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Die kleine Puppe

von

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about her.

Und alles bleibt wie immer…
 


 

“Die kleine Puppe war sehr schön. Mit kristallklaren blauen Augen und wunderschönen schwarzen Haaren, die im Licht leicht violett glänzten. Sie hatte ein schönes weißes Kleid an, mit schwarzen Punkten und großen goldenen Knöpfen. Und weil sie in einem Glaskasten saß legte sich nie Staub auf ihr schönes Gesicht, auf ihre schönen Haare, auf ihre schöne Kleidung.

Die kleine Puppe war sehr stolz. Unter allen anderen Spielzeugen die im Schaufenster ausgestellt wurden, war sie das schönste und auch das teuerste Objekt. Sie saß ganz oben auf einem Thron, in ihrem Glaskasten. Alle anderen Spielzeuge blickten neidisch zu ihr auf, waren billig, wurden gekauft.

Viele wollten sie auch kaufen, doch sie hatten nicht genug Geld dazu und die kleine Puppe war sich auch zu schade für solche Menschen.

Und so wurde sie nur begehrend und hoffnungsvoll angestarrt. Wie immer.

Nein, einsam fühlte sich die kleine Puppe nicht. Nur…

Anders.

Besser als die anderen!, sagte sie sich.

Und sie starren immer noch. Und gehen weg. Und alles bleibt wie immer…“
 

Die letzte Seite des Buches war für sie immer die traurigste. Dann war das Buch zu Ende. Und somit die Zeit in der sie nicht aufblicken musste ebenfalls. Dann musste sie sich schleunigst ein Neues suchen. Das Problem war bloß, das es auf Skypia keine anderen Bücher mehr gab, alle hatte dieser Möchtegerngott zerstört. All diese schönen Werke. Seufzend schloss sie das Buch über alte Runenschriften leise und blickte doch auf.

Die Feier war vorbei. Alle schliefen direkt auf dem steinigen Boden im Schatten der gigantischen Ruinen Shandoras. Alle. Engel, Shandias, Tiere und Blaumeerer. Wobei sie sich doch kaum vor 24 Stunden noch abgeschlachtet haben, in einem Krieg um einen Flecken Erde und aus ihrer Sicht ums pure Überleben.

Doch jetzt ist es vorbei. Frieden herrscht nun auf der Himmelsinsel. Stiller Frieden. Nur hier und da durchbrochen von einem lauten Aufschnarchen. Sie blinzelte für einen Moment lang die kleine Ansammlung von Menschen direkt vor ihr an und schloss dann ihre blauen Augen. Lehnte ihren Kopf nach hinten und fuhr sich durch ihre langen schwarzen Haare. Legte ihre Hand in ihren Nacken und massierte ihn leicht. Schmerzte er doch vom langen Lesen.

Wie seelenruhig sie doch alle schlafen können…

Naiv!

Beneidenswert.

Wunderschön…
 

„Von allen Starrenden waren immer diese Kinder am nervigsten für die kleine Puppe. Mit großen glänzenden Augen und triefenden Nasen drückten sie ihre schmutzigen Gesichter gegen die Scheibe und starrten sie gierig an.

Die Puppe rümpfte ihre immer Nase und hob eitel ihr Kinn. Für solche fühlte sie sich wahrlich zu Schade…

Gott sei dank, wurden die Kinder aber wieder schnell von ihren Eltern weggezogen oder rannten bald gelangweilt weg, zum nächsten Eisstand oder um sich einen Ball ans Hirn zu schmeißen.

Aber dann kamen die allerschlimmsten Kinder die sie je gesehen hatte. Dieser Junge und dieses Mädchen . Denn sie gingen einfach nicht weg.

Wahrscheinlich war er ihr Bruder, er hielt sie immer an der Hand. Er mochte die kleine Puppe nicht, das viel ihr gleich auf. Aber um seiner Schwester Willen blieb er solange da, bis sie auch gehen wollte.

Sie…? Sie starrte sie an, wie sie noch nie jemand so angestarrt hatte:

Voller Mitleid und Trauer.

Die kleine Puppe fühlte sich beleidigt und starrte trotzig zurück.

Und je länger sie das Mädchen anstarrte, desto mehr fühlte sich die Puppe unter ihren Blicken unwohler. Und dann kam das Mädchen näher an die Glasscheibe, zog ihren großen Bruder mit. Auch die Puppe, sie wusste nicht wieso, stand auf und trat an die Scheibe. Das Mädchen legte ihre Hand auf das Glas und drückte dagegen. Auch die Puppe legte ihre kleine Stoffhand auf das Glas.

Der Gesichtsausdruck des Mädchens veränderte sich auf einmal und wurde sanft, schon beinahe zärtlich blickte sie sie an und lächelte als die kleine Puppe ihre andere Hand auch an das Glas drückte.

Die kleine Puppe fühlte fremde Gefühle in sich. Sie wollte so sehr bei dem Mädchen sein, sie wollte das das Mädchen sie an sich drückte mit ihr spielte, sie dreckig machte und dann selber auswusch. Sie wollte dass sie ihr lustige und viel zu kleine Kleider anzog. Ihr Tee einschenkte und sie dabei auch noch aus versehen mit demselben Tee übergoss.

Sie wollte von ihr geliebt werden.
 

Und dann zog der Junge das Mädchen weg. Die Puppe riss entsetzt ihre Augen auf und drückte sich flehend an das Glas. Der Junge sagte etwas zu dem Mädchen und sie nickte. Dann gingen beide weg, ohne der kleinen Puppe nur eines Blickes zu würdigen.

Die kleine Puppe zerriss und kippte nach hinten.

Starb.

Das Ende der Welt.

Dann öffnete sie traurig ihre Augen.

Sie würden nicht mehr wiederkommen und wenn doch, wäre es niemals so wie sie es sich erhoffte. Die Wunden zogen sich zusammen, gehalten von einem dünnen schwarzen Faden der schlampig hier und da eingestochen wurde.

Wie einfältig und überaus dümmlich zu glauben, sie wären anders als die anderen. Langsam rappelte sie sich auf und setzte sich wieder auf ihren Stuhl, der ihr auf einmal schäbig und alt vorkam, strich ihr zerrissenes und schmutziges Kleid glatt, schloss ihre trüben und glanzlosen Augen. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich einsam. Niemand konnte ihr das geben was sie wollte. Niemand.

Sanft setzte sich ein Staubkorn auf ihre glanzlosen Haare und sie seufzte leise auf.

Und alles blieb wie immer.“
 

Sie öffnete ihre schönen blauen Augen wieder und betrachtete die kleine Familie vor ihr.

Ja, sie waren nicht einmal verwandt miteinander. Aber sie sah sie schon von Anfang an als eine Familie an, eine Familie, die zusammenhielt und auf sich aufpasste. Eine Familie die sich mochte und tröstete, die sich half und die zusammen leidete und zusammen lachte. Eine glückliche Familie. Und eine Familie zu der sie hinzugehören wollte.

Sie wusste, dass das nicht ging. Das würde ihre Prinzipien auf den Kopf stellen und außerdem wollte er das nicht. Sie wagte es nicht ihren Blick nach links zu wenden, wusste sie doch ganz genau dass er sie aufmerksam beobachtete.

Stattdessen starrte sie den Jungen mit dem Strohhut an, der in der Mitte des Haufens lag und leise atmete. Sein Gesicht ist friedlich, er lächelt glücklich. Wie ein fürsorglicher Vater hat er schützend seine Arme um seine Kinder gelegt. Ich muss lächeln, doch verdränge es schnell wieder, er beobachtet mich doch!

Der Kapitän und seine Mannschaft. Der Koch, die Navigatorin die beide eng beieinander mit den Köpfen auf seinem Bauch liegen. Der Schiffarzt der sich seinen großen Hut über die Augen gezogen hat und sich an sein Bein gekuschelt hat. Der Schütze der im Schlaf zufrieden etwas vor sich hinmurmelt und sich in des Kapitäns Hemd gekrallt hat und der Schwerkämpfer, der neben seinem Kopf sitzt, der sie unverhohlen anstarrte… Misstrauisch, stur, grimmig, als wäre sie der Außenseiter.

Ich bin ja auch der Außenseiter, dachte sie mit einem schmerzhaften Stich in ihrer Brust. Sie war schon immer der Außenseiter. Dumm zu denken sie würde bei ihnen dazugehören. Und noch dümmer sich dazulegen zu wollen. Sie schlief ja sowieso nie! Und außerdem brauchte sie diese ganze Gefühlsduselei nicht!
 

Doch sie brauchte sie, sie wollte so, so sehr dazugehören. Doch das ging nicht. Das würde niemals gehen.

Schon allein wegen ihm.

Sie wagte es immer noch nicht in sein Gesicht zu sehen, zu sehr hatte sie Angst vor seinem abfälligen Blick. Er war immer da, wo sie war und hinderte sie daran das sie ihre Prinzipien brach. Aber…

Sie waren so glücklich…

Dann stand sie auf, weil sie es nicht mehr länger ertragen konnte und ging weg, sie wollte sich ein bisschen die Ruinen ansehen. Dem brauchte sie auch nicht zusagen wohin sie ging, der freut sich doch eh nur dass sie endlich mal weg war. Sie ging davon und ihre Schritte verhallten im Dunkeln.
 

Da geht sie dahin in die Dunkelheit, dachte er und blickte wieder hinab auf seine Freunde. Wachsam wie ein Falke starrte er sie an, passte auf, dass ihnen nichts geschah.

Sie war ihm suspekt, diese Archäologin. Er wusste nie was sie gerade dachte. Das wusste eigentlich nur der Kapitän, der ihr auch einfach so vertraute. Aber bis ER IHR vertraute würde es noch lange dauern.

In diesem Moment öffnete der Kapitän die Augen und starrte ihm direkt in seine. Er wusste diesen Blick zu deuten und schnaubte nur verächtlich, drehte seinen Kopf trotzig wie ein kleiner Junge zur Seite und schnaubte nochmals. Der Kapitän mit dem Strohhut grinste übers ganze Gesicht und er starrte finster zurück. Einen Moment lang herrschte ein kleines Blickduell zwischen den beiden. Dann knurrte er leise auf, hob ergeben seine Arme, die er vorhin vor seiner Brust verschränkt hatte und rappelte sich dann mühsam auf, um ihr mit langsamen schlürfenden Schritten zu folgen.

Der Kapitän lächelte zufrieden und schloss wieder seine Augen.
 

„Es war dunkelste Nacht. Der Laden war Menschenleer. Die Straße hinter dem Schaufenster war Menschenleer. Nur die kleine Puppe saß da und ihre kleinen Tränen glitzerten im Mondlicht. Den ganzen Tag hatte sie auf die beiden Kinder gewartet, doch es war beinahe so, als wären sie nie dagewesen, eine pure Einbildung.

Und doch schreckte sie bei jedem kleinsten Geräusch, bei jeder kleinsten Regung außerhalb des Schaufensters. Hoffungsvoll. Und jedes Mal wurde sie enttäuscht.

Wie töricht, dachte sie und wischte sich die Tränen schnell weg. Wie töricht.

Die Tränen versiegten nicht, egal wie stark sie gegen sie ankämpfte und so zog sie ihre Beine an und drückte ihren Kopf in ihre Knie. Weinte stumm weiter.

„Hey!“

Sie fuhr zusammen und blickte auf. Vor ihr in der Dunkelheit stand ein Schatten. Aber das ist doch total unmöglich! Sie konnte nie Stimmen durch die Scheibe hören! Nie konnte sie die flehenden Bitten und die lärmenden Gelächter der, da draußen hören!

Doch nun vernahm sie seine Stimme ganz genau. Sie stand auf und starrte fassungslos den Jungen an, der dieses Mal ohne seine Schwester gekommen war. Er hatte eine Hand in seiner Hosentasche vergraben, die andere hielt er hinter seinem Rücken. So starrte er sie eine Weile lang an und sie starrte vorsichtig zurück. Dann schritt zögerlich herüber zur Scheibe, berührte sie vorsichtig mit ihren Stoffhänden.

„Ich kann dich nicht leiden!“ grinste er bösartig und holte hinter seinem Rücken einen großen Stein hervor. Nein! Die kleine Puppe wich wimmernd zurück, bis sie gegen das andere Ende des Glaskastens stieß. Mit weit aufgerissen Augen starrte sie zitternd den großen Stein an. Nein!

Er würde sie umbringen, zerreißen, verbrennen… Nein, nein, nein… sie wollte nicht…

Das konnte er doch nicht machen!

Er konnte. Er holte weit aus und seine Augen blitzten Angriffslustig. Die kleine Puppe schrie auf und hob ihre Arme vor den Kopf.

Er krachte ganz laut. Sie spürte scharfen Schmerz an ihrem Bein und schrie gepeinigt auf – es war das erste Mal in ihrem Leben das sie Schmerz verspürte. Es tat so weh.

Dann riss jemand in ihrem Arm sodass einige der zuvor schlampig vernähten Wunden wieder aufrissen und sie nochmals schreien ließen. Jemand zerrte sie in eisige Kälte nach draußen und ihr Kopf prallte gegen etwas Hartes. Dann fuhr scharfer Wind durch ihre Kleidung, durch ihre Haare.

Die kleine Puppe fühlte sich elend. Sie sah Licht und Dunkelheit an sich vorbeirauschen, ihr ganzer Körper schmerzte weil sie immer wieder gegen irgendwas prallte. Und immer wieder konnte sie das gehässige Lachen des Jungen hören. So ein Monster. Die kleine Puppe begann hilflos zu weinen. So ein grausames Monster.“
 

Sacht strichen ihre Fingerspitzen über die bröckelnden Fresken der Urstadt Shandoras. Lautlos murmelten ihre Lippen die Geschichte, die ihr die Aufzeichnungen erzählten nach, stockte manchmal wenn sie etwas fand was sie nicht entziffern konnte, blickte dann in ihren eigenen Notizen nach und begann das etwas fröhlicher weiter zu lesen.

Fassade.

Innerlich wollte sie schreien, toben, ihm seinen Hals umdrehen.

Damit. Er. Endlich. Aufhörte. Zu. Starren!
 

Doch stattdessen, schreib sie nur eifrig was in ihre Notizen hinein und widmete sich wieder der alten Schrift. Einfach nur ignorieren, dachte sie mit zusammengebissenen Zähnen. Lange wird er dort nicht dasitzen, irgendwann wird es selbst ihm zu langweilig! Und bis das passiert lenk dich mit deiner Arbeit ab!

Eins... war…ein…König…er…war…der…listigste…aller…Könige…
 

Mit verschränkten Armen saß er auf einem Felsen unweit von ihr und betrachtete sie aufmerksam von oben herab. Schwieg. Er wollte es nämlich nicht sein, der ein belangloses Gespräch anfing, das aber dieses Mal ganz sicher zu einem Streit ausarten würde. Und zu einem Kampf. Nein er schwieg, wohl wissend dass ihr Kopfgeld um einiges höher war als seins. Was ihn so nebenbei, ungemein wurmte.

ABER er wusste das es sie ungemein wurmte das er sie gerade anstarrte. Das konnte er durch ihre Fassade ganz genau sehen, während alles andere noch in der Dunkelheit um sie herum versteckt war. Aber das würde er auch noch ans Licht holen. Sonst schmollt der Kapitän ja wieder…
 

Sie hatte schon von ganz klein auf gelernt zu warten. Warten konnte sie besser als er. Und außerdem hatte sie eine Beschäftigung – anders als er.

Tatsächlich legte sich ihre Wut nach einiger Zeit wieder, sie wurde ruhig und ausgeglichen, ihr ganzes Denken konzentrierte sich auf den alte Schrift, ja sie begann sogar wieder richtig zu lächeln…

„Ich habe eigentlich nie verstanden warum es dir immer so immens wichtig war, dich ständig in der Vergangenheit zu vergraben, Archäologin. Hast du etwa Angst die Gegenwart nicht unter Kontrolle halten zu können?“

Sie zuckte zusammen, schnappte erbost nach Luft. Dieser unverschämte...

Ihre Zähne knirschten, doch sie zwang sich zu beruhigen. Zwang sich zu einer kalkulierten, durchdachten Antwort:

„Das ist meine Arbeit, Schwertkämpfer. Das heißt aber nicht, das ich die Gegenwart nicht schätze oder vorhabe sie zu vernachlässigen...“

Sie konnte sein arrogantes Grinsen schon beinahe spüren.

Na los, sag noch was. Ich werde es dir noch im Hals herum drehen, Lorrenor Zorro.

Doch er sagte nichts und sie konzentrierte sich wieder auf die Runen. Ignorierte stur seinen eindringlichen Blick. Und ihre Laune war auch wieder im Keller.

Und... eines Tages... kam... Krieg... Sogar die heiligen Götter fürchteten diesen Krieg...

„Ich kann dich dafür jedenfalls nicht leiden, Archäologin.“

Das war mir klar.

„Aber wenn du mal endlich dein Köpfchen aus deinen Büchern stecken würdest, dann würdest du sehen dass der Rest dich sehr wohl leiden kann. Ohne Frage war dies dein großes Ziel, doch da bliebe ja immer noch ich...“

Mach dich nicht wichtig.

„Ich bin der letzte, den du auf diesem Schiff noch nicht um den Finger gewickelt hast und du kannst da noch lange drauf warten...“

Einfach nicht hinhören. Nur ein Hund der bellt, nicht mehr weiß, was er sagen soll. Einfach nicht hinhören und ignorieren, er-

„Du wirst bei uns immer der Außenweiter bleiben, Archäologin.“

„Was fällt dir-“

„Jämmerlich ist das, Archäologin, oder bist du einfach nur so oberflächlich und würdest glauben, ich würde nicht bemerken wie sehr du darum flehst, akzeptiert zu werden, Nico Robin?“
 

Klirr.
 

Die Finger verharrten auf dem Weg über die Zeichen die im Stein eingemeißelt waren. Zur Salzsäure erstarrt, blickte sie stumpf auf sie Einkerbungen, konnte sie nicht mehr richtig erkennen oder entziffern. Hörte nur noch ihr bis zum Hals pochendes Herz und die Worte die in ihrem Kopf widerhallten und statt leiser zu werden, immer lauter wurden.

Dieser... dieser...

Wut flammte in ihr auf.

Sie sprang auf, drehte sich mit blitzenden Augen herum und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige.

„WAS FÄLLT DIR EIN, DU ARROGANTER MISTKERL! WAS FÄLLT DIR EIN, MIR SOWAS ZU UNTERSTELLEN?!?!“
 

Sie schrie in die kalte Nachtluft hinaus, ihre Stimme hallte weit über das zertrümmerte Gelände. Ein paar Meter weiter flog ein Southbird kreischend in die Höhe. Sonst blieb es still.

Heiser atmete sie weiße Dampfwolken aus und funkelte ihn wütend an.

Er drehte seinen Kopf wieder herum und befühlte vorsichtig seine blutende Wange.

Dann blickte er auf, grinste ihr zu.

„So gefällst du mir gleich viel besser...“

„SCHWEIN!“ schrie sie nochmals heiser auf und wollte ihn erneut schlagen, doch er hielt ihre Hand fest.

„Oh, du weinst ja!“ lachte er böse auf, trat ihren Stolz in den Dreck, demütigte sie mit ihrem höhnischen Blick.

„Lass mich sofort los!“ rief sie, doch egal wie sie sich wand, sie konnte sich von seinem Griff nicht befreien.

„ICH BRING DICH UM, WENN DU MICH NICHT LOSLÄSST, LORRENOR ZORRO!!!“ schrie sie in die Nachluft, versuchte die Tränen der Hilflosigkeit und Trauer zu verstecken.

„Oh, du nennst mich ja beim Namen!“

„ICH BRING DICH UM!!!“

„Und wieso machst du es dann nicht...?“

„WOHER SOLL ICH DAS WISSEN?! HALT DEN MUND!!! ICH HASSE DICH!!!“

Mit Tränenden Augen starrte sie ihn voller Verachtung und Wut an, dann drang ein mühsam unterdrückter Schluchzer aus ihrer Kehle.

„WAS WEIßT DU SCHON VON MIR? WAS WEIßT DU DENN SCHON VON MIR UND MEINEM SCHMERZ? GAR NICHTS!!! DU HAST NIE JEMANDEN VERLOREN, DER DIR WICHTIG IST! DU HAST NIE DAS DURCHGEMACHT WAS ICH DURCHMACHEN MUSSTE! DU HASS NIE SPÜREN MÜSSEN WAS ECHTE EINSAMKEIT IST! UND DAFÜR HASSE ICH DICH, LORREENOR ZORRO! DICH UND ALL DIE ANDEREN!!! DAFÜR DAS IHR ALLE IN EURER KLEINEN HEILEN WELT LEBT!! DAFÜR DAS IHR... mich... nicht...“
 

Sie sank kraftlos auf den steinigen Boden herab. Hilflos, schutzlos, haltlos schluchzend. Ein zitterndes Häufchen Elend.

Er starrte sie ohne jegliches Mitgefühl oder Gnade an. Wortlos. Wartend.

Sie schluchzte weiter, auf Knien, zu seinen Füßen, als würde sie stumm um Vergebung bitten.

So verging die Zeit

Dann verstärkte sich der Druck um ihre Hand fordernd.

„Lass mich los...“ murmelte sie leise.

Er rührte sich nicht.

„Das ist alles deine Schuld...“

Er rührte sich nicht. Der Druck verstärkte sich noch einmal fordernd.

„WAS WILLST DU VON MIR?!“

Sie riss ihren Kopf hoch und starrte mit geröteten Augen und wutentbranntem Gesicht in sein, vollkommen ausdruckloses. Ihr Schrei verhallte im nichts.

„WAS HAB ICH DIR GETAN, DAS DU MICH SO HASST, HÄ? LOS SAG ES MIR!!! WAS HAB ICH DIR GETAN, LORRENOR ZORRO?!?!

WAS HAB ICH DIR GETAN, DAS DU MICH NIE BEACHTEST, DAS DU MIR STÄNDIG MISSTRAUST?! WAS HAB ICH DIR GETAN, DAS DU MICH NICHT LIEBST???!! SAG ES MIR!!!!“

Er rührte sich nicht.

„NA LOS!“

Als er ihr erneut nicht antwortete, schrie sie auf und fiel wieder schluchzend zu Boden.

Zog flehend ihren Arm zu sich.

Er ließ nicht los.

„Hör auf!“

Er rührte sich nicht.

„Hör auf...“

Er rührte sich nicht. Er blickte sie nur ausdruckslos an.

Und sie zerbrach. An ihrer eigenen Trauer.
 

„Sie wusste nicht wann es aufgehört hatte zu schmerzen. Den Übergang hatte sie irgendwie verpasst. Und als sie nun langsam ihre trüben und verweinten Augen aufmachte, sah sie sich in fremde Arme gedrückt. In warme Arme die sich sanft und schützend um sie schlangen und sie an eine Brust drückten, hinter der ein großes Herz ruhig und besonnen schlug.

Bumm, Bumm... Bumm, Bumm...

Sie hörte dem Herzschlag stumm zu, als hätte sie nie etwas Schöneres gehört. Hatte Angst, ein fremdes Geräusch von ihr, würde es zerstören.

Und dann legte sich der Sturm in ihr, die erdrückende Kälte zog sich zurück, eine Wärme breitete sich in ihr aus, von der Brust bis zu den kleinen Puppenschühchen war ihr warm. Als hätte jemand das Licht angeknipst.

„Blödes Ding!“ murmelte der Junge und ging weiter die verschneite Straße hoch, die kleine Puppe schützend an sich gedrückt.“
 

Das Schluchzen war schon lange verklungen, sie starrte jetzt einfach nur noch teilnahmslos den Boden an. Die Hilflosigkeit und die Wut waren zu einem dumpfen Wummern abgeklungen. Ihre Angst und ihr Zweifel hatten sich über ihre ganze Seele, ihr ganzes Denken gelegt, verklebten es mit trüber Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit.
 

Dann, ganz langsam, begann sie spüren, wie er aus seiner Starre erwachte. Sie wehrte sich nicht als er sie ganz langsam und vorsichtig am Arm hochzog, auf seinen Schoß, und sie dann zärtlich in den Arm nahm.

Wie ein kleines Kind das einfach nur Liebe und Trost brauchte, schmiegte sie sich an ihn und vergrub ihren Kopf in seiner Brust. Er fuhr ihr durch die langen schwarzen Haare und küsste sacht ihre Stirn.

„Ich war so dumm...“ murmelte sie nach einer Weile schwach. Er lächelte.

„Den Makel verzeih ich dir, Nico Robin...“

Ein leises Lächeln huschte über ihre Lippen und sie schloss müde ihre Augen.
 

„Lass uns heim...“
 

„Sie blinzelte. Und dann blinzelte sie noch mal. Fast schon beinahe in Trance sah sie das kleine Mädchen mit der triefenden Nase an. Und das Mädchen sah zurück. Dann breitete sich auf ihrem Gesicht sich das riesigste Lächeln, das die kleine Puppe je gesehen hatte, aus.

Vorsichtig entnahm sie die kleine Puppe aus der Hand ihres Bruders, der sie ihr vorher vors Gesicht gehalten hatte, wie eine Trophäe, jetzt blickte er trotzig zu Boden, scharrte mit den Füßen. Sie nahm sie ihm aus der Hand und hielt sie hoch gegen das Licht.

Dann lachte das kleine Mädchen, schmiss die Puppe wie ein Kind in die Luft, fing sie auf und drückte sie an sich. Sprang mit ihr im Kreis, drehte sich, jauchzte.

Und die kleine Puppe lachte mit. Und Tränen des Glücks schimmerten in ihren Augen.

Denn sie wurde endlich geliebt.“
 

Der Kapitän schlief nicht. Er war ja immerhin der Kapitän.

Er würde erst schlafen, wenn die Navigatorin wieder wach sein würde, sich mit dem Schwertkämpfer streiten würde, sich von dem liebestollen Koch bezirzen lassen würde. Er würde erst schlafen wenn der Schiffarzt ehrfürchtig und ängstlich all den Lügengeschichten des Schützen lauschen würde. Er wurde erst schlafen wenn die Archäologin, leicht über den Rand ihres Buchen schielen würde und über die ganze Szenerie schmunzeln würde.

Aber jetzt. Nein, jetzt schliefen sie alle an seiner Seite und wiegten sich sicher in ihren wunderschönen Träumen. Und er schaute rauf in den sternenklaren Himmel, in der Hoffnung er würde eine Sternschnuppe entdecken.

Obwohl eigentlich hatte er ja schon alles.

So was wie Essen.

So was wie Träume.

So was wie eine Familie.

Die er liebte.
 

Darum war er der Kapitän.
 

Ende.
 


 

Tat `07

Tipped with love for Silja-chan.



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Kommentare zu diesem Kapitel (11)
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Von:  NaxLu
2010-07-09T11:13:40+00:00 09.07.2010 13:13
Heey echt Geil gewurden hatte richtig Spaß beim Lessen und das du
Robin mit der Pupppe vergleichts war auch echt Gut und die FF war
auch sehr Gut dien Schreibstill ist auch echt der Hammer Respekt

Lg NaxLu
Von: abgemeldet
2009-12-26T22:34:31+00:00 26.12.2009 23:34
süüüß... ^///^
nur..ich glau nicht das Nico so reagieren würde...lach trotzdem, war es sehr süß ^^
Von:  Rukia-sama
2009-03-30T20:55:55+00:00 30.03.2009 22:55
Schön^^
Wirklich muss ich sagen.
Obwohl ich nicht glaube, dass Robin SO reagieren würde.
Aber naja wie gesagt, schön^^
Von:  Rukia-sama
2009-03-30T20:55:48+00:00 30.03.2009 22:55
Schön^^
Wirklich muss ich sagen.
Obwohl ich nicht glaube, dass Robin SO reagieren würde.
Aber naja wie gesagt, schön^^
Von: abgemeldet
2008-03-29T21:03:53+00:00 29.03.2008 22:03
*SNIEEEEEEEEEEEEF* das war schön. Ich fand die Story echt toll. *sich umschau* Komisch das so wenige n Kommi da gelassen haben,,,. Ich fand das einfach nur HAMMA, ich finde den Vergleich super, süß finde ich das auch mit Riffy.

Genial: deine gupi *knuddel*
Von: abgemeldet
2008-03-17T12:11:39+00:00 17.03.2008 13:11
*schniiiiiiiiiiiiief* Das ist eine der tollsten Geschichten, die ich je gelesen hab.Und du kannst mir glauben,dass ich schon viel gelesen hab! Ein gaaaaanz dickes Lob an dich! Echt jetzt!*Träne wegwisch*
Mach weiter so =^o^=
Von:  PurplePassion
2007-12-14T16:12:43+00:00 14.12.2007 17:12
*heul* OMG! Das war sooooooo schön!!!! T___T Gott, ich kann mir das sooo gut vorstellen! Die "zweite" Geschichte die du mit rein gebracht hast, die mit der Puppe, ist ebenfalls total schön. Das ist einfach so was wie ihre (Robins) eigene Geschichte. :) Hm, das Ende hat mich ein bisschen irritiert, ich konnte nicht sehr viel Zusammenhang finden, allerdings ist es für sich total schön geworden!
Man ey, wie süß! Robin heult sich total aus! Und Zorro...oh! Wie süß, er umarmt sie und die flennt in seinen Armen so süß weiter! (Kurz: Deine OS war soo süß xD) Die Szene kann ich mir am besten vorstellen! ^^ Man, zwar hast du einige Grammatik-Fehler und so, aber dein Vokabular ist echt anschaulich und weit ausgedehnt! ^^ Toll!
Mehr von biddö! ^^

_punky_
Von:  _Natsumi_Ann_
2007-12-07T12:49:24+00:00 07.12.2007 13:49
also die idee mit der Puppe war sehr gelungen.
Aber das Robin so austickt passt nicht zu ihr und das sie Zoro ´fragt warum liebst du mich nicht, auch nicht.
Und von Zorop hätte ich danna uch was mehr erwartet ers doch snst nicht so agressiv? also aktiv. mh etwas OOC halt.

Aber die Idee war halt sehr gut, hat mir sehr gut gefallen.
Und am ende der satz war sehr süß.
"Denn sie wurde geliebt."

Nur das mit Ruffy hab ich nicht gerafft oO

Greez <3
Von:  Silja
2007-11-22T17:31:21+00:00 22.11.2007 18:31
T___________T
*nicht mehr aufhören kann zuheulen*
*keine Worte findet*
*rumschnief*
*plötzlich losbrüll*
DAS IST DER BESTE OS DEN ICH JEMALS GELESEN HABE!!!!!!!!!!!!!!!!
TATI ICH LIEBE DICH DAFÜR!!!!!!
UND WEHE DU SAGST NOCH EINMAL DASS ICH DEIN MEISTER BIN
*mich vor dir auf die knie werf*
Tati-sama lass mich deine Schülerin sein, denn ich bin nur ein winziger Funke gegen dein helles Licht von Talent!!!!!!!
*nicht mehr sagen kann*die idee einfach nur total genial finde*
*auf dich zustürm und dich fast zu tode knuff*
DAAAAAAAAAAAANNNNNNNNNNNNNNKKKKKKKKKKKKKKKKEEEEEEEEEEEEEE!!!!!!!!!!
Von: abgemeldet
2007-11-18T21:22:12+00:00 18.11.2007 22:22
aaah das ist vielleicht toll gewesen, richtig schön :)
der vergleich mit der puppe war wirklich perfekt. und die geschichte selbst fand ich echt ein bisschen traurig...ich konnte mir das richtig gut vorstellen *sniff*
und dann die strohhüte als familie... ^^ echt süß...


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