Drache!“
 

Mit all diesen guten Wünschen bedacht schritt der Gebieter der Flammen hinter einem Kabinettsmitglied des Königs, eskortiert von vier Wachen, zwei Erd- und zwei Feuerwachen, durch die langen Korridore des Palastes.

Zuko Tatzu näherte sich seinem Ziel.

Ruhig, Schritt für Schritt, so wie er es im Lauf der Jahre mühsam hatte lernen müssen.
 

Jin We näherte sich ihrem Ziel. Schritt für Schritt hatte das Muster formen angenommen. Noch zwei Bahnen ... Noch eine. Fertig!

Sie sah auf den Stoff hinab. Makellos!

Das filigrane Muster, der schimmernde Glanz, die leuchtenden Farben.

Sie hatte noch nie eine so wundervolle und wertvolle Arbeit vollendet, so viel stand fest. Dieses Gewebe musste für einen reichen Kunden sein und würde Meister Yom mit Sicherheit sehr viel Geld bringen.

Jin, jedoch war das Geld egal. Im Moment war sie nur unbändig stolz über ihre gelungene Arbeit. Sie mochte eine unordentliche, tagträumerische Schusselnuss sein, aber am Webstuhl war sie unschlagbar. Sie war und blieb eine verflucht geschickte Weberin.

Sacht über den seidigen Stoff streichend lächelte sie zufrieden.

Meister Yom, der diesen Gesichtsausdruck sehr gut kannte, eilte herbei. Verzückt schlug er die Hände zusammen.

„Jin, Mädel, also ich muss schon sagen, Du bist und bleibst eine verflucht geschickte Weberin!“

Jin strahlte. Sie hatte gewusst, dass er das sagen würde.

„Danke, Meister Yom!“

„Das ist mit Abstand der schönste, teuerste Stoff, der meine bescheidene, kleine Weberei je verlassen hat. Und das muss er auch ein! Er ist für einen unsrer ehrenwerten Minister. Das könnte ein großer Tag werden. In der Tat, ein großer Tag!“

Jin beobachtete ihren alten Meister voll Zuneigung.

Er liebte seine kleinen Vorträge über alles.

„Nun ... weil heute so ein großer Tag ist, darf auch jemand einen schönen Ausflug machen. Du darfst den Ballen höchst persönlich abliefern, jawohl!“

„Wer, ich?“

„Aber ja! Das Hast Du Dir verdient.“

„Ähm, wohin denn?“

„Hab ich das nicht gesagt? In den Palast natürlich.“

„Palast? Den Großen? Auf dem höchsten Hügel Ba Sing Ses?“, hauchte Jin.

„Ja, welchen denn sonst, Mädel? Das wird eine ganz schöne Lauferei, das kann ich Dir sagen!“

„Das macht doch nichts! Ich laufe fürchterlich gerne! Ich ... Danke, Meister Yom!“

Der Alte lachte meckernd.

„Schon gut, Jin, Schon gut! Hier ... nimm diesen Passierschein mit, sonst kommst Du nicht mal bis in den inneren Ring der Stadt. Und verpack mir den Ballen ja schön sorgfältig.“

„Natürlich, Meister Yum!“

„Sehr schön! Wenn Du das gute Stück abgeliefert hast, darfst Du Dir für den Rest des Tages frei nehmen. Es wären ohnehin nur noch ein, zwei Stunden.“

„Das ist ... Danke!“
 

So kam es, das an diesem strahlend schönen Tag Jin, mit einem kostbaren Paket beladen, durch die Strassen schlenderte, obwohl sie um diese Zeit doch eigentlich vor einen Webstuhl gehörte.

Wenn sie doch nur dort geblieben wäre ... dann hätte dieser große Tag nicht im Unglück enden müssen.

Doch so, der dräuenden Wolken über ihrem Glück nicht gewahr näherte sie sich sorglos und neugierig dem Palast König Nuros und bestaunte auf ihrem Weg die Pracht und Eleganz des vornehmsten Viertels der ganzen Stadt.

Hier also bewegte sich ihr Liebster tagein, tagaus, mit der Selbstverständlichkeit eines Hochwohlgeborenen.

Bang überlegte sie sich, ob sie es schaffen würde, sich in seiner Welt zurechtzufinden. Sie hatte ihn noch nicht einmal nach seinem zu Hause gefragt.

Ob es so riesig sein würde, wie die beeindruckenden Villen und Herrenhäuser hier?

Ach was!

Zusammen würden sie diese Hürden meistern. Sie waren ja nicht umsonst so krisenerprobt. Sich vorzustellen, etwas würde sie trennen können war lächerlich.
 

Schließlich gelangte sie an ihr Ziel.

Der Palast des Erdkönigs war atemberaubend!

Schon die schiere Größe überstieg die Vorstellungskraft eines normalen Menschen bei weitem.

Jin war so damit beschäftigt, alles mit offenem Mund zu bestaunen, sie hätte fast vergessen, den Passierschein vorzuzeigen.

Der Wächter gab ihr genaue Anweisungen, wo sie ihre Ware abzuliefern hatte.

Also ging Jin um den Palast herum, zu einem Seitentor.

Dort wurde sie angewiesen, einem langen Gang zu folgen, sich dann rechts zu halten und den Stoffballen einem der dortigen Diener anzuvertrauen.

Im Innern war das gigantische Bauwerk sogar noch größer und imposanter. Meine Güte!

Ganz offensichtlich hatten die Erdkönige einen leichten Hang zum Protz.

So, jetzt rechts.

Ein Diener rannte an ihr vorbei.

„Entschuldigung, ich …“

„Keine Zeit!“

Gut. Dann eben nicht.

Sie ging weiter. Ah, da stand jemand.

„Hallo! Ich soll diesen Ballen hier abliefern …“

„Kleine, siehst Du nicht, dass ich beschäftigt bin? Wende Dich an Nim!“

„Und wo ist Nim?“

„Woher soll ich das wissen?! Versuchs den Gang da runter, dann die erste links, wieder links und dann die zweite Tür rechts!“

„Mhm. Danke!“ Für´s Nichts tun!

Jin folgte dem beschriebenen Weg. Nur … es gab keine zweite Tür rechts!

Bestimmt hatte der überforderte Mann diesen Gang gemeint …

Da war eine Tür.
 

Der Kanzler des Erdkönigs war ein erstaunlich zugänglicher Mann, mit erstaunlich vernünftigen Ansichten.

Man verstand sich hervorragend, denn man teilte ein gemeinsames Ziel: Dauerhaften Frieden.

Die eigentlichen Verhandlungen waren somit schnell vom Tisch, der Rest wäre nur noch reine Formsache.

Zuko konnte sein Glück kaum fassen.

Wie kam es nur, dass er mit einem Mal auf der Sonnenseite des Lebens zu wandeln schien, dass sein Leben so viele glückliche Wendungen nahm?

Nun gab es in der Tat nur noch eine einzige Sorge: Jin seine Identität zu offenbaren.

Wenn der letzte, formelle Termin beim Erdkönig morgen hinter ihm läge, hätte er ENDLICH seinen Kopf frei, für die wichtigste seiner Angelegenheiten!

Er würde Jin noch morgen Abend die Wahrheit sagen, würde einen Weg finden, ihr seine Situation zu erklären, bestimmt würde sie verstehen, warum er sie im Unklaren gelassen hatte.

Ja, alles entwickelte sich zu seiner vollsten Zufriedenheit.

Der Kanzler lud seinem hohen, überaus geschätzten Gast noch auf eine persönliche Führung durch den Palast ein, die dankend angenommen wurde.

Zuko staunte über die weitläufigen, verzweigten Korridore. Was für ein unübersichtlicher, überladener Kaninchenbau.

Der Feuerpalast war im Gegensatz zu diesem gigantischen Klotz viel klarer, leichter, eleganter und … schöner.

„Nun werde ich Euch noch unsere enormen Lagerräume zeigen, wenn Ihr Interesse daran habt.“

„Brennendes.“

Das leichte Lächeln des Kanzlers bezeugte, dass er den versteckten Witz genoss.

„Der Aufwand, der hinter der Organisation des Warenverkehrs steckt, ist unglaublich. Hier entlang, bitte, Hoheit.“

Er öffnete schwungvoll die Tür, um dem Feuerlord den Vortritt zu lassen.

Doch außer dem Kanzler schien noch eine Person versucht zu haben, der Tür Herr zu werden. Jemand mit beladenen Armen, hatte sich dagegen gestemmt.

Ein Teil des `Warenverkehrs´ krachte mit voller Wucht in Seine Lordschaft.

„HUCH!“

Diverse Dinge gingen zu Boden.

Arme, Beine, ein Wust brauner Haare, ein geschnürtes Bündel, das sich öffnete und sich als eine Kaskade schimmernden Stoffs herausstellte.

Das Einzige, das standhaft wie ein Berg blieb, war der Angerempelte selbst.
 

Als es Jin endlich gelungen war, die Tür zu öffnen (und zwar überaus plötzlich), prallte sie mit furiosem Karacho gegen eine massive aber seltsam elastische Mauer.

Eine mit Stoff bespannte Mauer.

Während sie daran hinunterglitt hatte sie Gelegenheit Beschaffenheit und Aussehen des Stoffs zu beurteilen. Himmel! Im Leben hatte sie so etwas kostbares noch nicht gesehen.Hauchzarte Goldfäden, zu kleinen züngelnden Flammen gewoben, durchwirkten die spektakulärste, in Schwarz und dunklen Rottönen gehaltene Seide.

Am Fuss der Mauer lugten zwei gebogene Schuhspitzen hervor.

Oh Gott! Sie hätte beinahe jemanden umgeworfen.

Und ihr Stoffballen hatte sich über den ganzen Boden verteilt!
 

„Hoheit! Um Gottes Willen! Das tut mir entsetzlich leid! Drung, was hat das zu bedeuten? Wo kommt dieses Mädchen her? Schaff sie hier augenblicklich raus!“
 

Hoheit?

`Jetzt sitzt Du aber ganz schön in der Patsche, Missy!´

Bitte nicht! Bitte, lass nicht zu, dass ich eine Hoheit über den Haufen gerannt habe!

„Es ist ja nichts passiert, Kanzler. Kein Grund dem Mädchen die Hölle heiß zu machen.“

Durch ihre Panik konnte Jin diese Stimme hören.

Eine wunderschöne, rauchige Stimme.

Sie kannte sie. Ebenso, wie die kräftige, helfende Hand, die sich ihr entgegenstreckte.

Lee? Lee war hier?

Als sie erschrocken aufblickte, wurde die Hand abrupt zurück gezogen.

Goldene Augen starrten verständnislos in ihre.

„Jin?“

Er wirkte so anders. Er strahlte irgendetwas aus.

Er war prächtiger, als sie ihn je gesehen hatte.

Ganz langsam nahm Jins Geist die Tatsache auf, dass sich auf seinem Kopf etwas befand, das verdächtig nach einer Art Krone aussah.

`Krone? Jetzt spinn doch nicht, Missy!´

Vielleicht trugen ja alle Mitglieder des Hofstaates so etwas?

Trotz schlotternder Knie schaffte sie es sich aufzurichten.

„Lee?“ Jins Stimme war vor böser Vorahnung kaum zu hören.

Warum war Lee so entsetzt, so erstarrt?

„Hoheit? Ihr kennt diese Person?“, wollte der Kanzler irritiert wissen.

Schon wieder Hoheit.

Und ... er hatte Lee angesprochen. Lee!
 

`Wie lange willst Du eigentlich noch brauchen, um die Sache hier zu kapieren, Missy?´

Jins Kopf wurde taub, als hätte sie einen Schlag erhalten.

Vom Scheitel floss ein schreckliches Kribbeln bis in ihre Zehenspitzen und hinterließ dumpfe Schwäche.

Sie wollte sprechen, aber ihre Lippen zitterten, bewegten sich nicht so, wie sie sollten. Ein hohes, unangenehmes Sirren war in ihren Ohren und machte es zudem schwer, etwas zu hören.

Er war der Feuerlord!

Lee war der Feuerlord.
 

„Ja, Kanzler. Ich kenne sie! Sehr gut sogar.“ Zukos Stimme war vollkommen tonlos, dann straffte er sich.

„Die junge Dame ist in der Tat meine Ver …“

Eine klatschende, heftige Ohrfeige setzte seinen Worten ein Ende.

Jin schlug ihn so hart, dass sein Kopf zur Seite flog.

Noch einmal! Und noch einmal!

Die Schläge endeten erst, als grobe Hände Jin Einhalt geboten.

„Was fällt Dir ein, Seine Lordschaft zu schlagen?“

„Lasst sie los! Augenblicklich!“ Die befehlsgewohnte Stimme des Herrschers der Feuernation peitschte durch den Raum.

„Aber Hoheit …!“

Zuko sah seinem Kobold in die Augen.

Er lass Verwirrung, Trotz. Ablehnung. Angst.

Und noch etwas.

Sein Herz pumpte schmerzhaft, presste ihm mit jedem Schlag Eiswasser durch die zu engen Venen.

Sie hasste ihn!

Wo zuvor warm ihre Liebe zu ihm geleuchtet hatte, funkelte jetzt entsetzte Abscheu.

„Jin, bitte … ich …“

„ICH WILL ES NICHT HÖREN!“ Ihre sonst weiche Stimme klang schrill und scharf.

Auf diesen Ausbruch hin, sah sich die Palastwache verpflichtet, die kleine Furie erneut am Arm zu schnappen.

„Lasst sie los!“, zischte der Feuerlord unheilverkündend.

Der Wächter gehorchte automatisch der Autorität dieser Drohung.

Zuko blickte hilflos in dieses kleine, verzerrte Gesicht, in die spröde gewordene Jade.

„Lasst sie gehen“, flüsterte er rau.
 

Heftig atmend tastete Jin sich rückwärts ihren Weg zur Tür.

Das konnte nicht sein. Das Alles konnte doch nicht wahr sein!

Er hatte gelogen! Alles war gelogen!

Alles!

Sie rannte los.

Ließ Meister Yoms kostbaren Stoff zurück, ließ den lügnerischen Bastard zurück. Ließ ihr Herz zurück.

Sie rannte aus ihrem Traum in eine kalte, trostlose Welt, in der es keine Freude mehr gab.
 

„Hoheit? Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz …“

Der Kanzler war trotz seiner diplomatischen Schulung mehr als nur leicht irritiert. War er eben Zeuge eines Streits von Feuerlord Zuko und dessen Mätresse geworden? Anscheinend hatte eine der hiesigen Schönheiten es dem fremden Herrscher angetan. Nun war wohl Taktgefühl angesagt.

Wenn das Mädchen freiwillig auf diese Avancen eingegangen war, hatte niemand das Recht, den jungen Heißsporn zu rügen.

Wenn sie allerdings einem Betrug aufgesessen war ...

„Nun, ähm ... natürlich ist es Eure Sache, mit wem Ihr, äh ein Techtelmechtel …“

„Kanzler! Ich zöge es vor, Ihr würdet Eure Zunge zügeln, wenn Ihr von meiner zukünftigen Gattin sprecht!“ Zukos Stimme war kalt vor Zorn.

Brodelnder Zorn auf sich selbst.

Aber er würde das wieder hinbekommen. Er MUSSTE!

„Eurer Gattin?“, keuchte der Beamte. „Ich … Verzeiht! Das war mir nicht klar!“

Mit einem knappen Nicken wurde die Entschuldigung akzeptiert.

Die Führung war damit selbstverständlich beendet.

Na ja … wir wollen ehrlich sein. Lagerräume an sich sind ja auch nicht gerade rasend interessant. Allenfalls schicksalhaft.
 

Jin wusste nicht, wie sie den Heimweg hinter sich gebracht hatte.

Sie war irgendwann eben einfach zu Hause.

Sass einfach da und starrte vor sich hin.

Es war auch einfach, nicht zu weinen. Sie konnte es gar nicht!

Denn um ehrlich zu sein, fühlte sie nichts. Nichts Relevantes.

Nun, die Leere war ein wenig schmerzhaft, ließ sie ihre langsamen dumpfen Herzschläge überdeutlich spüren.

Aber im Gegensatz zur Verzweiflung war sie erträglich.

Darum durfte sie dieses Gefühl auch nicht zulassen.

Keines der vielen Gefühle, die hinter ihrem Bewusstsein Schlange standen.

ER würde noch kommen, da war sie ganz sicher.

Und sie durfte sich keine Blöße geben.

Sie mochte zwar unbedeutend sein, aber sie würde ihre Würde behalten.

Jin We. Dumm, naiv, leicht zu haben, aber würdevoll.
 

Sie brauchte nicht lange zu warten, bis es an der Hintertür klopfte.

Also stand sie auf und ging in den kleinen Hof, wo er sie vor ein paar Tagen noch so leidenschaftlich …

`Hör auf Missy! Bring das hier hinter Dich und mach weiter!´

Er trug wieder die übliche Kleidung.

Natürlich. Alles Andere hätte mitten in der Stadt für einen Menschenauflauf gesorgt.

Aber sein Gesicht war anders. Angespannt, besorgt, irgendwie resigniert.

Ihr konnte das ja jetzt egal sein.

Er sah zu Boden.
 

„Jin …! Es tut mir entsetzlich leid! Ich … ich wollte nicht, dass Du es so erfährst!“

Er machte einen Schritt auf sie zu, Jin wich zurück. Sofort blieb er stehen.

„Ich wollte Dir das Ganze schonend beibringen. Schritt für Schritt. Nicht so … unverhofft. Morgen Abend, nach meinem Gespräch mit dem Erdkönig hätte ich Dir alles gesagt!“

Lügen!

Er hatte tatsächlich die Stirn, ihr noch mehr Lügen aufzutischen?

Wollte er ihr wirklich immer noch weiß machen, an einem unbedeutenden Ding wie ihr ernsthaft interessiert zu sein?

Nein, aus seinem schönen Mund kamen nichts als Lügen.

In diesen wundervollen Augen schimmerten lauter Lügen.

Und sie war darauf hereingefallen! Auf einen Haufen Lügen!

Dachte er wirklich, sie würde es wieder tun? Sah sie so dumm aus?
 

Er bekam keine Antwort. War das ein gutes Zeichen?

Zukos mulmiges Gefühl wuchs ins Unendliche.

„Jin? Warum sagst Du nichts, mein Herz?“

Dann sagte sie etwas; richtete ihn.

„Nennt mich nicht so. Nie wieder! Ich will, dass Ihr geht und mich in Ruhe lasst, und zwar für den Rest meines Lebens. Ich will Eure Lügen nicht mehr hören!“

„Jin! Es waren keine Lügen! Nichts davon!“, stieß er verzweifelt aus.

Doch sie schien seinen Einwand gar nicht wahrzunehmen.

„Ich werde Euch ohnehin nicht mehr zuhören.“

„Jin!“

„SAGT meinen Namen nicht!“ Sie machte den Fehler, ihm in die Augen zu sehen. Schnell blickte sie fort, da sonst die Tränen gekommen wären. „Nie wieder!“, setzte sie flüsternd hinzu.

„Bitte! Ich …“

„Geht. Und verschont mich in Zukunft mit Eurem Anblick!“

Fassungslos hörte Zuko ihren Urteilsspruch.

Sie drehte sich um und ging hinein.

Ohne zurück zu blicken.
 

Zuko starrte auf die Tür.

Das konnte nicht sein. Das konnte sie nicht tun!

`Warum nicht? Sie ist doch beileibe nicht die Erste, die Dir mit Abscheu begegnet, nachdem Deine Identität aufgedeckt wird. Hast Du wirklich geglaubt, sie würde bei Dir bleiben? Bei Dir? Hast Du sie nicht gehört? Sie kann ja nicht mal Deinen Anblick ertragen´

Das höhnische Lachen seines Vaters klang in Zukos Ohren.

NEIN!

Nein ...

Er hatte sie verloren.

Seinen Kobold! Seinen liebevollen, klugen, verrückten, kleinen Kobold.
 

Der Drache, in seinem Inneren hob den Kopf und brüllte.

Brüllte so laut, dass Zukos Kopf zu zerspringen drohte.

Dann kam das Feuer. Ätzendes Drachenfeuer, das die Säulen seines Seins binnen Sekunden einstürzen ließ.

Das Innere des nun hohlen Skeletts zerfetzen Messerscharfe Klauen.

Sie wetzten sich an dem, was von ihm übrig geblieben war, gruben sich tief in das kalte Mark seines verkohlten Herzens.

Nach diesem letzten Aufbäumen kam das Biest zu Fall.

Und in den finsteren, stinkenden, morastigen Bodensätzen seiner Seele verkroch sich das Vieh, um zu verenden.

Er hatte sie verloren!

Der Drache, die Essenz seines Selbst - alles, was ihn je angetrieben hatte - starb.

Langsam und aufrecht ging der Feuerlord den Weg, den er gekommen war, wieder zurück. Ließ die lebenssprühende, pulsierende Stadt hinter sich.

Er hatte hier nichts mehr zu suchen, denn er hatte sie verloren.
 

Jin lag eng zusammengerollt auf ihrem Bett und starrte mit trockenen Augen an die Wand.

Es war schon lange Dunkel. Innen wie Außen.

Doch sie wollte nicht schlafen.

Im Schlaf kämen die Gedanken, die Träume.

Solange sie wach blieb, konnte sie die Mauern aufrechterhalten.

Solange sie wach blieb, brachte der Schmerz sie nicht um.



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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Von:  Bernsteinseele
2008-02-05T18:09:46+00:00 05.02.2008 19:09
Das musste ja so kommen .. hätte Zuko mich gefragt, ich hätte es ihm gleich sagen können, aber neeeeiiiiin er fragte ja nicht *g*

Du bist genial ... aber keine Zeit weiter zu loben .. muss weiter lesen *flitz*
Von:  Schreiberling
2007-09-24T17:05:57+00:00 24.09.2007 19:05
Heul.
Das ist aber bloed jetzt.
Ich will, dass sich jetzt augenblicklich ein kleiner vorwitziger Onkel ins Geschehen einmischt und diese Beziehung rettet.
Aber ansonsten wieder ein spannendes Kapi.
Von:  suz
2007-09-23T22:16:24+00:00 24.09.2007 00:16
wow das kap is einfach wunderbar schön und traurih zugleich
ich hoffe nur dass die beiden trotzdem zusammenfinden, wenn nicht, wär es echt schade (ich liebehappyends)
schreib weiter so toll
gruz suz
Von:  MissyRogue
2007-09-23T21:29:59+00:00 23.09.2007 23:29
Man, das geht echt schnel bei dir, super!^^

Nun ich kann mich nur anschließend, es war wieder sehr fesselnd.
Bin auf die Fortsetzung sehr gespannt

Von:  Xanderle
2007-09-23T13:52:35+00:00 23.09.2007 15:52

Ne! Das ist ja das, was ich auch immer sag!
Wirklich gelogen hat er nie!
Aber Jin is halt Jin. Na ja, und über dieses kleine Detail seiner Karriere nicht aufgeklärt zu werden ist ja schon... äh... unnett. Und jetzt denkt das Schätzchen eben, er hätte es nicht ernst gemeint.
Ich weiss eh nicht, mit wem ich mehr mitleide. Tendeziell immer mit Zuzu ^^

Wie immer, vielen, vielen Dank für eure Kommis, sie sind das Salz in meiner Suppe!

P.S.: Das mit der Schnelligkeit erklärt sich ganz leicht: Ich verbringe meine gesamte Freizeit mit dieser Story. Ich spiel sogar kaum noch WoW. Hilfeeee!
Von:  Prises
2007-09-23T13:04:24+00:00 23.09.2007 15:04
*Kratz* *Kratz* ein wirklich schönes Kapitel...aber im Grunde hat er sie ja auch gar nicht belogen.
Von:  SweetLittleCupcake
2007-09-23T11:31:09+00:00 23.09.2007 13:31
Grandios, einfach nur Grandios wie du dieses Kapitel geschrieben hast.
Einige tun sich bei so etwas recht schwer, aber bei dir hat man nichts davon gemerkt. Überhaupt lesen sich deine Kapitel so, als würden dir die Worte auf´s Papier gleiten wie heisse Butter vom Messer.
Ich fand das Kapitel hier sehr sehr gut geschrieben, auch die Gefühle, Gedanken und Ängste der Protagonisten hast du wieder mal klasse eingefangen. Es war ja von anfang an klar das Jin erfährt wer denn ihr Lee nun in Wirklichkeit ist. Und man hat sich auch denken können das es nicht auf die von Zuko vorhergesehene Weise geschieht, denn sonst wäre es viel zu langweilig geworden und alles wäre auf Friede, Freude, Eierkuchen hinausgelaufen. Und zu einer guten Geschichte gehört nun mal Spannung. Aber das sie es nun auf diese Weise erfahren hat, davon sehr getroffen ist uns auch Zuko aufgegeben zu haben scheint, heisst das noch lange nicht das es kein Happy End gibt. Ich denke Onkel und Tantchen werden den beiden mal hilfreich unter die Arme greifen. Zumindets der gute Iroh dem lieben Zuko. Ich kann es kaum erwarten weiter zulesen und glücklicher Weise lässt du einen auch nicht lange darauf warten.
Mach weiter so^^
Von: abgemeldet
2007-09-23T11:06:53+00:00 23.09.2007 13:06
Woah du bist einfach unglaublich, jedes Kapitel bringt mich wieder zum Staunen. So leid es mir tut aber ich habe überhaupt nichts zum kritisieren. Es war spannend, lustig, herzzereissend und natürlich wie immer romantisch. Und gut geschrieben sowieso, mach weiter so!
Bin auch erstaunt, wie du so schnell updaten kannst ohne, dass die Qualität darunter leidet.
Von:  Tamatoshi
2007-09-23T10:53:50+00:00 23.09.2007 12:53
PS: ui ich bin die erste^^
Von:  Tamatoshi
2007-09-23T10:53:37+00:00 23.09.2007 12:53
Ö.o uuuuh supi kappi^-^
nur eine frage hab ich: hat diese story n happy end?
ppppplllllsssssssssssssssssssss des wäre zu schön
schreib schnell weiter!!!!

Schrank


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