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Modern Fairytale

Hänsel & Gretel
von

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Auf Regen folgt Sonnenschein

Auf Regen folgt Sonnenschein
 

„Amy, bleib gefälligst hier!“ den Schrei ihres Vaters hörte sie nicht mehr, doch selbst wenn, hätte sie es ignoriert. Wie jedes mal. Amy und ihr Vater stritten sich eigentlich täglich. Jahrelang hatte sich Amy das angetan und stillschweigend hingenommen, was er tat, doch jetzt im Teenageralter fing sie an sich zu wehren.

Früher hatte Evan, ihr Bruder diese Aufgabe übernommen, doch war dieser vor einem Jahr ausgezogen und nun wollte sie ihm beweisen, dass sie auf eigenen Beinen stehen konnte, sie wollte ihn beeindrucken.

Amy rannte weiter. Ihre Kleidung war durchnässt, es donnerte, es blitzte, man sah die Hand vor Augen nicht so stark war der Regen, doch Amy rannte und ließ sich vom Wasser nicht stoppen. Immer weiter, die Tränen liefen ihr über die Wangen, salzig und bitter vom Schmerz zu gleich. ‚Er wohnt nur 3 Blocks weiter’ dachte sie die ganze Zeit, ‚nur 3 Blocks und ich bin weg von der Hölle!’

Der zweite Stock, sie nahm die Treppe um nicht stundenlang am Fahrstuhl zu warten. Amy weinte immer noch und nun vernebelten ihr ihre eigenen Tränen den Blick, sie stolperte und schürfte sich das Knie auf der kalten Treppe auf. ‚Nur noch ein Stockwerk, weiter!’
 

Als Evan die Tür öffnete, erblickte er ein ihm schon bekanntes Bild: Ein tränenverströmtes Gesicht, flehende traurige Augen, nasse Kleidung, zitternde Hände, blaue Flecken, Kratzer.

Sie kam immer zu ihm. Jedes mal, auch jetzt wo er woanders wohnte. Evan ist sofort als er volljährig wurde ausgezogen, nur Amy war dagegen, wer sollte sie beschützen? Deshalb war Evan nicht alt zu weit entfernt eingezogen. Er konnte es einfach nicht. Amy legte den Weg in Rekordzeit zurück. Er war drei Jahre älter als sie und Nick nicht sein leiblicher Vater, jedoch der von Amy. Nick und Evan stritten zwar häufig, doch wurde Nick ihm gegenüber nie handgreiflich, nicht sein Fleisch und Blut. Doch seine angestaute Wut ließ er Amy spüren. Jedes Mal. Evan tat was er kann um ihr das leben so einfach wie möglich zu machen, deshalb durfte sie immer kommen wann sie wollte.
 

„Verdammter Scheißkerl!“ brachte er nur heraus, nachdem er Amy von oben bis unten gemustert hatte. Ihre Hand war angeschwollen, das rechte Bein voller Kratzer, die blauen Flecke wollte er erst gar nicht zählen. „Komm rein, Kleine“ sagte er etwas ruhiger, doch in ihm kochte es. Er gab ihr ein paar ihrer Ersatzkleider, die sie schon bei seinem Einzug dort unterbrachte, dann fing er an in der Küche zu hantieren.

Eine heiße Schokolade, Gummibärchen und ihr Lieblingskissen brachte sie schnell auf andere Gedanken, die beste Medizin, die er bei Amy kannte. Alles auf Vorrat. Er setzte sich neben sie und schaltete den Fernseher an. Amy schlürfte in aller Ruhe die Schokolade, stand nach ein paar Minuten auf und kramte im Videoschrank rum. Kaum zu glauben, dass sie 16 sein soll. Doch war es eine alte Angewohnheit an solchen Tagen so spät noch einen Disneyfilm oder Märchen zu gucken. Sie liebte es, häufig begann sie bestimmte Situationen mit Märchen zu vergleichen. Dieses mal: Arielle. Evan wusste, sobald Amy sich an die Filme machte, ist sie wieder ansprechbar, doch anstatt sie auszufragen, was dieses mal das Fass ins rollen brachte, begann er sie zu kitzeln. Evan liebte ihr Lachen, ihre verzweifelten Versuche seine kalten Hände loszuwerden, ihr langes Haar, das ihn dabei berührte.

Amy kicherte auch noch nach der kurzen Schlacht, die sie wie immer gewann, da er aufgab, wenn sie zu laut losprustete und ließ sich nun gemütlich auf dem Sofa fallen und lehnte sich an seine Schulter. Ruhe kehrte ein. Niemand von beiden fragte mehr ob Amy übernachten würde, es war eine Selbstverständlichkeit uns so sahen sie sich Arielle zum tausendsten mal an, aßen Gummibärchen und genossen die Stille.
 

Nach dem Film ging Evan ins Bad, wenige Sekunden später stand er wieder vor Amy, Pflaster, Verbandszeug im Arm. Ihre ganze Haut kribbelte, als er ihr sanft den Verband um die Hand anlegte. Eine für sie beunruhigende Wärme breitete sich vom Arm über ihren ganzen Körper aus. Ihr Herz raste, dass sie befürchtete Evan würde sie gleich fragen, ob sie ein Schwarm Bienen mitgebracht habe. Es war nicht das erste mal, dass sie so nervös bei ihm wurde. Doch so sehr sie dieses Gefühl auch ängstigte, es fühlte sich unbeschreiblich gut an. Doch verstand sie nicht, was es bedeutete.
 

„Soll ich dir Fabius auf den Verband malen?“ Die Frage holte Amy in die Realität zurück, nun ja zumindest fast.

„Fabius ist eine ängstliche Flunder!“

„Oh stimmt, dann vielleicht Sebastian?“

„Der ist der ungekrönte König unter den Plappermäulern.“ gab Amy nüchtern zurück.

„Naja, deshalb frag ich doch.“ Antwortete Evan und musste sich das Lachen verkneifen um ebenfalls noch ruhig rüber zukommen.

Amy war wieder kampfbereit: „Willst du mir etwa weiß machen, ich rede zu viel“

„Keineswegs, ich wollte nur ausdrücken, dass Sebastian zu dir… ähm…zum Verband passt.“

„Gab es da nicht erst einen anderen Vorschlag, was hat es denn mit dem auf sich?“

Evan stand auf und lief im Kreis, einen Finger in der Luft und begann mit einer sachlichen Stimme zu Erklären: „Gnädige Frau, die Tatsache meines ersten Vorschlages beruht auf Basis durchstrukturierter mathematischer Grundlagen und Regel geometrischer Vorschrift!“

Amy sah ihn ratlos an, versuchte jedoch mitzuspielen. „Aufgrund sprachlicher Bariähren, bin ich dazu gezwungen Sie darum zu bitten mir eine schriftliche Darbietung Ihres Vortrages zu genehmigen um mögliche folgende Verständigungsschwierigkeiten zu vermeiden und Klarheit zu organisieren!“

Evan grinste, sie hatte keine Ahnung wovon sie sprach. „Ich bin zugeneigt Ihrem Erbitten die Einwilligung zu gewähren und werde meine Erläuterungen auf die kürzeste und wichtigste Devise beschränken um unumgängliche Kommunikationsschwierigkeiten vorzubeugen. Die geometrischen Regeln und mathematischen Bedingungen, die ich kürzlich aufführte, lassen sich durch einen einzigen grammatisch korrekten Paratax verdeutlichen: Fabius ist einfacher zu zeichnen!“

Evan grinste erneut, als er Amys überwältigtes Gesicht sah. „Weißt du was du klingst wie Mister von Unruh aus ‚Die Schöne und das Biest’, richtig hochnäsig. Beide brachen in Lachen aus und mit einem Atemzug zwischen zwei Lachkrämpfen konnte sie noch sagen: „Fabius ist voll in Ordnung.“



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