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Himmel und Erde

Schatten und Licht, Interlude 1
von

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Abschied

Merle und Allen waren an ihren Sitzen im Rasenden Falken gefesselt, während die Welt weit unter ihnen an den beiden vorbei raste. Seit dem Start, bei der Kommunikation zwischen Pilot und Kopilot unumgänglich war, hatten sie nicht mehr miteinander geredet. Bei Merle war es der drohende Abschied, der ihr die Kehle zu schnürte. Was es bei Allen das Sprachrohr verstopfte, traute sie sich nicht zu fragen. Selbst das Turnier, das bei ihrer Ankunft in Farnelia noch im vollem Gange sein sollte, könnte ihn nicht halten. Und sie war wieder allein.

Natürlich musste sie Sophia auf ihrer beschwerlichen Reise beistehen, die ihr bevorstand, und selbst wenn dies nicht der Fall wäre, hätte sie noch eifrige Kampfkunstschülerinnen, Untergebene und natürlich einen Bruder, der Zeit für sie finden würde, egal wie viel Arbeit auf ihn wartet. Doch irgendwie war dies nicht das gleiche. Keiner von ihnen vermochte die Leere im Innern zu füllen, die entstanden war, als König Van zum Mond der Illusionen aufgebrochen war, um Hitomi zurück zu bringen. Nicht einmal Van selbst.

Nur in Allens Gegenwart hatte sie bisher diese Leere vergessen können. Momentan jedoch zog dieses Loch an ihr mehr als je zuvor, obwohl er bei ihr war. Diese nervtötende Stille ist Schuld, entschied sie und suchte nach einer Möglichkeit, das Schweigen zu brechen. Der beste Weg wäre etwas zu sagen.

„Wir haben unsere Ausrüstung schon wieder verloren.“

Am Liebsten hätte sie ihren Kopf gegen die Armaturen geschlagen. So dämlich kann man ein Gespräch doch nicht anfangen.

„Ich hoffe, du hast nicht vor zurück zu fliegen und sie zu holen.“, erwiderte Allen mit kaum wahrnehmbaren Sarkasmus in der Stimme.

„In Farnelia wirst kaum eine Uniform der Himmelsritter finden. Wir werden eine kommen lassen müssen.“, erwiderte Merle in der Hoffnung die richtige Tür auf zu stoßen.

„Wegen einer solchen Nichtigkeit müsst ihr euch nicht...“, versicherte er erst lachend, doch es verging ihm, als ihr trauriges Gesicht sah. „Ich würde wirklich gern bleiben, Merle. Das musst du mir glauben.“

„Aber die Pflicht ruft, was?“, warf sie ihm entgegen.

„Ja, so in der Art.“, blockte er.

„Ist sie dir etwa wichtiger als ich?“

Daraufhin nahm seine Züge die gleiche Melancholie wie ihre an.

„Ja, ist sie. Du würdest Van auch nicht im Stich lassen.“, konterte er ruhig.

„Das ist was anderes! Er ist schließlich...“, begann sie, hielt dann aber inne. „Ich kann einfach nicht verstehen, wie man diesem Arschloch die Treue halten kann!“, versuchte sie es erneut.

„Solange auch nur ein Mensch in Astoria lebt, der mir viel bedeutet, werde ich dem Land und seinem König bei Seite stehen!“, verkündete Allen entschlossen und ließ so keinen Raum für weitere Diskussionen. „Was ist mit dir?“

„Was soll mit mir sein?“

„Nun, du hast mich gefragt, ob du eine passende Frau für mich wärst.“

„Eine Frage ist noch lange keine Angebot. Außerdem hast du selbst gerade gesagt, dass ich nie Van zurücklassen könnte.“, dementierte sie.

„Verstehe!“

„Und?“, erkundigte sich Merle schüchtern.

„Was und?“, erwiderte Allen irritiert.

„Du hast meine Frage noch immer nicht beantwortet.“

„Welche Frage?“

„Du weißt schon, die mit der Frau!“, erklärte sie ihm ungeduldig.

„Ach so, die Frage.“, wich Allen aus und musterte Merle nachdenklich. „Du bist es bereits.“, antwortete er dann. „Ich habe schon immer eigenwillige Frauen bevorzugt.“

„Das soll ich dir glauben?“, zweifelte sie. „Dabei sind es doch gerade die stillen, die auf dich fliegen. Du wanderst in den Träumen aller kleinen Mädchen, falls du es noch nicht gemerkt haben solltest. Jede selbstbewusste Frauen sollte dich allein deswegen schon verachten.“

„Hitomi ist doch auch selbstbewusst...Ganz nebenbei, sie hat kurzes Haar...Nie hatte sie Angst in die Bresche zu springen, und doch hat sie zuerst von mir geschwärmt.“, argumentierte Allen. „Milerna hat mich aus dem Gefängnis befreit, ist mir gegen meinen Willen nach Fraid gefolgt und hat mir damit das Leben gerettet. Und ihre große Schwester war ihr zum Verwechseln ähnlich. Obwohl sie verlobt war und am nächsten Tag abreisen sollte, haben wir...“

„Schon gut, ich hab es kapiert.“, unterbrach Merle ihn verärgert.

„Bitte verzeih mir, wenn ich alte Wunden aufgerissen habe. Aber du kannst mir glauben, wegen mir musst du dich nicht ändern.“, entschuldigte sich Allen für den Fehltritt.

„Ich glaube dir.“, meinte Merle ehrlich. „Auch wenn es wenig gibt, was man an mir mögen kann.“

„Bist du dir deiner Vorzüge wirklich nicht bewusst?“, wunderte sich Allen. „Bislang habe ich dich für selbstbewusst gehalten.“

„Vielleicht will ich sie von dir hören.“, entgegnete Merle scheu lächelnd.

„Ich hoffe, du hast viel Zeit.“, erwiderte Allen mit gespielten Ernst.

„Im Moment ja.“

„Gut! Ich mag es, dass du von mir lernen willst und du mir so viel beibringst. Es fasziniert mich und kratzt nur ein bisschen an meiner Würde, dass du kleiner und gleichzeitig stärker bist als ich, und beides ohne Zögern ausnutzt. In einem Augenblick bist du sanft, in dem anderen brutal, beides bist du nie ohne Grund. Manchmal hast du Angst, doch nie fehlt dir der Mut sich ihr zu stellen. Deine Art unterscheidet sich von Menschen und ist ihr dabei so ähnlich. Außerdem bist du genauso eigenständig und anhänglich wie eine Katze, und mindestens so treu. Du bist ohne Eltern aufgewachsen und sorgst dich um Waisen wie eine Mutter um ihr Kind.“

„Wann ist dir das denn aufgefallen?“, fragte Merle verblüfft.

„Unterbreche mich bitte nicht. Du gehst deinen eigenen Weg und nimmst dabei immer wieder Verpflichtungen auf dich. Dein Würde ist unantastbar und doch bist du dir nicht zu schade, dich zu bücken. In Kleidern siehst du zwar schon wunderhübsch aus, aber in Hosen bist du atemberaubend. Du möchtest als Frau anerkannt werden und sehnst dich trotzdem nach Zuwendung wie eine kleines Mädchen.“

„Schon gut, Allen. Es reicht.“

„Ich weiß jeden Abend mehr über dich und habe jeden Morgen doppelt so viele Fragen, die ich dir gerne stellen würde.“

„Es reicht wirklich, Allen!“, forderte sie mit mehr Nachdruck.

„Ich liebe jeden einzelnen Widerspruch an dir, denn dank ihnen lerne ich dich jeden Tag neu kennen.“, schloss er mit einem strahlendem Lächeln.

„Es reicht.“, wiederholte Merle verlegen. „Weißt du eigentlich, was für ein Glück du hast, dass ich jetzt nicht über dich herfallen kann.“

„Ich weiß.“
 

„Gib König Van doch bitte schon einen genauen Bericht dessen, was du gesehen hast. Ich spreche derweil mit Sophia unter vier Augen.“

Mit diesen Worten verschwand Merle mit der Prinzessin aus Chuzario, der man ansah, dass sie Böses ahnte, in Richtung ihrer Gemächer. Allen entsprach ihren Wunsch und erzählte dem König von Farnelia fast zwei Stunden lang alles, woran er sich erinnerte. Eine weitere Stunde wartete er vor Merles verschlossener Tür, um sich von ihr zu verabschieden. Die Katzenpranke stand bereit, ihn nach Palas zu fliegen, aber ohne einen Abschied, der der Zeit würdig war, die sie miteinander verbracht hatten, wollte er nicht gehen.

Urplötzlich kam Merle aus ihren Gemächern gestürmt und zog dabei die vollkommen aufgelöste Sophia hinter sich her. Ihre Augen waren gerötet und auf ihren Wangen waren Spuren getrockneter Tränen zu sehen.

„Mitkommen!“

„Merle, was soll das? Was hast du...“

„Sofort!“, befahl sie störrisch, packte ihn am Kragen und schleifte beide zur Trainingshalle. Dort angekommen ließ sie Allen los, drückte Sophia ein scharfes Schwert in Hand und stellte sich im Zentrum der Halle ihr gegenüber. Allen glaubte, sich nicht im Entferntesten vorstellen zu können, was Sophia für Ängste durchstand, als die Katzenfrau ihre Dolche zog, die schon im Blut hunderter getränkt worden waren, im Moment aber vor Reinlichkeit blitzten. Noch!

„Was wirst du tun?“, stellte Merle die verschreckte Prinzessin zur Rede. „Dies ist ein echter Kampf! Mit tödlichen Waffen! Stellst du dich mir, überlebst du vielleicht aus eigener Kraft. Läufst du weg, liegt dein Leben in meiner Hand. Also! Wofür entscheidest du dich?“

Erst schluckte Sophia, doch dann erhob sie ihr Klinge und war bereit zum Kampf. Merle ließ ihr keine Zeit, es ihr anders zu überlegen. Ohne Rücksicht schlug sie ihren rechten Dolch gegen Sophias Klinge. Diese hielt dem Schlag stand und parierte auch den anschließenden Stich der linken Klingen. Plötzlich jedoch war Merles Gesicht vor ihrem und deren Knie drosch auf ihren Magen ein. Keuchend fiel Sophia auf ihre Knie und umklammerte krampfhaft ihren Bauch. Verächtlich schnaubend ging Merle ein paar Schritte zurück.

„Steh auf! Oder willst du deinem Vater Gesellschaft leisten?“, provozierte sie.

„Er ist nicht tot!“, schrie Sophia, rappelte sich auf und schwang ihr Schwert wutentbrannt über ihren Kopf auf ihre Gegnerin zu. Ehe die Klinge auch nur in die Nähe ihres Ziels kam, schickte Merle sie mit einem Tritt auf die gleiche Stelle erneut zu Boden.

„Beweis es!“

„Hör auf, Merle! Du bringst sie um.“, versuchte Allen sie aufzuhalten.

„Schön, dass du meine Absicht verstanden hast.“, freute sich Merle gehässig. „Das junge Fräulein hingegen scheint schwer von Begriff zu sein.“

„Sie ist noch nicht soweit!“, argumentierte Allen. „Du selbst hast diese Prüfung erst heute Mittag abgelegt.“

„Und? Nicht jeder von uns hat den Luxus der Zeit. Wenn sie es jetzt nicht lernt, ist es für sie zu spät. Dann kann sie sich ihr Königreich an den Nagel hängen.“, konterte sie.

„Und das nur mit meiner Hilfe!“, fuhr er unbeirrt fort.

„Ah, das Stichwort!“, feierte sie. „Dann hilf ihr doch. Ich warte!“´, forderte sie ihn auf und nahm von den beiden gebührenden Abstand. Schnell, ehe sie es sich anders überlegt, hetzte Allen sich und lief auf die sich krümmende Sophia zu. Im Eifer des Gefechts richtete er sie unsanft auf und sah ihr streng in die Augen.

„Wir können es schaffen!“, trieb er er sie an. „Ich werde eine Lücke aufbrechen und du wirst sie ausnutzen.“

Da sie nickte, war Sophia scheinbar noch klar genug im Kopf um ihn zu verstehen. Allen hoffte inständig, dass ihre geistige und körperliche Kraft für den Kampf noch reichen würden. Begleitet von dem üblichen, klaren Klang zog er sein Schwert aus der Schneide. Auch Sophia machte sich bereit.

„Ich werde mich nicht zurückhalten!“, warnte er, woraufhin Merle ihre Dolche nach vorne streckte und grinsend erwiderte: „Gut, so hab ich es gern.“

Allen griff an, mit ganzer Kraft. Mit kurzen, schnellen Hieben, versuchte er sie in die Defensive zu drängen. Überrascht stellte Merle fest, dass er ihre Dolche tatsächlich unter Kontrolle hatte. Diese waren aber nicht ihre einzige Waffen. Unbarmherzig schmetterte sie den Spann ihres linken Fußes in seine Rippen. Allen, der waffenlosen Kampf dieser Art nicht gewohnt war, wurde von der Attacke vollkommen überrascht.

Stöhnend sackte er zusammen. Sie hält ebenfalls nichts zurück, dachte er und tastete seine rechte Seite ab. Mindestens eine Rippe ist gebrochen, vermutete er. Als er wieder seinen Blick auf Merle richtete, stellte er erstaunt fest, dass Sophia sie in ihrer Gewalt hatte. Die Prinzessin hatte den Kampf verfolgt und sich hinter der erfahrenen Kriegerin angeschlichen. Nun bedrohte sie mit dem Schwert die Kehle der Prinzessin von Farnelia.

„Gib auf!“, zischte Sophia.

„Ist das alles?“, erwiderte Merle trocken. Mit einer Klinge drückte sie das Schwert weg, die andere ließ den Dolchen in sicherer Entfernung fallen und langte über ihren eigenen Kopf hinweg in den Nacken ihrer Gegnerin. Mit Schwung aus Beinen und Hüfte schleuderte sie das verdatterte Mädchen über sich hinweg auf den Boden. Brachial schlug Sophia auf den harten Boden auf.

„Sagte ich nicht, das hier wäre ein echter Kampf? Du hättest mich gleich töten sollen.“, riet ihr Merle schadenfroh und setzte ihren Dolch an Sophias Hals. „Anfängerpech!“

Mit einem wilden Brüllen zog Allen ihre Aufmerksamkeit auf sich und zwang daraufhin mit einem mächtigen Hieb zur Blockade. Merle war gezwungen einen Schritt zurück zu weichen, doch sie konnte es nicht. Der Länge nach flog sie auf ihren Rücken. Überrascht realisierte sie, dass Sophia sie an ihren Fußgelenken gepackt hatte. Ehe sie diesen Gedanken zu Ende gebracht hatte, kreuzten beide Schwertkämpfer die Klingen über ihrem Hals.

„Noch bin ich nicht tot!“, lächelte sie, woraufhin Allen einen Strich mit seiner Klingenspitze dicht über ihre Kehle zog. „Jetzt bin ich tot.“

„Dieser Kampf war unverantwortlich!“, warf er ihr vor, während er ihr aufhalf und Sophia ein paar Schritte zurück torkelte. Schwer atmend stützte sie sich auf ihr Schwert.

„Steh aufrecht!“, mahnte Merle sie. „Deine Pose passt nicht zu einem Sieger.“

„Ich hab es nur dank Allen geschafft.“, widersprach Sophia und richtete sich auf. „Das war kein richtiger Sieg.“

„Du bist am Leben.“, stellte Merle nüchtern fest. „Es ist keine Schande Hilfe anzunehmen. Glaubst du, ein junges Mädchen hätte ohne Hilfe eine königliche Leibwache anführen können? Von wegen! Anfangs konnte ich mich kaum als Kommandantin schimpfen. Die paar Männer, die mir angeblich unterstellt waren, folgten den Befehlen von Gesgan. Ich hab eigentlich nur die Marschrichtung vorgegeben und er hat sie umgesetzt. Es hat Jahre gedauert, bis ich meinen ersten Einsatz leiten durfte und selbst dann war er noch im Hintergrund um meine Fehltritte auszubügeln. Ohne ihn hätte ich nicht lange genug gelebt, um aus der Leibwache austreten zu können. Und er ist nur einer von vielen, denen ich mein Wissen und mein Können zu verdanken habe.“ Einladend hielt Merle Sophia ihre Hand entgegen. „Lass mich dir helfen, den Thron zu erobern. Und sei es auch nur, indem ich dir die Attentäter vom Hals halte.“

„Was, wenn mein Vater noch lebt?“

„Dann kannst du ihm den Thron zurückgeben oder es lassen.“, meinte Merle. „Es ist deine Entscheidung.“

„Ich nehme an!“, verkündete Sophia entschlossen.

„Ist das das Mittel, mit dem sie ihr Schicksal selbst bestimmen kann. Hilfe?“, fragte Allen dazwischen.

„Natürlich.“, antworte Merle. „Oder kennst du ein besseres?“

„Nein.“, gab er zu. „Ich wünsche den Damen alles Gute auf ihrer Reise.“, verabschiedete er sich. Während der Verbeugung jedoch verzog sich in einem kurzen Moment sein Gesicht.

„Du gehst nicht eher, ehe dich ein Arzt untersucht und für Reise tauglich erklärt hat.“, befahl Merle. „Bevor nicht die Erlaubnis vorliegt und du dich richtig bei Verabschiedest hast, fliegt die Katzenpranke nirgendwo hin.“

Allen schmunzelte unauffällig bei dem Wort Richtig.

„Wie ihr wünscht euer Hoheit.“

„Komm, Sophie. Wir haben viel mit Van zu besprechen, ehe wir aufbrechen können.“



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