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Himmel und Erde

Schatten und Licht, Interlude 1
von

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Pläne schmieden

Merle langte unter ihr Botschaftergewand und holte die Mappe hervor, die Allen in Farnelia von Van erhalten hatte.

„Ich möchte euer Majestät versichern, dass alles, was ich euch jetzt erzähle, nach meinem besten Wissen und Gewissen der Wahrheit entspricht. Diese Dokumente enthalten streng geheime Information über eine Gruppe von Gewalt bereiten Individuen, deren einziges Ziel die völlige Vernichtung unserer Zivilisation und deren Bewohner ist. Enthalten sind genetische Profile bereits erlegter Mitglieder der Miliz, die wir die Gezeichneten nennen, sowie eine Einschätzung deren Fähigkeiten und Möglichkeiten im Kampf. Außerdem liegen Augenzeugenberichte bei und eine Zusammenfassung der bisher bekannten Aktivitäten der Gruppe.“, sprudelte es aus ihr heraus. Bewusst ließ sie aus, dass das eigentliche Ziel die Auflösung des Planeten war und die Menschen nur ein Mittel zum Zweck.

„Interessant. Wenn ich nicht genau über eure ehemalige Rolle im Königreich Farnelia Bescheid wüsste, Botschafterin, würde ich denken, ihr macht euch über mich lustig.“, erwiderte Franziskus ernst und nahm die Mappe entgegen. „Weswegen gebt ihr mir diese Informationen?“

„Ich habe eine Warnung erhalten, die besagt, dass der nächste Angriff auf Sarion zielt.“, antwortete Merle.

„Nun lasst euch doch nicht alles aus der Nase ziehen!“, beschwerte sich der König, während er lose Papierbögen blätterte. „Wer hat euch die Warnung zukommen lassen, ist die Quelle vertrauenswürdig und mit welchen Wortlaut hat sie euch gewarnt?“

„Die Quelle ist eure Tochter.“, berichtete sie, und fügte angesichts der geschockten und ungläubigen Miene Franziskus rasch hinzu: „Sie wurde auf dem Turnier von einem Gezeichneten überfallen und überwältigt...“

„Geht es ihr gut?“, unterbrach Franziskus und erntete dafür ein verständnisvolles Lächeln von Merle.

„Ja, sie ist unverletzt und hat sich schon vor meiner Abreise von dem Schock erholt.“, beruhigte sie ihn. „Der Gezeichnete gab ihr nur die Warnung und zog sich anschließend zurück.“

„Was genau hat er gesagt?“

„Das zu erklären ist etwas schwierig.“, zögerte Merle.

„Bitte versucht es!“

„Es gibt eine Art der Kommunikation, die weder Hilfsmittel noch irgendeine Form von Sprache bedarf, und nur wenige beherrschen. Dabei werden Gedanken als Träger der Informationen genutzt. Es gibt verschiedene Arten der Übertragung. Eurer Tochter hat der Gezeichnete die Gedanken über Hautkontakt weitergeben.“

„Und...sie hat sie wie wahrgenommen?“, hakte der König verwirrt nach.

„In Form von Bildern und Geräuschen. Es war in etwa so, als würde sie es sich selbst vorstellen, ohne darüber eine Kontrolle zu haben. Sie hat ein Szene gesehen, bei der eine ihr fremde Stadt von einer Armee seelenloser, menschlicher Körper überrannt wurde. Der Gezeichnete flüsterte ihr zu, dass das Gleiche mit Sarion passieren würde.“

„Und wie stellen sie diese Armee auf...Ah, hier steht es.“, äußerte sich Franziskus beim Stöbern. „Ein Virus, interessant.“

„Der Virus überträgt sich durch Körperflüssigkeiten. Wird ein Opfer von einer infizierten Person gebissen, verwandelt es sich ebenfalls.“, merkte sie an.

„Sie wollen also mein Volk gegen mein Volk einsetzten. Wollt ihr das damit sagen?“

„Es ist nur eine Vermutung.“, stellte Merle klar und gab sie schaudernd zu bedenken. „Den Angriff auf eine Herberge zum Beispiel haben sie mit bereits vorhandenen Kräften geführt.“

„Nein.“, wies der König den Einwand zurück. „Eine solche Truppenbewegung können meine Späher unmöglich übersehen. Außerdem legt der heutige Vorfall auf dem Marktplatz nahe, dass sie bereits in der Stadt sind. Wir müssen sie stoppen, bevor sie den Virus freisetzten. Gibt es eine Möglichkeit sie aufzuspüren? Ritter Shezar, ihr konntet es offenbar.“

„Es tut mir Leid, euch enttäuschen zu müssen, aber das Wissen über den Gezeichneten flog mir einfach so zu. Ich konnte es nicht kontrollieren.“, wandte Allen ein.

„Es flog euch zu?“

„Gedanken können auch bewusst in alle Richtungen ausgesendet werden. Es könnte sein, dass jemand ihn auf diese Weise auf den Boten aufmerksam gemacht hat.“, erklärte Merle und wandte sich an den Ritter. „Ich halte diesen Fall dennoch für unwahrscheinlich, da alle Umstehenden in der Lage wären zuzuhören, sofern sie den richtigen Sinn dafür besitzen. Daher hätte ich auch etwas mitbekommen müssen. Und ihr könnt mich noch immer nicht hören.“

„Das heißt, ihr wisst weder wie viele Gezeichnete sich in meiner Stadt befinden, noch wer sie sind.“, mischte sich der König ein. „Ritter Shezar, ihr wisst nicht, wer euch gewarnt hat und wie.“

„Ich kann sie spüren.“, offenbarte Merle. „Mit dem gleichen Sinn, mit dem ich auch Gedanken wahrnehmen kann.“

„Aber?“

„Der Gezeichnete auf dem Marktplatz hat mir gezeigt, wie unausgegoren mein Spürsinn ist. Ich konnte ihn zwar wahrnehmen, doch war alles, was ich von ihm hatte, eine Richtungsangabe. Die Entfernung hatte ich völlig falsch eingeschätzt.“

„Könnt ihr sie jetzt auch spüren?“

„Ich fühle ein halbes Dutzend Kontakte. Es könnten mehr sein, sofern sich mehrere an einem Ort befinden. Es könnten aber auch weniger Gezeichnete in der Stadt sein, da ich nicht weiß, wie weit sie entfernt sind.“

„Ihr wisst nicht, wie groß die Reichweite eures Sinnes ist.“, stellte Franziskus.

„Ich konnte es noch nie ausprobieren, euer Majestät.“, bestätigte Merle.

„Vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit.“, überlegte er laut. „Mein Ingenieure behaupten das Schiff, mit dem ihr gekommen seid, sei ein Produkt Zaibacher Technologie. Ist das wahr?“

„Ja, euer Majestät.“

„Kann es sich auch tarnen?“

„Ja.“

„Wäre es möglich, dass ihr mit dem getarnten Schiff über der Stadt kreist und ihr eure Position durchgebt, sobald ihr euch direkt über einem Versteck befindet? Ich schicke dann schwer gepanzerte Eingreiftruppen, die den entsprechenden Häuserblock sichern und die Bewohner in Ketten legen. Später könnt ich euch vom Nahen überzeugen, welcher der Gefangen ein Mitglied der Miliz ist.“

„Es wäre möglich, aber ihr werdet die Gezeichneten aufschrecken, sobald die Truppen anrücken. Sie werden ihre Pläne vorziehen und früher zuschlagen.“, wandte Merle ein.

„Ich werde die Ankünfte koordinieren und ihnen möglichst wenig Zeit dafür geben. Außerdem ist es besser, wir zwingen sie anzufangen, wenn sie noch nicht völlig vorbereitet sind, anstatt zu warten.“, erläuterte der König seine Strategie.

„Ich breche sofort auf. Allein!“, betonte Merle, während sie aufstand, mit einem Seitenblick auf Allen. „Sonst werden sie mich trotz der Tarnung aufspüren können.“ Der Ritter jedoch beachtete sie nicht und blickte stur geradeaus. „Allen, was ist los?“, fragte Merle besorgt. Es dauerte einen Augenblick, ehe reagierte. Schließlich sah er zu ihr auf. Sein verhärteter Gesichtsausdruck ließ sie frösteln.

„Es ist zu spät.“, sagte er nur.

Franziskus stutze und hakte nach: „Wofür ist es zu spät?“

Einer Panikattacke nahe rief Merle ihren Sinn für das Meer der Gedanken um sich herum an und sah ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.

„Sie...die Gezeichneten schwärmen aus! Es sind jetzt schon ein Dutzend.“, sagte sie, wobei sich ihre Stimme überschlug. Der König reagierte sofort und drückte einen Schalter.

„Führt die Notfallpläne für einen Seuchenbefall der Stadt aus!“, befahl er laut und deutlich. „Alle Wachen und die Armee sollen sich an den Absperrungen beteiligen. Keinem Bewohner ist es erlaubt näher als zehn Schritte an die Barrikaden heranzutreten. “

„Ich habe verstanden, euer Majestät.“, versicherte eine männliche Stimme, bevor sie zögernd fragte: „Handelt es sich um eine Übung?“

„Nein!“, dementierte der König. „Im Notfall ist der Einsatz von tödlicher Gewalt erlaubt. Gefallene werden sofort verbrannt, Personen mit offenen Wunden kommen in Quarantäne! Bereitet alles für eine Evakuierung der Bevölkerung vor!“

Nachdem er seine Anweisungen durchgegeben hatte, ging Franziskus zu einem Regal, holte ein großes Buch hervor, öffnete es und offenbarte so einen Stadtplan von Sarion mit markierten Bereichen, von denen die meisten in den zentralem Marktplatz mündeten.

„Die Seuche in Farnelia gab uns einen Anlass unsere Katastrophenschutzpläne zu erneuern. Im Falle einer Seuche werden die Viertel so von einander isoliert, dass sie entweder Zugang zum großen Marktplatz haben oder über eine eigene Fläche verfügen, auf der ein Schiff mittlerer Größe landen kann. Von diesen Plätzen aus, die gerade frei gemacht werden, wird die Bevölkerung versorgt. Meine Männer beschlagnahmen gerade alle Waren und Schiffe. Nützliche Waren werden auf Träger und größere Schiffe geladen, die uns somit als mobile Lager dienen. Die restlichen Schiffe werden zum Warentransport oder im Falle einer Evakuierung als Rettungsbote eingesetzt.“

„Wollen sie die Stadt tatsächlich evakuieren?“, fragte Merle voller Bewunderung für diesen mutigen Schritt.

„Nicht, solange noch Gezeichnete da draußen sind.“, entschied Sophias Vater. „Die Männer werden hirnlose Monster erkennen können, sobald ich meine Rede gehalten habe, aber diese Gezeichneten werden das Chaos nutzen und gezielt versuchen auf die Schiffe zu kommen, sei es um zu fliehen oder noch mehr Schaden anzurichten. Ich brauche jemanden, der sie erledigt, bevor ich mein Volk aus dem Kriegsgebiet holen kann.“

Jetzt erhob sich auch Allen und tastete, verdeckt von der Tischfläche, nach Merles Hand.

„Ihr könnt auf uns zählen, euer Majestät.“, verkündete sie entschlossen, während sie Allens Griff erwiderte.

„Ich unterstelle euch fünf Kommandos mit je sieben Personen.“, informierte der König sie. „Eines wird mit euch auf euren Schiff fliegen, die anderen haben eigene Schiffe.“

„Vielen Dank für euer Vertrauen.“, entgegnete Merle. „Wir brechen jetzt auf!“

„Einen Moment noch.“, bat Franziskus. „Ich habe eine letzte Frage.“

„Fragt!“, platzte ihre Ungeduld aus sie raus.

„Meine Tochter konnte die Bilder sehen, die der Gezeichnete ihr übermittelt hat, richtig? Heißt das, dass sie ebenfalls Gedanken wahrnehmen kann?“

„Das heißt es nicht, da Hautkontakt zwischen den beiden bestand. Jedoch hat sie schon einmal bewiesen, dass sie es kann. Sie ist sehr talentiert. Manch andere sind selbst nach wochenlangen Training nicht soweit.“

„Habt ihr sie unterrichtet?“, fragte der König sie weiter aus.

„Nein. Seine Majestät König Van und ich wollte sie nicht in die Sache mit den Gezeichneten mit hineinziehen.“, erklärte sie.

„Edel, aber unnötig.“, mahnte Franziskus. „Ihr haltet ihr Wissen vor, mit dessen Hilfe sie sich besser verteidigen könnte. Bringt ihr alles bei, was ihr wisst!

„Ihr verlangt von mir, dass ich eurer Tochter Fähigkeiten des Drachenvolkes vermittle.“

„Waren es diese Kräfte, die eurem Bruder und meinen Truppen bei der Schlacht von Zaibach geholfen haben die Stellung zu halten und jetzt mein Volk retten könnten?“

„Ja, aber...“

„Wenn sich die Gezeichneten als so gefährlich herausstellen, wie eure Information es erkennen lassen, dann habt ihr mit den Geschehnissen dieser Tage genug Beweise, um die Allianz zu überzeugen. Tut mir also bitte den Gefallen und haltet diese Informationen nicht länger zurück!“

Niedergeschmettert schluckte Merle ihre Rechtfertigung herunter, dass sie selbst erst wenige Monate über die Gefahr Bescheid wusste. Stattdessen versicherte sie: „Ich schwöre, dass ich euren Anliegen nachkommen werde, und bitte um Erlaubnis in den Kampf ziehen zu dürfen.“

„Mögen die Drachen euch beschützen!“, wünschte der König mit Blick auf Farnelias Kultur.



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