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Filth

[Fortsetzung zu "Wie früher..."]
von

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Vielen Dank für eure Kommentare! ^___^
 


 


 

„Versuch einfach, nicht dran zu denken...“, flüsterst du mir ins Ohr und hältst meinen Kopf fest an deine Brust. Ich kann deinen Herzschlag hören. So schnell... aber trotzdem gleichmäßig. Das Geräusch ist schön. Beinahe hätte ich es zum stoppen gebracht. Aber das ist vorbei. Du sagst ja, ich soll nicht dran denken. Trotzdem müssen wir doch jetzt etwas machen? Oder können wir uns einfach für immer hier verkriechen? Darf ich mich in deine Umarmung flüchten und nie wieder herauskommen?
 

„Die haben garkeine Beweise.“, sagst du und es hört sich einfach nur so logisch an, so völlig klar. Wie könntest du auch nicht Recht haben? „Sie werden auch keine bekommen, Daidai, niemals. Du wirst schon sehen, in ein paar Tagen haben die Leute das wieder vergessen. Und spätestens wenn wir eine neue Single rausbringen, werden sie nichtmal mehr wagen an diese Sache zu denken.“ Es wäre so schön. Ich möchte nur daran glauben, alles andere wäre zu grausam. „Ich werde dich beschützen, hörst du? Egal, was kommt.“
 

Ich kann nur ungläubig den Kopf schütteln, schluchze ungehalten auf. Wieder diese Schwäche und ich kann sie einfach nicht aufhalten. „Wieso?“ Du kannst mich doch nicht beschützen, Kyo, du solltest mich ihnen ausliefern, ihnen alles sagen, es wäre so einfach. Jeder würde verstehen. Aber das was du jetzt tust, kann niemand verstehen. Am allerwenigsten ich selbst. Wie ich dich kenne, verstehst du es auch nicht.
 

„Weil ich will, dass es dir gut geht.“, gibst du zurück, gibst mir einen Kuss auf die Stirn, dann stehst du auf, schenkst mir ein aufmunterndes Lächeln. „Komm. Wir müssen mit den anderen darüber reden, was wir jetzt machen.“ Ich zwinge mich zu einem schwachen Nicken und folge dir zurück in die Küche. Meine Knie sind noch ganz weich. Irgendwie fühle ich mich garnicht gut, völlig schwach, als könne ich kaum noch meine eigene Hand heben. Bei jedem Schritt verschwimmt mir kurz die Sicht und ich habe ein paar Mal fast das Gefühl nach hinten umzukippen. Sicher schaffe ich es schließlich wieder auf meinen Platz, während du bereits das Telefon in der Hand hast und immernoch mit ruhiger Stimme auf Kaoru einredest. Ich bekomme kein einziges Wort mit. So sehr ich mich auch bemühe meine Aufmerksamkeit auf die Realität zu lenken, kann ich einfach nicht aus meiner Gedankenwelt ausbrechen, die Fragen und Ängste und Zweifel, die gerade einfach wieder die Überhand nehmen sind zu stark gegen meinen Willen. Meinen schwachen Willen.
 

Dein Gesicht taucht wieder vor meinem Blickfeld auf. „Wir treffen uns gleich. Kao ist total am durchdrehen, aber immerhin ist er jetzt wieder der Alte.“ Du grinst, auch wenn es nur sehr halbherzig ist. Wir machen uns fertig, um das Haus zu verlassen. Alle Bewegungsabläufe funktionieren ganz automatisch, nur wenige Augenblicke nach einer Handlung kann ich mich aber schon kaum noch an sie erinnern. Ein paar mal drifte ich so sehr weg, dass du mich erst wieder 'wecken' musst, mich daran erinnerst, was ich gerade am tun sein sollte. Irgendwann schaffen wir es dann aber doch, stehen gestriegelt und gestiefelt unten an der Haustür. In mir breitet sich ein ganz schlechtes Gefühl aus. Etwas sagt mir, dass wir nicht da raus gehen sollten, aber in meiner Ohnmacht schaffe ich es nichtmal dir das zu sagen.
 

Du greifst nach der Türklinke. Drückst sie runter. Sie schwingt lautlos auf. Alles wird still. Da sind Menschen. Ganz viele Menschen, deren Münder sich öffnen und schließen, aber kein Ton kommt über ihre Lippen. Dann sind da helle Lichter, die ganz schnell erscheinen und ebenso schnell wieder verschwinden. Meine Augen tun weh. Das muss unbedingt aufhören! Mach, dass es aufhört! Sie kommen immer näher, diese Leute, sie starren uns an und heben ihre schwarzen Kameras und...
 

Es hört auf. Du schlägst die Tür mit voller Wucht zu und endlich höre ich wieder etwas. Du lehnst an der Tür, vergräbst das Gesicht in deinen Händen und atmest schwer. Ich brauche ein paar Minuten um überhaupt zu verstehen, was da gerade passiert ist. „Woher wissen die, wo ich wohne?“, sage ich mehr zu mir selbst, als dass ich die Frage an jemand bestimmtes stelle. Natürlich, Hana...
 

Nach ein paar Minuten – oder waren es nur Augenblicke? - raffst du dich auf, machst dich wieder auf den Weg nach oben zu meiner Wohnung. Weil mir nichts besseres einfällt und ich ungern allein sein will, besonders mit dieser Horde vor der Tür – meine Nachbarn werden sich freuen – folge ich dir. Ich weiß nicht was ich sagen oder tun soll, die Situation überfordert mich völlig. Du bist mein einziger Halt, mein Anker, damit ich nicht verloren gehe... wenn ich das nicht schon lange bin. Hoffentlich bist du es nicht auch, sonst werden wir noch beide fortgeschwemmt, ohne Hoffnung auf Rettung.
 

Oben rufst du sofort wieder Kao an. Er ist der einzige, der vielleicht wissen könnte, was wir tun sollen. Wieder folge ich dem Gespräch nicht, versuche stattdessen meine Gefühle und Gedanken wieder in eine halbwegs logische Reihenfolge zu bringen, sofern das überhaupt noch möglich ist.

„Wir warten.“ Du hast aufgelegt und stehst jetzt vor mir. Irgendwie ist dein Blick abwesend. Es bewirkt bei mir eine Art déja-vu, aber ich kann nicht so genau sagen, auf was genau sich das bezieht. „Irgendwann müssen die ja mal verschwinden. Kao redet mal mit dem Management.“ Dann drehst du dich um und gehst ins Schlafzimmer. Am liebsten würde ich dir folgen, aber ich traue meinen eigenen Beinen nicht mehr und davon abgesehen kenne ich diese Stimmung in der du gerade bist. Dann willst du lieber allein sein, also lasse ich dich allein.
 

Aber mein Leben gerät gerade aus der Bahn und das sollte es nicht. Es sollte alles nach Plan laufen, ohne Probleme und ohne Unsicherheiten und alles sollte wieder zur Normalität zurückkehren. Stattdessen wird es noch schlimmer fast, als es jemals war, denn ich kann nicht umhin mir vorzustellen, was jetzt alles passieren wird, wie die Presse uns alle durch den Fleischwolf ziehen wird, und es wird bestimmt rauskommen, dass das alles wahr ist und dass die Geschichte, die letztes Jahr verbreitet wurde, eine reine Lüge war.
 

Wenigstens schaffe ich es um Hilfe zu bitten. Mit zitternden Fingern wähle ich Akiras Nummer. Es scheint eine Ewigkeit zu dauern bis er antwortet, aber dann weiß ich plötzlich nichtmehr was ich sagen soll und lege schnell wieder auf. Ich kann das nicht. Ich kann es nichtmehr. Ich halte es einfach nicht aus, will mich plötzlich nur noch in deine Arme flüchten. Du bist der einzige, der mir jetzt helfen kann, auch wenn es mir sogar bei dir schwer fällt um diese Hilfe zu bitten. Bei Akira kann ich es jetzt nicht mehr. Darüberhinaus müsste ich ihm wohl auch erzählen, was wieder zwischen uns geschieht und das kann ich einfach nicht tun.
 

Mit vorsichtigen Schritten nähere ich mich dem Schlafzimmer, möchte dich irgendwie nicht stören und vergesse dabei ganz, dass das hier eigentlich meine Wohnung ist und ich hingehen kann, wo ich will. Wieder eine Tür, die sich lautlos öffnet. Aber das Zimmer ist leer und von dir ist keine Spur. Außer auf dem Bett, wo ein kleines Notizbuch liegt. Aufgeschlagen und daneben ein Stift. Ich kann meine Neugier nicht im Schach halten und setze mich hin, nehme das Buch in die Hand. Auf den ersten Blick sind über der ganzen Seite nur ein paar zusammenhangslose Fetzen geschrieben in deiner unnachahmlichen Schrift und für jemanden, der sie nicht schon kennt, wohl nur schwer leserlich.
 

Living a nightmare with no escape... every minute, every hour with no escape...

Only one way out – feeling the pain – seeing the blood – taking a knife in hand – slicing through skin

white... beautiful... skin... tinted in red... dirty...

and suddenly the nightmare ends

the world disappears...

being everything you want to be, everything you never dared to dream of.

Found your escape and never wanna come back...

...Return to the nightmare... can't stop, can't control...

Back in the life with no escape...

Red tears drying on white skin but no matter what you do, the dirt never ever goes away...
 

Auch wenn diese Worte wohl eine andere Wirkung auf mich haben sollten, lassen sie in mir eine Ruhe einkehren, die nicht mehr normal ist. Es ist ein Gefühl, als wäre ich in der Zeit zurückversetzt und das hier wäre nur wieder einer deiner unzähligen, im Anfangsstadium noch bruchstückhaften Texte, der eines Tages zu einem ausgearbeiteten, schmerzvollen Song werden würde. Ich sehe uns schon auf der Bühne stehen und spielen. Das Publikum völlig still um nicht einen Ton zu verpassen, die Drums langsam und gleichmäßig im Hintergrund, dann der Bass und schließlich setzen die Gitarren ein. Als letztes kommst du. Die Scheinwerfer richten sich in blendender Helligkeit auf dich und du öffnest deine Lippen und die erste Töne kommen hervor. Ich kann es so deutlich sehen, als wäre ich wirklich gerade dort.

Irgendwann schaffe ich es, mich aus meiner Trance zu lösen, weiß genau, wo ich dich jetzt finden werde. Die Worte sind Hinweis genug. Angst vor dem, was ich sehen werde, ergreift mich, aber sie hindert mich nicht daran ins Bad zu gehen. Eigentlich kenne ich den Anblick doch schon zur Genüge. Du sitzt genau dort, wo ich vorhin noch gesessen habe und dein Blick ist auf mich gerichtet, während du die Klinge noch einmal über dein nacktes Bein ziehst. Du scheinst noch garnicht so richtig zu realisieren, dass ich hier stehe. Dein ganzer linker Oberschenkel ist blutig. Lange, dünne Schnitte ziehen sich in einem willkürlichen Zickzackmuster über die Haut. Das Blut perlt hervor, dunkelrot schimmernd im Licht, das durch das Milchglas des Fensters dringt. Ein paar vereinzelte Tropfen haben schon den Boden getroffen. Auf den Fliesen vor dir liegen die restlichen Überbleibsel der Einweg-Rasierers, das Plastik in kleine Teile zerbrochen, zwei weitere, glänzende Klingen irgendwo dazwischen.
 

„Found my escape... I never wanna come back...“, murmelst du leise, dein Blick unfokussiert. Ich weiß nicht was ich dazu sagen soll und gehe stattdessen nur zu dir rüber und nehme dir die Klinge aus der Hand. Du wehrst dich nicht, versuchst nicht, mich aufzuhalten. Es ist das erste Mal, dass ich dich wirklich dabei sehe, wie du dich verletzt, aber ich kann nichts dabei fühlen. Vielleicht würde es mich sonst auch einfach überwältigen und das kann ich jetzt nicht zulassen.
 

Ich tupfe das Blut mit einem Handtuch ab und will aufstehen um irgendetwas zum Verbinden zu holen, als du meine Hand festhältst. „Das hört schon von allein auf...“, sagst du ruhig, ziehst mich näher zu dir, sodass mir nichts anderes bleibt, als mich neben dich zu setzen. Du legst deinen Kopf auf meine Beine und schließt die Augen. Ein Blutstropfen fällt auf dein anderes Bein und hinterlässt eine Spur, als er langsam daran hinabrinnt.

„Red tears drying on white skin...“, wiederhole ich langsam und schließe auch die Augen. Es war einfach zu viel Aufregung für diesen Morgen...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Nana_Red
2013-08-25T22:37:17+00:00 26.08.2013 00:37
So traurig >____<
Warum können diese Papparazzi die Beiden nicht in Ruhe lassen! *sauer*
Aber mich würde wirklich interessieren, wie es weiter geht!
Ich hoffe ja immer noch, dass es ein gutes Ende für die Kyo und Die gibt!
Schreib bitte weiter!
Von:  Cookie-Hunter
2011-10-11T17:18:57+00:00 11.10.2011 19:18
Oh ha... ich weiß ja, dass Papparazzi und Klatschreporter sehr schnell sind, wenn sie eine heiße Spur aufgenommen haben, aber das ging wirklich ein wenig sehr fix o.O
Aber die Schlagzeile von morgen kann ich mir schon vorstellen, immerhin haben sie Die und Kyo ja zusammen in einem Haus gesehen...
Der Text in dem Notizbuch ist unheimlich traurig und passt wunderbar zu der Situation. Gut gemacht.
Aber die Reaktion der beiden... Bei Kyo hat man es sich irgendwo denken können. Dies ruhige Art darauf zu reagieren, kam für mich schon etwas überraschend, aber sie ist nachvollziehnbar, da er ich ja selbst gerade so leer fühlt.
Sie tun mir alle beide so unheimlich Leid. Immerhin schien es ihnen ja gut zu gehen, nach allem, was sie durchgemacht haben. Aber das war wohl auch zu gut. Das Leben hasst es, wenn etwas zu lange gut läuft >.<
Wie sie sich da wieder aus der Affäre retten, will ich jetzt wissen. Da muss schließlich schon irgendwas kommen, was die Aasgeier von der Presse wieder beruhigt...


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