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Yina und Feoan

Der Fluch
von

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Angriff

Angriff
 

Mit dem Geklapper, welches von weit her an mein Ohr drang, kamen auch die Sorgen und Gedanken an den Fluch und die Zauberer zurück. In diesem Moment wünschte ich mir, wie die Vögel, die über mir am Himmel ihre Kreise zogen, auch einfach davon fliegen zu können. Weit weg von den Zauberern, Feoan, Jyn, meinem Bruder, von Eneil und weg von ganz Alareiy weit über das Meer nach Osten. Was befand sich wohl hinter dem grauen Nebel, der sich über dem Meer im Osten bildete und in dem schon viele Schiffe verschwunden waren? Ich seufzte laut. Ganz egal, was es war, ich würde es nie wissen, denn ich war gefangen – in einem Käfig errichtete aus Angst.
 

Ich zog meinen Umhang fester um meine kalten Schultern und beobachtete, wie Feyn mit einer Truppe von ungefähr fünfzig Mann, näher kam. Mein Bruder winkte mir zu und ich lächelte zaghaft zurück. Er war schon immer eine Frohnatur gewesen, seit ich ihn kannte. Wenn ich als kleines Kind hingefallen und mir wehgetan hatte, war es oft seine Hand gewesen, die mir aufgeholfen und über meinen Kopf gestreichelt hatte. Seine wohltuende Stimme hatte mir abends alte Elfenlieder von längst vergessenen Königreichen und von den Schlachten der Zwerge von Kémen erzählt. Nach seinen Geschichten hatte ich oft geglaubt, in dem großen Garten, der an den Palast grenzte, kleine Feen im Licht des Mondes tanzen zu sehen. Ich glaubte, ihre zarten, glockenhellen Stimmen hören zu können, wie sie wunderschöne Gesänge in die kühle Abendluft hauchten, die bis zu mir in mein Zimmer drangen. Ja, so sehr hatte seine Stimme Bilder in meinen Kopf schaffen können – auch als meine Mutter gestorben war, hatte sie mich getröstet, die warme Stimme, voller Liebe und Freundlichkeit. Ich liebte ihn dafür, mehr als alles andere auf der Welt; und ich liebte viele Dinge.
 

Schließlich war Feyn bei mir angekommen und drückte mir die Zügel seines Pferdes in die Hand. Einen Moment, lächelte er mich nur an, dann verzog er verwundert die Augenbrauen.
 

„Wo ist dein Pferd?“, fragte er mich, seine Stimme so zart und schön, wie eh und je. Ich nickte nur mit dem Kopf zum Adler und er verstand. Ich glaube, es ist ihm nie schwer gefallen mich zu verstehen und zu wissen was mit mir los war, denn ich hatte ihn in mein Herz schauen lassen und ihn darin eingeschlossen, wie die grünen Blätter einer Knospe, die Blüte einer Pflanze einschließen und sie schützen. „Das macht jetzt nichts, wir holen es später. Wir müssen aufbrechen, ehe es zu dunkel wird. Los, steig auf.“
 

Ich tat, um was er mich gebeten hatte und setzte mich vor ihm auf den Sattel. Mit einer einzigen, kurzen Armbewegung, bedeutete Feyn der gesamten Truppe, sich auf den Weg zu machen. Langsam setzten sich die Tiere mit ihren Reitern in Bewegung, wie eine zähe Masse Lava, die von einem Vulkan hinunterfloss, und folgten der Straße hinaus aus der Stadt. Es war sehr still, nur in der ferne hörte ich ein Käuzchen leise schreien. Es klang unheimlich, und obwohl ich mich in einer Gruppe von fünfzig Mann befand, erschauderte ich und es überlief mich eiskalt. Feyn spürte es, als wäre er durch einen seidenen Faden mit mir und meinen Gefühlen und Gedanken verbunden, und strich mir mit der freien Hand über den Kopf. Sofort fühlte ich mich besser, es war fast so, als würde er mit seiner Berührung einen Teil meiner Angst auf sich herüber ziehen und mich entladen. Je mehr er mich berührte und liebkoste, desto ruhiger wurde ich. Fast schon entspannt lehnte ich mich zurück und schloss die Augen für einen Moment. Der Wind strich mit seiner Hand über meine Wange und trug den Geruch reifer Äpfel mit sich. Ruhig trabte das Pferd vorwärts und trug uns eine lange Strecke durch den Wald, bis mein Bruder es zügelte und es bat, nun vorsichtiger zu sein. Wir näherten uns der Lichtung und ich konnte lautes Lachen und Gegröle hören, welches mich wieder aus meiner Art Trance riss. Ich öffnete erschrocken die Augen und setzte mich im Sattel gerade auf. Einige von Feyns Männern waren schon von ihren Pferden gesprungen und hatten ihre Waffen griffbereit. Auch Tayin schnallte seinen Bogen vom Rücken und sah so gespannt aus, wie die dünne Sehne seiner Waffe. Zitternd rutschte ich von dem starken Tier, welches uns bis hier her sicher getragen hatte. Jetzt war ich auf mich allein gestellt, denn wenn es zum Kampf kam, dann konnte ich nicht sehr viel tun. Da ich aus höherem Hause stammte und eine Frau war, hatte mir niemand den Umgang mit Schwertern beigebracht. Im Nahkampf war ich also keine große Hilfe. Mit Pfeil und Bogen konnte ich gut umgehen, weil Tayin es mir beigebracht hatte, wenn mein Vater und meine Mutter vereist waren. Er meinte, es sei besser wenn ich eine Waffe beherrschen würde, da selbst mir, als Prinzessin, etwas passieren könne. Er hatte Recht behalten. Doch nun war kein Bogen da, den ich hätte führen können und so suchte ich Schutz hinter meinem Bruder und meinem Vetter. Ich betete, es möge nicht zum Kampf kommen, denn eine gewalttätige Auseinandersetzung würde nur noch mehr Hass auf beiden Seiten schüren. Ich wollte mit den Zauberern sprechen, auch wenn mein Hass auf sie unendlich groß war und nur noch mehr gewachsen war, als sie Jyn benutzt hatten um mich in die Finger zu bekommen. Wegen mir durfte niemand zu Schaden kommen, ich würde mir das niemals verzeihen!
 

Wir schlichen uns an, das Licht wurde heller. Die Zauberer saßen um große Feuer die sie auf kahlen Erdstellen, die von Steinen umrundet waren, angezündet hatten. Einige torkelten betrunken von einer Feuerstelle zur anderen, einige erzählten und wieder andere vergnügten sich mit jungen Zauberinnen, die sich aus ihren Städten mit auf die Reise genommen hatten. Es wunderte mich nicht, dass hier auch Frauen anwesend waren. Bei dem Volk der Zauberer hatten Frauen die selben Rechte, wie Männer, führten Kriege und waren Anführer einzelner Gruppen. Diese hier sahen jedoch nicht wie Kriegerinnen, sondern eher wie kleine Mädchen aus, da sie dünne und bunte Seidenkleider trugen, die im Winde flatterten. Ihnen schien nicht kalt zu sein, das Feuer wärmte sie. Sie lachten und kicherten unbeschwert und glücklich, als würden sie nicht wissen, dass Krieg herrschte.
 

Lauschend versteckten wir uns hinter den Bäumen und warteten auf einen günstigen Augenblick um uns zu zeigen, als mich plötzlich ein junger Elf, Nacon sein Name, von der Seite anstieß und auf etwas deutete, dass sich etwas außerhalb der Lichtung befand. Ich folgte mit den Augen seinem Arm und erblickte eine kleine Gruppe von Zauberern, die sich über etwas kleines, weißes beugten, das sich am Boden befand. Mir stockte der Atem. Es war Jyn – sie hatten ihn wieder in ihren Händen! Mit rasendem Herzen beobachtete ich, wie sie den weißen Kater zu Boden drückten um ihm wieder dieses seltsame Band um den Hals zu legen. Jyn fauchte und schlug um sich, verwandelte sich erst in einen Elf, dann blitzschnell wieder in einen Kater, aber die Zauberer waren zu zahlreich. Schließlich hatte er seine Kräfte aufgebraucht und sie überwältigten ihn. Kurz bevor sie ihn wieder in den Käfig stecken wollten, hielt ich es nicht mehr aus. Ich stieß Tayin und Feyn an, deutete auf Jyn und flüsterte: „Gewaltfreie Auseinandersetzung hin oder her, was sie mit Jyn tun ist unverzeihlich. Alles bereit zum Angriff. Los!“
 

Einen kurzen Augenblick sahen sie mich erstaunt und erschrocken an, doch ein Blick hinüber zu Jyn ließ auch sie wütend werden. Der schnelle, hohe Pfiff den Tayin ausstieß, führte dazu, dass sich alle Elfen im nächsten Augenblick schreien auf die Lichtung und die sich darauf befindlichen Zauberer stürzten.
 

Der Überraschungseffekt brachte uns einen gewissen Vorteil, doch einige Zauberer waren noch nicht angetrunken und trugen ihre Waffen immer bei sich. Es entbrannte ein heftiger Kampf und die Zauberinnen begannen zu schreien und wie Kaninchen in den Wald zu flüchten. Niemand bemerkte mich, wie ich mich im Schatten der Bäume zu einem Zelt schlich und hineinschlüpfte. Niemand befand sich darin – welch ein Glück! – und ich fand einige Schwerter und Pfeile und auf einer Lagerstatt befand sich ein großer Langbogen. Schnell riss ich die Waffe und die Pfeile, die in einem ledernen Köcher aufbewahrt wurden, an mich und sprang wieder hinaus. Ein bärtiger Zauberer stürzte sich mir schreiend entgegen, doch ehe er sein Schwert gegen mich heben konnte, hatte ihn mein Pfeil schon durchbohrt. Mein Blick schweifte über das Schlachtfeld. Schließlich sah ich die Zauberer, die Jyns Käfig bei sich hatten. Ich hob den Bogen, legte einen Pfeil an und zielte. Die lauten Schreie verklangen, drangen nur noch dumpf an mein Ohr und ich konnte meinen Atem hören, wie er laut und tief ging, während ich die Sehne spannte. Alles schien zu verschwimmen, die Gestalten um mich herum waren nur noch flüchtige Schatten, einzig und allein der Zauberer mit Jyns Käfig in der einen und dem Schwert in der andere Hand war noch klar zu erkennen. Noch zwei endlos lang scheinende Atemzüge, dann fiel er, von meinem Pfeil tödlich getroffen, zu Boden und ließ den Käfig fallen. Sofort rannte ich los, schlug die Zauberer und ihre Speere beiseite, die sich mir in den Weg stellten und schnappte mir den Käfig mit dem weißen, leblosen Körper darin. So schnell ich konnte, lief ich zum Rand der Lichtung zurück, zögerte noch kurz, dann stellte ich den Käfig ab und stellte mich neben einen Baum, dessen Zweige weit auf die Lichtung reichten. Meine Finger fühlten die gefiederten Pfeile im Köcher und umschlossen sie kräftig, wenn ich sie herauszog. Einen Pfeil nach dem anderen holte ich heraus, legte ihn an und verschoss ihn. Die Zauberer die ich tötete konnte ich nicht zählen, dennoch prägte sich jedes Gesicht in mein Gedächtnis ein, wie ein bedeutendes Gemälde, an das man sich gern erinnert. Diese Erinnerungen jedoch, würden mich schlecht schlafen lassen, dass wusste ich – trotzdem war die Wut über die, die ich tötete größer, als mein Mitleid.

Am Ende war ein Pfeil übrig geblieben, fast verloren sah er aus, wie er da, ganz allein im Köcher lag und auf seine Benutzung wartete, die nicht erfolgen würde. Mindestens dreißig tote Zauberer lagen auf der Lichtung, von unseren Männern hatte es fünf getroffen. Die restlichen Zauberer waren geflohen und entkommen – so auch der Anführer, der mich verflucht hatte. Feyn und Tayin waren nur leicht verletzt und halfen den anderen, verletzte und tote Elfen vom Schlachtfeld zu ziehen. Sie waren umsonst gestorben. Es war alles umsonst gewesen.
 

Ich kauerte am Baumstamm der alten Eiche und weinte stumm. Sie suchten mich und riefen nach mir, doch ich konnte nicht antworten, ich konnte nur das viele Blut sehen und die Schreie hören. Nach einer Weile fand Nacon mich. Er half mir aufzustehen und fragte mich, ob ich verletzt sei. Ich schüttelte den Kopf und trocknete mein Gesicht. Feyn kam angerannt und schloss mich erleichtern in die Arme und sofort spürte ich, wie meine Tränen versiegten und mein Körper nicht mehr von Schluchzern geschüttelt wurde. Langsam beruhigte ich mich. Dann kam mir Jyn in den Sinn. Sanft drückte ich meinen Bruder von mir und ging zu dem kleinen Käfig, der etwas weiter von der Eiche entfernt lag. Ich hielt den Atem an und beugte mich über das Gestell aus Eisenstäben und holte sanft den dünnen und kraftlosen Kater heraus.



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