Zum Inhalt der Seite

Quicksand

(~ GaaraXYuka~)
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Wie man ein Leben rettet

Ab diesem Tag war ich vollständig in Suna-Gakure angekommen. Ich stürzte mich voller Elan in mein Training und den schweren Kampf um Anerkennung in diesem verschrobenen Dorf. Meine Tage waren hoffnungslos verplant und ich nutzte jede freie Sekunde, um an meinem unausgesprochenen Projekt zu arbeiten. Bestand es darin, beim Training um Extra-Tipps zu bitten, einem feuerroten Haarschopf durch die verstaubten Straßen nachzulaufen oder sämtliche Abende auf jenem schicksalhaften Häuserdach zu verbringen – Gaara bekam die geballte Kraft einer glühend entschlossenen Ashihira zu spüren. Jede Naturkatastrophe war eine Lappalie dagegen.

„Yuka Ashihira?“

„Anwesend!“, trompetete ich dem Jonin entgegen.

Schulterzuckend trug er das letzte Kreuz auf seiner Liste ein, dann ließ er seinen Blick über die säuberlich vor ihm aufgereihte Gruppe an Prüflingen schweifen. Inwiefern auch immer die anderen mehr von dem Ablauf der bevorstehenden Genin-Prüfung wussten – es musste irgendwo zwischen Kreuzigung bei lebendigem Leib und Abziehen der Fingernägel liegen – wirkten sie auf mich alles andere als motiviert. Mit gesenkten Köpfen folgten sie dem Prüfer in das Hauptgebäude der öffentlichen Akademie.

„Ihr werdet nun in Vierergruppen geprüft“, erklärte der Jonin. „Jede Gruppe begibt sich in einen separaten Raum, wo die Prüfung vonstatten geht.“

Es war nicht mal der Ansatz eines autoritären Tonfalls nötig. Stoisch gehorsam folgte ein junger Suna-Nin nach dem anderen der Einteilung. In Gedanken hatte ich die Meute bereits als rückgratlose Streber abgestempelt – Wie sollten solche Marionetten auch je vernünftige Ninjas darstellen? – als mich ausgerechnet bei meiner eigenen Einteilung eine Überraschung ereilte.

Ein Junge mit strähnigen, schwarzen Haaren rümpfte hörbar die Nase, als sein Name offenbar zusammen mit meinem verlesen wurde.

„Sensei, ich bitte um eine andere Gruppe“, sagte er betont ruhig, doch die verhaltene Abscheu war unüberhörbar.

Der Jonin wirkte nicht im Mindesten überrascht, er machte sich nicht einmal die Mühe, von seinen Notizen aufzublicken.

„Mit welcher Begründung?“

„Kein Mensch kann von mir verlangen, mich der Schülerin unseres Monsters auszusetzen.“

Die Worte waren wie ein Funke auf Benzin, unausweichlich in ihrem Hass sowohl gegenüber mir selbst als auch meinem Sensei.

Ruckartig schob ich mich aus der akkuraten Reihe und suchte die Gesichter nach dem des Jungen ab. Seine Miene verkörperte all das, was der Großteil der Bevölkerung mir seit meiner Ankunft entgegenbrachte: Ablehnung und eine gewisse Furcht.

„Kein Mensch verlangt von jemandem, Ninja zu werden, wenn er Angst vor einem dreizehnjährigen Mädchen hat“, giftete ich.

„Ashihira, zurück in die Reihe.“ Noch immer strotzte der Prüfer vor Gleichmut.

Ich hob das Kinn und trat noch einen Schritt nach vorn. Rebellion ließ meine Brust anschwellen.

„Ich bin hier, um Genin zu werden, kein Schoßhündchen.“ Unzählige wüste Beschimpfungen lagen mir auf der Zunge, doch ich entschied für das einzig Sinnvolle.

Ohne den Schwarzhaarigen eines weiteren Blickes zu würdigen, ging ich zu dem Raum, der mir zugeteilt worden war. Meine festen Schritte hallten ausgesprochen laut auf dem Parkettboden wider, darum bemerkte ich erst an der Tür des Prüfungsraums, dass mir tatsächlich ein einziger der zugeteilten Prüflinge gefolgt war. Ein schlaksiger Junge mit wirrem, kupferfarbenem Haar stand zwei Meter hinter mir und senkte den Kopf, als ich ihn bemerkte.

Hauptsächlich aus Gewohnheit stemmte ich die Hände in die Hüften.

„Du bist dir ganz sicher, dass du da wieder lebend mit mir zusammen rauskommen wirst?“

„Ich bin mir sicher, dass jeder, der diesem Arsch da drinnen die Stirn bieten kann, kein schlechter Mensch ist.“

Erst jetzt sah er mich an und zeigte ein vorsichtiges Lächeln, bei dem sich süße Grübchen an seinen Wangen bildeten. Langsam trat er neben mich und ich musste feststellen, dass er mich trotz seines kindlichen Aussehens ein gutes Stück überragte.

„Ren. Sohn des Bäckers“, stellte er sich vor, noch immer lächelnd.

Auch ich konnte mir ein Lächeln nicht mehr verkneifen, als ich nun neben dem Rotschopf ins Zimmer trat. Es war eben genau, wie Kaito es gesagt hatte: Die Bürger waren zwiegespalten. Und die einzige Möglichkeit, sie von der Ungefährlichkeit meiner Existenz zu überzeugen, war, schlicht ich selbst zu sein.

„Yuka. Schülerin des dorfeigenen Monsters“, grinste ich also wahrheitsgemäß.

Der Prüfer im Innern des Raumes war weniger angetan von meinem Auftritt, den er offenbar mitbekommen hatte. Ich hatte gedacht, Baki hielte den Weltrekord darin, einem Schüler mit einem einzigen Blick Minderwertigkeitskomplexe zu erteilen, doch da hatte ich weit gefehlt.

„Beide ein Wasser-Jutsu vorführen“, kommandierte der bärtige Ninja im Telegrammstil; seine dunklen Augen waren einzig und allein auf mich fixiert. Und zwar mit einem Blick, der mir unmissverständlich klarmachte, dass er mit Freuden jeden noch so kleinen Fehler meinerseits als Anlass nehmen würde, mich gnadenlos durchfallen zu lassen. Ich begann zu verstehen, weshalb die anderen Prüflinge sich wie Marionetten verhielten.

Mein Element war das Feuer und ein geübter Shinobi erkannte das auf den ersten Blick. Dieser Befehl zeugte demnach von großartiger Fairness.

Doch dem Rübezahl-Verschnitt schien nicht klar zu sein, was es bedeutete, einen perfektionistischen Sadisten zum Sensei zu haben. Lieber hätte er mich kollabiert auf dem Trainingsplatz gesehen, als mir nicht jede einzelne Kategorie der Jutsus zumindest ansatzweise angeeignet zu haben.

Ich trat also nach vorn und schenkte dem Prüfer ein selbstgefälliges Lächeln.

„Wasserversteck: Jutsu des Wassergefängnisses!“

Natürlich kostete es mich immer wieder aufs Neue wahnsinnige Anstrengung, mein Chakra zu konzentrieren. Es war schwerer in Form zu halten als das eines gewöhnlichen Ninjas und gänzlich auf Feuer spezialisiert. Vergleichbar mit flüssiger Sahne, die zunächst mit großem Kraftaufwand fest geschlagen werden musste, ehe man etwas mit ihr anfangen konnte.

Doch heute ließ ich mir die Anstrengung nicht anmerken; mit zusammengebissenen Zähnen formte ich meine Fingerzeichen, bis die Wassermassen auf den Prüfer zuschossen. Binnen Sekunden war er in einem Kokon aus Wasser gefangen.

Ich spürte Rens anerkennenden Blick ebenso deutlich auf mir, wie ich die verstimmte Falte auf der Stirn des Prüfers wahrnahm. Mit einem steifen Nicken gab er mir zu verstehen, dass ich das Jutsu lösen konnte.

Breit grinsend löste ich das Fingerzeichen und ließ die Wassermassen, die den Prüfer zuvor in einem Vakuum gefangen gehalten hatten, achtlos herunterprasseln. Er wurde so furchtbar nass, dass ihm sowohl der lange Bart, als auch die buschigen Augenbrauen triefend herabhingen – diesen Anblick hatte ich mir einfach nicht entgehen lassen können.

Der Rest der Prüfung war einfach: Umgehen mit einer Waffe, ein Verwandlungsjutsu und einige theoretische Fragen. Sowohl ich als auch der schlaksige Ren kamen keine Sekunde ins Straucheln, genau wie es sein sollte.

Als der mittlerweile fast wieder getrocknete Rübezahl-Verschnitt die Testreihe schließlich beendet hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als uns die Stirnbänder des Windreichs zu überreichen.

Ich machte mir nicht mal die Mühe, auf seine nicht ernst gemeinten Glückwünsche zu warten, sondern verließ sofort die Akademie. Diesmal war es unbändiger Stolz, der mich mit hoch erhobenem Kopf und weit ausholenden Schritten durch das Gebäude stolzieren ließ. Ich hatte das Stirnband bereits an meiner Kunai-Tasche befestigt und genoss es jedes Mal aufs Neue, wenn der Stoff sacht gegen meinen Oberschenkel schlug. Nun war es geschafft, ich war offiziell und unwiderruflich ein Teil dieses Landes.

Entgegen meiner Erwartung musste ich nicht einmal bis nach Hause laufen, um mit meinem ungeheuren Erfolg zu prahlen. Direkt vor der Akademie hatten sich alle Senseis der Prüflinge aufgebaut und – womit ich niemals im Leben gerechnet hätte – auch mein eigener Ausbilder stand dort. Er hatte sich mit verschränkten Armen und betont gelangweiltem Gesichtsausdruck unter einem knorrigen Baum platziert, wo er gemeinsam mit Kankuro und sogar Temari auf mich wartete.

Einen irrationalen Moment lang wollte ich losrennen und ihm um den Hals fallen, doch ich entsann mich gerade noch rechtzeitig, dass dies meinen Erfolg eher zunichte gemacht als weiter beflügelt hätte.

Lächelnd blieb ich vor den dreien stehen und bewegte mit einer gewollt übertriebenen Pose meine rechte Hüfte mit dem Stirnband nach vorn. Mein Blick war Beifall heischend auf Gaara fixiert, darum überraschte es mich umso mehr, dass es ausgerechnet Temari war, die als Erste sprach.

„Na, das nenne ich mal eine Leistung, sich durch die Prüfung zu mogeln, wenn sämtliche Jonin vor Empörung schier an die Decke gehen!“, sagte sie mit unverkennbar schwarzem Humor. „Bis hier draußen hat man gehört, wie die halbe Akademie sich über dich aufgeregt hat.“

Ich wandte mich verwirrt zur Seite und versuchte aus ihrem harten Gesicht herauszulesen, ob das eine Abwandlung ihrer für mich so alltäglichen Ablehnung war. Doch seltsamerweise lag ein Lächeln auf ihren strengen Lippen.

„Bisher hat noch nie jemand bestanden, der es sich in irgendeiner Weise mit dem Prüfer verscherzt hat. Damit hast du Geschichte geschrieben“, erklärte sie, um mir auf die Sprünge zu helfen.

Endlich begriff ich. Mit dieser verrückten Aktion hatte ich mir ihren Respekt erkämpft; eigentlich nicht weiter verwunderlich in Anbetracht ihrer burschikosen Kämpferhaltung.

Auch Kankuro warf mir ein schiefes Grinsen zu. „Ich bin ja mal gespannt, was Vater für ein Gesicht macht, wenn er davon erfährt.“

„Er wird schon warten. Gehen wir.“

Verwirrt schossen meine Augen zu Gaara, der nach diesen nüchternen Worten übergangslos den Heimweg einschlug. Mit ein paar schnellen Schritten hatte ich ihn eingeholt und lief rückwärts vor ihm her.

„Punkt 26: Glückwünsche sind nach mittelamerikanischer Höflichkeit ein Muss“, erklärte ich halb tadelnd, halb amüsiert. Nicht, dass ich meine Liste tatsächlich auswendig gelernt hätte, ich sagte einfach die erste Zahl, die mir in den Sinn kam.

Er machte Anstalten, sich abzuwenden, doch sein Interesse war sofort geweckt, als Ren angerannt kam.

„Yuka! Hey, Yuka, warte mal!“, rief er, atemlos von seinem schnellen Tempo.

Ich blieb stehen und war überrascht, als sowohl Temari und Kankuro als auch Gaara meinem Beispiel folgten.

„Ren! Was gibt’s denn?“

Er verharrte einen guten Meter von unserer Gruppe entfernt und mir war durchaus klar, wieso er das tat. Es sprang einem an die Kehle, wie abschätzend das Geschwisterpaar den schlaksigen Genin, der so gar nicht das Aussehen eines Ninjas hatte, musterte. Gaaras Gesichtszüge waren gefroren und ich bildete mir ein, sogar ein dunkles Grollen aus seiner Kehle zu hören.

Dennoch bemühte sich Ren um einen lockeren Tonfall. „Ich wollte dich nur noch mal beglückwünschen. War klasse, die Prüfung mit dir zusammen zu machen. Wenn du willst, kannst du mich ja mal in der Bäckerei meines Vaters besuchen kommen. Wir könnten zusammen…“

Noch bevor Gaaras Stimme sich wie ein donnerndes Gewitter über dem armen Ren entlud, wusste ich, dass dies das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.

„Verschwinde und lass dich nie wieder blicken.“

Ren hatte das Monster Sunas zum ersten Mal in Aktion erlebt. Jegliche Farbe entwich seinem sanften Gesicht und ich konnte förmlich zusehen, wie sein Sympathikus auf Hochtouren Stresshormone produzierte, um ihm die Flucht zu erleichtern. Hätte ich nicht eingegriffen, wäre er sicher einem Kreislaufkollaps erlegen.

„Entschuldige bitte, wir haben es eilig“, erklärte ich betont freundlich. „Ich melde mich bei dir, versprochen!“ Und das meinte ich absolut ernst.

Nun war ich es, der Gaaras urböser Blick galt, doch ich ignorierte es, indem ich mich rasch in Bewegung setzte. Auch seine Geschwister bemühten sich, ihn zum mitgehen zu bewegen. So gelang es uns, Gaara nach Hause zu bugsieren. Die Audienz bei seinem Vater würde ihn hoffentlich von seinen neuesten Mordgedanken ablenken.

Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, zeigte der Kazekage sich alles andere als erfreut von meinem Besuch. Unter den Dorfbewohnern hatte er keinen schlechten Ruf und ich hegte keinerlei Zweifel, dass er mit seinem fein geschnittenen Gesicht – ähnlich wie das Gaaras – und den haselnussfarbenen Augen durchaus sympathisch wirken konnte. Doch in meiner Anwesenheit verformte sich all dies zu einer Maske des Hasses. Ich war der Beweis für seine Fehlbarkeit, dass es Dinge gab, in denen er sich irrte.

„Guten Tag, Vater.“ Kankuro war vergeblich darum bemüht, mit einem besonders hochachtungsvollen Tonfall die Stimmung zu lockern.

Der Kazekage legte seine Schreibfeder beiseite und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er erinnerte mich an ein Raubtier in Anbetracht einer sicheren Beute, die es zu zerfleischen galt.

Genugtuung ließ mich mindestens fünf Zentimeter wachsen, als ich mich vor dem Schreibtisch aufbaute. Ich wünschte mir Leuchtreklametafeln herbei, um das Stirnband an meiner Hüfte hervorzuheben. Langsam, jede einzelne Sekunde auskostend, beugte ich mich zu ihm hinüber und setzte mein gönnerischstes Lächeln auf.

„Be-stan-den.“ Ich zog das Wort absichtlich in die Länge und ließ jede Silbe genießerisch über meine Lippen kommen. Damit hätte er niemals gerechnet. Sieg auf ganzer Linie!

„Dann macht euch bereit. Ihr brecht noch heute auf eine Mission auf.“

Ich wünschte ihm abwechselnd Pest und Cholera an den Hals. Oder beides zusammen mit einer Prise AIDS und Krebs an sämtlichen Organen. Er fuhr fort, mich anzustarren, als wäre ich noch immer nicht in der Lage, ein einziges Kunai zu halten. Und er übertraf sich noch selbst.

„Eine Mission der Klasse B. Seht zu, dass ihr lebend wiederkommt.“ Letzteres sagte er ausschließlich an die Geschwister hinter mir gewandt. Das war also die höfliche Umschreibung für ein Todesurteil meiner Wenigkeit, denn eine solche Mission war für jeden frischgebackenen Genin schlichtweg unmöglich.

Mit meinem vollen Körpergewicht ließ ich mich auf den Schreibtisch fallen, der sicherlich den Jahreslohn eines normalen Bürgers gekostet hatte. Nicht einmal Blumenvasen durften dieses sensible Heiligtum gefährden. Ich winkelte ein Bein an und lehnte mich in sein Sichtfeld.

„Aber sicher doch, Kazekage-sama.“ Abgrundtiefe Gefühle färbten meine Stimme. „Ich werde alles zu Eurer Zufriedenheit erledigen. Wie könnte ich je meinen großzügigen Ernährer enttäuschen.“

Was ich nun tat, hätte bei jedem gewöhnlichen Shinobi zur sofortigen Exekution geführt. Betont beiläufig stieß ich das Tintenfass um, sodass die dunkle Flüssigkeit sich sowohl über die Dokumente als auch den Schreibtisch ergoss. Anschließend stand ich schwungvoll auf und trat zwei faustgroße Dellen in das feine Holz.

Aus seinen haselnussfarbenen Augen konnte ich deutlich herauslesen, wie er die Palette aller verfügbaren Foltermethoden durchging. Ich drehte mich um und lief übertrieben langsam zur Tür. Aus den Haltungen Temaris und Kankuros sprach eine Mischung aus Angst und Anerkennung. Einmal mehr wurde mir klar, was es bedeutete, sich in diesem Land Respekt zu erkämpfen. Bring dich in Lebensgefahr, lass Unverschämtheit und die Fäuste sprechen – schon bist du im Verein.

„Auf ein baldiges Wiedersehen.“

Kommentarlos folgten mir die drei aus dem Büro eines mordlüsternen Kazekage.
 

„Ich schwöre: In vierzehn Jahren habe ich meinen Vater noch nie so gesehen!“

„Ausgerechnet der heilige Schreibtisch! Das Holz dafür musste aus Konoha-Gakure importiert werden und die Handwerker saßen Wochen an der Fertigstellung!“

Ich warf den beiden Geschwistern, die sich seit dem Anbruch unserer Reise gegenseitig in der Analyse meiner Racheaktion übertrafen, ein schiefes Grinsen zu.

„Wird mir viel bringen, wenn er mich dafür umbringen lässt“, sagte ich; immerhin hatte ich meinen Galgenhumor nicht verloren.

Zum ersten Mal machte sich Gaara mit einem abfälligen Schnauben bemerkbar. Seit wir zu unserer Mission aufgebrochen waren, hielt er sich von uns abgesondert und hüllte sich in Schweigen. Und auch jetzt verlor er kein einziges Wort, doch dieses eine Geräusch hatte mehr als genug gesagt.

Kankuros Lächeln wurde noch breiter, während ich schluckte und an meinem Stirnband herumzuspielen begann.

Es war unnötig auszusprechen, dass Gaara nicht zulassen würde, dass mir irgendjemand etwas antat. Wahrscheinlich hatte ich nur derart gedankenlos gehandelt, weil ich mir dessen bewusst gewesen war.

Ich verfiel in nachdenkliches Schweigen und musterte Gaara, der uns einige Schritte voraus war. Meine Gefühle für ihn waren andere als damals für Matt, doch auf erschreckende Weise ähnelten sie ihnen doch. Dabei hätten zwei Menschen wohl kaum verschiedener sein können. Doch was spielte das nun noch für eine Rolle?

Mit einigen raschen Schritten war ich neben ihm und blickte lächelnd zu seinem Gesicht auf.

„Wie war doch gleich die Beschreibung für die Mission?“, fragte ich unschuldig. Ich beherrschte es mittlerweile meisterhaft, ihn mit geschickten Gesprächsaufhängern zum Reden zu bringen, so ungern er es auch tat.

„Feindliche Spione in einem Wüstenversteck. Mitglieder einer Karawane, die seit Ewigkeiten bessere Handlungsbedingungen erpressen wollen. Wir lassen sie hochgehen.“

„Und was ist mein Part bei der Sache?“

„Außerhalb ihrer Reichweite zu bleiben.“

„Hä?“ Meine Stimme schnellte bei dieser offensichtlichen Frechheit eine Oktave in die Höhe.

Für den Bruchteil einer Sekunde warf er mir einen düsteren Blick zu, wie er es lediglich als mein Sensei tat.

„Ich dachte, du hattest vor, den heutigen Tag zu überleben.“ Damit war die Diskussion für ihn beendet.

Freude über seinen Beschützerinstinkt und trotziger Stolz hielten sich in meinem Innern die Waage, doch für mich stand fest, wie ich mich bei dieser ersten Mission verhalten würde. Ich war nie Vertreterin eines konservativen Frauenbildes gewesen, erst recht nicht in einer Welt der Ninjas. Nein, ich war … starrköpfig und unvorstellbar dumm in meinem Bestreben, mein Bestes zu geben und ihn damit eventuell sogar zu beeindrucken.

Sobald die halb unter einer Düne versteckte Höhle am Horizont erschien, spannten sich meine Muskeln an und ich ging in Gedanken mein Repertoire an Waffen durch. Der Höhleneingang war durch einige Felsen teils verdeckt und von Kreosotbüschen gesäumt. Das war ein eindeutiger Beweis – an den Shinobi, die von den Spionen erledigt worden waren, hatte man Nadeln genau dieser Büsche gefunden, die in der Wüste außerordentlich rar vorkamen.

„Es werden nicht viele Gegner sein, also ist keine Strategie nötig. Kankuro und Temari gehen auf zweite Position hinter mich, dann greifen wir direkt an.“ Gaara war anzumerken, dass er es gewohnt war, die Befehle zu erteilen.

Obwohl ich an einem leichten Zucken in Kankuros Gesicht erkennen konnte, dass er zu einem weniger riskanten Plan tendiert hätte, wagte er es nicht, Einspruch zu erheben.

Gaara öffnete seine Kürbisflasche und nahm die Höhle ins Visier, dann rannte er in großen Sätzen darauf zu. Seine Geschwister folgten ihm auf dem Fuß – ein eingespieltes Team.

Für meine Begriffe waren wir schnell, doch offenbar nicht schnell genug, um einen Überraschungseffekt nutzen zu können. Wir waren nicht mal auf hundert Meter an das Versteck herangekommen, da brach die Hölle auf uns herein. Mehrere Dutzend Briefbomben, befestigt an Wurfmessern, schossen durch die Luft, dicht gefolgt von mehreren Personen in weiten, fließenden Gewändern. Hätte Gaara die Waffen nicht mit seinem Sandschild abgefangen, wäre ich zu starr vor Schock gewesen, um einer einzigen auszuweichen.

Alles ging viel zu schnell für mich: Gaara nagelte einen der Gegner an dem Felsen fest, ehe er sich einer schlanken Frau mit mehreren Schwertern zuwandte. Temari hatte ihren riesigen Fächer gezückt und lieferte sich mit einem Jungen, kaum dem Kindesalter entwachsen, ein Duell der Winde. Kankuro ließ seine Marionette auf einen wild mit Fernwaffen um sich werfenden Mann los. Von einem Wimpernschlag auf den anderen glühte die Luft vor Gewalt.

Und ich war mittendrin: Ein drahtiger Kerl mit mehreren Wurfmessern in der Hand hatte sich direkt auf mich gestürzt und ließ mir keine Zeit zu zögern. Mit einem Aufschrei warf ich mich zur Seite und tastete nach meiner Waffentasche. Hundertmal hatte ich im Training mit einem Kunai gekämpft, doch das hier war etwas völlig anderes. Meine Finger zitterten so sehr, dass sie sich kaum um das Metall schließen lassen wollten.

Der feindliche Ninja wandte grunzend den Kopf und offenbarte dabei eine tiefe, schlecht verheilte Narbe an seiner Schläfe. Ich wollte mir nicht vorstellen, welche Grausamkeiten für ihn zum Alltag gehörten. Eine Sekunde zu lange weigerte mein Herz sich zu schlagen; das gab ihm genug Zeit, sein Wurfmesser an meiner Schulter vorbei zu werfen. Der Schmerz pochte in meinem Fleisch, als die Streifwunde zu bluten begann.

Genau dieser Schmerz war es, den ich gebraucht hatte. Ich wollte hier nicht untergehen, ich wollte mich endgültig als Kunoichi beweisen, als Mitglied dieser Welt.

Das Chakra pulsierte schmerzhaft in meinen Adern, als ich auf das Narbengesicht zustürzte. Seine sackartige Kleidung schleifte weit bis auf den Boden und musste seine Bewegungsfreiheit erheblich einschränken, das brachte mich auf eine Idee. Mit einer Handvoll Wurfsterne – ich warf sie so präzise, dass meine Augen schmerzten – nagelte ich den opulenten Saum seines Gewandes am Boden fest. Unter normalen Umständen wäre ich ihm haushoch unterlegen gewesen, doch dieses Ablenkungsmanöver brachte ihn für einen Moment aus dem Gleichgewicht, als ich ihn mit meinem Kunai attackierte. Es gelang mir, ihm die Waffen aus der Hand zu schlagen und eine zufrieden stellende Wunde an seinem Unterarm zu hinterlassen.

Er zuckte nicht einmal, und das ließ mich schlucken. Dieser Mann kannte keinen Schmerz, er würde seine Opfer bis ans Ende der Welt verfolgen.

„Ihr sollt sie schützen, verdammt noch mal!“ Gaaras barsche Stimme klang fern und sonderbar angestrengt. Dass er diese Aufgabe nicht selbst übernahm, war beunruhigend.

Ich sah mich um, konnte jedoch wegen des aufgewirbelten Wüstensandes kaum etwas erkennen. Und eigentlich sollte es mir auch egal sein. Dies war mein Kampf.

Mit einem mächtigen – dank meines Chakras übermenschlichen – Satz zog ich mich auf die höher gelegene Düne zurück, unter der sich die Höhle befand. Ich beherrschte nur eine Technik, die mir Chancen gegen diesen Gegner einräumen konnte. Also sammelte ich unter Aufbietung all meiner Kräfte mein Chakra und sprang dann wieder hinunter. Sand brannte mir in den Augen, doch ich fokussierte mich voll und ganz auf das Narbengesicht, das mich mit grimmiger Entschlossenheit erwartete. Ich legte mein Herzblut in jedes Fingerzeichen, das ich im freien Flug formte.

„Hino Rei: Jutsu des Flammeninfernos!“ Die Stimme war nicht meine, sie gehörte der Kunoichi, die ich sein wollte.

Eine gewaltige Feuerwelle fegte über die Wüste unter mir. Ich landete nur wenige Meter neben der Naturgewalt und versengte mir sogar einige Haarsträhnen. Das Flammenmeer wütete mit barbarischer Gewalt, doch ich spürte, dass es seine Kraft direkt aus mir bezog. Keuchend zwang ich meine Hände, in dem Fingerzeichen zu verharren, bis meine Knöchel weiß hervortraten. Auch das war etwas völlig anderes als im Training.

Ich löste das Jutsu und spürte augenblicklich, wie mir schwarz vor Augen wurde. Mühevoll hielt ich mich aufrecht und blinzelte zu der Stelle, an der mein Gegner gestanden hatte. Die wenigen Kreosotbüsche waren nur noch als verkohlte Überreste erkennbar.

Ich wollte gerade aufatmen, als eine laute Stimme die erhitzte Luft durchschnitt.

„Yuka! Vorsicht!“

Kankuros Schrei kam von rechts; ich wandte den Kopf und verstand zunächst nicht. Dort, außerhalb der Reichweite meiner Attacke, gab Temari ihrem minderjährigen Gegner gerade den Gnadenstoß. Auch Kankuros Gegner lag besiegt am Boden, während er selbst auf mich zugerannt kam. Einige Kratzer zierten sein bemaltes Gesicht, doch das konnte nicht der Grund seiner Panik sein.

Es war Narbengesicht. Mit gezückten Wurfmessern, keine fünf Meter von mir entfernt. Kankuro konnte nicht rechtzeitig bei mir sein und meine erschlafften Glieder machten ein Ausweichmanöver unmöglich. Mit erschreckender Klarheit stellte ich fest, dass ich nun sterben würde.

Ich wollte zurückweichen, doch noch bevor ich mich aus eigener Kraft bewegen konnte, wurde mein Körper grob weggestoßen, sodass ich Mühe hatte, mich auf den Beinen zu halten. Ein Schatten, nicht viel größer als ich selbst, tauchte vor mir auf.

„Wasserversteck: Jutsu der Wasserklingen.“

Die Wurfmesser durchschnitten die stickige Luft, umgeben von einer Hülle aus Wasser. Ich hörte ein dumpfes Stöhnen, als sie ihr Ziel trafen. Der Schatten brach in sich zusammen und als sein Kopf sich hintenüber neigte, nahm der Anblick des verzerrten Gesichts sämtliches Adrenalin aus meinen Adern. Das war etwas, das niemals passieren dürfte. Diese Züge mussten von unnahbarer Kälte sein, diese Beine unerschütterlich am Boden verankert, dieser Körper unverwundbar. Und vor allem durfte Gaara niemals irgendeine Anstrengung unternehmen, um mich zu schützen.

Ich sah ihn fallen, dumpf auf dem Wüstenboden aufschlagen, und schlagartig war ich wieder das hilflose Mädchen, das ich immer war, wenn es darauf ankäme. Während Temari und Kankuro sich schnellstmöglich auf Narbengesicht stürzten, verharrte ich an Ort und Stelle. Versagt – wie immer. Er hatte gesagt, ich solle mich nicht einmischen und nun büßte er für meine Dummheit. Wie Rachel, wie Kim, wie meine Eltern.

Mein Kopf war leer, bis auf eine siedend heiße Frage: Wie rettet man ein Leben?

Temaris Schmirgelpapierstimme stieß einen heiseren Schrei aus; dann prasselten erneut Wassermassen auf Gaaras Körper hinab. Panik war völlig untypisch für sie, doch mir war sofort klar, dass sie in diesem Fall begründet war. Wenn es eine Sache außer Atomsprengsätzen gab, die Gaara gefährlich werden konnten, war es Wasser. Natürlich – schließlich bestand er aus Sand. Warum war mir das nicht früher aufgefallen?

Die Sandmassen, die ihn nun wieder umgeben hatten, brachen hinweg wie Kartenhäuser und Gaaras schmächtige Gestalt wand sich krampfartig unter dem brutalen Angriff.

Wie rettet man ein Leben, wie rettet man ein Leben, wie rettet man ein Leben? Was konnte ich verdammt noch mal tun?

Und dann kam ich zu einem absolut hirnrissigen Entschluss, der sicher auf die unzureichende Sauerstoffversorgung meines Gehirns oder akutes Absterben von Neuronen zurückzuführen ist. Anders ist eine solch maßlose Dummheit nicht zu erklären, die in Hollywoodfilmen schlicht als Dramatische Heldentat betitelt wird.

Ich zwang meine gefühllosen Beine vorwärts, ehe ich mich neben Gaara auf den staubigen Boden fallen ließ. Noch immer hielt der Wasserstrahl an, doch nicht einmal die wohltuende Flüssigkeit auf meiner erhitzten Haut vermochte meinen Verstand einzuschalten. Ich spürte nicht einmal den harten Duck mit dem sie mich massakrierte. Jede meiner Zellen konzentrierte sich auf das Eine, zu dem ich fähig war. Ich formte ein Fingerzeichen, hielt die Luft an und öffnete das Tor in meinem Innern. Das so leicht zerbrechende Tor zu meinem minderwertigen, unkontrollierbaren und doch glühenden Chakra. Das, was anzurühren mir streng verboten war, da es sich meiner Gewalt entzog. Und noch viel dümmer: Es formte sich zu einem Schild aus Feuer. Feuer gegen Wasser – ich hätte mich selbst verspottet, hätte diese Aktion mir nicht so viel Kraft abverlangt.

Aber es funktionierte: Der Feuerschild hielt das Wasser ab. Sicher nur, da Temari und Kankuro Narbengesicht ablenkten, doch das war mir gleichgültig.

Ich blickte auf Gaara hinab und schluckte beim Anblick seiner geschlossenen Augen. Ein widerlicher Geschmack von Blut, Sand und Durst verätzte mir die Kehle.

Obwohl mir klar war, dass es nicht viel nützen würde, legte ich meine Hände auf seine Brust und begann ein drittklassiges Heil-Jutsu. Das warme Blut aus den zahlreichen Einstichen floss über meine zitternden Hände und stach mir in die Nase. Ich war kein Medic-Nin und hatte nichts weiter als die Grundlagen gelernt, doch in meinem Kopf herrschte eine unumgehbare Klarheit: Ich musste wenigstens versuchen, ihn zu bewahren. Wenn er jetzt ginge, würde ich es ihm niemals verzeihen!

„Idiot“, spie ich die erste Beschimpfung aus. „Angeber. Überheblicher Möchtegern-Held.“

Und dann gab es kein Halten mehr: Ich schrie mit trockener Stimme auf den bewusstlosen Gaara ein, was immer mir einfiel. Abscheulichkeiten, an die ich mich nicht einmal mehr erinnern möchte. Ich schrie und kreischte und brüllte, bis mir ein weiterer Geschmack die Stimme nahm. Ich schmeckte Tränen, die mein Gesicht von einer Sekunde auf die andere – wie es mir schien – bedeckten und meine haltlosen Anschuldigungen in ersticktes Schluchzen verwandelten. Ich wollte ihm noch mehr vorwerfen, doch alles, das ich hervorbrachte, war ein heiseres Wimmern. Es musste daran liegen, dass das Chakra all meine Kraft verbrauchte, sonst hätte ich mich nicht derart blamiert. Langsam erlosch mein Heil-Jutsu, das die abertausend Wunden nicht einmal ansatzweise korrekt hatte schließen können.

Da gab ich auf und ließ meine Stirn auf seinen misshandelten Oberkörper sinken. Mein gesamter Körper zitterte, ebenso krampfartig wie seiner nur kurze Zeit zuvor.

„Warum hast du das nicht vorher gesagt?“ presste ich mühsam hervor. „Du hättest sagen müssen, dass du vorhast, ins offene Messer zu laufen. Dann hätte ich vorher den Mund aufgemacht! Heute, nach der bestandenen Prüfung! Oder in irgendeiner von unseren Übungsstunden! Oder gleich an diesem Valentinstag, als ich es kapiert habe! Aber jetzt muss ich einer Leiche erzählen, dass ich sie liebe! Du bist so ein Arschloch!“

Es war still und mir kam es vor, als hallten meine Worte noch meilenweit wider. Sämtliche Geräusche waren verstummt, bis auf das leise Schluchzen, das ich zu unterdrücken versuchte. Ich war allein mit meiner Niederlage, dem Untergang meines Herzens, das gerade erst zu schlagen begonnen hatte.

„Yuka! Hey, Yuka!“ Temari klang nun ruhig, beinahe zaghaft, falls das bei ihr möglich war. Das bedeutete, dass sie Narbengesicht – Gott im Himmel, diese abscheuliche Ausgeburt der Hölle! – zur Strecke gebracht hatten. Die Geschwister waren erfahrener in der Heilkunst als ich, doch ich konnte oder wollte sie nicht in meine Nähe lassen.

„Bleibt weg!“

Wer schon einmal eine Raubkatze gesehen hat, die sich kurz vor ihrem Tod mit hoffnungsloser Gewalt gegen einen Angreifer aufbäumt, weiß haargenau, wie ich in jenem Moment ausgesehen habe. Das Feuerschild flammte noch einmal mit neuer Intensität auf, ehe es in sich zusammenfiel. Meine letzten Muskeln erschlafften und ließen mich völlig ausgebrannt auf Gaaras Körper zum Liegen kommen. Ich besaß nichts mehr, keinen Funken Chakra, keinen Funken Hoffnung, keinen Funken Liebe. Und zugleich hasste ich mich dafür, dass ein einziger Mensch – noch dazu ein Junge, der fein säuberlich mein Leben zerstört hatte – dieses Gefühl auszulösen vermochte.

„Yuka…“ Nun sprach Kankuro; wahrscheinlich besaß er eher die erforderliche Sensibilität. Ich hörte ihn direkt hinter mir. „Steh auf. Wir bringen ihn zu den Heilern in Suna. Vielleicht…“

Ein sarkastisches Lachen, das eher zu einer Hyäne gepasst hätte, brach aus mir heraus.

„Heiler! Das Wasser hat ihn aufgespießt, falls dir das entgangen sein sollte! Genauso gut hätte man ihn in Salpetersäure baden können!“

„Geh … da … runter…“

Die Parodie eines Lachens verklang augenblicklich, denn der Klang dieser Stimme entzündete sich wie Dynamit unter mir. Von einer Sekunde auf die andere saß ich aufrecht und blickte auf Gaaras angestrengt blinzelnden Jadeaugen hinab. Er sah schrecklich aus: Massakriert von zahlreichen schlecht geheilten Einstichen und zerbrechlich. Und doch bemühte er sich verbissen, seinen geschundenen Körper zu bewegen, um sich aufzusetzen.

Ich wollte ihn schlagen und küssen – beides gleichzeitig. Doch als sein Blick den meinen streifte, erstarrte ich. Ich wusste, dass mein Gesicht von Tränen verquollen war, doch mir war ebenso klar, dass dies nicht die Tatsache war, die ihn dazu verleitete, seinen Blick mit einem abwertenden Schnauben von mir abzuwenden. Und das kam mir fast schlimmer vor als der Gedanke, ihn tot zu sehen.

Temari und Kankuro waren sofort am Boden und griffen beherzt zu, um ihrem Bruder zu helfen, der trotz zusammengebissener Zähne krampfhaft einen unnahbaren Eindruck zu hinterlassen versuchte.

„Wie fühlst du dich?“, erkundigte sich Temari deutlich besorgter, als ich es von ihr vermutet hätte.

Zischend entriss Gaara ihr seinen Arm. Es kostete ihn sichtlich Mühe, die Worte zu formen, doch das tat ihrer Schärfe kaum einen Abbruch.

„Wäre alles okay, wenn … man mich … nicht so … stümperhaft … geheilt hätte…“

Schnulzenautoren hätten das als Stich ins Herz bezeichnet. Aber das ist eine unverschämte Verharmlosung. Es war ein Hieb mit dem Vorschlaghammer mitten in meine empfindlichste Stelle.

Mein Mund öffnete sich fassungslos, während ich dem Jungen, um den ich eben noch geweint hatte, dabei zusah, wie er sich unter Hilfe seiner Geschwister aufrappelte. Halb getrocknetes Blut klebte an seiner Kleidung, seine Beine zitterten und die Augenringe wirkten schwärzer denn je. Er war ein Bild des Jammers und doch lehnte er es strikt ab, sich irgendwelche Blöße zu geben.

„Also dann … zurück nach Suna…“, keuchte er und versuchte zu vertuschen, dass ihm ein schmales Blutrinnsal über die Lippen lief.

„Sollten wir nicht lieber…“

„Keine Pause!“, fiel er seiner Schwester ins Wort und sofort hoben und senkten sich seine Schultern noch heftiger in abgehackten Atemzügen.

„Ich rede von einer taktischen Verzögerung. Es war nicht zu erwarten, dass die Spione eine solche Kampfstärke aufweisen, von daher wäre es nicht verwunderlich, wenn sie noch weitere Überraschungen für uns bereithalten. Wir verbringen die Nacht in der nächsten Oase und warten ab, ob der Feind Verstärkung schickt.“ Temari wusste genau, wie sie mit Menschen umzugehen hatte.

Gaara kam nicht umhin, sich ihrer geballten Logik zu ergeben.

Erst als Kankuro mich aufforderte, mitzukommen, wurde mir bewusst, dass ich noch immer auf dem Boden saß und gegen den bitteren Schmerz in meinem Brustkorb ankämpfte. Eine klarere Abfuhr war kaum denkbar, ebenso wenig wie etwas noch Schmerzhafteres, das er je zu mir gesagt hatte.

Und das machte mich wütend. Ein gefährlicher Cocktail aus verletztem Stolz, Zorn und Sehnsucht brodelte in meinem Innern. Ich biss mir auf die Zunge, bis ich Blut schmeckte, und mobilisierte meine Kräfte, um mit Temaris Hilfe – die sich meiner erbarmte – aufzustehen. Niemals hätte ich mir verziehen, jetzt zu weinen.

Stattdessen verbarg ich mich während des anstrengenden Marsches zur Oase hinter einer Fassade aus Unnahbarkeit, im Prinzip kein bisschen anders als Gaara. Ich blickte stur zu Boden und gab mir alle Mühe, das stete Zittern meiner Finger zu unterbinden und dem Ziehen in meiner Brust Widerstand zu leisten. Beinahe wünschte ich mir, nie den Versuch unternommen zu haben, ihn zu retten. Denn zu einem Leben gehört mehr als nur ein intakter Körper.

Ich ballte die Hände zu Fäusten bei dieser Erkenntnis, die mir viel früher hätte kommen müssen. Bevor ich mich in diese auswegslose Situation manövriert hatte.

Sein Leben war nicht zu retten. Nicht von mir und von keinem anderen Mensch dieser oder irgendeiner anderen Welt.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (16)
[1] [2]
/ 2

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  caro-chan
2009-08-07T19:43:40+00:00 07.08.2009 21:43
Hach, angesichts dieser langen, fein ausgeführten Kommentare, wage ich es kaum, meinen eigenen, lächerlichen, äußerst unqualifizierten und vollkommen unkonstruktiven hier hin zu klatschen, aber ich tu's einfach mal trotzdem :D

Ich hab schon soo lang nicht mehr Quicksand gelesen...na ja, seit Kapitel Nummer 16.
Aber deine Kapitel sind so spannend und überzeugend wie eh und je <3.
So ziemlich jede Fanfiction läuft irgendwann, so gut sie auch sein mag, ins "unrealistische" hinaus.
Aber bei dir verhält sich jeder Charakter genau so, wie man es von ihm erwarten würde.
Selbst bei der Szene auf dem Dach! Ich glaubte naiverweise, jetzt würde Gaara einen Hauch emotionen zeigen und sich zu Yuka denken, aber natürlich überraschst du mich! Und genau das LIEBE ich so an deinem Stil, er ist einfach großartig.
Selbst Gaaras Anflug von Menschlichkeit, als er dabei war Yukas Hüften zu zerquetschen, war so Gaara-like, dass einem einfach der Mund aufklappt und man denkt "Wow...diese Frau ist SO genial!"
Aber nicht nur dein Stil fasziniert mich, ich liebe auch deinen Humor, es ist einfach herrlich Quicksand zu lesen, es bietet immer eine angenehme Mischung aus Witz, Spannung und unbändiger Emotion.
Ich kann nichts weiter tun als dich zu loben und zu beglückwünschen.
An dieser Stelle verfalle ich mal in den typischen Kommentar, den ein typischer, unqualifizierter Kommentarschreiber wie ich es nun mal bin, hinterlässt: "Ich bin schon unheimlich gespannt auf das nächste Kapitel! <3"
*hust* so, nun, da das geklärt ist, noch eine Kleinigkeit, die meinen Kommentar von den anderen abheben dürfte: "Beim schreiben ist eine Obstfliegen in meine Tastatur geflogen.... o__O"
Nun, da das erledigt ist, wage ich noch hinzuzufügen:
Ganz liebe grüße, caro-chan ^-^
Von: abgemeldet
2009-08-06T00:37:00+00:00 06.08.2009 02:37
AH!! *erleichtert seufz* Die Überschrift klingt ja mal vielversprechend ;)

JA NA ENDLICH!! Temari wird jetzt hoffentlich n toller und ETWAS netter Charakter :DDD *hoffnungen mach*

>>was es bedeutete, sich in diesem Land Respekt zu erkämpfen. Bring dich in Lebensgefahr, lass Unverschämtheit und die Fäuste sprechen – schon bist du im Verein.<<
Trotz später Nacht, brachte mich das dazu laut zu lachen x'DD

>>Kankuros Lächeln wurde noch breiter, während ich schluckte und an meinem Stirnband herumzuspielen begann.<<
FREEEEEEEEEEEEMDSCHÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄMEEEEEEEEEEEEEEEEEN!! x/////////////////////////x

Mir gefällt, dass Yuka in einigen Aspekten Naruto ähnelt und das sie immer versucht Gaara zu beeindrucken und ich frage mich doch, ob er das auch weiß x'D

>>dass ich sie liebe! Du bist so ein Arschloch!“<< xDD ihm auch noch Vorwürfe machen. Du bist geil Meggy! :)

Auch wenn ich als Kommentarschreiberin wohl ne einzigste Enttäuschung bin, hoffe ich doch, dass du mir SOFORT ne ENS schickst, sobald n neues Kapi kommt.. oder? *puppy eyes*
& ansonsten... man kann eig sagen dass ich den andern Kommischreibern zustimme, wenn es um deinen Schreibstil geht. Der ist nämlich wirklich ausgezeichnet.
Ich mag wie du den Humor einbringst, ohne das er aufgesetzt wirkt :)

ByeBye
ich geh jetzt Klo und dann Bett xDD
Von: abgemeldet
2009-08-02T00:49:56+00:00 02.08.2009 02:49
Weisst du was du bist...?

Du bist: GenialSupergenialObersupergenial xD
Ich liebe deinen Stil und wie du alles beschreibst (ich hab die anderen Storys von dir gelesen, die waren nicht so gut geschrieben wie diese hier)
Ich hab die Geschichte vor einem halben Jahr oder so entdeckt und hab schon gedacht du hättest mit schreiben aufgehört ôô
auf jeden fall ist es genial <33

LG Shirin
Von:  Fleur_de_Lys
2009-07-26T18:48:33+00:00 26.07.2009 20:48
Poah, die anderen schreiben immer so rießen Kommentare, und ich bin in letzter Zeit so wahnsinnig unkreativ, was das angeht... >< Weiß gar nicht, was ich schreiben soll, außer dass dein Schreibstil wie immer top ist. Gaara's Kommentar nach Yuka's Rettungsversuch ist - milde ausgedrückt - ganz schön gemein, aber was anderes war ja auch nicht von ihm zu erwarten. Nur das "ich liebe dich" kam in der ersten Version der FF besser rüber. Hier ist das ein wenig untergegangen, meiner Meinung nach. Aber ansonsten hat mich das Kappi wieder sehr gefesselt! <3

lG Lys
Von:  SweMiKi
2009-07-18T21:06:19+00:00 18.07.2009 23:06
So, jetzt habe ich endlich mal Zeit, was zum neuen Kapitel zu schreiben. Vielen Dank übrigens für die ENS, sonst hätte ich das Kapitel gar nicht bemerkt...
Zu deinem Schreibstil kann ich wie immer nichts besonderes sagen, ich finde ihn einfach klasse so wie er ist; Durch Yukas Gedanken und Emotionen wird die Situation mit einer gut nachvollziehbaren Eindringlichkeit rübergebracht, während man jedoch durch eine gewisse Sachlichkeit nie den Überblick über die Situatuon verliert.
Der Inhalt hat die Geschichte wiedereinmal ein ganzes Stück weiter gebracht und man merkt deutlich, dass es auf's Ende zu geht. Die Grundstruktur der Prüfung hat mir sehr gut gefallen, allerdings hättest du ruhig noch ein wenig mehr auf Ren eingehen können. So wirkte es etwas, als wäre er wirklich nur ein Lückenfüller, der gerade kurz für zwei Minuten gebraucht und anschließend wieder abgegeben wird. Solche Charaktere lassen die Geschichte dann einfach weniger lebendig erscheninen. :-)
Das kurze Aufeinandertreffen von Ren und Gaara ist dir allerdings wieder sehr gut gelungen. Kurz, aber aussagekräftig ;-)
Ich finde es auch wunderbar, mal eine FF zu lesen, in der der Hauptcharakter so schön gleichmäßig verteilt einsteckt und austeilt. Yuka hat zwar in der Prüfung gepunktet, dafür aber während der Mission realistischerweise keine Chance gehabt. Sie hat sich mit einer natürlichen und -zumindest für mich- seeeeeehr gut nachvollziehbaren Packung Dummheit, Überheblichkeit und etwas ich-beweiß-euch-schon-dass-ich-das-packe-obwohl-ich-genau-weiß-dass-es-nur-logisch-ist-dass-ich-das-​noch-nicht-kann in eine Auswegslose Situation manövriert. Mir fällt dafür irgendwie grad nicht das passende Wort ein xD
Jedenfalls ist es realistisches, dass sie sich in den Kampf miteinmischt, da sie denkt, dass sie dafür stark und geschickt genug ist und dann hoffnungslos verliert. Wäre sie eine Mary-Sue, dann hätte sie in diesem Moment nämlich plötzlich ein super Jutsu aus dem Ärmel gezogen und alle Gegner getötet, sowie ihre Verbündeten schwer beeindruckt... *hust*
Aber deine realistische Version ist einfach schöner und glaubhafter zu lesen :D
Ja, ich glaub das war's jetzt erstmal... Insgesamt wieder ein schönes Kapitel und ich freue mich schon auf das nächste :)

Liebe Grüße,
Michelle
Von:  Dwingvatt
2009-07-18T18:35:49+00:00 18.07.2009 20:35
Wow die leten zwei seiten... ich hätte fast angefangen zu heulen.

WOW kann ich nur sagen

....

Weidda so!!!!!!!!!!!!!!!!!!


Lg Dwingvatt
Von:  Lesemaus
2009-07-18T06:20:27+00:00 18.07.2009 08:20
So und noch einmal hier bei Mexx ein Komi^^
Wie gesagt finde ich dein neues Kapi klasse, genauso wie jedes andere^^
Ich finde deinen Humor jedes mal aufs neue toll, wenn du ihn in deine Kapitel mit einbaust, solchen hat nicht jeder^^
Dein Schreibstil gefällt mir auch sehr, man kann alles genau verfolgen und durch die eigenen Gedanken wirkt es auch viel lebendiger^^
Die Länge ist wie jedes mal auch gut^^
Ich weiß gar nicht wie du so viel schreiben kannst, ich bekomme ab dreitausend Wörter schon mal Probleme >-<
Desweiteren bin ich schon sehr gespannt, wie es bei dir weiter geht, denn deine Kapitel kann man nie voraussehen, immer wenn ich denke es passiert was völlig anderes, überrascht du mich aufs Neue^^
Dann wünsche ich dir weiterhin viel Erfolg bei Mexx und würde mich wieder über eine Benachrichtung von dir per ENS sehr freuen^^
Halst die Ohren steif^^
Lesemaus
Von: abgemeldet
2009-07-17T18:01:05+00:00 17.07.2009 20:01
Ach ja, das habe ich ganz vergessen...'Wie man ein Leben rettet'...the Fray, nicht wahr^^
Ich mochte diese Stelle wirklich...wie rettet man ein Leben...in einer solchen Situation wohl keine einfache Frage...
Heldenmut...Dummheit...wie auch immer man es nennen mag, Yuka hat richtig gehandelt.
Mir ist in diesem Kapitel mal wieder die Ironie aufgefallen, die die Beziehung, wenn man es denn so nennen kann, zwischen Gaara und Yuka durchzieht. Respekt für diese wunderbare Darstellung!


glg
Von: abgemeldet
2009-07-17T17:53:11+00:00 17.07.2009 19:53
Hmmm~
Wunderbar^^
Yuka ist mal wieder ganz schön abgegangen bei der Prüfung *hehe*
Aber ich mag sie, wenn sie so ist. Auch wenn das schon fast an Mary-Sueness grenzt...die rebellische Yuka, die einfach tut und sagt was sie denkt gefällt mir deutlich besser als die Version, die noch vor ein paar Kapiteln emotionslos durch Suna gelaufen ist...

Die Ansprüche bei der Genin-Prüfung in Suna sind ziemlich hoch -zumindest im Vergleich zu Konoha...da reicht ein einfaches Justu und das war's...aber es passt zu diesem Dorf. Strake, disziplinierte Ninjas...von Anfang an.

Gaara hat sich nach der Prüfung ganz schön gehen lassen...wenn sich da mal nicht die liebe Eifersucht gezeigt hat...^^
Ich denke es war eine Kurzschlussreaktion...es würde ja nie zugeben, dass er Yuka mag.Oder dass es ihm nicht gefällt, wenn ein anderer Junge sich mit ihr treffen will. Das gesteht er sich ja selbst nicht ein... a propos Eingeständnisse...
Yuka hat es endlich mal laut gesagt...^^
Die Szene am Ende, als Gaara halbtot in der Wüste liegt...die kommt mir doch bekannt vor^^
Mir hat sie in der vorherigen Fassung schon gefallen...aber jetzt ist sie um Längen besser...nicht mehr ganz so...grausam dramatisch...es hat einen sarkastischen Beigeschmack...'jetzt muss ich einer Leiche sagen, dass ich sie liebe...' das ist Yuka.
Aber ehrlich gesagt kann ich Gaaras Rektion nach kaum darauf hoffen, dass es in dieser Oase auch so weitergeht, wie es bei 'Gaara in Reality' war...naja, we will see.
Hmm~ schreib schnell weiter, ja?
Und viel Spaß dabei!
GLG
Fatja
Von:  black-okami
2009-07-17T17:17:46+00:00 17.07.2009 19:17
Suuuuuuuuuupperr~
ich leibe deinen schreibstil. einfach wieder ein super kapitel ^^.
freu mich schon auf das nächste *.*

black-okami
^^/


Zurück