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Bleibt alles anders

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von

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VI. Kapitel

George war sich nicht sicher, warum er das Tagebuch mitgenommen hatte. Ihm würde ja doch der Mut fehlen, es zu öffnen. Und er wusste auch nicht so genau, warum er jetzt nach Feierabend durch Kälte, Dunkelheit und Schnee stapfte, um zu dem kleinen Friedhof zu gelangen, der um das wiedererrichtete Grabmal Albus Dumbledores eingerichtet worden war und wo die Gefallenen der Schlacht um Hogwarts ruhten. Okay, er wollte Fred besuchen, denn das hatte er in den letzten Monaten vernachlässigt, einfach, weil es zu weh tat. Er wusste jedoch nicht, was er bei dem Grab zu finden hoffte.

Der Weg schien endlos zu sein und war doch viel zu schnell vorüber. Er öffnete das kleine Holztörchen, das in die blattlose, schneebedeckte niedrige Hecke eingelassen war, die dieses Gebiet umgrenzte. Still schritt er an den Grabsteinen vorüber, vorbei an Tonks und Lupin, vorbei an dem Gedenkstein, der auch an diejenigen erinnerte, die nicht hier begraben waren, aber ebenfalls von Voldemort und seinen Schergen getötet worden waren, hinüber zu einem einfachen Stein, der sich dunkel aus dem Weiß hervorhob und vor dem bunte Weihnachtssterne emporragten. Ginny hatte ihren großen Bruder wohl vor nicht allzu langer Zeit besucht.

George blieb stumm stehen und starrte auf den Namen. Er las ihn wieder und wieder, als wenn dadurch alles realer und greifbarer werden würde. Das wurde es aber nicht.

Es begann langsam wieder zu schneien. Der erste Schnee, der dieses Jahr auf ihn herunterfiel, doch George bemerkte ihn gar nicht richtig. Weiche Flocken legten sich auf seinen roten Haarschopf, seinen dunklen Mantel und die bunten Weihnachtssternblätter. Kalte Feuchtigkeit strich über seine Wangen und wich allmählich warmer.

„Du Idiot...“, flüsterte er rau. „Warum hast du mir nichts gesagt? Warum?“

Doch der kalte Stein gab ihm keine Antwort, konnte ihm gar keine geben. Doch das kleine magische Bündel Papier in seiner Tasche konnte es...

Mit vor Kälte und Anspannung zitternden Fingern öffnete er das Buch und schlug es diesmal nicht direkt nach der Begrüßung zu.

„Hi George“, ertönte Freds Stimme und ließ seinen Bruder erschaudern. Er fühlte sich noch einmal mehr entzweigerissen und an seinen Verlust auf eine derart brutale Art und Weise erinnert, dass es ihm den Atem raubte. Langsam sackte er auf die Knie und lauschte Freds Stimme. Der Stimme, nach der er sich so sehr gesehnt hatte...

„Irgendwie ist alles anders gelaufen, als ich wollte. Ich wollte dich mit dieser Erfindung überraschen – sprechende Bücher, das ist doch eine geniale Erfindung für den Laden! Aber irgendwie... ist alles anders geworden. Viel zu anders...“ Die Stimme stockte und verhallte in der Nacht. Es blieb eine ganze Weile still, ehe sie schleppend weitersprach. „Man kann nicht vorhersehen, was geschieht und ich wünschte, ich hätte mit dir reden können. Aber ich wusste nicht wie. Du bist mein zweites Ich, vor dir Geheimnisse zu haben, das tut so weh, dass es mir den Verstand raubt, dass es mir mein Lachen nimmt – und du weißt, wie gerne ich doch lache.“ George schluchzte leise auf und presste die kalte Hand vor die Augen.

„Warum hast du es dann getan?“, keuchte er leise und musste husten. Die kalte Luft brannte in seinem Hals und er zog fröstelnd die Jacke enger.

„Doch es war ein Geheimnis... Es musste ein Geheimnis bleiben... Ich hatte gehofft, dass es nach unserem Schulabgang gehen würde, dass es besser würde, aber... dann zeigte sich der Krieg am Horizont und mit Voldemorts Rückkehr hat alles neue Dimensionen gewonnen. Noch mehr Schweigen, noch mehr Geheimnisse...“ Freds Stimme bebte und er schien zumindest zu wissen, worüber er sprach, doch George hatte nicht den leisesten Schimmer. Es waren Rätsel, nichts als Rätsel!

„Was denn?“, flüsterte er heiser, um dann zu schreien. „Was ist denn so sehr ein Geheimnis gewesen? WAS?“

Fred blieb davon ungerührt. Wie auch nicht, denn das war nur eine gespeicherte Erinnerung, seine gespeicherte Stimme, wie bei diesen Muggeltonbandgeräten, von denen ihr Vater mal so ausgiebig geschwärmt hatte...

„Weißt du, George... Ich habe mich verliebt. Es klingt komisch, dass das die Ursache und der Grund für alles ist, nicht wahr? Sicher denkst du jetzt, dass ich mit dir hätte reden können. Über alles, aber...“

„Natürlich hättest du das...“, murmelte der Rotschopf bitter und stupste einige freche Schneeflocken von einem blauen Weihnachtsstern. „Das konntest du immer.“

„Aber es war... zu gefährlich. Er hatte mich darum gebeten... Weil er Sorge hatte... Vielleicht auch Angst, dass du eifersüchtig bist...“

„Wer denn? Wer denn?“ Schwach kamen die Worte über Georges Lippen und er starrte auf die Seiten des Tagesbuchs hinab, die nur Belanglosigkeiten enthielten. Anfänge von Schulaufsätzen, Hausaufgaben... Wichtig waren nur die gesprochenen Worte.

„Du kannst dir sicher denken, dass die Liebe erwidert wird, wenn er schon...“ Fred brach erneut ab und brauchte offensichtlich Zeit, seine Gedanken zu sortieren. Zu reden war nicht so einfach, wie Sätze auf Papier zu formulieren. Und George musste sich wirklich in Geduld üben. So kannte er seinen Bruder auch nicht. So unruhig, so nervös, so... ängstlich. Als wenn er Angst gehabt hätte, dass er ihn nicht verstehen würde, dass...

Nun, er gab Fred Schuld. Und er war definitiv wütend auf ihn, aber... er würde ihm verzeihen. Er würde ihm doch letzten Endes alles verzeihen.

George seufzte tief. „Na los doch... Vor mir brauchst du wirklich keine Angst zu haben.“ Sein Blick richtete sich auf den Grabstein und ein schwaches Lächeln huschte über seine bläulichen Lippen. Dass seine Zähne mittlerweile klapperten, merkte er gar nicht.

„Ich... Es ist Snape. Severus Snape.“

George erstarrte. Das war... Snape? Fred und... Snape??? Fassungslos ließ er die Worte immer wieder in seinen Gedanken rotieren und hörte gar nicht richtig zu, während Fred von dem Augenblick des Begreifens, des Schwärmens, des Zusammenkommens erzählte. Er war fassungslos. Schlichtweg fassungslos. Es war...

„Erzähl noch mal, aber langsam“, bat er leise und das Buch wiederholte gehorsam die vorherigen Absätze.

Ein Lehrer und ein Schüler. Allein das war doch... Es hatte in ihrem letzten Schuljahr begonnen, als sie Umbridge terrorisiert hatten. Snape hatte Fred erwischt und sich auf ihre Seite gestellt, ihm Informationen zugespielt... Snape hatte darauf bestanden, dass George es nicht erfuhr, Fred hatte sich darauf eingelassen, weil diese Hilfe ihnen mehr als willkommen gewesen war. Irgendwie... hatte sich mehr entwickelt, mehr ergeben. George erinnerte sich noch sehr genau, dass er nie herausbekommen hatte, woher Fred seine Informationen immer gehabt hatte. Sie waren einfach da gewesen. Doch jetzt machte es Sinn...

George schüttelte den Kopf und Schneeflocken rutschten aus seinen Haaren, nutzten eine Lücke an seinem Schal und glitten auf die warme Haut seines Nackens.

So wirklich konnte er es nicht begreifen. Es war... unfassbar.

Aber er verstand Freds Verhalten. In der Schule durfte es nicht rauskommen, weil das für Snape das Ende bedeutet hätte. Und später... in diesem Kampf hatten sie offiziell auf unterschiedlichen Seiten gestanden. Wie hätte man da zueinander stehen können?

Und dennoch... Er hätte sich gewünscht, es eher zu erfahren. Es... von Fred wirklich direkt von Angesicht zu Angesicht zu hören. Es tat weh, dass er dieses Vertrauen nicht wert gewesen war. Dass Fred sich lieber Snapes Wünschen gefügt hatte – den Wünschen eines Menschen, der ihn nicht so gut kannte wie sein Zwilling! –, als auf ihre ganz spezielle Beziehung zu vertrauen. Dass sie beide an beiden Geschlechtern interessiert waren, hatten sie doch auch voneinander gewusst. Gut, George hätte garantiert Witze gerissen und Fred aufgezogen, aber er hätte ihn doch niemals verraten oder ernstlich in Schwierigkeiten gebracht oder gehasst oder von sich gestoßen oder...

„Etwas mehr Vertrauen wäre schön gewesen“, murmelte er schwach und berührte mit den Fingerspitzen den kalten Stein. Sachte schob er den Schnee aus den Vertiefungen des Namenreliefs. Es tat weh. Ja, es tat verdammt noch mal weh...

Und er hatte keine Ahnung, wie er von nun an mit dem Mann umgehen sollte, mit dem er gerade unter einem Dach lebte. Er war zornig auf ihn. Weil er genau das getan hatte, was nicht hätte sein sollen: Er hatte ihm Fred weggenommen. Wenigstens ein Stück weit.

Matt stand er auf und schlug mit eisigen Händen den Schnee von seiner Hose. Seine Finger taten schmerzlich weh, als er das Buch zuschlug und es wieder in seiner Jackentasche verstaute.

Müde, durchgefroren und voller Gedanken machte er sich zurück auf den Weg Richtung Hogsmeade. Von Hogwarts aus konnte man ja bekanntlich nicht apparieren...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2015-08-18T13:05:14+00:00 18.08.2015 15:05
Tolles Kapitel.^^
War sehr schön geschrieben^^

Lg^^
Von: abgemeldet
2008-01-03T13:18:03+00:00 03.01.2008 14:18
o.o *sprachlos*
...
Okay, das hätte ich nun wirklich nicht erwartet, das kam mir nicht mal in den Sinn das da etwas zwischen den beiden gewesen wäre xD aber...trotzdem cool! Da bin ich ja gespannt, ob Snape etwas zu seiner Verteidigung sagen wird^^

mfg Icecuby


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